Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

28. Kapitel.

Als der Sergeant vorhin, von Pirnero geführt, mit seinen acht Mann den Bodenraum erreicht hatte, sah er den alten Grafen mit den drei Damen am Giebelfenster stehen, wo sie den Lauf des Gefechtes beobachteten, und hörte ihn sagen:

»Die Franzosen werden vernichtet bis auf den letzten Mann!« – »Oho! So weit ist es jetzt noch nicht!« antwortete er.

Die vier blickten sich um und erschraken, als sie die Soldaten sahen, die den gefesselten Wirt mit sich führten.

»Vater, mein Vater!« rief Resedilla, auf Pirnero zueilend und ihn umschlingend. – »Halt! Zurück!« gebot der Sergeant. »Hier gibt es keine Szene.«

Da trat der Graf auf ihn zu und sagte:

»Sergeant, was wollen Sie?« – »Das haben Sie mich nicht zu fragen!« lachte dieser. »Wer sind Sie?« – »Ich bin Graf Ferdinando de Rodriganda.« – »Den suchen wir!« – »Mich? Warum?« fragte der Graf erstaunt. – »Ja! Sie! Sie sind mein Gefangener!« – »Sie irren. Ich bin kein Feind der Franzosen.« – »Das wird sich finden. Bindet ihn!« – »Mich binden?« fragte Don Ferdinando entrüstet. »Ein Sergeant befiehlt, mich, den Grafen Rodriganda, zu binden! Wer hat Ihnen den Befehl dazu gegeben?« – »Das geht Sie nichts an!« – »Ich würde Sie mit dieser meiner Faust niederschlagen, wenn Sie ein Offizier wären, einen Sergeanten aber rühre ich nicht an. Da ich leider unbewaffnet bin, so kann ich mich gegen so viele nicht verteidigen. Hier sind meine Hände!« Er wurde gebunden.

»Nun auch diese Frauen oder Mädchen!« gebot der Sergeant. – »Ist es möglich!« rief Resedilla. »Wir haben ja nichts getan!« – »Ergib dich drein!« warnte ihr Vater. »Gegenwehr hilft hier nichts.«

Sie ließ sich binden, Emma desgleichen. Ein Soldat trat auch zu Karja, die Schnur in der Hand. Die Augen der Indianerin funkelten. Sie war die echte Schwester Büffelstirns. Mit einem raschen Griff hatte sie das Seitengewehr des Soldaten erfaßt und aus der Scheide gerissen.

»Wagt es!« rief sie, die Klinge zückend. – »Donnerwetter, sind hier die Weiber giftig!« rief der Sergeant. »Schlagt sie nieder!«

Der Soldat wollte Karja fassen. Sie rannte ihm aber die Klinge in den Leib. Gleich darauf erhielt sie von einem anderen einen Kolbenschlag auf den Kopf, daß sie zusammenbrach.

»Widerstand gegen die Sieger!« rief der Sergeant »Das sollt Ihr entgelten.« Und zu dem Grafen gewandt, fuhr er fort: »Ich höre, Sie sind reich, Graf? Ich bin bereit Sie gegen ein Lösegeld freizugeben.« – »Wieviel verlangen Sie?« – »Wieviel haben Sie bei sich?« – »Sie haben meine Frage gehört. Antworten Sie!« – »Oho! Das klingt ja ganz, als ob Sie es wären, der hier zu befehlen hätte! Wo haben Sie Ihre Besitzung, Ihre Wohnung?« – »In der Stadt Mexiko.« – »So sind Sie hier fremd?« – Ja.« – »Aber Reisegeld haben Sie doch mit?« – Ja.« – »Wieviel?« – Es wird zureichen, mich loszukaufen, wenn ein Sohn der großen Nation wirklich den Banditen spielen will.« – »Zügeln Sie Ihre Zunge. Es ist Krieg, und wir sind die Meister. Wenn Sie meinen, daß Ihr Geld zureicht, so müssen Sie eine bedeutende Summe besitzen, und ich wäre ein Tor, eine bestimmte Zahl anzugeben. Wo ist Ihr Geld?« – »Ah! Sie wollen wirklich, im Ernst, den Räuber spielen?« – »Räuber oder nicht! Ich will wissen, wo sich Ihr Geld befindet!« – »Ich bin nicht verpflichtet, es Ihnen zu sagen. Wollen Sie ein Dieb sein, wollen Sie es stehlen, so suchen Sie es sich!« – »Ich befehle Ihnen, mir Auskunft zu geben!«

Bei diesen Worten trat der Sergeant drohend auf den Grafen zu. Dieser zuckte die Achseln und sagte im Ton tiefster Verachtung:

»Sie mir befehlen? Sie sind verrückt! Sie sind unheilbar wahnsinnig!« – »Ah, eine Beleidigung! Ich werde Sie zwingen, mir Antwort zu geben. Legt ihn nieder und zählt ihm so viel auf, bis er redet!«

Der Graf wurde von den Soldaten gepackt. Einer derselben aber meinte mit dem Lächelns eines Fauns:

»Sergeant, ich habe eine hübsche Idee. Wie wäre es, wenn wir die Weiber prügelten?« – »Warum diese?« – »Hm! Erstens ist das interessanter, und zweitens wird der Graf dann aus Galanterie eher gezwungen sein, Antwort zu geben.« – »Du bist ein unbezahlbarer Kerl; du hast recht. Haut sie! Alle beide. Zuerst aber diese da. Eine nach der anderen.«

Er deutete auf Resedilla.

