Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XIV.
Sturm, Donnerwetter, die Wolken fangen sich an zu brechen.

Würklich war Konrads Lage auch iezt ein wenig mislich. Er war ein Mann, der wenn man seine iezzige Thorheit abrechnete, eher die Achtung als den Spott seiner Nebenmenschen verdiente. Ein gutherziger Alter, der es gern sah, wenn es der ganzen Weit um ihn herum wohl erging; der nicht ein Hündchen trat, nicht einen Sperling wehzuthun vermochte; und der allen wörtlichen Zank oder thätlichen Unwillen ärger als den Tod selbst haßte. Doch eben diese ruhige Gemüthsart war hier der Grund seiner Unruhe. Daß Molli nach einem so zwiefachen Beweis ihrer Ausschweifungen nicht zur Frau für ihn tauge, dies – so verliebt er gewesen war – hatte er doch noch einzusehn Verstand genug; aber wie er von ihr kommen könne, das begriff er nicht. Sie bei ihrem Vater anzuklagen, fiel ihm hart; denn ein gewisses Mitleid regte sich, troz aller Beleidigung, bei ihm. Er fürchtete sie unglücklich zu machen; und das wolte er gewiß nicht. Sich selbst einer Wankelmuth anzuklagen; abzubrechen ohne irgend eine Ursach anzugeben, das sezte ihm dem Gelächter der Welt, auch wohl dem Zorn seines vieliährigen Freundes aus. Opfer, die man doch unmöglich seiner Eigenliebe zumuthen konte! Lange besann er sich, und beschlos – nichts. Endlich, als sein künftiger Schwiegervater zu ihm schickte, und ihm sagen ließ: Er sei wieder in die Stadt gekommen, um alles zu seiner Richtigkeit zu bringen; da muste er wohl einen Entschluß fassen; und man kann leicht vermuthen, daß dieser dahin ausfiel: eher der schuldigen Molli, als sich Unschuldigen wehzuthun.

Konrad hatte auf den nächsten Morgen seinen Besuch zu einer bestimten Stunde versprechen lassen, und ich, davon unterrichtet, verabsäumte es nicht, zur gehörigen Zeit auf Murcios Zimmer mich einzufinden. Aber ich war um ein gut Theil pünktlicher, als Konrad selbst. Zwei reichliche Stunden verflossen vergebens; ich ward bereits ungedultig; und Murcio war es nicht minder. – »Was muß denn unsern Freund abhalten?« hatte er seine Tochter wohl zwanzigmal gefragt; und diese, welche im Herzen den Grund seines unschlüssigen Verzugs wohl ahndete, hatte eben so oft ihn: das weiß ich nicht! mit so sorgsamer Miene geantwortet, daß ein Unkundiger leicht hätte muthmaßen können: Es sei ihr im Ernst um das Ausbleiben ihres alten Eliesers bange.

Endlich stelte doch Konrad sich ein; und indem er noch zwischen Thür und Angel sich befand, rief ihm Murcio mit angenommener Lustigkeit zu: daß er für einen so feurigen Bräutigam verzweifelt lange auf sich warten lasse. – »Sie haben Recht, Sir, antwortete Konrad mit desto ernsterer Miene, ich komme vielleicht ein wenig spät für ihre Erwartung; doch gewiß noch immer zu zeitig für das Geschäft, das mir iezt bevorsteht.« – Diese Worte, und ein bedeutungsvoller, auf Molli geworfner Blick trieben die Angst des armen Mädchens immer sichtlicher in die Höhe. Auch Murcio, nicht wenig betreten, wolte so eben eine deutlichere Erklärung sich ausbitten, als Konrad fortfuhr: Er sei gekommen, um eine sehr seltsame Sache seinem Freunde zu entdecken; doch müsse er bitten, sie vor der Hand nur seinen Ohren mittheilen zu dürfen. – Auf einen Wink entfernte sich Molli, Sie that es nicht ohne Zittern; denn welche schimpfliche Anklage, welche täuschende Beweise ihrer Tugend bevorständen, das konte sie leicht vermuthen. Kaum war sie hinaus, als Konrad, wiewohl nicht ohne Räuspern und Stocken, seinen Spruch folgendermaßen anhub.

