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29. Kapitel.

Als Pepi und Zilli vorhin Gerard verlassen hatten und in ihrer Herzensangst noch eine Strecke gelaufen waren, sahen sie einen dunkelhaarigen Mann die Felsen emporklimmen. Er hatte die Büchse über die Schulter geworfen und trug mexikanische Kleidung. Pepi blieb stehen und fragte:

»Wollen wir ihn rufen, liebe Zilli?« – »Ja, er ist Mexikaner.«

Sie erhoben ihre Stimmen und riefen. Der Mann hörte es, hielt an und blickte empor.

»Kommt schnell herauf, Señor!« rief Pepi. – »Warum?« fragte er. – »Die Franzosen sind in der Venta.«

Die Kletterbewegungen des Mannes waren erst mit langsamer Sicherheit vor sich gegangen, jetzt aber war es, als ob er Flügel erhalten habe. Er schnellte sich mehr, als er stieg, herauf, und stand nun vor den Mädchen.

Als sie ihn so nahe sahen, wollten sie sich fast fürchten. Diese untersetzte, breitschultrige Gestalt! Diese Stirn, diese Augen, diese ernsten Züge!

»Wer seid Ihr, Señor?« entfuhr es Pepi unwillkürlich. – »Ich bin Büffelstirn, der Häuptling der Mixtekas«, antwortete er. – »Seid Ihr ein Freund des Schwarzen Gerard?« – »Ja.« – »Und des Señors Pirnero?« – »Ja.« – »Da oben liegt Gerard im Sterben, und in der Venta sind Franzosen.«

Da leuchtete das dunkle Auge Büffelstirns grimmig auf.

»Wie viele?« fragte er. – »Wir haben neun gesehen. Sie sind oben unter dem Dach.« – »Was tun sie da?« – »Der Graf ist oben.« – »Der Graf Rodriganda?« – »Ja.« – »Wer noch?« – »Señorita Resedilla mit noch zwei anderen Damen. Wir sahen sie mit dem Grafen nach oben steigen, ehe wir uns einschlossen.« – »Ah! Gibt es einen schnellen Weg nach der Venta?« – »Ja, dort rechts durch die Lücke. Aber die vordere Tür ist zu, Ihr müßt durch die hintere in das Haus.« – »Ich kenne das nicht und könnte zu spät kommen. Führt mich, Señorita! Diese andere Señorita mag hier an den Palisaden weitergehen, bis sie an das Tor kommt. Dort ruft sie nach dem Señor Sternau, dem sie alles erzählen muß.« – »Mein Gott, ich allein, ich fürchte mich!« sagte Zilli. – »Es ist keine Gefahr, wir haben ja gesiegt. Rasch!« sagte Büffelstirn. – »Ich werde an das Tor gehen«, entschied die entschlossene Pepi. »Führe du den Señor, liebe Zilli!«

Sie eilte fort.

»Kommt, Señorita, aber schnell, sehr schnell!« sagte Büffelstirn.

Er ergriff die Hand des Mädchens und eilte mit ihr davon, so daß sie fast springen mußte, um mit ihm fortzukommen. Als sie die Stelle erreichten, wo Gerard gelegen hatte, blieb das Mädchen erstaunt vor der Blutlache stehen.

»Hier lag der Schwarze Gerard«, sagte sie. »Er ist fort!« – »Habt Ihr es ihm gesagt, daß die Franzosen in der Venta sind?« – »Ja.« – »So ist er dort. Weiter.«

Sie kamen durch die Palisadenlücke. Zilli führte den Häuptling auf dem Weg, den sie selbst gegangen waren, zurück. Als sie den Hausflur betraten, ertönte oben ein Schuß. Es war derselbe, dessen Kugel Resedilla so glücklich abgeleitet hatte.

»Gott, sie werden ermordet!« rief Zilli. – »Bleibt unten, Señorita«, gebot jetzt Büffelstirn, riß sein Doppelgewehr vom Rücken und sprang die Treppe empor. Er kam gerade in dem Augenblick an, als der Sergeant dem Schwarzen Gerard die Mündung des Gewehres vor die Stirn brachte.