»Mein Gott, es ist unmöglich!« rief Resedilla, im höchsten Grade erschrocken. – »Señor, seid vernünftig, seid menschlich«, bat Pirnero. – »Faßt sie«, gebot der Sergeant als Antwort.

Vier seiner Leute griffen zu. Resedillas Hände waren gebunden, aber sie wehrte sich dennoch mit allen Kräften gegen die rohe Gewalttätigkeit.

»Halt!« rief da der Graf, »ich werde sagen, wo sich das Geld befindet.«

Da nickte ihm der Sergeant grinsend zu und antwortete:

»Sehen Sie, wie gefügig Sie werden! Aber um Ihr Geld ist mir nun nicht mehr bange. Ich habe meinen Leuten einmal eine kleine, interessante Unterhaltung gewährt, und so sollen sie diese auch haben. Gebt der Mademoiselle zehn Hiebe und der anderen Dame ebenso viele!«

Ein lautes Gelächter erscholl von den Lippen der Franzosen. Sie packten Resedilla, die sie bei den Worten des Grafen losgelassen hatten, von neuem und bemühten sich, sie zu Boden zu zerren. Resedilla wehrte sich wie eine Verzweifelte, aber ohne Erfolg, wie sich denken läßt.

»Teuflische Buben!« rief jetzt der Graf und warf sich trotz seines Alters und seiner gebundenen Hände auf die vier Soldaten, erhielt aber von dem Sergeanten einen Kolbenschlag, der so kräftig war, daß er ihn besinnungslos machte. – »Vorwärts! Macht ein Ende«, befahl der Sergeant.

Diese Menschen waren so sehr auf die Ausführung ihres niederträchtigen Vorhabens bedacht, daß sie gar nicht an ihre Lage dachten. Ein Blick durch das Fenster hätte sie belehren müssen, daß sie unrettbar verloren seien, wenn sie nicht sofort den einzigen Weg benutzten, schwimmend über das Wasser hinüber die Flucht zu ergreifen.

Auf den letzten Zuruf des Sergeanten machten die vier Soldaten eine vereinte und doppelte Anstrengung, und Resedilla wurde zu Boden gerissen. Sie stieß vor Angst einen lauten Schrei um Hilfe aus, mit welchem sich ein Wehruf ihres Vaters vereinigte.

»Endlich!« rief einer der Soldaten, der auf der sich Sträubenden kniete, um sie am Boden festzuhalten. – »Ja, endlich!« ertönte eine tiefe Stimme von der Tür her.

Zu gleicher Zeit erkrachte ein Schuß, und der Soldat, der das Endlich ausgerufen hatte, stürzte mit zerschmettertem Schädel nieder.

»Halt, was ist das?« rief der Sergeant – »Der Schwarze Gerard ist es!«

Mit diesen Worten schoß der Jäger, der selbst halb tot war und kaum stehen konnte, den nächsten der drei Soldaten nieder, die Resedilla noch hielten.

Dann ließ er das schwere Gewehr krachend zu Boden fallen und ergriff die Revolver. Zwei Schüsse, rasch hintereinander abgefeuert, streckten auch noch die beiden übrigen nieder, so daß Resedilla sich frei fühlte und wieder aufspringen konnte.

Der Sergeant hatte mit seinen vier noch übrigen Leuten im ersten Augenblick ganz erschrocken dagestanden. Jetzt aber faßte er sich und brüllte:

»Der Schwarze Gerard! Drauf!«

Er schwang seine Büchse, um den Feind niederzuschlagen. Aber das Dach war zu niedrig, der Kolben blieb hängen. Dadurch irregemacht, blickte der Sergeant, der sich mitten im Sprung befand, in die Höhe. Er stolperte dabei über einen der tot daliegenden Franzosen und stürzte zur Erde.

Dies gab Gerard noch einmal Raum. Er schoß noch einen der vier, die ihn packten, nieder; dann wurde er umgerissen. Er versuchte sich loszumachen, um zu schießen; aber zwei Kugeln gingen fehl, und dann wurden ihm die Revolver entrissen.

Es gelang ihm zwar noch, mit der letzten, verschwindenden Kraft, das Messer aus dem Gürtel zu ziehen und damit um sich zu stechen, aber in der nächsten Sekunde mußte er verloren sein, denn der Sergeant hatte sich erhoben und sein Gewehr wieder aufgerafft. Er wollte nicht mehr zuschlagen, ein Schuß war ja sicherer, darum legte er die Büchse an und gebot seinen Leuten, die von Gerards Messer mehrfach verwundet waren:

»Zur Seite mit euch, daß ich euch nicht treffe!«

Sie gehorchten, und schon legte er den Finger an den Drücker, da schrie Resedilla laut auf und faßte mit ihren gefesselten Händen den Lauf seines Gewehres. Der Schuß krachte, aber er ging fehl.

»Zum Teufel! Schafft mir das Frauenzimmer vom Leib!«

Bei diesen Worten ergriff der Sergeant das Gewehr eines seiner Untergebenen, das noch geladen war. Zwei warfen sich auf Resedilla, um sie zurückzuziehen, und der dritte kniete auf dem am ganzen Körper blutenden Gerard, der sich noch einmal emporzurichten versuchte, aber kraftlos niedersank.

»Gerard, mein guter Gerard!« rief Resedilla unter der vergeblichen Anstrengung, sich loszureißen. – »Lebe wohl, Resedilla!« hauchte er kaum hörbar.

Die Mündung des Gewehrs gähnte gerade vor seiner Stirn. Er schloß die Augen.


 << zurück weiter >>