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Der Schiffbruch

Das Boot! Das Boot! Ein Schiff ist in Not!
Bald wird's in der Brandung zerschellen!
Geschwind hinaus mit dem Rettungsboot',
Ihr wetterfesten Gesellen!
Und sie gingen daran mit Todesmut, –
Und dem Sturm' schon zum grausigen Spiele,
Das Boot mit der Mannschaft in tobender Flut
Mühsam hinringend zum Ziele.

Und am Strand' da riefen, die blieben zurück
Und es klopfenden Herzens gesehen:
Beim Himmel! Das ist ein Wagestück,
Wie keins hier wohl jemals geschehen!
Seht, wie es kämpft in der Wogen Schwall
Das Boot, bald unten, – bald oben!
Fürwahr, die mutigen Ruderer all',
Wer müßt' sie nicht ehren und loben?!

Und am Strand', da jammert ein Mütterlein!
O, Herr, nun erbarm' dich der Deinen!
Auch mein Kind, – mein Sohn stieg mit hinein,
Und ich habe ja nur noch den einen!
Denn seit Jahren schon bis zu dieser Stund'
Hat mir keiner der anderen geschrieben, –
Sie liegen wohl alle am Meeresgrund',
Verschollen, – versunken, – geblieben! –

Doch die mutigen Ringer?! – – Hurra, alle Mann !
Noch lauter als Sturmwind und Wetter!
Schon nah'n sie dem Schiffe. – nun sind sie daran!
Gott lohn's euch, ihr mutigen Retter!
Und ob sie auch ringen noch fort und fort,
O, Mütterlein. schaue nur, schaue!
Hurrah! Da fliegen schon über Bord
Nach dem Wrack hinüber die Taue!

Und geborgen alle! – So hatten sie Glück!
Die ganze Besatzung geborgen!
Und zum Strand' durch das tosende Chaos zurück,
Wo die andern in Angst noch und Sorgen!
Wie der Sturm auch braust – und die Brandung tobt
Und die Zwerge im Kampf mit dem Riesen, –
Sie kommen! – sie kommen! – Hoch sei gelobt
Die edle Tat und gepriesen!

Nun sorgt für die Armen, ihr andern all',
Mit Obdach und stärkender Labe, –
Die glücklich entrissen dem Wogenschmall'
Und des Abgrunds grausigem Grabe!
Und heimzugehen man rüstet sich schon,
Daß am traulichen Herd' sie erwarmen, –
Und das Mütterlein führt den geliebten Sohn,
Ihn umschlingend mit zitternden Armen.

Da horch! – ein Ruf! – – Und wer stieß ihn aus
So angstvoll?! – – Was ist noch geschehen?
Auf dem Schiff', – – auf dem Wrack', – o, Entsetzen und Graus!
Noch ein lebendes Wesen zu sehen!
Und sie steh'n wie gebannt und mit starrem Blick', –
Und sie jammern bestürzt und betroffen:
O, du armer Verlass'ner im Mißgeschick,
Keine Rettung für dich und kein Hoffen

Keine Rettung?! – – Und dennoch, wie groß die Gefahr,
Der Mutige kann sie bezwingen! –
Und zum Boot' eilt schon wieder die kleine Schar
Und will es noch einmal vollbringen!
Nur einer zaudert – und bleibt zurück,
Als die andern ans Werk schon gegangen, –
Sein Mütterlein hält ihn, – ihr Leben, ihr Glück,
Noch mit zitternden Armen umfangen.

Nu hast genügt schon der höchsten Pflicht, –
Nun opf're dich nicht um den einen,
Mein Sohn. – und lasse dein Mütterlein nicht
Auch ihr letztes Kind noch beweinen!
Die andern nahm mir das wilde Meer,
Auch nicht einer ist wiedergekommen, –
O, wenn du wüßtest, wie weh' es mir wär',
Wenn mir auch der letzte genommen!

Auch um ihn bangt die Mutter! – Lieb' Mutter, vergib,
So wird es auch Gott mir vergeben!
Nicht wehre dem Kinde die Bruderlieb',
Das Höchste und Schönste im Leben!
Und dann macht er sanft aus den Armen sich frei,
Die ihn halten wieder und wieder, –
Bis die Kraft sie verläßt, – ein gellender Schrei, –
Und bewußtlos sinkt sie darnieder.

Die andern alle im Rettungsboot',
Schon vom Gischt der Brandung umflogen,
Er erreichte sie noch mit genauer Not,
Als zurück sie geschleudert die Wogen. –
Und noch einmal wieder mit Todesmut,
Und dem Sturm schon zum grausigen Spiele,
Die Mannschaft im Boot' durch die tobende Flut
Mühsam hinringend zum Ziele!

Und wie vorhin, die da standen am Strand',
Sie hielten den Atem gefangen, –
Und sie harrten, vom grausigen Anblick gebannt,
Gar lange in Angst und in Bangen. –
Und die andern, – sie ringen und ringen noch, –
Und immer wilder das Wetter! –
Sie holen es nicht! – und sie holen es doch!
Gott mit euch, ihr mutigen Retter!

Und der liebe Gott ließ es gnädig gescheh'n,
Daß es sollte den Braven gelingen. –
O, Mütterchen, sieh, – doch du kannst noch nicht sehn,
Wie sie nun den letzten auch bringen!
Gescheh'n denn noch Wunder? – kann's denn nicht sein,
Daß du meinst, es glauben zu müssen?!
Zwei Brüder nun wecken ihr Mütterlein
Mit glühenden Tränen und Küssen!


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