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X.

Konzert im Odeon.

Der warme Glanz des gelblichen Stucco-Marmors, die feierliche Wucht der Säulen, die eine zweite, leichtere Ordnung tragen; antike Tempelweihe. So wollte es Klenze und sein königlicher Bauherr als Förderer der Musik. Ludwig, der alle Herrschertugenden von Karl dem Großen bis Napoleon studiert hatte, um sie in sich zu vereinigen, hatte auch diesen Lorbeer in seinen Kranz geflochten und der Tonkunst eine klassische Stätte geschaffen.

Der Saal war bis auf das letzte Plätzchen gefüllt. Vorn, ganz nahe beim Podium, wo der sinnige, heiter-ernste Franz Lachner den Zauberstab schwang, saß im Halbkreis die Hofgesellschaft. Der König immer mobil vor und nach der ersten Symphonie, steuerte auf diese und jene Gruppe zu, begrüßte mit einem klassischen Spruch seinen Leibarzt und Begleiter auf italienischen Reisen, Ringseis, nebst einer Schar von anderen Gelehrten, erzählte da und dort einige seiner Anekdoten, musterte die Reihen, wo die festlich gekleideten Schönen saßen und bei seinem Nahen siegahnend erröteten, in der Hoffnung, »das Taschentuch zugeworfen zu bekommen«. In den vergangenen Blütezeiten des Absolutismus war es ebenso ein Symbol wie der Apfel, den Paris der Schönsten reichte. Was setzten die Töchter des Bürgertums nicht alles dran, hier nicht minder als im Theater dem König aufzufallen und in seinen Augen als die Schönste zu gelten?! War doch damit die sichere Anwartschaft verbunden, durch Stielers Pinsel in unverwelkbarer Maienblüte für die Schönheitsgalerie verewigt zu werden und herrlich vor allen Genossinnen dazustehen. Wer wollte nicht die Schönste sein? Aber o weh! Der König hatte auf seiner Runde durch den Saal schon eine Anzahl von Künstlern erspäht, darunter den scharf geschnittenen Kopf Kaulbachs, Fausten gleich ins Romantische übersetzt, und den rotbackigen, gedrungenen Moritz von Schwind, diesen Naturburschen mit dem deutschesten, innerlichsten, poesievollsten Malergemüt, der immer seinen Mund voll Musik haben mußte und Lachners liebster Freund war, schon von der liederseligen Wienerzeit her.

»Muß hören, was meine Künstler machen!« Mit einigen Sätzen war der König drüben und alsbald in eine Kunstdebatte mit dem ebenso idealen als liebenswürdigen launischen Schwind verwickelt. Warum der Künstler in seinem Gemälde, dessen Karton der König kürzlich gesehen hatte, dem Vater Rhein nicht eine Lyra in die Hand gegeben habe anstatt der Fiedel? »Rhein« stamme doch aus dem Griechischen, also sei er ein Grieche.

»Dann bin ich auch ein Grieche,« entgegnete der Dichtermaler etwas unwirsch über die Kunstkritik des Königs. »Vielleicht wenn dort am Podium statt des Klaviers eine Lyra wäre! Alles Lyra. Bratsche Lyra! Bassettel Lyra! Waldhorn Lyra! Der Postillon mit der Lyra! Das tät' ganz erhaben ausschauen. Der Vater Rhein soll nur die Fiedel spielen, Volkers Fiedel!«

Plötzliche Unruhe, ein Magnet ging durch den Saal und zog alle Blicke an. Alle sahen nach vorn. Es war nicht der Hofkreis, der dieses Interesse erweckte; es war die Lola. Die Damen hatten es besonders scharf auf sie – obschon den Wurm im Herzen, mußten sie gestehen, daß sie sehr schön sei. Dagegen konnten alle Diamanten der Herzogin von Leuchtenberg nicht aufkommen, die neben ihr saß.

Eine Aufregung entstand, und dann folgte ein Augenblick atemloser Stille. Die Herzogin war brüsk aufgestanden und hatte ihren Platz verlassen, gefolgt von einer ganzen Schar Damen des Hofes. Dort standen sie zitternd vor Empörung unter der mächtigen Kolonnade und blieben während des ganzen Konzertes dort stehen, wo Studenten, Musik-Eleven und -Elevinnen und anderes Publikum ein billiges Entree hatten. Ein Glück, daß im kritischen Moment die Musik einsetzte ...