»Hund!«

Mit diesem Worte rannte ihm der Häuptling den Kolben so in die Seite, daß der Franzose mehrere Ellen weit fortgeschleudert wurde. Ein zweiter Kolbenstoß traf den, der auf Gerard kniete, so an den Kopf, daß er die Besinnung verlor. Im Nu hatte sich der Häuptling herumgedreht. Er sah die zwei, die Resedilla hielten. Seine Büchse fuhr empor, zwei Schüsse krachten, und die beiden Franzosen stürzten zur Erde.

Der nächste Schritt des Mixtekas war zu Karja, seiner Schwester. Sie lag von dem Schlag, der sie getroffen hatte, noch besinnungslos am Boden. Ihre Stirn war bereits blutig unterlaufen.

»Das haben diese Franzosen getan?« fragte der Häuptling grimmig. – »Ja«, antwortete Resedilla. – »Warum?« – »Sie hat sich verteidigt, sie hat den Soldaten da mit dem Seitengewehr erstochen.« – »Ah, sie ist eine Mixteka!« sagte er stolz. »Büffelstirn wird sie rächen. Wer ist der Anführer dieser Hunde?« – »Jener Sergeant.«

Resedilla zeigte nach dem Genannten, der sich vor Schmerzen krümmte.

»Was wollte er von Euch?« – »Er wollte das Geld des Grafen, und die Damen wollte er schlagen lassen. Señorita Karja erhielt einen Hieb, daß sie stürzte. Señorita Emma fiel in Ohnmacht, und ich wurde zu Boden geworfen, um Schläge zu empfangen.«

Büffelstirn knirschte mit den Zähnen.

»Der Tod wäre zu wenig; der Hund soll es büßen!«

Er schritt auf den Sergeanten zu, der sich halb wieder erhoben hatte, stieß ihn mit einem kräftigen Tritt zu Boden, kniete auf ihm nieder und zog das Messer.

»Himmel, was wollt Ihr machen?« rief der Sergeant. – »Du bist kein Mensch, sondern ein Tier«, antwortete der Häuptling. »Du hast die Tochter der Mixtekas geschlagen, ich werde dich lebendig skalpieren.« – »Gott, o Gott, nur das nicht!« rief der Franzose. – »Rufe deinen Gott nicht an, denn du bist ein Teufel.« – »Tötet mich lieber.« – »Du selbst hattest kein Erbarmen. Ich werde dir zeigen, wie man skalpiert. Nicht rasch, mit drei Schnitten und einem Ruck, sondern fein langsam, wie man sich die Skalplocke des Feindes auf die Haut des Büffels malt.« – »Gnade! Gnade!« – »Du bist eine Memme. Wimmere fort.«

Damit faßte der Mixteka das Haar des Franzosen mit der Linken und setzte ihm das Messer an die Stirn. Dieser machte einen Versuch, sich aufzurichten, aber das Knie des Mixteka drückte sich so fest an seine Brust, und das andere legte sich nun über seinen Hals weg, daß sein Oberkörper wie angenagelt am Boden lag.

Jetzt schnitt das Messer des Häuptlings die Stirnhaut durch. Der Franzose stieß einen fürchterlichen Schrei aus. Ein zweiter ertönte von seitwärts her, Resedilla hatte ihn ausgestoßen. Ihr Vater stand zitternd neben ihr und betrachtete, während ihm die Haare zu Berge stiegen, die wilde, fürchterliche Szene.