»In einem Alter, wie das meinige ist, liebster Freund, hat man natürlich schon manches misliche Gespräch einzuleiten, manchen schweren Gang zu gehen gehabt; doch einen schwerern, wie den heutigen that ich noch nie.«

Murcio. Aber warum das?

Konr. Mein theuerster Murcio, wir sind alte Freunde, Freunde von unsern Schuliahren an; Freunde, die nie ein Zwist, auch auf Tage nur, entzweite. Um desto unmuthiger muß ich Ihnen iezt einen Vorschlag thun, der mich vielleicht auf einige Zeit, ia wohl gar auf immer um Ihre Freundschaft bringen dürfte. Indeß kann ich wenigstens in Rücksicht meiner versichern, daß ich nie für irgend Jemand in der ganzen Welt eine stärkere, reinere Hochachtung fühlen kann, als für Sie.

Murcio. Daß dieser Eingang mich befremden muß, sehen Sie selbst ein; daß ich von ieher Sie wieder liebte und schäzte, wissen Sie; und daß Sie mir nie Ursach geben werden, meine Gesinnung zu ändern, hoffe ich.

Konr. Gewiß, eine gegründete Ursach nie! Aber unsre Leidenschaften, wie ich aus eigner Erfahrung weiß, vertreten nur alzuoft die Stelle eines Grundes. Nur gegen unsre eigne Fehltritte sind wir nachsichtig, und unerbittlich gegen fremde. Aber freuen werd' ich mich, wenn Sie durch Ihr Beispiel mich widerlegen solten; und – und – und in diesem Vertrauen, liebster Freund, muß ich Ihnen gestehn, daß ich den Schritt, den ich zu thun gesonnen war, indeß reiflicher überlegte; daß ich fand, es sei äußerst gewagt, in meinem Alter noch an eine Heirath zu denken; und offenbar tadelnwerth, wenn es mit einer so iungen Person, als Miß Molli ist, geschehen solte.

Murcio. Eine Ueberlegung, gegen die ich nichts eingewendet haben würde, wenn sie nur einige Wochen früher angestellt worden wäre. – Wie Sie sich erinnern werden, Sir, war der Antrag, den Sie meiner Tochter thaten, nicht nur freiwillig von Ihrer Seite, sondern auch äußerst unerwartend für uns. Nun er von Ihnen geschehen, und von uns angenommen worden ist, nun ist, wie Sie ebenfalls wissen werden, ein Ehversprechen etwas alzufeierliches, als daß eine von beiden Partheien ohne Beschimpfung der andern, zurücktreten könte.

Konr. Und warum solt' es für eine Beschimpfung gelten, sobald man einsieht, daß auf beiden Seiten gleich große Schwürigkeiten der Vollziehung sich entgegen stellen?

Murcio. Auf beiden Seiten? daß ich nicht wüste! hat meine Tochter noch die kleinste Einwendung gemacht?

Konr. Mündlich nie! Und doch bin ich überzeugt: dieienige Neigung, die allein das Glück der Ehe ausmacht, besizt Miß Molli nicht gegen mich; und kann sie auch nicht besizzen.

Murcio. Grillen! Immer zieht ihr Eigensinn aus der Ungleichheit ihrer Jahre, Besorgnisse hervor, die Riesengroß scheinen, und doch Zwerge sind. Aber wenn Sie glauben, daß ein so nichtiger Vorwand unsern Vertrag zernichten soll, so bedaur' ich, daß Sie sich irren.

Konr. Vielleicht hätte ich noch andre Gründe. Sezen Sie den Fall, daß Miß Molli schon einen andern liebe!

