Jack London
Der Seewolf
Jack London

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Endlich ist mir ein Licht aufgegangen, daß ich die Frauen nie richtig eingeschätzt habe. Obwohl ich nicht in besonderem Maße erotisch veranlagt bin, hatte ich doch nie in einer völlig frauenleeren Atmosphäre gelebt. Mutter und Schwestern waren immer um mich gewesen, und ich hatte ihnen stets zu entrinnen gesucht, denn sie quälten mich bis zur Verzweiflung mit ihrer Sorge um meine Gesundheit und ihren periodischen Einfällen in mein Zimmer, die mein »geordnetes« Durcheinander, auf das ich nicht wenig stolz war, in ein noch größeres, wenn auch dem Auge wohl gefälliges Durcheinander von Unordnung verwandelten. Ich konnte nie etwas wiederfinden, wenn sie mich verlassen hatten. Aber ach, wie willkommen wäre mir jetzt ihre Gegenwart, das Rascheln ihrer Kleider gewesen, das ich so von Herzen verabscheut hatte! Ich bin sicher, daß ich mich, wenn ich je wieder nach Hause kommen sollte, nie wieder über sie ärgern werde. Mögen sie morgens, mittags und abends an mir herumdoktern, Staub wischen und fegen: ich werde nur von meinem Sessel aus still zusehen und dankbar sein, daß ich Mutter und Schwestern habe.

So vieles wundert mich. Wo sind die Mütter dieser zwanzig zusammengewürfelten Männer auf der ›Ghost‹? Es erscheint mir unnatürlich und ungesund, daß sich Männer völlig getrennt von Frauen herdenweise allein durch die Welt treiben sollen. Roheit und Wildheit sind die unvermeidlichen Folgen. Hätten diese Männer um mich Frauen, Schwestern und Töchter, sie würden imstande sein, Sanftmut, Zärtlichkeit und Mitgefühl zu bekunden. Tatsächlich ist nicht einer von ihnen verheiratet. Jahr auf Jahr ist nicht einer von ihnen mit einer guten Frau in Berührung gekommen, hat unter ihrem Einfluß gestanden oder die Erlösung gefunden, die ein solches Geschöpf unweigerlich ausstrahlt. Ihr Leben ist aus dem Gleichgewicht. Ihre Männlichkeit, die schon an sich die eines wilden Tieres ist, hat sich überentwickelt. Die andere, geistige Seite ihres Wesens ist eingeschrumpft – verzehrt.

Es ist eine Gesellschaft von Einsiedlern, die sich scharf aneinander reiben und davon mit jedem Tage hartherziger werden. Mir erscheint es manchmal unglaublich, daß sie Mütter gehabt haben sollen. Es ist fast, als gehörten sie einer Gattung von Halbtieren, Halbmenschen an, einer besonderen, geschlechtslosen Rasse; sie mögen von der Sonne wie Schildkröteneier ausgebrütet oder sonst auf irgendeine Weise zum Leben erweckt sein. Sie müssen ihr ganzes Leben lang in Brutalität und Niedertracht wüten und am Ende ebenso jämmerlich sterben, wie sie gelebt haben.

Diese Gedanken beschäftigten mich, und so sprach ich vergangene Nacht mit Johansen. Es waren die ersten überflüssigen Worte, mit denen er mich seit Beginn der Reise beehrte. Mit 18 Jahren hatte er Schweden verlassen, jetzt ist er 38, und die ganze Zeit war er nicht ein einziges Mal zu Hause. Vor einigen Jahren traf er in einem Seemannsheim in Chile einen Landsmann, und von ihm erfuhr er, daß seine Mutter noch lebte.

»Sie muß jetzt schon eine alte Frau sein«, sagte er, indem er nachdenklich ins Kompaßhaus starrte und dann einen scharfen Blick auf Harrison warf, der einen Strich aus dem Kurs gekommen war.

