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17. Kapitel.

Die beiden Sprecher hatten gar nicht bemerkt, mit welchen Blicken die schöne Resedilla den anderen Jäger beobachtete, der ruhig auf seinem Stuhl saß und gar nicht tat, als ob ihn das Gespräch interessiere. Jetzt aber erhob er sich und ging hinaus, um nach seinem Pferd zu sehen. Als er wieder in den Flur trat, um in die Gaststube zurückzukehren, stand Resedilla in demselben.

»Verzeiht, Señor«, sagte sie in ängstlichem Ton, »dieses Blut an Eurer Jacke ist nicht von einem Reh.«

Er blickte ihr lächelnd in die Augen, die voller Besorgnis auf ihn gerichtet waren, und fragte:

»Wovon soll es sonst sein, Señorita?« – »Ihr seid verwundet?« – »Verwundet?« fragte er erstaunt. »Wer sollte mich verwundet haben?« – »Gestern abend die Franzosen.« – »Ah, wie bringt Ihr mich mit den Franzosen zusammen?«

Da faßte sie Mut und antwortete:

»Entsinnt ihr Euch noch, daß Ihr droben im Zimmer auf dem Stuhl eingeschlafen waret?« – »Ja«, antwortete er. – »Nun, da habe ich unterdessen Euer Gewehr aufmerksam betrachtet.« – »Wirklich? Weshalb?« – »Um zu sehen, ob der Kolben von Gold ist.« – »Sapristi!« sagte er überrascht. »Welchen Grund hattet Ihr dazu?« – »Ich ahnte bereits, wer Ihr seid.« – »Ah, Señorita, das war sehr vorwitzig von Euch!«

Er wollte seiner Stimme den Ausdruck des Vorwurfs geben, allein es gelang ihm nicht. Er freute sich ja über den Scharfsinn, den die Geliebte entwickelt hatte.

»Werdet Ihr mir das verzeihen, Señor?« fragte sie. – »Gern, Señorita. Aber was denkt Ihr nun von mir?« – »Ihr seid der Schwarze Gerard.« – »Ja, Resedilla, ich bin es. Ich hatte Gründe, es verschwiegen zu halten. Euer Vater plaudert gern, obgleich er ein großer Politikus und Diplomat ist. Laßt ihn noch jetzt bei seinem Irrtum; es wird mir Spaß machen.« – »Also Ihr seid wirklich nicht verwundet?« – »Nein.«

Gerard sah, mit welcher Besorgnis sie ihn betrachtete, und das machte ihn glücklich. Wäre sie so voller Angst gewesen, wenn sie ihn nicht geliebt hätte?

»Werden die Apachen in das Fort kommen?« fragte sie. – »Ja. Ich war, ehe ich hierherkam, bereits auf dem Annunciamento und habe von da aus einen Boten gesandt, der sie aber nicht gleich getroffen hat, sonst wären sie bereits hier.« – »Und die Deutschen werden wirklich bei uns bleiben?« – »Ja, Señorita. Es sind zwei sehr gute Señores.« – »Und Ihr? Was werdet Ihr tun?« – »Ich reite mit den Apachen fort.« –»In den Kampf?« – »Vielleicht.« – »Oh, Señor, könntet Ihr das denn nicht umgehen?« – »Warum, Señorita?«

Sie antwortete nicht. Er aber ergriff ihre Hände und sagte:

»Resedilla, ich danke Euch! Ich sehe, daß Ihr Euch um mich sorgt, und dies gibt mir den Mut, zu hoffen, daß Ihr mir meine Vergangenheit verziehen habt.«

Sie richtete den Blick voll und warm auf ihn und antwortete:

»Ihr habt ja so aufrichtig gebeichtet, daß es eine Sünde wäre, Euch zu zürnen, Gerard. Ich sehe nur, was Ihr seid, aber nicht, was Ihr wäret.«

Da drückte er eine Hand von ihr an sein Herz und die andere an seine Lippen und wollte sprechen; aber jetzt öffnete sich die Tür, und Pirnero trat heraus. Er hatte hinüber nach dem Laden gehen wollen und blieb ganz erschrocken stehen, als er die Gruppe erblickte.

