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Isoldes Verwandlung

Die drei Mädchen saßen in der Kemenate, von der sie weit landein schauen konnten. Auf ihren Knien lag eine schwere amarantfarbene Altardecke, für die neue Kirche von Sainct' Onenne bestimmt; sie sollte zum Fest der Heiligen fertig sein. Alienor und Gwendoline stickten mit weißen Seidenfaden grünschimmernde Perlen in den Damast, die sich zu lieblichen Blattgewinden schlangen. Isolde aber, kunstreicher als alle anderen Frauen, setzte den schlanken Stielen farbig prangende Blumen auf. Nicht mehr wie sonst rieselte das Plaudern der Mädchen über die Arbeit hin gleich einem sprudelnden Bächlein, das Blätter und Blüten tränkt: das schelmische Lachen der Königin war ernster geworden; oft sah sie von der Arbeit auf durchs Fenster in den Hof hinaus, bis in den Wald. Sie neckte die bleiche Gwendoline nicht mehr, wenn Kaherdin unten vorüberging und ihr Wort plötzlich verstummte, weil alles Leben in die Augen floß. Da hatten sich sonst die beiden anderen mit dem Ellenbogen angestoßen und waren fast erstickt vor zurückgehaltenem Lachen, das sich wie ein gestauter Wasserfall in Sprüngen ergoß, wenn der Jüngling verschwunden war und die arme Gwendoline zu Boden blickte. Nein: seit die Blumen im Garten aufgeblüht waren, sah Isolde das stille Mädchen voll Teilnahme an und verwies der kleinen Alienor Augenspiel und Gelächter. Sie fühlte sich jetzt zu Gwendoline hingezogen; denn auch in Isolde war das Weib erwacht, vor dem die Mädchenschalkheit mehr und mehr hinschwand.

Tristan und Kaherdin weilten mit den anderen Herren zur Jagd im Walde. Erst auf den Abend wurden sie zurückerwartet. Den Mädchen im Turmgemach war das ruhige Sitzen schon lästig geworden; sie harrten des Augenblickes, wo sie die Arbeit hinwerfen würden, um die jungen Glieder zu recken und in den Garten hinunterzulaufen. Aber keine wollte die erste sein, die die Hände sinken ließ. War eine Ranke beendet, so standen alle drei rucks auf, faßten sich an der Hand und drehten um die Altardecke im Kreis herum, bis sie den Atem verloren und lachend mit feuerroten Köpfen auf die Ruhebetten an der Wand niederfielen. Die übermütige Alienor rollte sich sogar einmal über die Decke der Heiligen wie eine junge Katze. Dann setzten sie sich wieder mit wogender Brust auf ihren Platz. Von beiden Seiten wuchsen die Ranken zu Isolde hin, die ihnen rot- und gelbleuchtende Blüten gab.

Ein bepackter Wagen, von vier Maultieren gezogen, fuhr in den Hof. Die Mädchen ließen ihre Arbeit fallen und beugten sich aus dem Fenster. Es war ein lombardischer Kaufmann, der Waren ins Schloß brachte. Isolde winkte ihm, und bald lagen vor staunenden Mädchenaugen alle Schätze der Welt ausgebreitet. Da gab es goldgeschmückte Schapels, die von Edelsteinen übersät waren, als Kopfschmuck für Männer und Ehefrauen; schimmernde Helmzimiere, kostbare Männerkleider aus Taffet und Cendal, mit Fehwerk besetzt; Frauengewänder, schön geschnitten, aus schillernder provenzalischer Ferrandine und mauritanischem Achmardi gefertigt. Sie waren gelb und blau und hellgrün und selbst in der königlichen Farbe Purpur. Weiches weißes Hermelin lugte an Hals- und Armsäumen vor. Die Stoffe knisterten, wenn man daran rührte, und dufteten nach fernen Ländern. Schwertgehenke von purem Golde, Kovertüren für Turnierhengste, Teppiche, über den Estrich eines Festsaales zu breiten, aus gelbem Wollstoff, darauf man sehen konnte, wie Löwen und Pardel von schwarzen Mohren gejagt wurden.

Edelsteine brachte der Mann, mit seltenen Kräften begabt: den grünen Krysolithus, der Mut im Kampfe verleiht, den bleich schimmernden Sardonix, der die Keuschheit lehrt, den Silantes, der mit dem Mond wächst und wieder hinschwindet und reich an Geheimnissen ist, und den seltenen Korallenstein. Er war einst ein stacheliges Kraut im Lande Tangulor gewesen, aber die Fee Beladane hatte es zu einem Stein gewandelt, damit es ihre blinden Töchter nicht mehr steche.

