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Scharfrichter Rosenfeld

Was drängt das Volk in Scharen dicht?
Hinaus zum Tor' sieht man es wogen;
Hammonia saß zu Gericht,
Und heute wird der Spruch vollzogen.
Verlassen stehen Haus und Herd.
Kaum kann der Grasbrook alle fassen;
Einhundertfünfzig sind dem Schwert'
Des blut'gen Henkers überlassen.

Nun zeige, Meister Rosenfeld,
Was du vermagst im Kopfabschlagen!
Von solchem Blutbad' wird die Welt
Noch reden in den spätsten Tagen.
Die Hamburgs schlimmste Geißel war,
Harrt, – Dank der bunten Kuh von Flandern!
Nun deiner, – die Piratenschaar, –
Und soll den Weg des Todes wandern.

Der Störtebecker, welch ein Mann!
Wie aller Blicke an ihm hangen!
Ein Riese, – schreitet er voran
Und will zuerst den Streich empfangen.
Und vor den Henker tritt er hin:
Noch keinem beugt' ich mich im Leben,
Du weißt, daß ich der Hauptmann bin,
Laß stehend mich das Haupt dir geben!

Fürwahr, er war ein ganzer Held,
War er in Ketten auch geschlagen!
Noch ließ sich Meister Rosenfeld
Zum zweiten Male das nicht sagen.
Wohlan, der Wunsch sei dir gewährt.
Daß meine Kunst gepriesen werde!

Steh' fest! – und hui! – da saust das Schwert,
Und dröhnend fliegt der Kopf zur Erde.
Doch was ist das? – noch steht der Rumpf, –
Der Kopf ist nur allein gefallen,
Und vorwärts stiebt der mächt'ge Stumpf,
Entsetzlich! – unbegreiflich allen!
Der Henker schreckt zurück, ihn graust,
Ihm rieselt's kalt durch alle Glieder,
Es greift nach ihm die blut'ge Faust,
Und krachend stürzt der Leichnam nieder.

Ha! ha! lacht Meister Rosenfeld,
Umsonst sind deine Teufelsfaxen!
Warst du auch alle Zeit ein Held,
Dem Henker warst du nicht gewachsen!
Hier ist zu Possen nicht der Ort!
So magst du in die Hölle wandern!
Und mit dem Fuß' rollt er ihn fort,
Sich Platz verschaffend für den andern.

Und durch die Menge geht es dumpf:
Paßt auf, das wird nicht günstig enden!
Saht ihr es, wie der tote Rumpf
Hin nach ihm griff mit blut'gen Händen?
Und saht ihr's, wie er sich entsetzt! –
Kaum konnt' das Grausen er bezwingen;
Doch an sein Blutwerk geht er jetzt,
Laßt sehn, ob er es wird vollbringen?

Und Schlag auf Schlag nimmt er sie her,
Und Kopf auf Kopf rollt ihm zu Füßen.
Ob er's vollbringt? fragt keiner mehr,
Der Brook beginnt von Blut zu fließen.
Und immer kleiner wird die Zahl,
Mit jedem Schlage mehr gelichtet
Bis er sie endlich allzumal,
Einhundertfünfzig, hingerichtet.

Nun stützt er auf sein Schwert und ruht,
Von Haufen Leichen rings umgeben.
Bis an die Knöchel tief in Blut';
Man sieht's, wie ihm die Pulse beben.
Und furchtbar schaut er um sich her
Und läßt am Griff' die Finger spielen,
Als fehlten noch der Opfer mehr,
Ihm seine Mordlust ganz zu kühlen.

Und schaudernd sagt sich jeder still:
Wann war der Alte wohl wie heute?
Wer weiß, wie das noch enden will?
So packt der Wahnsinn seine Beute!
Wagt keiner sich zu ihm heran?
's wird Zeit, das Schwert ihm zu entwenden!
Der Störtebecker tat's ihm an,
Der nach ihm griff mit blut'gen Händen. –

Da spricht zu ihm ein Herr vom Rat':
Nun, Meister, mögt ihr ruh'n vom Morden,
Ihr seid wohl müde, – in der Tat,
Wer wär' nicht müd' davon geworden?! –
Ich müde?! – lacht er, – nimmermehr!
Ich müd'?! – wo denkt ihr hin?! – mit nichten!
Ich könnte noch, bei meiner Ehr',
Am ganzen Rat' mein Amt verrichten!

Und vollends packt ihn nun der Wahn,
Er will das Schwert aufs neue schwingen;
Jedoch zum Glück, eh' er's getan.
Sieht man herzu die Knechte springen.
Vergeblich ist des Alten Wut.
Bald wird das Schwert der Faust entwunden.
Und auf dem Richtplatz' liegt im Blut'
Der Meister Rosenfeld gebunden.

Und was sein Mund gesprochen hat,
Das kann ihm Gott allein vergeben.
Er hat geschmäht den hohen Rat
Und hat dafür verwirkt das Leben.
Der Störtebecker hat's gewollt, –
Man sieht die Menge scheu entweichen,
Und schon nach kurzer Pause rollt
Des Henkers Leiche zu den Leichen.


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