Lola Montez blieb ruhig sitzen, als ginge sie die Sache gar nichts an. Die Stühle um sie herum waren leer geblieben. Dort saßen später mit Zustimmung des Königs ihre Ehrenkavaliere: Staatsrat von Berks, Architekt Metzger, Elias von Vilseck und der ganze Stab von Anbetern und Bewunderern.

Alle Bemühungen des Königs, die Hofgesellschaft mit Lola anzufreunden, waren vergeblich. Nicht einmal im Konzertsaal wurde sie als Sitznachbarin geduldet. Eine Schranke war gezogen, unsichtbar und unüberwindlich: der Hof auf der einen Seite, Lola und ihre Freunde auf der anderen. Bis in das Volk herunter durch alle Stände ging die Klüftung. Der Kunstverein schloß sie mit Stimmeneinheit von der Mitgliedschaft aus, sonst hätte er die Hofkreise verloren; der Hoflieferant wagte ihr aus ähnlicher Befürchtung nichts zu verkaufen. Sie hatte in Schulzes Modehandlung Stoffe gewählt, doch der Händler verweigerte ihr den Verkauf mit den Worten: »Der Artikel gehört für eine hohe Person.« Und sie darauf: »Dann muß ich etwas noch Schöneres haben!« Worauf sie der Ladenbesitzer hinauswies.

Was nützte es, daß sich der König einmengte, die Handlung aufsuchte und den Mann einen Flegel nannte? Was nützte sein Zorn und seine Ungnade der Hof-Kamarilla gegenüber? Überall derselbe stumme und zähe Widerstand.

*

Waren es der sichtbaren Gnadenzeichen noch nicht genug, um dem Liebling des Königs die allgemeine Achtung zu verschaffen? Das Opfer hat eine heiligende Kraft, es schafft die Atmosphäre des Wunders und erhebt Menschen zum Range der Götter.

Was mußte noch geschehen, um die stolzen Nacken der hohen und liebenswürdigen Damen und Herren des Hofes vor seiner Göttin zu beugen?

Eine ungewöhnliche Genugtuung ward auf den Schimpf gesetzt, den Lola im Odeon erfahren hatte: die Erhebung in den Adelstand.

So bestrafte der König die Hochmütigen und rächte seinen Liebling, indem er ihn den adelsstolzen Damen ebenbürtig machen wollte.

Der Zutritt in die vornehmen Kreise war einer Lola Montez verschlossen; einer Gräfin von Landsfeld jedoch mußten sich die Türen öffnen!

Schier unfaßbares Glück! Binnen wenigen Monaten von der abenteuernden Tänzerin zur bayerischen Gräfin! Eine Landstreicherin, viel geschmäht und verachtet und zugleich auf den Gipfel der Ehre gestellt! Ein seltsames Geschick, doch wußte sie es mit Würde zu tragen. Es war ein Äußerstes an Selbstbeherrschung bei einem zügellosen Temperament, daß sie, obschon funkelnd vor Freude und Ruhmgier, Bescheidenheit heuchelte und sich, wenngleich nicht ohne Überhebung, für unwürdig erklärte:

»Mein König, welches sind die Verdienste, um derentwillen die Tänzerin Lola Montez eine Krone des Landes tragen sollte? Sie hat sich ja weder im Krieg beim Totschlagen noch im Frieden beim Münzenschlagen ausgezeichnet, sie hat weder neue Theorien des Staatsrechtes aufgestellt noch neue Systeme für den Untertanengehorsam erfunden. Womit also hat die Tänzerin eine gräfliche Krone verdient?«

Ihre Berechnungskunst war gut. Nichts konnte den König mehr anspornen als Abmahnung und Zweifel. Er wollte ja den Beinamen »der Beharrliche« verdienen.

»Allerdings,« versetzte der König galant, »die Natur, die Sie zur Königin der Frauen bestimmte, hat Ihnen den größeren Adel verliehen; in dieser Hinsicht bedürfen Sie meiner Krone nicht – –«

Wie meinte er das? Sie veränderte die Taktik und lenkte vorsichtig ein: »Doch weiß ich, mein König, daß mit der äußeren Macht und dem Ansehen auch die Würde, der Mut und die Zuversicht wachsen, die man in diesem Leben so nötig hat. Vor allem aber bewegt mich – außer der tiefen Dankbarkeit gegen die königliche Majestät – das Gefühl der Pietät gegen meine Familie, deren alter, in Vergessenheit geratener Adel durch meine Standeserhöhung zu neuem Glanz käme. Ich aber möchte nach den Ahnen vieler dieser vornehmen Damen und Herren fragen, die mich aus ihrem Kreise bannen: ob ihr Stammbaum so weit hinaufreicht wie der meinige; wer weiß, ob ich nicht oft genug Gelegenheit hätte, in der Butike eines Krämers einzutreten als dem Stammhaus derer, die da wähnen, daß in ihren Adern edleres Blut rolle als in den meinigen ...«