»Wann haben Sie ihr zuletzt geschrieben?«

Er rechnete laut: »Einundachtzig, nein – – zweiundachtzig, nicht? Nein – – dreiundachtzig – ja, dreiundachtzig. Vor zehn Jahren. Aus einem kleinen Hafen in Madagaskar. Ich fuhr auf einem Handelsschiff. Sehen Sie«, fuhr er fort, als ob er sich über den halben Erdkreis hinweg an seine vernachlässigte Mutter wandte, »jedes Jahr wollte ich heimfahren. Was hatte es da für einen Sinn, zu schreiben? Es dauerte ja nur noch ein Jahr. Und jedes Jahr kam etwas dazwischen, und ich kam nicht nach Hause. Aber jetzt bin ich Steuermann, und wenn ich meine Schulden in Frisco – vielleicht 500 Dollar – abbezahlt habe, dann fahre ich auf einem Segler um Kap Horn nach Liverpool. Damit verdiene ich dann genug für die Überfahrt nach Hause. Dann braucht sie nicht mehr zu arbeiten.«

»Arbeitet sie denn jetzt? Wie alt ist sie denn?«

»Um die siebzig«, erwiderte er. Und dann rühmte er sich: »Bei mir zu Hause arbeiten wir von der Geburt bis zum Tode. Daher werden wir so alt. Ich werde hundert.«

Ich werde diese Unterhaltung nie vergessen. Es waren die letzten Worte, die ich ihn sprechen hörte. Vielleicht waren es die letzten, die er überhaupt sprach.

Als ich die Kajüte betrat, war es mir stickig zum Schlafen. Es war eine stille Nacht. Wir befanden uns außerhalb des Bereiches des Passats, und die ›Ghost‹ kam kaum einen Knoten in der Stunde vorwärts. So nahm ich denn eine Decke und ein Kissen unter den Arm und stieg wieder an Deck.

Als ich zwischen Harrison und dem oben auf dem Kajütendach angebrachten Kompaßhaus hindurchschritt, bemerkte ich, daß wir volle drei Strich vom Kurse abgewichen waren. Da ich glaubte, daß der Rudergast schliefe, und ich ihm einen Verweis ersparen wollte, sprach ich ihn an. Aber er schlief nicht. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er vor sich hin. Er schien verwirrt und außerstande zu sein, mir zu antworten.

»Was ist denn?« fragte ich. »Bist du krank?«

Er schüttelte den Kopf, und als ob er erwachte, schöpfte er mit einem tiefen Seufzer Atem.

»Du tätest besser, den Kurs zu halten«, schalt ich.

Er griff in die Speichen des Rades, und ich sah, wie sich die Kompaßkarte langsam nach NNW drehte und nach einigen leichten Schwingungen zur Ruhe kam.

Ich nahm mein Bettzeug wieder auf und wollte gerade weitergehen, als eine Bewegung mein Auge fesselte und nach der Reling zurückzwang. Eine sehnige, triefende Hand packte sie. Neben ihr tauchte eine zweite Hand aus der Finsternis auf. Wie verzaubert stand ich da. Was für einen Gast aus der dunklen Tiefe sollte ich sehen? Was für ein Wesen es aber auch sein mochte, so wurde mir jedenfalls klar, daß es mit Hilfe der Logleine an Bord kletterte. Ich sah einen Kopf mit triefendem Haar, dann erschien ein Körper, und nun erkannte ich Augen und Gesicht Wolf Larsens. Seine rechte Backe war rot von Blut, das aus einer Kopfwunde herabfloß.

Mit einer plötzlichen Anstrengung zog er sich an Bord und stand auf den Füßen. Dann warf er einen schnellen Blick auf den Mann am Rade, als wolle er sich überzeugen, wer er sei, und daß von ihm keine Gefahr drohe. Das Seewasser troff von ihm herab mit einem leisen Rieseln, das mich beunruhigte. Als er auf mich zuschritt, wich ich instinktiv zurück, denn ich sah in seinen Augen etwas, das Tod hieß.