Murcio. (unwillig) Ich will keinen Fall sezzen, der den guten Namen meiner Tochter schädlich werden könte. – Sie einen andern lieben? ohne mein Vorwissen? gegen ihre eigne Rede? Nein, Sie, mein Kind ist zu gut erzogen; denkt viel zu sittsam, viel zu tugendhaft, als irgend einem Manne ihr Herz zu schenken, bevor väterliche Einwilligung und kirchlicher Seegen ihre Wahl bestätigen. – Ihnen aber, Sir, Ihnen muß ich sagen: es ist nicht edel gehandelt, ein Mädchen, dem man sein Wort nicht zu halten gedenkt, noch wo möglich an ihrem guten Namen kränken zu wollen.

Konr. Sie haben Recht, auch ein solcher Gedanke nur würde unedel, würde mehr noch als dies, – niederträchtig seyn. Glauben Sie daher, Sir, daß ich nichts sage, worüber ich nicht Beweise zu führen vermag.

Murcio. So führen Sie solche doch; ich fodre Sie auf.

Konr. Ich will es, weil Sie mich nöthigen! – Lesen Sie dies hier, und entscheiden Sie, ob ich noch Unrecht habe.

Bei diesen Worten übergab er seinen Freunde den Brief, den er zuerst erhalten hatte. Murcio durchlief ihn flüchtig; dann aber warf er ihn auf den nächsten Tisch, und erwiederte mit einem Blick voll unbeschreiblicher Verachtung.

»Ein herrlicher Beweis, in der That! Ich möchte den Menschen kennen, der nicht seine Feinde hätte! Aber dieser Streich ist ein so offenbares, plumpes, handgreifliches Bubenstück, daß mich dünkt, die Leichtgläubigkeit selbst könne dadurch nicht angeführt werden. Fast solt' ich muthmaßen, es sei ein Stückchen von eigner Erfindung um nur von einem Versprechen loszukommen, das Sie zu reuen beginnt, der Himmel mag wissen, warum?«

Konr. Sie drücken sich ein wenig stark aus, Sir. Aber ich hoffe, Sie werden bald einsehn, daß ich die Verachtung nicht verdiene, mit welcher Sie mich iezt anzublicken belieben. – Kennen Sie wohl die Handschrift Ihrer Tochter?

Murcio. Ganz gewiß.

Konr. So lesen Sie folgende Zeilen. Der Worte sind wenig, aber sie fassen viel in sich; und wahrscheinlich werden Sie nun über die beleidigende Art erröthen, mit welcher Sie mich bis iezt behandelten.

Daß Konrad hier ihm das Billet überlieferte, das zulezt aus des angeblichen Liebhabers Tasche fiel, wird ieder leicht sich vorstellen; aber unbeschreiblich, oder undenkbar vielmehr war die Bestürzung, Schaam, Zerstreuung und Wuth, mit welcher der unglückliche Vater dies fatale Billet durchlas, es sofort für Mollis Hand, für einen unwidersprechlichen Zeugen ihrer Schande erkante; und eine so bittere Anklage nun nicht mehr zu bezweifeln vermochte. – Einige Augenblicke schwieg er, gleichsam in einen starrende Bildsäule verwandelt. »Tod und Teufel! (brach er endlich aus) Ausgeartete, vermaledeiete Tochter!« – Ein ganzer Strom von Ehrennamen, diesem erstern völlig angemessen, folgten drauf. Gegen sein eignes schon weiß gewordnes Haar schien er wüthen zu wollen. Endlich wandte er sich zu Konraden.

»Verzeihung (sprach er) mein theuerster Freund; und hätt' ein Engel vom Himmel mir erzählt, was ich iezt durch Sie erfahre, ich hätte seinen Worten keinen Glauben. beigemessen. Jezt bin ich leider überzeugt – Aber Sie sollen Genugthuung haben; Genugthuung in reichlichem Maaße. Ich will diesen Schandfleck aus meiner Familie verbannen; will eine Mezze, die Sie und mich betrog, in dieser Stunde noch hinaus aus meinem Hause stoßen. Nicht für mein Blut will ich sie mehr erkennen, selbst nicht mehr mit Augen sehn; und wenn sie in Jammer und Elend verschmachten und verzweifeln müste!«