Pietät gegen die Familie, deren gesunkener Glanz aufgerichtet werden sollte! Das war der moralische Stützpunkt, der Ludwig standfest machte als Schutzherr einer unglücklichen und unschuldig verfolgten Edlen. Gerecht! Das war ja sein anderer Beiname.

»Nun, Sie werden schon nicht die schlechteste Gräfin sein,« lautete die tröstliche Versicherung.

*

Zur Adelsverleihung war das bayerische Staatsbürgertum, das sogenannte Indigenat erforderlich. Der Verfassung gemäß mußte das königliche Dekret über die Naturalisation durch die Hände des Staatsrats gehen, der zwar keine entscheidende Stimme hatte, jedoch sein Gutachten über Würdigkeit des Indigenatsbewerbers abzugeben hatte.

Der König berief den Staatsminister v. Abel zu sich, um ihn mit seiner Absicht vertraut zu machen.

»Ich wünsche der Sennora Lola Montez das Indigenat und damit verbunden jenen Rang zu geben, der als Grundlage für ihre Hoffähigkeit erforderlich scheint. Ich denke dabei, ihr die Stellung in der Gesellschaft anzuweisen, die ihr meines Erachtens zukommt; ich zweifle nicht, daß die Kreise, die sich einer Lola Montez verschließen, mit gebührender Ehrerbietung einer Gräfin von Landsfeld eröffnet werden.«

Der Minister, der sich nach seinen eigenen Worten so häufig für Seine Majestät geopfert hatte, verleugnete seinen Opfermut. Er hatte den Schlag nicht verwunden. Jetzt war der Tag der Vergeltung.

»Das ist unmöglich, Majestät!«

»Unmöglich? Warum?« Der König war erstaunt.

»Majestät, ich bitte den üblen Leumund der Dame zu bedenken, ihre dunkle Vergangenheit, den zweifelhaften Ruf.«

»Sie sprechen von einer Schutzbefohlenen, die der König mit seiner Freundschaft auszeichnet,« betonte der König scharf und sarkastisch; »sie hat nur diesen Leumund, keinen besseren!«

Der Minister mit einer Verneigung: »Sie ist gedeckt durch die Gnade des Königs. Allein die exklusive Gesellschaft ...«

»Die Gesellschaft!« fiel ihm der König rasch ins Wort. »Welcher stolzen Frau aus dieser sogenannten besseren Gesellschaft wäre es wohl anders ergangen, wenn sie jung, schön und hilflos in die Welt geschleudert worden wäre? Und ist etwa die und die wirklich besser, die sich erkühnten, in einem öffentlichen Saal den Platz neben ihr zu verlassen? Ich kenne sie alle, und auch den Unversuchten halte ich ihre gepriesenen Tugenden nicht allzu hoch!«

Der Minister blieb ruhig und förmlich, obschon er eine lose und stechende Zunge hatte.

»Wage nicht zu widersprechen, wenn Majestät es so befunden haben; doch sei mir erlaubt, an die Unüberwindlichkeit jenes inneren Widerstandes zu erinnern, die in einem historischen Beispiel ersichtlich ist. Majestät wissen, daß selbst Friedrich der Große vergebens dagegen ankämpfte, und daß es einen wahren Aufruhr unter seinen Generalen hervorrief, als er ihnen die Gesellschaft seiner Freundin, der Tänzerin Campani, aufzwingen wollte. Die bedenkliche Stimmung in der Öffentlichkeit, im Innern der Familie, ja im ganzen Lande läßt es gefahrvoll erscheinen, einen Schritt zu wagen, der zu einer ähnlichen – sagen wir: Palastrevolution führen und das Ansehen des Thrones erschüttern könnte.«

Eisen wird um so härter, je mehr darauf gehämmert wird. Der trotzige und demütigende Ton, den sich der ehemals so unterwürfige Minister herausnahm, war kaum das rechte Mittel, den König von seinem Vorhaben abzubringen. Und nun gar der Hinweis auf Friedrich den Großen! Was Friedrich II. nicht vermochte – Ludwig I. mußte es können. Eine Machtprobe! Das war der zweite moralische Grund. Und was die bedenkliche Stimmung im Lande betrifft – alles Tratsch, Neid, Eifersucht! Das Volk beugt sich vor der Gräfin, nicht vor der Tänzerin. Es muß erst die nötige Distanz geschaffen werden, dann ändert sich die Stimmung mit einem Schlag. Also Distanz durch Rangerhöhung! Das war der dritte moralische Stützpunkt.

