Theodor Mügge
Erich Randal
Theodor Mügge

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Dreizehntes Kapitel.

Zwei Tage später traf der Staatsrath Halset ein. Er saß in einer offenen Droschke nach russischer Art, war in eine goldgestickte Uniform gekleidet, hatte einen dreieckigen Federhut auf dem Kopf und einen Degen an der Seite, über den er beinahe gefallen wäre, als er durch den Vorgarten seines Hauses ging, und mit seiner gewöhnlichen Lebendigkeit nach dem Balkon hinauf grüßte und winkte, wo er Erich Randal stehen sah. Es war ein wunderlicher Anblick! Der kleine alte Herr mit seinem rothen dicken Gesicht steckte wie der Krebs in der Schale in dem hochaufstehenden Kragen des Tressenrocks und seine kurzen Beine schlotterten wie Affenbeine in den gewaltigen steifen Glanzstiefeln, die bis über seine Kniee reichten. Ein Unbefangener hätte kaum ernsthaft bleiben können und Frau von Gurschin's Spöttereien waren leicht zu begreifen, aber die Erscheinung Sam Halset's als russischer Würdenträger, mit dem Annenorden geschmückt, hatte eine furchtbare Bedeutung und Erich zweifelte nicht, daß die Stunde der Entscheidung da sei.

Er ging seinem Beschützer entgegen, der ihn umarmte und mit ermunternden Ausrufungen empfing. Nun, Freiherr Randal, rief er, Sie sehen frischer aus als jemals, weil die Sorgen fort sind, Herr, die Grillen, die Einbildungen. Wo ist Mary? Denke, daß ihr die Gesellschaft nicht weniger gut bekommen und eine Harmonie entstanden, die ihren Klang behält.

In dem Augenblicke trat Mary herein und Sam lief auf sie zu und blieb vor ihr stehen. Prächtig, Kind, prächtig! schrie er. Blühst wie eine Rose im Garten Eden und war keine Schlange daran, die dein Glück störte. – Er küßte sie auf Stirn und Wange, zog sie an sich, um ihr zu schmeicheln, und wandte sich dabei zu Erich zurück. 687 Es ist mein einziges, liebstes Gut auf Erden, Freiherr Randal, sagte er; ich bin stolz darauf; möchte es um keinen Preis verlieren. Nuh! nuh! fuhr er fort, es ist nicht damit gemeint, daß ich dich für mich allein behalten will. Der zärtlichste Vater muß seinen Schatz fortgeben, aber es muß Gewinn dabei sein, für sein eines Kind, muß er zwei wieder bekommen. Habe das heut' auch schon dem Grafen Buxthövden gesagt, denn ich bin während der Nacht zurückgekommen, Mary, blieb in der Stadt in meinem alten Comptoirhause, und war gleich früh bei dem Generalgouverneur.

Sie müssen wissen, Freiherr, fuhr er fort, daß ich fertig bin mit der Landbank; habe sie eingerichtet, denke besser, als was bis jetzt in Wiborg und anderswo darin vorhanden war. Kaufmännische Grundsätze, Handel und Geschäft, davon wissen Beamte nichts; aber Graf Buxthövden hat die richtige Einsicht, hat die Sache mir allein überlassen. Sie sind mein Mann, Staatsrath Halset, sagte er, habe das volle Vertrauen zu Ihnen und Ihrem Plan, und wie ich ihm heut' zeigte, was ich eingerichtet und die Vortheile zeigte, schrie er auf vor Freude, weil's in Petersburg gefallen wird, und gab mir sein Wort, mir auch meine Bitten zu erfüllen. Bei diesen Worten sah er Erich an, nickte ihm zu und streckte dann seine Hände aus. Es ist Christenmenschen Pflicht, lachte er, an seine Mitmenschen zu denken und wenn's möglich ist, deren Bitten zu erfüllen. Denke also, wenn Einer zu bitten hat, soll er willkommen sein.

Was ich bitte, erwiederte Erich, sollte längst schon erbeten sein; doch ist jeder Mensch abhängig von den Verhältnissen. Was vergangen, ist Ihnen zu wohl bekannt.

Nichts von der Vergangenheit, Freiherr! rief Halset, laßt uns in die Tasche greifen und alle gute Dinge nehmen, die wir darin finden.