»Was – was – was ist denn das?« fragte er. – »Ich spreche mit der Señorita«, antwortete Gerard. – »Das sehe ich; aber Ihr küßt auch ihre Finger! Was soll das?« – »Das soll ein Beweis meiner Hochachtung sein, Señor.« – »Hochachtung? Der Teufel hole eine solche Hochachtung! Tretet einmal in die Stube herein, Señor! Resedilla aber mag in die Küche gehen.«

Gerard folgte dem Alten. Dort stemmte dieser die beiden Fäuste in die Hüften und sagte mit zornbebender Stimme zu dem Kleinen André:

»Wißt Dur, Señor, was ich da soeben gesehen habe?« – »Nun?« fragte der Kleine gespannt. – »Ein Liebesabenteuer, ein ganz regelrechtes Liebesabenteuer zwischen meiner Tochter und diesem Menschen! Denkt Euch nur!« – »Unsinn!« – »Unsinn? Señor, ich sage Euch, er hatte ihre rechte Hand an seinen Rippen und ihre linke an seinen Lippen. Ist das kein Liebesabenteuer?«

Der Kleine lachte.

»Nun, so habt Ihr auf einmal einen Schwiegersohn!« meinte er. Das fuhr dem Wirt in den Kopf.

»Schwiegersohn? Der?« zürnte er. »Mit einem einzigen Julep? Der die Rede für andere schleppt und keine ganze Jacke besitzt? Der sollte mir nur kommen! Dieser Kerl ist weder bei Regen, noch bei Sonnenschein als Schwiegersohn zu gebrauchen. Seht ihn an, wie jammervoll er dasteht! Wenn ich ihm einen Puff gebe, so fällt er um! Nein, daraus wird nichts!«

Er lief einmal in der Stube hin und her, blieb dann vor Gerard stehen und sagte:

»Señor, habt Ihr etwa ein Auge auf meine Tochter?« – »Alle beide«, antwortete Gerard ruhig. – »So nehmt Euern Schießprügel und macht, daß Ihr fortkommt! Und wenn Ihr Euch noch einmal bei mir sehen laßt, so schlage ich Euch tot und skalpiere Euch bei lebendigem Leibe! Verstanden?« – »Gut!« antwortete Gerard. »Ich werde Euch gehorchen, Señor Pirnero. Aber so, wie ich dastehe, werdet Ihr mich doch nicht fortjagen!«

Gerard strich sich mit den Händen an den Seiten herab.

»Wie meint Ihr das?« fragte der Alte erstaunt – »Ich meine, in diesen Sachen. Bei schlechtem Wetter geht es, da achten die Leute nicht darauf. Bei gutem Wetter bemerkt man aber, wie schlecht diese Jacke ist. Habt Ihr in Eurem Laden keine Kleidung für mich?«

Da runzelte der Alte die Stirn und fragte:

»Señor, wollt Ihr mich vielleicht foppen?« – »Fällt mir gar nicht ein!« – »Oder mich anbetteln?« – »Auch nicht.« – »Oder anpumpen? Denn Geld habt Ihr doch nicht!« – »Wer sagt Euch das? Ich habe mir einiges gespart, und zu einem Anzug langt das allemal.« – »Ja, zu baumwollenen Hosen und zu einer baumwollenen Jacke, da mag es wohl langen. Aber für Eure Größe habe ich nur einen einzigen Anzug, und der ist teuer.« – »Woraus besteht er?« – »Aus echt indianischen Mokassins, Hosen von Hirschleder, einem ebensolchen Jagdhemd, schön weiß gegerbt, und einem Jagdrock aus Elenleder. Dazu ein Hut von kurzgeschorenem Biberfell, nebst Gürtel und allem Zubehör.« – »Sapperlot, Ihr macht mir den Mund wäßrig!« – »So laßt ihn wässern, meinetwegen zehn Jahre lang; den Anzug aber erhaltet Ihr auf keinen Fall, da Ihr ihn ja doch nicht bezahlen könnt.« – »Hm! Aber ansehen darf man ihn wohl einmal?«

Welcher Handelsmann zeigt nicht gern seine Ware? Pirnero war überzeugt, daß Gerard kein Geld habe; aber der Anzug war das beste Stück seines Ladens, und die Gelegenheit, mit demselben zu prahlen, wollte er sich doch nicht gern entgehen lassen, zumal noch ein Jäger zugegen war.

