Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XVI.
Hochzeit, Vergebung, Belohnung.

Auch das übrige der Geschichte, wiewohl ich fortfuhr, ein Augenzeuge von allem zu seyn – will ich nur im Auszug erzälen. – Dorimon und Murcio brachten des andern Tags die Ehestiftung in Richtigkeit. Beiden Theilen war es ein Ernst; Murcio that alles, um Dorimon bei guter Laune zu erhalten. Dorimon hatte gleichen Endzweck beim Murcio. Schon gegen Mittag hatten die Notaren das Ihrige vollendet. – Der Vater erklärte dann seinem zukünftigen Sohne: so froh er auch sei, in ihm einen würdigen Tochtermann zu umarmen, so sähe er sich doch genöthigt einen Eid zu erfüllen, den er mit einiger Uebereilung gethan, als Molli seinen ersten Vorschlag sich widersezt habe. Er habe sich damals mit den gräslichsten Schwüren verpflichtet, Sie unverheirathet nie wieder vor seine Augen zu lassen. Ihm und ihr überlasse er es daher, wenn die priesterliche Einsegnung geschehen solle. Er könne kein Zeuge davon sein. Aber dann solle wieder Arm und Herz ihr offen stehn.

Auch mit dieser Erklärung war Dorimon zufrieden; und auch diese nüzte er, um bei Molli sein Glück zu beschleunigen. Ich will nicht entscheiden, ob nicht ohnedem ihr Herz sich bald nach den Wünschen ihres Liebhabers gefügt haben würde; doch die Verbannung vom väterlichen Angesicht war ein Bewegungsgrund mehr, schon am nächsten Morgen mit ihm vor den Altar zu treten. Ein freundschaftliches Mahl solte dann des Tages lezte Hälfte einnehmen; doch ehe die Gäste noch sich einstelten, eilte Dorimon schon, um seine neue Gattin wieder dem Vater vorzustellen. Auch iezt war Murcio noch sehr zurückhaltend gegen seine Tochter, und da er den Dorimon mit ächter wahrer Inbrunst umarmt hatte, küßt' er nur kalt und obenhin Molli auf den Backen; gab ihr zwar seinen Seegen, fügte aber die leicht verständlichen Worte hinzu: Gebe der Himmel, daß dein künftiges Betragen ihn verdiene.

Dies war mehr, als das fühlbare, und ohnedem schon weichgewordne Herz der armen Molli ertragen konte. Sie brach in eine Flut von Thränen aus, ergrif die Hand ihres Vater, küßte sie stumm und schluchzend, warf sich dann aufs Knie vor ihm nieder, und rief: O Verzeihung, mein Vater! Zwar bin ich eines schweren Fehlers, doch keines Verbrechens schuldig. Daß ich Abscheu vor der ersten Heirath fühlte, daß ich eines Betrugs gegen Sie, mein Vater, mich schuldig machte; dies, dies ist mein, allerdings nicht leichtes Vergehn. Ihr übriger Argwohn ist – ist – zwar durch mich selbst bestätigt, aber gleichwohl ungegründet.

Dorimon nahm hier das Wort; schwur, daß seine theure Gattin Wahrheit spreche, und daß nie ein Verständnis von unerlaubter Art zwischen ihnen obgewaltet habe. Erstaunt, unentschlossen stand Murcio da; indem er seine Tochter aufhob, indem er fragen wollte, wie dies ohne eine neue Unwahrheit zu sagen möglich sei, rief Fanni lachend:

»Am Ende werd' ich die Schuldträgerin von diesem allen seyn. Besser daher, daß ich mich selbst anklage! – Es ist wahr, ich habe mancherlei Böses angestellt; doch das Gute, das hieraus entquollen, wird mich hoffentlich entschuldigen; zumal bei einem Mann, der so edel, wie Sir Murcio denkt. – Mollis gänzlicher Liebeshandel ist meine Erfindung. Aber diese Erfindung hat meine Freundin von einer ungleichen, gezwungnen, und daher gewiß unglücklichen Ehe befreit; hat meinem Bruder eine Gattin verschafft, mit welcher er glücklich leben muß, wenn er nicht der Verworfenste seines Geschlechts seyn will; hat endlich Ihnen einen Schwiegersohn gegeben, der Ihnen iezt schon keine Schande, und hoffentlich in der Zukunft Ehre macht.«