Er war im Begriff, bei diesen Worten aus seinem Zimmer hinaus zu eilen; und hätte wahrscheinlich, wenigstens den ersten Theil seiner Drohung sofort volzogen. Aber Konrad hielt ihn zurück, halb mit Gewalt und halb mit Bitten brachte er es dahin, daß Murcio sich wieder sezte, und zum mindesten auf einige Minuten noch die Ausführung seines Planes aufschob. Diese Minuten nüzte sein Freund aufs beste. Er stelte ihm vor: daß seine Tochter, und wenn sie noch so bitterlich ihn beleidigt habe, doch sein Kind, sein Fleisch und Blut verbleibe; das ieder Schimpf, der sie betreffe, auch auf ihn gewissermaßen zurückpralle; daß sie eben dann erst seinem Namen recht herbe, echt ausgebreitete Schande machen dürfte, wenn er sie ausstoße, und also nöthige, sich ihren Lebensunterhalt – der Himmel möge wissen, wo und wodurch? – auswärts zu erwerben. – Er ging, als er hierauf keine Antwort erhielt, noch weiter; er machte bei dem gekränkten Vater die Hofnung wieder in ihm rege: daß Miß Molly doch vielleicht noch zu retten sei; daß ihr guter Name bisher nur in den Augen einiger wenigen gelitten habe, die alles bald vergessen würden, wenn sie die Scharte in der Zukunft ausgewezt erblickten; daß dies lezte dann am leichtesten geschehen könne, wenn man ihren Verführer dahin bringe, daß er durch eine ehliche Verbindung den bisherigen Umgang gesezmäßig mache; und daß man daher vor allen Dingen auskundschaften müsse: wer dieser beglückte Liebhaber sei? und ob er es verdiene: daß man auf ihn Anspruch mache: oder wohl etwas für ihn thue?

Alle diese Gründe und Rathschläge, in einer vernünftigen Kettenreihe vorgetragen, würkten endlich auf Murcio. Er wolte noch einmal, wiewohl viel gelaßner, hin zu seiner Tochter aufs Zimmer gehn; wolte in dem nächsten Augenblick sie zu sich rufen lassen; und entschloß sich dann eben so schnell, ihr lieber schriftlich seinen Unwillen zu erkennen zu geben. Dies leztere Vorhaben unterstüzte Konrad; denn es schien ihm räthlicher, daß Murcio seine Tochter erst dann persönlich spreche, wenn er über seinen Unwillen noch mehr Meister geworden sei. Sein Freund, voll der widersprechendsten Gefühle, sezte sich daher endlich zum Schreibtisch und warf folgende Zeilen mit oft stockender, oft zitternder Hand aufs Papier hin:

Schandfleck meines Bluts und meines Namens!

»Nur dem Biedermann, dessen Hand und Bette du beschimpfen woltest, verdank es, daß du noch lebst, und diese Schrift von mir erhältst. Er allein hat durch wiederhohlte Bitten mich bewogen, daß ich noch einer ausgearteten Tochter schone, die meines eignen Lebens so wenig geschont hat. – Doch nur unter der Bedingung will ich thun: wenn du sofort den Stand und Namen deines Verführers mir entdeckst, damit ich Maasregeln treffen kann – Maasregeln, die ihn nöthigen, die Ehre einer Familie wieder herzustellen, deren einziges Brandmal du – du entehrtes Mädchen bist. Schmeichle dir nicht etwa, dein Verbrechen läugnen zu können. Ich habe den schändlichen Beweis desselben von deiner eignen Hand. Nur dann kanst du hoffen, daß dir der Himmel und dein beleidigter Vater vergeben wird, wenn du frei und ohne Rückhalt dein schimpfliches Verständnis ganz vor mir enthüllest. Thust du dies nicht; und thust du es nicht iezt, so wird kein Fluch zu gräslich, und keine Maasregel zu grausam seyn! Dann zittre vor einen unversöhnlichen