*

Staatsratssitzung vom 8. Februar 1847.

Gegenstand der Beratung: das königliche Dekret über das Indigenat der Sennora Lola Montez.

Der protestantische Staatsrat Georg von Maurer kann schon bei Beginn der Sitzung seinen Unmut nicht mehr meistern:

»Diese Indigenatsverleihung ist wohl die größte Kalamität, die über Bayern kommen konnte!«

Staatsminister von Abel bezeichnet im Verlauf der Beratung den Gnadenakt als eine gefährliche Konzession und legt ihn als eine Willkür aus, die Gesetz, Recht und Ordnung zertrete. Es bedarf keiner großen Überredung, den versammelten Rat, der eine ultramontane Mehrheit hat, von der Gefährlichkeit einer solchen Konzession zu überzeugen, die die Ruhe des Reiches gefährde und alle konstitutionellen Bande löse. Der Staatsrat sei sich seiner Verantwortlichkeit nicht nur dem König, sondern vor allem auch dem Volk gegenüber bewußt und müsse eine Regierungshandlung ablehnen, die im Widerspruch mit der Verfassung stehe, weshalb er die Indigenatsverleihung an Lola verneinen und um einstimmige Annahme dieses Gutachtens bitten müsse.

Dagegen erhob sich jetzt der Staatsrat von Maurer, weil er nicht an einem Strang ziehen wollte mit dem Vorkämpfer der Orthodoxie, der jetzt zum Schein die Verfassung verteidigte.

Wenn er auch anfänglich auf das Indigenat der Lola Montez nicht gut zu sprechen gewesen sei, erklärte er, so könne er unmöglich in dem Gnadenakt eine Verletzung der Verfassung oder der Staatsgesetze erblicken. Die Räte würden ihrer Verantwortlichkeit nichts vergeben, wenn sie einen Herzenswunsch des Königs erfüllten; viel eher würde in ihrer Verweigerung ein Akt der Willkür zu erblicken sein. Überdies stehe dem König das Recht zu, auch gegen die Majorität, ja selbst gegen die Einstimmigkeit des Staatsrates das Heimatsrecht zu erteilen; er für seine Person sehe keinen Grund zur Weigerung, die nicht nur demütigend für die königliche Würde sei, sondern als Auflehnung gegen den Willen der Krone einer üblen Spekulation auf die Pöbelinstinkte gleichkäme ...

*

Nun glich die Geschichte wieder einem Schachbrett, wo Schlag auf Schlag erfolgte und der König, um seine Dame zu schützen, alle unnützen Figuren preisgab.

Verneinendes Gutachten der Indigenatssitzung vom 8. Februar; fast einhellige Ablehnung mit Ausnahme der Stimme Maurers, der sich für Lola Montez aussprach.

Indigenatsverleihung an Lola Montez seitens des Königs durch eigene Machtvollkommenheit gegen die erdrückende Majorität seiner Räte.

Königliches Dekret über die Ernennung der Sennora Lola Montez zur Gräfin von Landsfeld auf Grund des ihr durch die Gnade des Souveräns erteilten Indigenats mit der gleichzeitigen Weisung an den Staatsminister, die Adelsernennung zu kontrasignieren, wie es die Verfassung vorschrieb, wenn der Gnadenakt Rechtskraft erlangen soll.

Aber das war die Klippe, an der die Macht der Willkür zerschellen mußte. Zur Adelserhebung bedurfte das königliche Dekret der Gegenzeichnung eines der Minister. Wie aber vermochten die Minister zu signieren, nachdem der Staatsrat ein verneinendes Gutachten ausgefertigt hatte?! Der schlaue Abel! Er hatte es fein eingefädelt. Das ablehnende Gutachten war der Riegel, den er beizeiten vorgeschoben hatte. Also? – Natürlich Weigerung der Minister, den Gnadenakt zu zeichnen, der ohne die Kontrasignatur ungültig ist. Sie überreichen ein Memorandum, darin sie ihre Weigerung begründen und den König warnen. Ein feines Spiel mit Finten!