Mit einem Worte dann, Herr Halset, fuhr Erich fort. Geben Sie mir Mary. Immer war sie mir theuer, jetzt liebe ich sie, als mein einziges Lebensglück, und sie –

Weiß es! schrie der Staatsrath, weiß Alles, Freiherr, und sage jetzt noch, wie ich damals sagte: Biete Ihnen meiner Tochter Hand, Herr Erich Randal; biete sie Ihnen mit Allem, was ich erspart habe 688 für mein einziges Kind. Biete sie Ihnen, um mit einem Schlage Glück, Frieden, Freiheit und Reichthum zu finden.

Dankbar nehme ich Ihre Güte an, sagte Erich. So glücklich wie Sie mich machen, so glücklich soll meine geliebte Mary sein.

Schlag ein, Mary! schlag ein, mein Kind! schrie Halset. Nimm ihn in deine Arme, halt ihn fest und küß ihm den Mund zu, wenn er mir widersprechen will. Ja, Herr, Sie sollen erfahren, was Sam Halset gethan. Mary's Glück ist mein Glück. Es war das einzige Mittel, Sie vom Untergang zu retten, und ich mischte den Trank zur rechten Zeit. Graf Buxthövden wird kein Kriegsgericht rufen; Alles ist vergessen, Alles vergeben. Es ist keine weitere Bedingung dabei. Ehre und Ansehen kommen von selbst. Die Landbank ist da. Der Baron von Halljala kann Geld bekommen, so viel er nöthig hat. Der alte Sam ist aber auch da und hat keine Schuldscheine mehr, aber seine Mary hat goldene Hände. Ich hab's dem Generalgouverneur gesagt, würde ihm meine Kinder in einer Stunde bringen. Sitzen heut an seiner Tafel viele edle Gäste, Adel, Geistlichkeit aus allen Landestheilen, die ihrem gnädigen Kaiser danken wollen; Propst Ridderstern sitzt auch dort, ist Bischof geworden. Beim heiligen Olaf und seinem langen Bart! er soll nicht eher aus Abo fort, bis er den Segen über euch gesprochen hat.

Ich habe vernommen, erwiederte Erich, daß eine Huldigung des Kaisers morgen hier stattfinden soll, Sie wissen jedoch, Herr Halset –

Küss' ihm den Mund zu, Mary! küss' ihn! Laß ihn keine Erwiederung machen! schrie der Staatsrath. Eine Huldigung der Stände ist es nicht, Freiherr, die wird erst folgen, wenn Friede geschlossen ist. Der Kaiser wird dann selbst nach Finnland kommen; die getreuen Herren die sich hier versammeln, wollen nur mit ihrem Eide bekräftigen, daß sie den Kaiser als ihren Herrn anerkennen und auf immer mit der alten Herrschaft gebrochen haben.

Ist das der Klugheit gemäß? fragte Erich Randal. Kann nicht das Kriegsglück sich noch wenden, Schweden zum Sieg gelangen?

Niemals wird's geschehen, Freiherr, niemals! Wir sind Beide keine Kriegsleute, aber der einfache Verstand begreifts, daß kein schwedischer Gouverneur hier wieder einzieht. Bald ist der Herbst da, dann wird die 689 Flucht angehen. Von Rußland kommen ohne Unterlaß Heerhaufen, Kriegsbedarf und Alles, was nöthig ist, um zu schlagen. Große Magazine werden aufgehäuft, damit kein Mangel entstehe; die Schweden aber haben schon jetzt nichts, können sich kaum mehr ernähren, gehen in Lumpen und Lappen. Aus Schweden kommt weder Geld, noch Nahrung, noch Kleider, noch Waffen. Laßt den Winter da sein, Herr, und seht zu, was dann geschieht. So wahr ich Sam Halset bin! kein Schwede wird dann mehr in Finnland aushalten, aber über das Eis fort werden die Russen ihren Weg finden. Von den Alandinseln nach Stockholm ist eine Reise von wenigen Tagen. Ich habe Nachricht von dort her. Ist eine ärgere Wirthschaft, als sie je gewesen. Ohne Ordnung, ohne Verstand, ohne Geld, ohne Nachdruck, wüstes Befehlen und Anordnen, sinnlos und planlos. Nichts wird gesammelt, doch vergeudet und verschwendet, was noch an Mitteln vorhanden. Die vernünftigen Männer werden verschmäht, vernünftiger Rath verfolgt. So muß ein Staat herunter kommen, dessen Fürst ein Riese zu sein glaubt und dabei ein Zwerg ist.