»Ansehen?« fragte er daher. »Schaden kann es nichts. Vielleicht trefft Ihr einen, den Ihr zu mir weisen könnt. Ich will ihn Euch zeigen.« – »Gut, so gehen wir nach dem Laden.« – »Nach dem Laden? O nein«, antwortete der Alte rasch. »Wer nur einen Julep trinkt und mit meiner Tochter liebäugelt, darf nicht in den Laden. Ich werde den Anzug holen. Wartet hier, ehe ich Euch hinauswerfe.«

Damit ging er. Da räusperte sich der Kleine André und sagte:

»Wißt Ihr noch, was ich gestern zu Euch sagte?« – »Daß ich kein Jäger sei?« antwortete Gerard. – »Ja.« – »Und daß ich keine Ehre habe, weil ich mir alles gefallen lasse?« – »Ja. Ihr seid wirklich ein ganz und gar unbegreiflicher Kerl!« – »So wartet, bis Ihr mich begreifen werdet. Der Mensch will seinen Spaß haben, und ein jeder hat ihn auf seine eigene Weise.«

Nach einiger Zeit kehrte Pirnero mit dem Gewand zurück und breitete es auf der langen Tafel aus. Die beiden Jäger betrachteten die Sachen und fanden sie ganz ausgezeichnet und allen Anforderungen entsprechend.

»Donnerwetter!« sagte schließlich der Kleine. »Dergleichen Arbeit ist sehr selten. Hätte ich Eure Gestalt, Señor, sofort kaufte ich mir den Anzug!«

Er meinte damit Gerard. Pirnero aber rief:

»Der und kaufen! Das soll er wohl bleibenlassen!« – »Aber anziehen darf er die Sachen doch einmal, damit man sieht, wie sie sitzen«, bat der Kleine. – »Hm, ich habe nichts dagegen«, entgegnete der Alte. »Ich bin selbst neugierig, wie der Schnitt ist. Und eine Gelegenheit wie heute kommt nicht gleich wieder. Dieser Mann ist ja ein Riese, und da er mir das Haus nicht wieder betreten darf, so habe ich später keine Gelegenheit, die Sachen anzumessen. Er mag also dort hinter den alten Schrank treten und das Zeug anlegen, aber nur für zwei Minuten.«

Gerard nahm nun lächelnd die Kleidungsstücke und trat hinter den Schrank, der so tief war, daß er ihn vollständig verbarg. Als er fertig war und sogar den breitkrempigen Hut aufgesetzt hatte, kehrte er zurück. Die beiden Männer staunten ihn an, als ob sie ihn noch gar nicht gesehen hätten.

»Alle Teufel«, meinte der Kleine, »ist das eine Verwandlung!« – »Oh, hier sieht man erst, was der Rock aus dem Mann macht!« rief Pirnero. »Sieht der Kerl nicht gerade aus wie ein echter, richtiger Felsenmann? Steht diese Tracht ihm nicht wie angegossen, wie gerade für ihn gemacht?«

Bei diesen Worten drehte er Gerard hin und her, besah ihn von allen Seiten und sagte:

»So, jetzt mag's gut sein. Zieht Euch wieder um und macht, daß Ihr verschwindet. Man hat nun wenigstens gesehen, wozu Ihr zu gebrauchen seid.« – »Wozu?« fragte Gerard. – »Als Hauben- und Kleiderstock.« – »Danke, Señor! Also Ihr meint, daß mir die Sachen passen?« – »Ganz vortrefflich. Aber Euch kann das ja gar nichts nützen!« – »Aber hören darf man doch, wie hoch der Preis ist?« – »Warum nicht? Es ist mein bester und teuerster Anzug. Er kostet achtzig Dollar.« – »Nicht mehr?« – »Seid Ihr gescheit? Ich dächte achtzig Dollar wäre Geld genug.« – »Hm, für Euch wohl, aber für mich nicht« – »Unsinn! Zieht Euch aus!« – »Das fällt mir gar nicht ein, Señor Pirnero. Dieses Zeug gefällt mir sehr gut, und ich behalte es.« – »Ah, pfeift Ihr so?« rief der Alte drohend. »Herunter damit! Ohne Geld verkauft der alte Pirnero nichts!« – »Wer sagt denn, daß ich nicht bezahlen will?« – »Ihr? Woher wollt Ihr eine solche Summe nehmen, Ihr Geißträger?« – »Das werdet Ihr wohl abwarten müssen. Also achtzig Dollar?« – »Ja, keinen Cent weniger. Aber macht keinen Unsinn!« – »Das fällt mir nicht ein. Habt Ihr Eure Goldwaage bei der Hand?« – »Die brauche ich nicht zu holen. Habt Ihr etwa auch Nuggets?« – »Wartet es ab!« – »Nun wohl, so will ich mit Theater spielen. Ich hole die Waage. Aber, Señor André, ich mache Euch dafür verantwortlich, daß dieser Mann mir nicht etwa unterdessen entspringt!« – »Geht ruhig, Señor«, entgegnete der Kleine allen Ernstes. »Wenn er Miene macht, die Stube zu verlassen, ehe Ihr zurück seid, jage ich ihm eine Kugel durch den Kopf.«

Dies gab dem Alten Mut, die Waage zu holen. Als er fort war, trat Resedilla herein. Sie hatte von der Küche aus das ganze Gespräch hören können und kam nun, Zeuge von dem Sieg Gerards zu sein. Als sie ihn jetzt dastehen sah, schlug ihr das Herz doch lauter als vorher. Welch einen Eindruck machte er jetzt gegen früher!

Da trat ihr Vater wieder herein. Er schien befriedigt zu sein, Gerard noch zu sehen. Jedenfalls hatte er wirklich den Verdacht gehabt, daß derselbe sich aus dem Staub machen werde.

»Nun, wo habt Ihr Eure Nuggets?« – »Nuggets sind es nicht.« – »Was denn?« – »Sollt es gleich sehen!«

Gerard nahm sein Messer und griff nach seiner Büchse, legte letztere auf die Tafel und tat mit dem Messer ein paar kräftige Hiebe in den schweren Kolben. Beim dritten Hieb bereits sprang ein großes Stück gediegenen Goldes ab.

»Alle Wetter!« rief der Alte. – »Donner und Doria!« rief der Kleine. »Señor, wer seid Ihr?« – »Der Käufer dieses Anzuges«, antwortete der Gefragte ruhig und hieb noch mehrere Stücke los.

Pirnero stand ganz erstarrt.

»Nun, Señor«, fragte Gerard, »ist diese Büchse wirklich ein so altes, schlechtes Schießeisen, wie Ihr sagtet?«

Da faßte ihn der Kleine am Arm und rief:

»Herr, Sie sind der Schwarze Gerard, oder mich soll der Teufel holen!« – »Könntet es erraten haben«, nickte der gewaltige Jäger. – »Aber warum sagtet Ihr dies nicht eher?« – »Hatte meinen Spaß daran.«

Da schlug sich Pirnero mit der Hand vor den Kopf und rief:

»O ich Esel, ich dreifacher Esel!« – »Ich denke, Ihr seid ein großer Diplomat?« fragte Gerard lachend. – »Ein Heupferd bin ich, aber kein Politikus«, antwortete der Alte. »Aber ich werde diesen Fehler sofort gutmachen.«

Damit faßte er seine Tochter am Arm und wollte sie herbeiziehen; sie aber sträubte sich dagegen.

»Hier ist sie, Señor!« rief er. »Ihr sollt mein Schwiegersohn sein.«

Das Gesicht Resedillas erglühte im tiefsten Rot. Gerard bemerkte es. Er schüttelte den Kopf und antwortete:

»Señor Pirnero, macht keinen zweiten Fehler! Die Señorita hat das Recht, sich einen Mann zu nehmen, der ihr gefällt.« – »Aber wenn nachher die Apachen kommen?« fragte der komische Alte. – »So braucht Ihr dennoch keinen Schwiegersohn, der Euch beisteht. Sie werden keinen Brandy trinken, denn das leidet ihr Häuptling nicht. Sie werden sich nur Blei, Pulver und Messer kaufen und dabei nicht einmal den Laden betreten. Bärenauge wird das en gros von Euch nehmen, es bezahlen und dann an seine Leute verteilen.« – »Ist das wahr?« – »Ja, denn so habe ich es mit ihm ausgemacht« – »Aber, so sagt, Señor, warum habt Ihr mir nicht längst gestanden, wer Ihr seid?« fragte der Alte in seiner großen Verlegenheit. – »Es sollte niemand wissen, daß der Schwarze Gerard hier auf jemanden wartet.« – »Dieser Jemand bin ich?« fragte der Kleine. – »Wahrscheinlich!« – »Nun, so will ich Euch sagen, daß ...« – »Halt!« gebot Gerard mit einem warnenden Seitenblick auf Pirnero. »Wir sprechen nachher davon. Soll ich nun gehen, Señor Pirnero?« – »Beileibe nicht, Señor!« antwortete der Gefragte schnell. – »Ich darf auch später wiederkommen?« – »Natürlich.« – »Aber Ihr wollt mich ja lebendig skalpieren, wenn ich wiederkomme?« – »Oh, Señor, das war nur ein Spaß. Wir Leute aus Pirna sind alle gern spaßhaft« – »Nun, so wiegt dieses Gold und gebt mir heraus, es ist mehr als für achtzig Dollar.«

Dies geschah, und dann trug der Alte die Waage wieder fort. Während er im Haus umherlief, um dem Gesinde zu sagen, daß der fremde Lump der berühmte Gerard, die rechte Hand des Präsidenten Juarez sei, fragte der Kleine André Gerard:

»Warum winktet Ihr mir zu schweigen, Señor?«

Gerard setzte sich ihm gegenüber und antwortete:

»Vor allen Dingen hier meine Hand. Wir sind Jäger und haben bereits voneinander gehört. Wir haben nicht nötig, uns Komplimente zu sagen und werden uns einfach du und beim Namen nennen. Topp?« – »Topp!« rief der andere, freudig einschlagend. – »Gut. Ferner mußt du wissen, daß es besser ist, vor Pirnero zu schweigen, denn er spricht zu gern, als daß ich ihm ein Geheimnis anvertrauen möchte.« – »Das ist mir unlieb, sehr unlieb.« – »Warum?« – »Du weißt, weshalb ich hier bin?« – »Ich erwarte einen Boten vom General Hannert. Bist du dieser Mann?« – »Ja.« – »Ihr bringt Juarez Geld?« – »Ja, und zwar gleich millionenweise.« – »Ich weiß es von Juarez, und er hat mir den Auftrag gegeben, dich hier abzulauern, um mich zur Verfügung zu stellen.« – »Dasselbe sagte mir der General, nämlich, daß ich dich hier treffen würde. Wir haben jedoch gehört, daß unsere Sendung verraten ist.« – »Das ist wahr.« – »Daß die Franzosen von dem Geld wissen, das wir bringen?« – »Sie wissen es allerdings. Sie sandten ja aus diesem Grund die Kompanie aus, die wir in dieser Nacht vernichtet haben.« – »Ah, so sind wir nach dieser Seite sichergestellt?« – »Vielleicht.« – »Aber auch die Komantschen wissen von uns.« – »Ah! Ich habe die Boten belauscht, die es ihnen mitteilen mußten.« – »Sie haben Vedetten – Feldwachen – längs des Llano estacado aufgestellt, die unseren Zug beobachten sollen.« – »Seid ihr von ihnen bemerkt worden?« – »Seit bereits fünf Tagen.« – »Alle Teufel, so ist es die höchste Zeit! Die Vedetten werden euer Erscheinen den Häuptlingen mitgeteilt haben, und diese brechen sicherlich sofort auf, um euch zu überfallen und das Geld abzunehmen. Wir stark seid ihr?« – »Sechzig Mann. Vierzig Mann US-Truppen und zwanzig tüchtige Westmänner.« – »Wie transportiert ihr das Geld?« – »Auf Maultieren.« – »Hm! Was habt ihr getan, als ihr euch von den Komantschen bemerkt sahet?« – »Wir hatten den Llano estacado bereits hinter uns und zogen uns an einem Arm des Saladoflusses hinauf, wo wir ein festes Lager errichtet und uns verschanzt haben, so daß die Komantschen sich hüten werden, uns anzugreifen. Mich aber sandte der General zu dir, um Hilfe zu holen.« – »Ich habe bereits dafür gesorgt. Die fünfhundert Apachen, die du heute gesehen hast, werden uns begleiten.« – »Ah, prächtig, das hilft uns aus aller Not!« – »Noch nicht. Um vom Saladofluß zu Juarez zu kommen, müssen wir quer durch das Gebiet der Komantschen hindurch.« – »Schlagen wir einen Umweg nach Süden ein!« – »Das geht nicht. Wir müssen den geradesten Weg wählen, da Juarez das Geld notwendig braucht, wenn er die Franzosen vertreiben will. Bei einem so gefährlichen Ritt sind frische Pferde die Hauptsache. Wie steht es mit den eurigen?« – »Leidlich.« – »Bloß? Und die Maultiere?« – »Sind sehr abgetrieben.« – »O weh! So müssen wir vor allen Dingen für frische Tiere sorgen. Wie viele werden wir brauchen?« – »Achtzig Pferde und fünfzig Maultiere.« – »Die bringe ich heute zusammen. Wenigstens werde ich mit den Besitzern akkordieren. Bärenauge mag einen Boten nach seinem Lager senden, der zuverlässige Leute holt, um die Tiere heimlich nach der südlichen Coloradoquelle zu bringen. Dort treffen wir sie, und dann geht es im Galopp durch das Gebiet der Komantschen.« – »Der General meint, daß es am besten sei, das Geld nach Fort Guadeloupe zu bringen, von wo Juarez es abholen lassen kann.« – »Dies dachte ich auch; aber seit unsere Absicht den Franzosen verraten wurde, bin ich davon abgekommen. Es bleibt bei meinem Vorschlag, der den Beifall des Präsidenten hat, und ich werde sofort an die Ausführung gehen.« – »Woher bekommst du Tiere?« – »Von einer großen Hazienda, eine Stunde von hier. Doch darf kein Mensch etwas davon ahnen. Es wird das tiefste Geheimnis bleiben. Ah, da kommen sie schon.«

