Otto Ludwig
Der Erbförster
Otto Ludwig

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Neunter Auftritt

Möller (rasch herein). Vorige. Zuletzt Andres.

Förster (nicht aufsehend.). Na, ich gebe. (Nimmt die Karten, bemerkt seinen Irrtum.) Sie sind's, Herr Möller?

Möller (feierlich). Aufzuwarten.

Förster. So setzen Sie sich. Ist er wieder kühl, der alte Hitzkopf? Warum kommt er nicht herein? Ich soll ihn holen? (Will gehn.)

Möller. Herr Stein läßt den Herrn Förster fragen, ob er sich besonnen hätte?

Förster. Dächt' ich doch!

Möller. Daß Sie durchforsten wollen.

Förster. Daß ich nicht durchforsten will.

Möller. Das heißt, daß Sie die Försterstelle aufgeben.

Förster. Das heißt – daß Sie ein Narr sind.

Möller (sehr feierlich). Ich habe den Auftrag von Herrn Adolf Friedrich Stein, Chef des Handelshauses Stein und Sohn, im Fall Sie den Befehl Ihres Herrn auszuführen noch sich weigern sollten, Ihnen Ihre Absetzung anzukündigen und auf der Stelle dem Buchjäger zu notifizieren, daß er Förster von Düsterwalde ist.

Förster. Und das wär' Ihnen ein Vergnügen –

Möller. Von mir ist hier nicht die Rede; hier ist die Rede von der Firma Stein und Sohn, die zu vertreten ich die Ehre habe. Ich lasse Ihnen fünf Minuten Bedenkzeit. (Tritt ans Fenster.)

Förster. Absetzen? Mich absetzen? Wissen Sie, was das heißt? Einen Mann, der vierzig Jahre lang redlich gedient? Himmelelement, Herr! Wenn ich täte, was er will – dann wär' ich absetzenswert. Durchforsten! Und der Berg liegt gegen Nord und Nordwest offen wie ein Buch –

Wilkens. Hm! Aber von Seinen Bäumen ist dahier auch gar nicht die Rede.

Förster. Daß der Wind sich hineinlegt und alles zusammenknickt? Element! Dummes Zeug. Es ist gar nicht sein Ernst. Wenn er sich nur erst besinnt. –

Wilkens. Drum und so sagt' ich ja. Bis es zum Hauen kommt, kann einer sich noch hundertmal besinnen. Und das sieht Er doch, daß es dem Herrn Stein hier nicht absolut ums Hauen ist? Sondern nur, daß er sein Ansehn behaupten will. Wenn er Herr ist, so muß er doch recht behalten.

Förster. Aber er hat unrecht, und zu einem Unrecht sag ich nicht ja. Vierzig Jahr' hab ich das Meine nichts geachtet um das, was mir anvertraut war, hab ich –

Wilkens. Hm, und so dächt' ich, wenn Er's vierzig Jahr' mit Seinen Bäumen treu gemeint hat, so könnt' Er das nun auch einmal mit Frau und Kindern und mit sich selbst.

Förster. Weiß Er, daß das dem Stein ein Schaden werden kann von sechstausend Talern? Was? Um die ich ihn brächte mit meinem ja? Und dann sollt' einer auftreten und sagen: der Ulrich hat ja dazu gesagt? In fünfzehn Jahren konnte ein Schlag dastehn, daß ein Jägerherz aufgehn mußte davor und –

Wilkens. Hm; und das kann ja noch immer –

Förster. Wenn der vermaledeite Wind von Hersbruck her einmal drin gelegen hat? Er redt, wie Er's versteht.

Försterin (furchtsam). Aber was soll aus uns werden?

Förster. Wir sind ehrliche Leute, und das wollen wir bleiben.

Wilkens. Hm! Wenn hier von der Redlichkeit ganz und gar die Rede wäre!