Vater.«

Konrad, als er diesen Brief seines Freundes überlas, fand ihn freilich hart, doch war er auch der Meinung: daß er so bleiben könne. Mollis Kammermädchen ward daher gerufen und ihr befohlen, dies Billet an ihre Gebieterin zu überliefern, mit dem Zusaz: daß man augenblickliche Antwort verlange. – Ich, schon längst um diese arme Miß in Sorgen, folgte der Zofe auf dem Fuße nach, und fand Molli, wie ich mir vermuthet hatte: zitternd, mit thränenden Augen und in immer bänglichern Erwartungen, die noch mehr als ein gegenwärtiges Leiden quält. Als sie mit bebender Hand den Brief ihres Vaters erbrochen hatte, da kämpfte der Schmerz diesen Vater gekränkt zu haben, die Furcht vor den Folgen seines Zorns, und die Schaam eines Verbrechens überzeugt zu scheinen, welches sie selbst von ganzer Seele verabscheute, – alle diese Empfindungen kämpften so fürchterlich in ihr, daß sie lange keiner Silbe mächtig war, bis sie endlich nur in die wenigen Worte ausbrach:

»O ich Unglückliche, was soll aus mir werden! Verwünscht sei Fannis schimpfliche List! Verwünscht der Augenblick, wo ich ihr folgte!«

Kammermäd. Lieber Gott, gnädiges Fräulein! thun sie doch nicht sich und ihrer Freundin Unrecht! Sie kennen ia die Gemüthsart Ihres Vaters. Unmöglich konten Sie eine gelindre Sprache von ihm erwarten. Aber nur ein Weilchen Geduld, und der Sturm wird schon ausgetobt haben.

Molli. Nein! Nein! Ich kann meinen Vater nicht länger vergebens ängstigen; kann seinen Zorn nicht ertragen! – Noch diesen Augenblick will ich zu ihm herunter, will ihm alles entdecken, und meine Unschuld ihm darthun.

Kamdch. (lächelnd) Vortreflich! und also morgen wahrscheinlich mit Sir Konrad auch in die Kirche gehn?

Molli. Gütiger Himmel, welche fürchterliche Wahl! – (nach einer kleinen Pause) Aber welche Antwort kann ich hier ertheilen?

Kamdch. Die Wahrheit zu gestehn, eigentlich – keine. Nennen Sie Ihren Verführer, wie Sie wollen; nur bei seinem rechten Namen nicht.

Molli. Eines solchen Raths kont' ich mich im Voraus versehn, da ich eine Närrin fragte.

Sie sezte sich an ihren Schreibtisch; stemte tiefsinnig eine geraume Zeit ihr Haupt in die hohle Hand; überlegte, sezte die Feder an; schrieb; hielt inne; strich aus; zerriß; fing wieder von neuem an. Aber so oft sie zwei bis drei Zeilen hingeschrieben, hatte ieder neuere Versuch das Schicksal des vorigen; er ward zerrissen.

»Das geht völlig so, wie ich dachte; hob das Kammermädchen von neuem an: Am Ende wird nichts geschrieben werden; und das, dünkt mich, ist auch das beste. Lassen Sie Ihren Vater denken was er will; nur fassen Sie indeß allen Muth zusammen, dessen Ihr kleines Herzchen fähig ist, und glauben Sie, alles übrige wird gut gehen. Umbringen wird er Sie doch nicht, seines eignen Bestens halber; alles übrige läßt sich ertragen, und ändern; alles übrige ist nicht so schlim, als eine Heirath mit Konraden. – Ich will iezt Miß Fanni aufsuchen gehn; find ich sie nur zu Hause, so sezze ich zehne gegen eines, wir machen auch gegen dieses Uebel eine Arznei ausfindig.«

Molli willigte in diesen Gang, und in eben dem Augenblicke hörte sie auch auf der Stiege ihren Vater, der das Kammermädchen rief. Die arme Molli war abermals einer Ohnmacht nahe; doch ihre Bediente tröstete sie lachend. – »Besorgen Sie nichts; er kömt noch nicht herein: aber ich werde mich dem Sturm entgegen stellen müssen; und das will ich auch. Hätten Sie nur halb soviel Herz, als ich, so wäre mehr als die Hälfte gethan.« – Sie ging getrost ins Sprachzimmer herab, und als Murcio ihr von weitem schon zurief: Warum sie so lange ausbleibe? und warum er noch keine Antwort erhalte? erwiederte sie:

»Du großer Gott, Sir, in Ihrem Briefe muß etwas gestanden haben, was meine arme Lädi um ihren Verstand zu bringen fähig wäre. Seit sie ihn gelesen, thut sie nichts als weinen und die Hände ringen. Das Herz müste Ihnen bei ihrem Anblick bluten. Sie eine Antwort schreiben? Warlich, sie ist nicht einmal imstande eine eine mündlich zu geben.«

Murcio. Nun, wenn sie es nicht kann, so solst du es thun. – Wer ist der Bursche, den du gestern früh aus meinem Haus gelassen hast?

Kamdch. Ich, Sir? – Ich habe keinen Burschen herausgelassen! Ich warlich nicht.

Murcio. Du lügst, Unverschämte. Ein Freund von mir, der so eben vorbeiging, hat ihn mit seinen eignen Augen herauskommen sehen.

Kamdch. So ist Ihr Freund ein Ohrenbläser, daß er Mährchen dieses Schlags Ihnen zuträgt; und dies bin ich ihm ins Gesicht zu sagen erböthig.

Murcio. (zum Konrad) Haben Sie ie eine größre Unverschämtheit gesehn?

Konr. In der That, Jungfer, es wäre hier besser die Wahrheit zu beichten! Besser für sie und für ihre Lädi!

Kamdch. Und doch sag' ich die Wahrheit, wenn ich betheure: es war kein Bursche, den ich heraus ließ; sondern ein feiner iunger Mann, der des Abends gewöhnlich mit meiner Lädi Piquet zu spielen pflegt. Er sieht einem Burschen eben so ähnlich, wie Sie einem Mädchen, das versichr' ich Ihnen.

Murcio. Vortreflich! – Und der Name dieses guten Freundes, Jungfer Kuplerin?

Kamdch. Denken Sie denn, Sir, daß ich alle Herrn, die meine Lädi besuchen, um ihren Namen befrage? Fürwahr, so unverschämt bin ich nicht.

Murcio. Keine Ausflucht weiter; oder du bist des Todes.

Kamdch. Sie könten würklich die Menschen um nichts und wieder nichts zum Tod' erschrecken. Aber, und wenn Sie mir zehn Pistolen auf die Brust sezten, ich kann nichts mehr bekennen.

Konr. Liebster Freund, diese Kreatur ist nicht einmal Ihres Zornes werth. Ich hoffe, die iunge Lädi wird besser einsehn, was zu ihrem Frieden dient, und aufrichtig die Wahrheit gestehen.

Murcio. Wenigstens so lange kaum, als Unterhändlerinnen dieser Art sie in ihrer Bosheit verstärken. Doch in diesem Augenblick, Nichtswürdige, pack deine Bündel zusammen, und entferne dich aus meinem Hause; oder ich will ein Quartier für dich in Bridewell besorgen.

Kamdch. (lachend) Nicht doch, guter Herr, bemühen Sie sich nicht. Die Welt ist weit genug; ich finde Plaz überflüssig, außer Ihrem Hause und außer Bridewell.

Sie lief hier hurtig aus dem Zimmer. Ein Buch, das Murcio im Zorn ihr nachwarf, traf sie nicht mehr; drei bis vier herzige Flüche blieben eben so unerhört. Aber ein neuer Strom von Klagen, neue Aeußerungen eines gerechten Unwillens ergoßen sich nun; und Konrad, der im Herzen wahrscheinlich seine treulose Braut nicht minder verdamte, bestrebte sich umsonst, dem bekümmerten Vater eine bessre Aussicht zu eröfnen. Alles, was er von ihm erhalten konte, war: daß Molli noch bis zum nächsten Morgen Frist zur Reue und zur Beichte habe; daß sie dann aber alle Strenge erfahren solle, die sie eigentlich iezt schon verdiene. – So verließ ich die beiden Alten, indem die Mittagsstunde mich rief, deren Einladung sie im Wirbel ihrer Sorgen ganz zu überhören schienen.


 << zurück weiter >>