Ich kann nicht widersprechen, sagte Erich betrübt, aber diese kläglichen Zustände werden ein Ende nehmen. Unglaublich bleibt es, daß die europäischen Mächte jemals zugeben sollten, daß Rußland sich dauernd eines Landes bemächtigt, durch welches seine Herrschaft in der Ostsee gesichert wird.

Das heißt wie ein politischer Mann gesprochen! lachte Halset, ist aber dennoch falsch. Hat in Europa jetzt kein Anderer zu befehlen, wie Napoleon Bonaparte allein, und theilt die Welt, der große Mann, mit seinem lieben Bruder Alexander, wie der Löwe. Deutschland, Italien, Spanien und Portugal nimmt er für sich, wird also doch das Stückchen finnisches Fell für den mächtigen Herrn in Petersburg übrig lassen. Wir wollen nicht fragen, wer endlich das Beste behält; ist eine wunderbare Zeit, Freiherr Randal, nuh was geht es uns an! Wir sitzen auf keinem Thron, haben nichts zu regieren, sind bescheidene kleine Leute, sorgen nur für uns selbst. Blind aber muß der sein, der nicht zugreift und nimmt, was er bekommen kann. So steht es, Freiherr. Sie wollen Mary Halset haben?

Ja, Herr Halset, aber –

690 Kein Aber, Herr. Sie müssen einsehen, daß mein Schwiegersohn des Kaisers Feind nicht sein darf.

Das bin ich nicht. Ich kann es nicht ändern, was geschieht, allein –

Küss' ihm den Mund zu, Mary, küss' ihn! schrie Halset. Wir haben keine Zeit mehr zu bedenken, wie es besser sein könnte. Graf Buxthövden erwartet uns. Ein Regentschaftsrath wird morgen eingesetzt aus den Ständen, darin ist Platz für den Baron von Halljala und für den Staatsrath Halset. Eh!

Herr Halset, erwiederte Erich, sich so fest aufrichtend und mit einer Stimme sprechend, daß Halset ihn anhören mußte, ich bin schwer bedrängt, erkenne meine ganze Lage und kann doch nichts daran ändern. Ehre und Gewissen verbieten mir auch jetzt zu thun, was ich niemals zu thun vermochte. Ich bin ein schwedischer Freiherr, mein Vaterland kann ich nicht verrathen. Ich habe Eide geleistet, die nicht eher zu lösen sind, bis der König sagt: ich entbinde Euch davon. Dann erst kann ich dem neuen Landesherrn huldigen.

Komm hierher, Mary, sagte Halset, freundlich winkend.

Ja, Vater, antwortete sie, ohne zu zögern.

Was sagst du dazu?

Was ich Erich schon gesagt habe, versetzte sie. Er muß deinen Willen befolgen.

Recht, mein Kind, das muß er. Geh, kleide dich an, schmücke dich, aber schnell, da kommt ein Besuch. Es ist Frau von Gurschin, sie will uns begleiten.

Er führte sie bis an die Thür, kehrte dann zu Erich zurück und schüttelte ihn am Arm. Ich kann's noch nicht glauben, daß das Einsehen nicht gekommen sein sollte, rief er lachend. Wollen die Grillen austreiben, Freiherr, ist immer noch ein Rest davon zurückgeblieben. Vorwärts! vorwärts! da kommt eine Dame, die es am besten weiß, wie man leben muß, und mit diesen Worten führte er ihn der eintretenden schönen Cousine entgegen.

Frau von Gurschin schimmerte in Brillanten. Ihre ersten Worte waren an Erich gerichtet. Er hat kein hochzeitlich Kleid an! rief sie, und sieht aus, als sollte er zu Denen geworfen werden, bei denen Heulen und Zähnklappen ist. Ich habe einen vollständigen Anzug 691 meines Vaters mitgenommen, der Ihnen passen wird, Cousin Erich. Wo ist die fröhliche Braut? Geschwind, wir haben es mit Minuten zu thun. Mein Diener hat die Kleider schon abgeliefert. Sie werden dem Herrn Staatsrath, dem würdigen, trefflichen Schwiegervater, an Lieblichkeit kaum nachstehen, galanter Philosoph.

Ich werde Sie nicht begleiten, Constanze! sagte Erich.

Nicht? Ich dachte es beinahe, lachte sie. Was wollen Sie denn thun? Sie müssen uns begleiten!

Sie wissen, daß ich es nicht kann.

Weil Sie Unrecht thun würden?

Weil ich heucheln und falsch schwören müßte.