»Oh, tut es nicht, Señor!« bat sie schaudernd. – »Er hat noch mehr verdient«, antwortete der Indianer kalt, »er wird auch Nase und Ohren verlieren. Büffelstirn ist kein Henker, aber die Tochter der Mixtekas muß gerächt werden!«

Er zog dabei sein Messer langsam um den Haarschopf des Franzosen herum. Dieser stieß ein Geheul aus, das nicht mehr menschlich genannt werden konnte. Resedilla legte die Hände vor die Augen und glitt an ihrem Vater zu Boden nieder. Sie wurde ohnmächtig. Nun lagen alle drei Damen besinnungslos da. Die Franzosen waren, zwei ausgenommen, tot, und auch Gerard lag ohne Regung da. Der ganze Boden schwamm von Blut. Inmitten dieser grauenhaften Szene stand der alte Pirnero und heftete mit Entsetzen seine Augen auf Büffelstirn. Er konnte den Blick nicht von ihm wenden, soviel Mühe er sich auch gab, von ihm loszukommen.

»Schreie nicht, Hund!« sagte der Häuptling. »Dieser Schnitt macht keine Schmerzen. Sie beginnen erst jetzt, wenn ich dir das Fell samt den Ohren herabziehe.«

Er schob den Kopf des Franzosen erst auf die linke und dann auf die rechte Seite, um ihm erst das rechte und dann das linke Ohr abzuschneiden, wobei die beiden abgelösten Ohrmuscheln jedoch an der oberen Kopfhaut hängenblieben.

Der Franzose brüllte wie ein Stier.

»Schweig, Feigling!« rief Büffelstirn.»Erst jetzt wirst du singen; denn nun ziehe ich dir das Fell herunter. Paß auf.«

Er faßte die Haare und zog die Kopfhaut los, nicht schnell, sondern langsam und allmählich, wie er gesagt hatte.

Der Sergeant konnte den Kopf und den Oberkörper nebst den Armen nicht bewegen, weil der Mixteka auf denselben kniete, aber die Beine waren ihm freigelassen. Er warf sie in die Luft, er schlug mit ihnen die Dielen vor Schmerzen. Er brüllte nicht mehr, denn das, was er tat, die Töne, die er ausstieß, waren kein Brüllen mehr zu nennen. Es gibt sogar kein Tier, das imstande wäre, so fürchterliche, entsetzliche, grauenhafte Laute auszustoßen.

Der Häuptling blieb kalt. Als er die Haut abgezogen hatte, sagte er:

»Dies ist die Haut eines Feiglings, der schreit, wenn er skalpiert wird. Büffelstirn wird sie nicht tragen, sondern er schenkt sie dir als Andenken an diese schöne Stunde. Und dazu wird er dir noch die Nase geben, die bisher in deinem Gesicht gewesen ist.«

Dabei faßte er mit zwei Fingern der Linken die Nase und trennte sie mit einem raschen Schnitt von ihrer Stelle. Der Franzose stieß dabei einen Schrei aus, in dem sich seine ganze körperliche und geistige Qual gipfelte, dann ließ er nur noch ein anhaltendes Stöhnen und Wimmern hören.

Jetzt zog Büffelstirn einen Riemen hervor, zerschnitt ihn in zwei Teile und band damit dem Skalpierten Hände und Beine zusammen. Dann schleifte er ihn in eine Ecke, wickelte die Nase in den Skalp und legte dann beides neben ihm hin.

»Dein Leben wäre zu wenig gewesen«, sagte er zu ihm. »Büffelstirn mochte es nicht haben. Nun hat er dir gezeigt, einen Lebenden zu skalpieren, ohne ihn zu fesseln. Das ist ein Meisterstück, das unter tausend Männern kaum einer fertigbringt. Du kannst davon erzählen, wenn du in das Land zurückkehrst, in dem die Hunde, deine Brüder, wohnen.«

Pirnero lehnte mit geschlossenen Augen an der Wand. Büffelstirn trat zu ihm, schüttelte ihn und sagte:

»Mein weißer Bruder kann die Augen öffnen, denn es ist vorbei. Ich werde dir die Fesseln lösen und den anderen auch.«

Er zerschnitt die Schnüre, mit denen die Franzosen ihre Opfer gefesselt hatten. Dabei bemerkte er, daß der Soldat, der Gerard zuletzt gehalten und dann einen Stoß vor den Kopf bekommen hatte, wieder erwachte.