Draußen ertönte lauter Hufschlag. Die Apachen waren in das Fort eingeritten. Die Tür ging auf, und Bärenauge trat ein. Er sah sehr wohl seinen Freund am Tisch sitzen, aber kein Blick verriet, daß er bemerkte, daß dieser andere Kleider trug. Langsam und würdevoll kam er näher.

Resedilla hatte auf ihrem Stuhl gesessen. Jetzt erhob sie sich. Ihr Auge war voll bewundernder Angst auf den berühmten Indianer gerichtet, der vor ihr stehenblieb, sie einen kurzen Augenblick lang betrachtete und dann sagte:

»Die Töchter der Bleichgesichter sind schön. Ihr Antlitz glänzt wie die Sonne, und ihre Augen sind wie der Himmel. Meine weiße Schwester möge glücklich sein.«

Nach dieser Höflichkeitsphrase trat er auf die beiden Jäger zu, setzte sich bei ihnen nieder und sagte zu Gerard:

»Mein weißer Bruder kennt den Mann, der im Wald Böcke schießt?« – »Er ist mein Freund«, antwortete Gerard lächelnd. – »Die Gestalt berühmter Jäger ist oft klein; aber wenn sie sich auch zuweilen von den Kriegern ergreifen lassen, so sind sie doch tapfer im Krieg und treu im Frieden. Dieses Bleichgesicht ist der Bote, den du erwartest?« – »Ja.« – »So werde ich die Botschaft erfahren, die er bringt«

Gerard erklärte ihm das, was er soeben mit André besprochen hatte, und erhielt die volle Zustimmung des Apachen, der sofort zwei reitende Boten in das Lager seines Stammes nach Kriegern sandte, die die Pferde und Maultiere nach den Quellen des Colorado bringen sollten.

Er suchte sich darauf aus, was an Munition bei Pirnero zu haben war, bezahlte alles und ließ es verteilen. Die Apachen waren kaum eine halbe Stunde im Fort gewesen, so ritten sie wieder davon.


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