Noch war Murcio im dunkeln; aber Fannis gleich darauf folgende umständliche Erzälung machte ihm alles licht und klar. Er wäre gern über den Streich, den man gespielt, unwillig geworden: doch der muntre Ton, mit dem Fanni ihm alles gestand, ließ ihn nicht dazu kommen. Er muste heimlich selbst über die List dieses schlauern Mädchens lachen. Er fand sogar in dem Zufall, der ihnen so sonderbar beigestanden, einen Wink der Vorsicht. Was ihm aber völlig mit dem iungen Paar aussöhnte, war die Ueberzeugung: daß Dorimon von dem ganzen Handel nichts gewußt habe, als er schon sein Wort zur Heirath gegeben hatte; und dann die Versicherung von Molli: Sie habe fest geglaubt: Konrad werde, sobald er von einem solchen Liebeshandel höre, sich zurückziehn, ohne ihrem Vater zu sagen: Warum? – Kurz, die väterliche Verzeihung war nun bald erlangt. Diesmal war sein Kuß und seine Umarmung herzlicher; sogar bei Fanni bedankt' er sich für ihr glückliches Heilungsmittel seiner Uebereilung, und seine einzige noch übrige Sorge war nur: Wie man dies aufs beste Konraden beibringen solte, der sich freilich wohl dadurch gekränkt fühlen würde.

Auch hier ging aller besser, als man selbst gehoft hatte. Konrad war unter den Gästen, die für diesen Abend geladen worden. Er wußte nicht: weswegen? um desto mehr befremdete ihn diese Einladung. Wiewohl er seinen Freund gerathen, sich an Dorimon selbst zu verwenden, so hatte er doch heimlich gezweifelt: Ob auch der iunge Mann den Besiz eines Gutes antreten würde, das für ihn nicht mehr den Reiz der Neuheit haben könne. Daß die Hochzeit heute schon werde, daran dacht' er mit keinem Worte; aber er nahm sich vor, zeitiger, als es sonst Sitte ist, zu seinem Freunde hinzugehn, um von ihm die Lage der Sachen zu erfahren. Er staunte daher nicht wenig, als ihm Murcio seinen Schwiegersohn vorstelte. Er that den Ausruf: »Schon verheirathet! Im Ernst schon verheirathet!« mit einer Miene und einem Ton, der seine Verwunderung gnüglich ausdrückte. Er ward noch verlegner, als Fanni antwortete: Ja, sie sind unaufhörlich vereint; aber nur einem Irrthum von Ihnen, Sir, ist mein Bruder sein Glück und seinen Dank schuldig. – Und seine Bestürzung stieg endlich auf den höchsten Grad, als auch Dorimon hinzufügte: »Warlich, Sir, ich will des Lebens und der kleinsten Achtung iedes rechtschafnen Mannes unwerth seyn, wenn ich nur den Gedanken hatte, Mollis Ehre zu verlezzen; und wenn ich nicht grade damals sanft in meinem eignen Bette schlief, als Sie glaubten: ich käme aus den Armen dieses Engels.«

Es schien dem Murcio (und nicht unbillig!) eine wahre Grausamkeit zu seyn, wenn man die Verlegenheit seines Freundes noch weiter treibe, oder noch länger dauern lasse. Er klopfte daher Fanni liebreich auf die Wange, führte sie Konraden um einen Schritt näher, und sprach: »Dorimons Rede ist buchstäblich wahr; denn hier steht der Liebhaber, der sie und mich bethörte. Da er noch außerdem sich herrlich aufs Erzälen versteht, so sei dies seine Strafe, daß er aufrichtig alles Ihnen gestehe; und dann hof' ich, werden Sie es machen, wie ich es schon gemacht habe – alles vergeben und vergessen.«