Förster. Aber zum Teufel, Herr, von was sonst? Was? Pfötchen geben? Schlagt nur zu! Ihr werdet schon klug werden. Und ins Fäustchen lachen? Nur kein ehrliches offenes Wort. Das ist Eure Bauernmoral so. Wenn's Euch nur nicht an den Geldbeutel geht, ihr laßt's gehn. Wo Ihr nicht müßt –

Wilkens (selbstzufrieden). Hm, ja. Wo der Bauer nicht muß, da regt er nicht Hand und nicht Fuß. Da hat Er schon recht; das ist so die Bauernmoral. Und ich sag Ihm, die Bauernmoral ist nicht dumm. Hätt' Er die Bauernmoral befolgt, so hätt' Er seine Schuldigkeit getan und nicht für den Heller mehr und hätte das Seine an sich gewandt und an Frau und Kinder, und nicht an fremdes Gut; so könnt's ihm nun auch egal sein, was draus wird. – Wes Brot ich esse, des Lied ich singe. Er wird nicht bezahlt, daß Er Herr, sondern daß Er Diener sein soll. Wenn also Sein Herr sagt: es soll durchforstet werden –

Förster. So muß ich dafür sein, daß es nicht geschieht. Der redliche Mann geht vor den Diener.

Wilkens. Hm! Da wären wir ja glücklich wieder beim Anfang. (Wendet sich.)

Försterin. Er will doch nicht gehen? Er ist noch mein einziger Trost, der Herr Vetter. Er wird sich ja noch besinnen. Auf den Herrn Vetter gibt er noch das meiste.

Wilkens. Das merk ich.

Försterin. Die Verlobung! – Die Marie! – Und daß auch der Herr Pastor nicht da ist! Wenn doch nur der Herr Vetter –

(Andres tritt auf.)

Wilkens. Er hat einen Schädel von Eisen. Kann man ihm denn was deutlich machen?

Möller (der bis jetzt ruhig aus dem Fenster gesehn, sieht nach seiner Uhr und wendet sich dann feierlich gegen den Förster). Herr Förster; nun möcht ich um Ihre letzte Erklärung bitten.

Förster. Was ich gesagt hab, das hab ich gesagt. (Schritte; bleibt stehn.) Und übrigens kann er's gar nicht, das mit dem Absetzen. Er kann mich ja gar nicht absetzen. Erst muß er mir nachweisen, daß ich's verdient hab. Um nichts und wieder nichts kann er mich nicht absetzen.

Möller (mit Ansehn). Also Sie wollen nicht? Rund heraus: Sie wollen nicht?

Förster. Wenn's Ihnen noch nicht rund genug war, nein! Runder kann ich's nicht zusammenbringen. Ein Schurke will ich nicht sein, und einen redlichen Mann kann er nicht absetzen. ist das nun rund genug, daß es rollt? Ich bin Förster, und ich bleibe Förster und – durchforstet wird nicht! Das sagen Sie Ihrem Herrn und Ihrem Buchjäger und wem Sie wollen.

Försterin. Haben Sie nur ein wenig Geduld mit ihm. Das kann ja gar nicht Herrn Steins Ernst sein, und Sie haben schon soviel Güte gehabt –

Möller. Wenn ich's wäre, ich, Justus Möller – was rät' ich nicht, der Frau Försterin zu Gefallen? Aber ich stehe hier als Bevollmächtigter von Stein und Sohn.

Förster. Wenn er ein Recht zu haben glaubt, so mag er's verfolgen. Und du sollst mein gutes Recht nicht so beleidigen, Weib, daß du beim Unrecht betteln gehst. Guten Tag, Herr Möller. Wünschen Sie sonst noch was? Nicht? Haben Sie mir sonst noch was zu sagen?

Möller (sehr feierlich). Nichts, als daß Ihre Försterschaft von diesem Augenblick an zu Ende ist. Hier ist die Besoldung, ein Halbjahr voraus. – Dafür werden Sie so bald als möglich, spätestens in drei Tagen, das Forsthaus räumen, damit der nunmehrige Förster hereinziehn kann, der von diesem Augenblick an ganz allein für den Forst zu sorgen hat.

(Der Förster muß sich setzen.)

Försterin (zu Andres, den sie immer zurückhalten müssen und der nach der Türe eilt). Wohin, Andres?