Gegenzug des Königs: Beratung mit Staatsminister v. Maurer, der empfiehlt, den Ministern einen Tag Bedenkzeit zu geben. Persönliches Handschreiben an jeden einzelnen Minister, an v. Abel, v. Schrenk und an die Freunde seiner Römerzeit, den Kriegsminister v. Gumppenberg und den Grafen Seinsheim. Der Appell versagt. Die Freunde stehen im Gegenlager.

Entscheidungszug des Königs ...

*

Das Memorandum, hinter dem sich die gegnerischen Minister verschanzen, gibt dem »allerdurchlauchtigsten großmächtigsten König! dem allergnädigsten König und Herrn« folgendes zu bedenken:

Das Nationalgefühl sei auf das tiefste verletzt, weil Bayern sich von einer Fremden regiert glaube, deren Ruf in der Öffentlichkeit gebrandmarkt sei. Männer wie der Bischof von Augsburg und der Erzbischof von Breslau vergössen blutige Tränen über das, was vorgehe.

– blutige Tränen!

Die ausländischen Blätter brächten täglich schmerzliche Anekdoten und herabwürdigende Angriffe gegen die königliche Majestät. – Die gleiche Stimmung herrsche von Berchtesgaden und Passau bis Aschaffenburg und Zweibrücken, ja, sie sei über ganz Europa verbreitet! – Die Sache des Königtums stehe auf dem Spiel! – Daher das Frohlocken derer, die auf den Umsturz der Throne hinarbeiten und das Königtum in der öffentlichen Meinung verderben wollen.

– die Sache des Königtums!

Gebrochenen Herzens bäten die Unterzeichneten den König, von seinem Vorhaben abzustehen –

– gebrochenen Herzens!

Gut und Blut täten sie für ihren allergnädigsten Herrn freudig opfern – aber deshalb sei es ihre doppelte heilige Pflicht, dem König die Gefahren offen darzulegen, die mit jedem Tage wüchsen. Es ließe sich auf die Länge nicht verhüten, daß auch die bewaffnete Macht den schlimmen Einflüssen von außen unterliegen würde – und was dann, wenn auch dieses Bollwerk schwanke?

– die bewaffnete Macht!

Es wäre Verrat an ihren Pflichten, wenn sie, die Minister, ihre Zustimmung zur Adelserhebung der Fremden geben würden. Lieber, wollten sie ihr Amt niederlegen.

– Verrat an den Pflichten!

So in allertiefster Ehrfurcht und mit unverbrüchlicher Treue und Anhänglichkeit

v. Abel, v. Gumppenberg,
Graf Seinsheim, v. Schrenk.

*

»Ist dies das einzige Exemplar?« fragte der König die Überbringer des Memorandums.

Es wurde bejaht.

Dann erfolgte das erwähnte Handschreiben und die Gewährung der eintägigen Bedenkfrist.

Die Antwort darauf war – die Veröffentlichung des Memorandums in den Blättern. Das angeblich einzige Exemplar des Schriftstückes besaß der König, wie kam es in die Zeitungen? Das hatte der ultramontane Minister und seine Partei getan. Der Widerstand des Königs mußte gebrochen werden; darum taten sie wie jene, von denen es hieß, »daß sie das Königtum in der öffentlichen Meinung verderben«.

Nun konnte die Entscheidung nicht ausbleiben.

*

In seiner Bedrängnis und Gewissensnot schließt sich der König ein; niemand hat Zutritt, einsam reifen die großen Entschlüsse. Einsam ist der König, aber nicht allein – die Muse ist bei ihm. Sie vernimmt seinen Zorn und Schmerz: das Prachtgefäß des Sonetts dient seiner Entladung.

»Ihr habt mich aus dem Paradies getrieben,
Für immer habet ihr es mir umgittert,
Die ihr des Lebens Tage mir verbittert;
Doch macht ihr mich nicht hassen, statt zu lieben.

Die Festigkeit, sie ist noch nicht zersplittert.
Ob mir der Jugend Jahre gleich zerstieben,
Ist ungeschwächt der Jugend Kraft geblieben.
Ihr, die ihr knechten mich gewollt, erzittert!

Mit dem, wie ihr gen mich seid, gibt's kein Gleichnis,
Die eignen Taten haben euch gerichtet
Des Undanks, der Verleumdungen Verzeichnis.

Die Wolken flieh'n, der Himmel ist gelichtet,
Ich preis' es, das entscheidende Ereignis,
Das eure Macht auf ewig hat zernichtet!«


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