Gwendoline strich liebevoll über einen rosenfarbenen Wappenrock. Er hatte weitgeschlitzte Ärmel und war mit schwarzem Zobelfell reich besetzt. »Du willst ihn kaufen?« fragte Alienor harmlos. Gwendoline wandte sich von der Kichernden. »Ungezogenes Mädchen!« Aber zu ernst war die Stunde, und mit erwägendem Gespräch prüften die Mädchen jedes Stück. Festkleider für sich, für den Vater und den Bruder kaufte Isolde. Kaherdins Kleid durfte Gwendoline wählen: es war das rosenfarbene mit den Schlitzärmeln. Dann bekamen die Freundinnen Gewänder nach ihrem Begehr. »Sollte nicht auch Herr Tristan für der Heiligen Fest ein neues Kleid brauchen?« meinte Alienor. »Glaubst du, daß er eines mag?« erwiderte Isolde errötend. »Er scheint ja bunte Kleider nicht zu lieben. Trägt er doch immer sein schwarzes ...« Dabei hielt sie ein schweres dunkelgrünes Sammetgewand in den Händen, das mit Bramen vom Fell des roten Wüstenluchses geziert war. »Von dir nimmt er es gern!« sagte Alienor. Aber Isolde ließ das Kleid fallen. Wenn die Mädchen fort waren, wollte sie es heimlich kaufen und bis zum Feste verbergen. Am Abend vorher würde es Tristan in seinem Zimmer finden. So mochten die Mädchen glauben, er hätte es selbst von dem Kaufmann erstanden.

Alienor hatte Tiegel erspäht, die in einer Ledertruhe lagen, und zerrte sie hervor. Die Mädchen steckten die Köpfe zusammen und wollten den Inhalt wissen. »Nicht für so schöne Frauen!« sprach der Kaufmann mit einer Verbeugung. »Für alte und runzelige, die Künste brauchen, um ihrer Schönheit zu helfen und das Grau der Haare zu vertreiben.« Alienor und Gwendoline lachten und sahen in den Spiegel über dem Tische. Sie bedurften keiner Salben für ihre Haut. Aber Isolde, die liebliche, drehte nachdenklich ein Gefäß in den Händen. »Auch dem Haar kann man neue Farbe geben?« Der Händler blickte voll Bewunderung zu dem schweren dunkeln Haar der Königin auf, nahm den Tiegel aus ihren Händen und nickte: »Wenn sie grau werden, Herrin! Aber eine Tinktur, die solche Farbe malen könnte, gibt es nicht!« Und stellte das Gefäß an seinen Platz. »Wäret Ihr ein Bettelweib, ich wollte um Euer Haar feilschen! Mit fünf Pfund Goldes zahlte mir's manche Frau.«

Aber Isolde griff wieder nach dem Tiegel und wandte ihn hin und her. »Kann man jedem Haar eine andere Farbe geben?« »Ja, Herrin! Nur nicht dem tiefschwarzen; das blinkt immer hindurch.«

Alienor und Gwendoline waren ganz in die Betrachtung ihrer neuen Kleider versunken. Da sprach Isolde leise zu dem Kaufmann: »Habt Ihr eine Salbe, die blond färbt?« Der Lombarde hob gehorsam ein schweres Gefäß hervor und legte es in ihre Hände. »Hier, Herrin!« und wies ihr den Gebrauch. »Den Rock da legt mit zum Pförtner hin!« nickte sie ihm zu und zeigte auf das dunkelgrüne Kleid. Und der Mann, der seinen Vorteil verstand, schob es beiseite.

In ihrer Kammer saß Isolde. Der Bergstrom des Haares floß ihr nach allen Seiten vom Haupt. Nur eine kleine weiße Insel ließ er dem Mund zum Atmen frei und den Augen, daß sie das Wunder im Spiegel sehen konnten: das dunkle Haar der Königin war erblondet. Auf dem Tische lag der halbleere Tiegel, die Freundinnen und die Gürtelmagd standen um sie. Iseult la blonde, Iseult m'amie, en vus ma mort, en vus ma vie – so summte es in ihren Ohren, und sie fühlte sich glückselig. Nun war sie es ganz, die Amie Tristans, des Traurigen, der zu spielen und zu singen wußte wie kein Harfner im Lande ...

Die Mädchen erstaunten über die wunderbare Verwandlung der Herrin und wollten sie kaum wiedererkennen. Vielleicht war es, weil sich Isolde in dieser Stunde der Haarfärbung ganz dem Geliebten hingegeben hatte, weil sie nicht anders sein wollte, als er sie ersehnte, weil sie keinen Spott mehr fürchtete, jetzt, da sie gewiß war, von Tristan geliebt zu sein? Wie sie des Kaufmanns Tiegel in den Händen gehalten, hatte sie ganz in ihr eigenes Herz hineinsehen können, da hatte sie gefühlt, daß sie sich mit dieser Salbe für Tristan als Braut bereiten wollte.

Stolz und glücklich schritt Isolde in den Saal hinab, wo die heimgekehrten Männer saßen. Die Gespielinnen folgten; sie sahen heute geringer aus als sonst, ihre Lieblichkeit wurde von der Schönheit der Herrin hell überglänzt. Die Arme! Sie war jetzt blond. Aber hätte sie je einen Schimmer des Lichtes erblickt, das vom Haupt der Irenkönigin flammt, so wäre ihre Freude geschwunden! Denn was sie auf dem Haupte trug, war einer Wachskerze Schein vor der Sonne am Mittag ...

Spät abend saß Isolde allein in ihrer Kammer und weinte. Alle Herren hatten hoch aufgeblickt, und in ihren Augen war Staunen gewesen über der jungen Königin Verwandlung. Von den Zauberkünsten Merlins hatten sie sich zugeraunt und lange hin und wieder geredet, ob die Herrin schöner sei im lichten Haar als früher im dunkeln. Aber Tristan hatte die Verwandlung nicht bemerkt.


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