Andres. Dem Robert sagen, was sein Vater –

Försterin. Daß du nicht etwa –

Andres. Laß mich, Mutter, eh' ich den am Kragen fasse da – (Heftig ab.)

Förster. Schon gut. Schon gut. Daß du mir still bist, Weib! (Steht auf.) Guten Tag, Herr Möller. Hier haben Sie Geld liegen lassen. Herr, sonst werf ich's Ihnen nach. (Tritt ans Fenster und pfeift.)

Möller. Sie sehen, Frau Försterin, ich tu meine Schuldigkeit mit Schmerzen. Ich gehe zum Buchjäger.

Förster (ohne sich nach ihm zu wenden). Glückliche Reise!

Zehnter Auftritt

Der Förster steht im Fenster und pfeift. Wilkens sucht Stock und Hut. Die Försterin sieht ratlos von einem zum andern. Möller im Abgehn stößt auf Robert und Andres, die hereingestürmt kommen. Marie hängt an Roberts Arm, den sie zu besänftigen sucht.

Robert (zornig im Hereintreten). Er soll nachgeben, er soll den schönen Tag nicht stören.

Andres. Geh zu deinem Vater; der hat den Streit angefangen.

Möller. Gut, daß ich Ihnen begegne, Herr Stein. Sie möchten sogleich nach Hause kommen. (Ab.)

Robert. Ulrich, Sie geben nach, Sie müssen nachgeben.

Förster (sich vom Fenster wendend). Sie, Herr Stein? Was suchen Sie bei mir? Marie, du gehst dort hinaus. Was suchen Sie bei dem Mann, den Ihr Vater absetzen will?

Robert. Aber warum wollen Sie nicht ja sagen?

Andres. Weil er ein rechtschaffener Mann bleiben will und sich nicht zum Schurken machen lassen will von euch.

(Der Förster winkt ihm zu schweigen.)

Robert. Mit dir red ich jetzt nicht, Andres.

Förster. Sind Sie mit Ihres Vaters Bewilligung hier, Herr Stein? Außerdem – Herr, und wenn Ihr Vater mir meine Stelle nehmen könnte und meine Ehre – daß ich ein unbescholten Kind hab, das kann er mir nicht nehmen. Und ein andrer – was? Junger Herr, hier bin ich kitzlich. Verstanden?

Försterin. Aber willst du's noch mit dem letzten Freund verderben?

Förster. Die Marie hat einen Ruf zu verlieren. Wenn er ein Freund ist, weiß er ohne mich, was er tun muß.

Robert. Ich weiß, was ich tun muß, aber Sie wissen's nicht; sonst setzten Sie Ihrer Kinder Glück nicht an eine Laune – an –

Förster. Oho; das sagen Sie Ihrem Vater, junger Herr.

Robert. An einen Eigensinn. Ich hab Ihr Wort, und Marie hat das meine; ich bin ein Mann und will kein Schurke sein.

Förster. Und weil Sie kein Schurke sein wollen, soll ich einer sein? Soll's heißen: der Ulrich hat Vater und Sohn auseinander gebracht? Herr, mein Mädel da ist zu gut, als daß es heißen soll von ihr, sie hat sich in die Familie geschlichen. Herr Stein, hier bin ich zu Haus. Sie wissen, was ich meine.

Försterin. So laß die Kinder wenigstens –

Förster. Einen dummen Streich machen? Und ihr seht zu, und hernach wißt ihr nichts als Heulen.

Robert. Marie, wie es auch werden mag –

Förster. Ich weiß nicht, ob ich die Marie kenn. Wenn ich die Marie nicht kenn, so ist's besser, du gehst gleich mit ihm.

Marie. Vater, er meint's so treu.

Förster. Gut; so geh mit ihm.

Försterin. So hart –

Robert. Bei dem Himmel, Marie, der uns einander bestimmt hat –

Förster (wie vorhin, zur Försterin). Und daß du mir nicht etwa – Hörst du, wenn's geschäh' – (Er wendet sich mit ihr nach dem Hintergrunde.)