Und wie ein puritanischer Heiliger will er sich lieber foltern und kreuzigen lassen. Aber, heiliger Erich, es muß dennoch geschehen.

Es darf nicht geschehen.

Ihrer Verbrechen wegen muß es geschehen, sagte Constanze.

Ich weiß mich unschuldig.

Nicht jener Verbrechen wegen, die das Lamm zum Tiger machten, mein blutdürstiger Vetter, fuhr sie fort, sondern weil Sie zum Verbrecher gegen sich selbst werden. Mein Gott! wie kann man so schwerfällig denken. Was wird denn von Ihnen verlangt? Sie sollen uns begleiten, sollen dem Generalgouverneur sagen, daß Sie sich glücklich schätzen, bei ihm zu helfen, und ein paar dankende Worte hinzufügen.

Nein, Constanze! Ich soll in dem Dome von Abo einen Eid leisten und dafür einen Orden erhalten und ein Amt empfangen.

Seltsamer Philosoph! an solche Nebensachen denkt er, davor erschrickt er! Wonach tausend Hände sich ausstrecken, was Tausende beneiden, das macht ihm Grauen. Um wie viel weniger haben viele vortreffliche Männer oft zehn Eide geschworen und wie Viele sind bereit, es täglich zehnmal zu thun.

Wenn es ihm noch helfen könnte, wenn er Hoffnung haben könnte, daß es in Stockholm jemals vergolten würde, fiel Halset ein.

O Possen! rief die schöne Frau, was kümmert uns eure Politik und die kopflose Armseligkeit des Herrn aller Schweden. Ich weiß, daß der heilige Erich solche Dinge verachtet und daß alle Schätze Petersburg's ihm gleichgiltig sind. Doch hier kommt der einzige Grund 692 aller Gründe, der ihn vernünftig machen muß; hier kommt Mary Halset! Blicken Sie auf, Cousin Erich, was sagt Ihnen dies reizende Gesicht? Kein Wort mehr. Wenn Sie jetzt nicht bekehrt sind, so ist Alles verloren.

Geliebte Mary! sagte Erich, sanft zu ihr aufblickend. Du allein wirst mir nicht zürnen.

Halset hob seinen Arm auf, aber ehe er sprach, trat Mary zurück. Ruhig und kalt, wie in früherer Zeit, und fast mit demselben düstern Ernst blickte sie den Mann an, der im Begriff war, sie abermals seinen Ansichten von Recht und Pflicht zu opfern. Ein boshaftes Lächeln schwebte um Constanze's Lippen. Das war in der That keine besonders liebliche verführerische Braut. Ich zürne dir jetzt so wenig, sagte sie, wie dies je der Fall war; allein meines Vaters Wille ist mir heilig, und wer seine Hand von sich weist, muß erwarten, daß er damit auch alle Aussicht auf meine Hand verliert.

Mary antwortete er schmerzlich bewegt, das kam nicht aus deinem Herzen.

Ich wiederhole dir nur was du weißt, fuhr sie fort, was ich dir bestimmt erklärte. Du bist zu verständig, um nicht einzusehen, daß du meinem Vater folgen mußt. Was diese edle Frau dir sagte, ist nicht minder Wahrheit. Wähle also, der Preis bin ich!

Und nie hat die finnische Sonne einen schöneren Preis beschienen, fiel Constanze ein. Keine passendere Wahl ist für Sie möglich, Erich! Was habe ich Ihnen neulich gesagt. Wer liebt und nicht Alles seiner Liebe opfern kann, der kennt die Liebe nicht. Undankbarer! haben Sie vergessen, was Mary für Sie gethan hat?

Nie! nie! werde ich es vergessen! antwortete Erich, und seine Augen leuchteten begeistert auf. Doch entehrt vor mir selbst würde ich ihrer nicht mehr würdig sein.

Trösten Sie ihn doch darüber, Jungfrau Mary! sagte Frau von Gurschin. Sagen Sie ihm, daß er jede Vergebung zu hoffen hat.

Der Freiherr Randal muß am besten wissen, was sich für ihn schickt, versetzte Mary. Er muß wissen, was er für mich opfern kann, was ich ihm werth bin.

693 Nun, Gott tröste euch beide! rief Constanze Gurschin schwankend zwischen Spott und Ärger; ich für mein Theil würde stehen und schwören, drohen und weinen, bis er mir zu Füßen läge.