Fanni that es, und mit so einer Feinheit, einer Schonung – zugleich aber mit so viel Munterkeit, daß Fielding selbst nicht besser seine Worte hätte sezzen können. In Konrads Mienen wechselten gleichwohl bei Anhörung dieser Novelle mancherlei Leidenschaften sichtlich ab; und Molli, um ihn zu versöhnen, fügte daher noch zu Fannis Rede ihre abermalige Bitte, diesen Betrug ihnen beiden zu verzeihen. – »Ich gestehe es, sagte sie, wir haben Sie beleidigt; aber ich hielt mich für gezwungen, einen außerordentlichen Weg einzuschlagen, um ein Band zu vermeiden, das am Ende gewiß Ihnen noch lästiger als mir geworden wäre. Glauben Sie nicht, daß ich Ihren Werth verkenne. Ich ehre in Ihnen einen wahren Biedermann; selbst Ihr iezziges Betragen hat mich davon überführt. Ich fühle mich auch für das edelmüthige Anerbieten Ihrer Zuneigung verpflichtet; würde gern als einen Schwiegervater Sie ehren, als einen Freund Sie schäzzen; nur Liebe – Liebe, wie Sie wissen, läßt sich nicht geben; und da Sie grade diese begehrten – –«

»Ich bitte Sie, schöne Lädi (fiel hier Konrad ein) sagen Sie keine Silbe zu Ihrer Entschuldigung. Sie bedürfen derselbigen in iedem Betrachte nicht; und mein eignes Herz übernimt dieselbe. Ich schäme mich meiner Thorheit; ich bedarf Ihrer Verzeihung; und ich bitte Sie nur um Ihr Vorwort, das dieser wizzige reizende weibliche Liebhaber nie seine Geschichte der Presse überliefert; denn alzu ungern möchte ich in einem Roman oder Lustspiel eine Rolle bekommen.«

»O nein! Nein, Sir! rief Miß Fanni aus: aller Sorgen dieser Art können Sie überhoben seyn. – Ich wünschte um mein selbst willen nicht, daß das Publikum erführe: ich hätte einst Hosen getragen. Mein künftiger Gemahl, wenn mir anders einer beschieden ist, dürfte besorgen, daß dieser Gedanke mich mehrmals anwandeln werde.«

Fannis Antwort machte, daß alle, Konrad selbst nicht ausgenommen, in ein lautes Lachen ausbrachen. Aber in diesem Augenblick kam auch ein Bedienter, der die Ankunft des größern Theils der übrigen Gesellschaft meldete. Man ward (wie sich leicht denken läßt) einig, ihr von allen bisherigen Vorfällen nicht das geringste merken zu lassen, und ich entfernte mich, weil ich Glückwünsche nicht gern anhöre, Gastmälern nicht gern zusehe.

Einige Wochen darauf vernahm ich, daß Fanni einen iungen braven Mann geheirathet, und das schon verschiedne Jahre eine wechselseitige, aber anständige Liebe zwischen ihnen obgewaltet habe. Meine Neugier zwang mich, auch davon nähere Nachricht einzuziehn; und sieh da, ich fand einige Umstände, die mich zu wahrer Hochachtung gegen dies muntre, reizende Geschöpf bewogen. – Dorimon war zwar nie ein Verschwender gewesen, doch der Aufenthalt in fremden Ländern, und vielleicht auch der Wunsch, sich iezuweilen, wie man es nennt, sehn zu lassen, hatten ein Ansehnliches ihm gekostet. Seiner Schwester ganzes Vermögen befand sich in seinen Händen. Im Fall einer Heirath mußte er solches wahrscheinlich ihr ausliefern, und um dies zu können, einen Theil seiner Güter verpfänden. Blos um ihrem Bruder diese Ungemächlichkeit zu ersparen, war dies edelmüthige Mädchen eine geraume Zeit taub gegen die Bitten eines geliebten Liebhabers und gegen die leisen Wünsche ihres eignen Herzens gewesen. Jezt erst hatte das Vermögen, das Molli ihrem Bruder zubrachte, diese Bedenklichkeit gehoben. – Sonderbar; indem Fanni auf nichts dachte, als durch Gegenwart des Geistes ihrer Freundin zu dienen, muste sie zu gleicher Zeit das Glück ihres Bruders gründen und ihr eignes befördern!

Beide Familien leben seitdem in genauester Innigkeit und Eintracht. Murcio, der Fanni fast so zärtlich als seine eigne Tochter liebt, bringt seine meiste Zeit in ihrer Gesellschaft zu. Konrad hat sich eines bessern besonnen, und begnügt sich mit der aufrichtigsten Freundschaft einer Person, die freilich nicht seine Gattin werden mochte. Schon ist sein lezter Wille aufgesezt, in welcher er die Hälfte seines Vermögens für Molli bestimt; – die andre Halbschied aber zwischen Fanni und einer weitläuftigen Muhme theilt.


 << zurück weiter >>