Andres (losbrechend). Nun ist's genug. Marie, du gehst oder der hier geht.

Försterin. Nun fang auch du noch an, Andres! (Sie geht zu ihm auf die linke Seite.)

Andres. Ich hab lang genug geschwiegen. Laß mich, Mutter. Sein Vater hat meinen Vater beschimpft, der soll nicht auch noch meine Schwester beschimpfen.

Robert. Du bist mein, Marie. Den will ich sehn, der uns – Fort mit der Hand!

Marie. Robert, es ist mein Bruder!

Andres (drohend). Nur einen Schritt weiter, so –

Robert. Fort, sag ich, um Gottes willen –

Andres. Du bist mein Mann nicht –

Robert. Nicht mit der Fingerspitze sollst du berühren, was mein ist. Euch allen zum Trotz –

Andres. Hörst du's, Vater?

Förster (zwischen die beiden tretend). Zurück da, Bursche. Wer ist Herr im Haus?

Andres. Bist du's, Vater, so zeig, daß du's bist, oder laß mich's dem zeigen da.

Förster. Andres, jetzt gehst du dorthin und muckst mir nicht.

Andres. Vater-

Förster. Ob du Parition leisten wirst!

(Andres reißt eine Flinte von der Wand.)

Was machst du da?

Andres (verbissen). Nichts. Hier im Hause bist du Herr; draußen ist's niemand; draußen sind wir's alle.

Förster. In meinem Forst bin ich's.

Andres. Aber keinen Schritt weiter!

Förster. Was heißt das? Antwort!

Andres. Nichts weiter, Vater. Es braucht's nur der dort zu wissen. Wenn du auf deine Ehre nicht hältst – für der Marie ihre sorg ich. Das ist für den, der der Marie zu nahe kommt.

Försterin. Was für Reden!

Robert. Reden eben. Kinder fürchten sich vor Reden.

Andres. Bei Reden soll's nicht bleiben, so wahr ich ein Mann bin.

Robert. Wärst du ein Mann, du drohtest nicht, du –

Andres. Wären wir wo anders, du höhntest nicht –

Förster. Andres!

Robert. Gib Raum-

Andres. (Zugleich.) Fort, sag ich.

(Förster fast zugleich pfeift durchdringend auf dem Finger.)

Andres. Wo du nicht mehr –

Förster (indem er zwischen die beiden tritt). Rebellische Jungens! Ruhe da! Daß sich's keiner einfallen läßt! Blitzjunge da! Wenn ich einen Vormund brauche, so nehm ich keinen Gelbschnabel dazu. Bin ich Herr hier oder ist's sonst jemand? Was hast du hier zu tun, Bursche? In den Wald mit dir; dem Weiler auf die Hände sehn, daß er nicht faulenzt; dann ein Dutzend Ahornpflanzen in der Baumschule herausgenommen, in feuchtes Moos geschlagen; der Haslauer Bote, wenn er kommt, daß er nicht warten muß. Kein Muck. Vorwärts!

(Andres gehorcht und geht, nachdem er Robert einen herausfordernden Blick zugeworfen, den dieser beantwortet.)

Und Sie, Herr Stein; guten Tag, Herr Stein; Sie wissen, was ich meine.

Försterin. Wenn Sie's Ihrem Vater vorstellten; aber sanft und freundlich! Und brächten ihn zurück.

Marie. Dann säh' ich, wie lieb du mich hast, Robert.

Förster (milder). Eher kommst du mir nicht wieder. Adieu, Robert. Und läßt mir das Mädel da in Ruh'.

Robert. Ich gehe. Aber wie's auch werden mag, mein Recht an die Marie geh ich nicht auf. (Ab.)

Försterin. Muß heut denn alles zum Schlimmsten ausgehn? Und Er, Herr Vetter, auch Er will uns verlassen?

Wilkens. Hm! Wenn einer absolut mit der Stirn durch die Wand will! Der Narr bin ich nicht, der die Hand dazwischen hält. (Ab.)

(Vorhang fällt.)

(Ende des ersten Aufzugs.)


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