Otto Ludwig
Der Erbförster
Otto Ludwig

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Vierter Auftritt

Wirt. Andres.

Andres (schrickt auf). Acht? – Nun kann der Wilhelm kommen.

Wirt (naht sich Andres ängstlich). Sie sind ein braver Mensch; Ihnen kann ich meine Angst ausschütten. Das ist eine greuliche Brut, die da eben gingen. Worte sind gefallen! Der Buchjäger ist betrunken im Heimlichen Grund und der Lindenschmied, sein Todfeind, ihm nach. Unter Reden! Er sprach von Fingerkrummachen. Und der Mensch ist zu allem fähig.

Andres. Er meint, der Lindenschmied will dem Buchjäger ans Leben?

Wirt. Aber gesagt hab ich's nicht. Wenn ich's anzeige, brennen die mir das Haus über dem Kopf zusammen.

Und wenn ich nichts tu – (Macht Schritte.)

Andres (wollte aufstehn, setzt sich wieder). Um den? – Mag ihm geschehn, was Gott zuläßt. Um den geh ich nicht.

Wirt (wie vorhin). Was ich nur anfang da?

Andres. Der Vater sagt: Wenn's Hülfe gilt, muß jeder tüchtige Mensch einstehn und nachher erst fragen: wem hab ich geholfen?

Wirt. Ob ich's doch anzeige? Aber –

Andres (steht rasch entschlossen auf). Ich gehe. Ich will sehn, ob ich ihn finde, den Buchjäger. Dem Wilhelm wird ja nichts geschehn. Sind nur die paar Schritte bis heim. Was such ich da nur? Mein Tuch. Da in den Schläfen hämmert's und saust. Wo hab ich's doch? – Ich hab's um die Flinte gebunden. (Da er die nicht findet.) Aber wo ist meine Flinte?

Wirt. Ihre Flinte fehlt?

Andres. Hier hatt' ich sie angelehnt. Die mit dem gelben Riemen.

Wirt. Die hab ich erst noch lehnen sehn.

Andres. Hat Er sie vielleicht aufgehoben?

Wirt. Ich? Nicht angerührt. Allmächtiger Gott! Wenn der Lindenschmied – Sie lagen, und ich zählte just – Was ist da zu machen?

Andres. Nichts. Ich geh ohne Flinte. Ich hab nicht Zeit, eine andere zu Hause zu holen.

Wirt. Aber unbewaffnet –

Andres. Laß Er nur. Wenn mir nur nicht noch schlimmer wird da auf der Brust. (In der Tür.) Wenn ich nur nicht zu spät komme! (Draußen.) Gute Nacht, Meister Wirt.

(Sie sind beide unterdes abgegangen.)

 
Verwandlung

Im Heimlichen Grund.

Pittoreske Waldschlucht; hinten querüber der Bach, jenseits desselben Felsen, an welchen ein steiler schmaler Weg mit dem Bache gleichläuft; Dämmerung.

Fünfter Auftritt

Robert hat eine Flinte umhängen. Kathrine.

Kathrine. Wie schauerlich das hier ist! Wir sind schon so weit vom Schlosse. Wo sind wir nur, Herr Robert?

Robert. Im Heimlichen Grund, Kathrine.

Kathrine. Im Heimlichen Grund? Wo's so unsicher ist? Wo immer die Wilddiebe aus dem Herzoglichen –? (Sieht sich ängstlich um.)

Robert. Ohne Sorgen, Kleine; wir haben einen sichern Begleiter bei uns (an sein Gewehr schlagend). Siehst du dort?

Kathrine. Etwas schimmern wie eine weiße Wand und dunkle Laden daran –

Robert. Das ist das Jägerhaus.

Kathrine. Wirklich? Ja, Gott sei Dank! Jetzt seh ich das Hirschgeweih oben am Forst gegen den Abendhimmel.

Robert. Hier ist der Brief. Aber so frei in der Hand darfst du ihn nicht tragen. – Hast du auch einen Vorwand? Wenn der Alte dir begegnen sollte?

Kathrine (verschämt und selbstzufrieden lächelnd). Ach, Herr Robert, sollte ein Mädchen so dumm sein? Da machen Sie sich keine Sorge. Meine kleinen Schwestern lernen stricken und nähn bei der Mamsell – da –

Robert (macht den Brief zusammen, in den er sah). Nun hier, Kathrine. Aber nur in Mariens oder ihrer Mutter Hände gibst du den Brief, niemandem sonst, auch Andres und Wilhelm nicht. Nur in ihre eigenen oder in ihrer Mutter Hände. –

Kathrine. Aber so weit soll ich noch allein?