Recht, Mädchen, recht! schrie Halset. Fall ihm um den Hals, küsse ihn, herze ihn, bis er das richtige Einsehen hat.

Nein! antwortete sie mit aller Unbiegsamkeit ihres Charakters. Niemals soll er sagen, daß meine Bitten ihn entehrten. Wähle, Erich! die Stunde ist da. Mein Vater heißt dich willkommen, mein Herz gehört dir, entscheide über dich und mich!

Eine Minute lang stand Erich Randal regungslos. Langsam hob er den Kopf auf und blickte seine Geliebte an. Ihr Gesicht war so bleich wie sein eigenes Gesicht, doch keine Muskel zuckte darin, kein Schmerz, keine Freude waren darin zu erkennen, während alles Weh in ihm über sie ausströmte. Dann näherte er sich ihr und auf sein Knie sinkend, ihre Hände mit seinen Küssen bedeckend, sagte er mit leiser trauriger Stimme: Lebe wohl, Mary, es muß so sein!

Es muß so sein! antwortete sie, indem sie zurück trat. Hörst du wohl, Vater? Es muß so sein! Gottes Wille geschehe denn! Er hat es so gewollt.

Halset fing sie in seinen Armen auf. Du bleibst mein Kind, sagte er, mein liebes, gutes Kind, hast gethan, wie Sam Halset's Tochter thun muß, und bei Gottes Allmacht und diesem Himmel über uns! Du sollst es nicht bereuen. Habe hier weiter kein Wort zu sagen. Graf Buxthövden darf nicht warten.

Frau von Gurschin hatte Erich beim Arm ergriffen und ihn an ein Fenster geführt. Sie sind der größte Thor, den ich jemals sah, sagte sie ihm ins Ohr; sein Sie wenigstens jetzt vernünftig. Verbergen Sie sich! Wenn es keinen besseren Ort dazu gibt, eilen Sie sogleich in meine Wohnung und erwarten Sie mich dort.

Ich danke Ihnen, Constanze, erwiederte er, aber ich kann und will nicht fliehen.

Nun denn, so sterben Sie, wie Sie gelebt haben! rief sie zornig, indem sie sich entfernte, Sam Halset's Arm nahm, der am andern Arm seine Tochter führte, und mit ihm das Haus verließ.

694 Sterben wie ich gelebt habe, murmelte Erich, ja das bleibt mir allein noch übrig.

Er sann über Mary's Benehmen nach und wehmüthig seufzend suchte er sie zu entschuldigen. Was sollte sie thun, sagte er endlich. War es nicht edel gehandelt, daß sie mit keinem verlockenden Worte mich zu überreden suchte; hätte sie es gethan – o, mein Gott! welche Noth, welche Qualen wären über mich gekommen. Sollte sie mir beistimmen, mich beloben, was hätte es gefruchtet? Halset würde sie verdammt haben, wie er mich verdammt. Aber, fügte er leiser hinzu, nicht mit dieser Härte, dieser Kälte hätte sie von mir scheiden müssen. Hatte sie kein Wort, keinen Blick des Trostes für mich! Ist das ein Abschied! ohne Erinnerung, ohne Sehnsucht! Doch nein, so ist es nicht! fuhr er zuversichtlich fort. Gottes Segen sei mit ihr! sie hat gethan, was sie mußte. Ich war es, der entsagte, nicht sie. Lebe wohl, meine Mary, lebe wohl! Zeiten gehen und Zeiten kommen. Diese Stunde wird mich nicht aus deinem Herzen reißen! Ich werde an dich glauben, bis all mein Lieben, all mein Hoffen mit mir begraben liegen.

Nach einer Stunde war er in seinem Zimmer damit beschäftigt, seine Habseligkeiten zusammen zu packen, als heftig an die Thür gestoßen und diese geöffnet wurde.

Ein Polizeiagent trat herein, ein anderer blieb draußen stehen.

Sie suchen mich, sagte Erich. Ich bin der Freiherr Randal.

Dann müssen Sie mir sogleich folgen.

Darf ich fragen wohin?

In das Gefängniß der Festung.

Ich habe es erwartet und bin bereit.

Mitnehmen dürfen Sie nichts, gebot der Agent.

Gehorsam legte Erich das Päckchen auf den Tisch. Seine Demuth bewegte den Häscher zu einer Art Trost. Sie werden nicht lange zu warten haben, sagte er. Morgen ist Festtag, weil die Stände dem Kaiser schwören, übermorgen aber wird Kriegsgericht gehalten. 695


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