»Er soll das Leben nicht wiedersehen«, sagte er.

Mit diesen Worten stieß er ihm das Messer in das Herz.

In diesem Augenblick hörte man eilige Schritte, die zur Treppe heraufkamen. Sternau trat ein mit Donnerpfeil und Mariano, alle drei die Waffen in der Hand. Mit einem Blick erkannte Sternau die ganze Szene.

»Ah, Büffelstirn hat aufgeräumt!« sagte er. – »Der Schwarze Gerard vorher«, antwortete der Angeredete bescheiden.

Donnerpfeil sah Emma am Boden liegen und eilte auf sie zu.

»Herrgott, sie ist tot?« fragte er.

Sternau kniete neben ihr nieder und untersuchte sie.

»Nur eine Ohnmacht«, sagte er beruhigend. – »Und die Tochter der Mixtekas?« fragte Büffelstirn.

Sternau untersuchte auch diese.

»Eine Kontusion. Wir müssen es abwarten«, entgegnete er. – »Wenn sie stirbt, wird Büffelstirn ihr tausend Skalpe der Franzosen auf das Grab legen«, meinte der Häuptling drohend. – »Wer hat dem Mann dort den Skalp genommen?« fragte Sternau, auf den wimmernden Franzosen deutend. – »Er war der Anführer der Feinde. Er hat alles verschuldet Er hat die Tochter der Mixtekas geschlagen. Ich habe ihm die Haut samt Ohren und Nase genommen.«

Sternau wandte sich ab. Der Anblick dieses Menschen war zu gräßlich.

»Señor, blickt auch nach meinem Kind«, bat Pirnero. Sternau erfüllte ihm den Wunsch.

»Auch nur eine Ohnmacht«, entschied er, als er es untersucht hatte.

Dann trat er zu dem Grafen und untersuchte dessen Kopf, der von einem wuchtigen Kolbenschlag getroffen worden war. Er machte ein sehr ernsthaftes Gesicht

»Wie steht es?« fragte Mariano, im höchsten Grad besorgt. – »Es ist gefährlich«, antwortete Sternau. – »Mein Gott. Welch ein Herzeleid!« – »Die Gefahr liegt in den beiden Umständen, daß der Graf alt ist und schon so vieles erlitten hat. Es werden Stunden vergehen, ehe er aufwacht. Aber wer liegt da? Das ist der Schwarze Gerard.«

Er kniete nun auch bei diesem nieder, um ihn zu untersuchen.

»Gott, so zerschossen und zerstochen sah ich noch keinen Menschen!« sagte er. »Er muß zunächst verbunden werden, um fernere Blutungen zu vermeiden.« – »So ist er nicht tot?« fragte Pirnero. – »Jetzt noch nicht. Ich kann erst später sehen, ob seine Wunden tödlich sind oder nicht. Vor allen Dingen schafft Leute herbei, um die Patienten zu transportieren. Señor Pirnero, Euer Haus wird ein förmliches Lazarett werden. Gerard ist der erste, der in ein Bett muß. Faßt an, Freunde. Wir wollen ihn vorsichtig fortschaffen.«

Da auf dem Schlachtfeld nichts mehr zu tun war, so waren sehr bald Hände gefunden, die Ohnmächtigen in separate Zimmer zu schaffen. Jetzt erst begann Sternaus Haupttätigkeit, da die beiden Wiener Ärzte sich noch auf dem Kampfplatz befanden, um den verwundeten Apachen beizustehen.

Die toten Franzosen wurden vom Boden herabgeschafft und einfach in den Fluß geworfen. Ebenso erging es auch den auf dem Kampfplatz Gefallenen, nachdem ihnen die Skalpe und alles Brauchbare abgenommen worden war.

Dort hatte es überhaupt noch einige Szenen gegeben, die unmöglich übergangen werden dürfen.


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