Robert. Kaum zwei Büchsenschüsse weit. Mich darf niemand in der Nähe des Jägerhauses sehn. – Heimwärts gehst du die Straße. Nur wenn du den Brief nicht hast anbringen können, kommst du hierher zurück.

Kathrine. Aber daß Sie auch nicht fortgehn.

Robert. Nein, Kathrine. Hier bleib ich.

(Kathrine ab.)

Sechster Auftritt

Robert allein, dann der Buchjäger, zuletzt Möller mit zwei Arbeitern.

Robert (sieht Kathrinen eine Weile nach; dann Schritte). Ob sie kommen wird? Ob sie ihren Vater lassen wird um mich? (Bleibt stehn.) Als ein Jäger geh ich in die Welt. Ich bin jung, kräftig und versteh mein Handwerk aus dem Grund – warum sollt' es nicht glücken? (Sich in Gedanken verlierend.) Und dann – so aus dem Walde heimkommen – so kräftig müd vom Tagewerk im Freien! Und sie hätte schon nach mir umgesehn – und käme mir entgegen – und nähm' mir die Flinte ab – um auch etwas zu tragen – und hinge sie um – und so stände mein Jägerhaus wie das dort – so rauscht' es in den Bäumen, und ich umschlänge sie und jubelte: nur das Glück ist ein Glück, das man sich selber dankt! – Und dann –

(Ein Schuß fällt und weckt ihn.)

Buchjäger (noch in der Szene, aufstöhnend). Schurke!

Robert. Was ist das?

Buchjäger (kommt auf die Szene getaumelt; Robert eilt auf ihn zu und faßt den Sinkenden). Ich – bin – hin –

Robert. Gottfried! Ums Himmels willen! Ist auf Sie geschossen worden? Heda! Niemand in der Nähe? Heda! zu Hülfe!

Möller (in der Szene). Schnell, Leute, dort hinüber! Vom Steg her kommt das Rufen!

Robert. Dort kommen Menschen. Hierher! Hierher! Zu Hülfe!

Möller (wie vorhin). Das ist Herrn Roberts Stimme.

Robert. Wenn hier Rettung möglich ist, muß sie schnell kommen. (öffnet des Stöhnenden Rock und Weste.)

Möller. Ja, Sie sind es, Herr Stein. (Tritt auf mit zwei Arbeitern.) Aber –

Robert. Möller – Sie sind es? Sehn Sie, was hier geschehen ist. – Leben Sie noch, Gottfried?

Buchjäger. Noch – aber –

Möller (hinzutretend). Der Buchjäger. Barmherziger Gott!

Robert. Meuchlings erschossen. Die Kugel ging durch den Rücken.

Möller. Gottfried, reden Sie; wer hat's getan?

Buchjäger. Er hatt' – die Flinte – mit dem gelben Riemen –

Robert. Andres' Flinte?

Buchjäger. Er hat – mir's – gedroht –

Robert. Es ist nicht möglich!

Möller. War's der Andres, Gottfried?

Buchjäger. Der – Andres – ja –

Möller. Er stirbt. (Pause.) Leute, nehmt ihn auf. Und Sie, Herr Stein – das ist eine Mördergrube dahier. Kommen Sie! Kommen Sie! Es lauern noch mehr dahier herum; nur erst begegnete uns der Weiler mit dem Gewehr – der boshafte Mensch; der spionierte; das ist klar. Das ist eine förmliche Jagd. Kommen Sie! Aber um Gottes willen, warum wollen Sie nicht –

Robert. Gehn Sie nur.

Möller. Aber was haben Sie nur vor? Und Ihr Herr Vater – wenn ich Sie allein in der Gefahr lasse – wenn ich Sie nicht mitbringe. Wie soll er mir glauben, daß ich Ihnen zugeredet habe?

Robert. Sie haben ja Zeugen hier bei sich. Ein Wort für tausend – ich bleibe hier. (Macht heftige Schritte.)

Möller. Nun so kommt, Leute; ihr habt's gehört. (Im Abgehen.) Allmächtiger Gott! Was wird das noch werden.

(Die Arbeiter haben die Leiche aufgenommen; Möller mit ihnen ab.)


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