»Gut, Hump«, sagte er mit leiser Stimme. »Wo ist der Steuermann?« Ich schüttelte den Kopf.

»Johansen!« rief er leise. »Johansen!«

»Wo ist er?« fragte er Harrison.

Der junge Mann schien seine Fassung wiedererlangt zu haben, denn er antwortete ganz ruhig: »Ich weiß es nicht, Käptn. Vor kurzem sah ich ihn nach vorn gehen.«

»Ich war auch vorn. Aber hast du bemerkt, daß ich nicht denselben Weg, den ich ging, wieder zurückkam? Kannst du dir das erklären?«

»Sie müssen über Bord gewesen sein, Käptn.«

»Soll ich im Zwischendeck nach ihm sehen, Käptn?« fragte ich.

Wolf Larsen schüttelte den Kopf. »Sie würden ihn nicht finden, Hump. Aber gehen Sie meinetwegen. Kommen Sie. Lassen Sie Ihr Bettzeug liegen.«

Ich folgte ihm. Nichts regte sich mittschiffs.

»Die verdammten Jäger!« bemerkte er. »Zu dick und faul, um vier Stunden Wache durchzuhalten.«

Auf der Back fanden wir jedoch drei schlafende Matrosen.

Er drehte sie auf den Rücken und blickte ihnen ins Gesicht. Sie bildeten die Deckwache, die Wache selbst pflegte man bei gutem Wetter schlafen zu lassen mit Ausnahme des Offiziers, des Rudergastes und des Mannes im Ausguck.

»Wer hat den Ausguck?« fragte der Kapitän.

»Ich, Käptn«, antwortete Holoyak, einer der Vollmatrosen, mit einem leichten Zittern in der Stimme. »Ich bin diese Minute eingeschlafen, Käptn. Es tut mir leid, Käptn. Es soll nicht wieder vorkommen.«

»Hast du irgend etwas an Deck gehört?«

»Nein, Käptn, ich – –«

Aber Wolf Larsen hatte sich mit einem unzufriedenen Knurren abgewandt, und der Matrose rieb sich die Augen, erstaunt, so leichten Kaufs davongekommen zu sein.

»Still jetzt!« ermahnte mich Wolf Larsen flüsternd, indem er sich bückte und sich anschickte, durch die Luke hinunterzusteigen.

Ich folgte ihm bebenden Herzens. Was geschehen sollte, wußte ich ebensowenig wie, was geschehen war. Aber Blut war geflossen, und Wolf Larsen war nicht selbst auf den Einfall gekommen, mit einem Loch im Kopf über Bord zu klettern. Außerdem fehlte Johansen.

Es war das erstemal, daß ich in die Back hinunterstieg, und ich werde nicht sobald den Eindruck vergessen, den ich empfing, als ich den Fuß auf die Treppe gesetzt hatte. Direkt in den Schiffsraum eingebaut, hatte die Back die Form eines Dreiecks, an dessen Schenkeln die zwölf Kojen in zwei Reihen übereinander angebracht waren. Sie war nicht größer als eine kleine Bodenkammer, und doch mußten zwölf Mann darin essen, schlafen und atmen. Mein Schlafzimmer daheim war nicht groß, aber es hätte gut ein Dutzend derartiger Vorderkastelle, ja, wenn man die Höhe berücksichtigte, das Doppelte fassen können.

Es roch schal und säuerlich, und im Lichte der trüben, hin und her schwingenden Schiffslampe sah ich, daß aller verfügbare Platz bis ins kleinste Eckchen ausgefüllt war mit Seestiefeln, Ölzeug und sauberen und schmutzigen Kleidungsstücken aller Art. Mit jedem Rollen des Schiffes schwang das alles hin und zurück und brachte ein scheuerndes Geräusch hervor, als ob ein Baum sich gegen ein Dach oder eine Wand rieb. Irgendwo stieß ein Stiefel regelmäßig mit lautem Krachen gegen die Wand. Und obgleich es eine ruhige Nacht war, ertönte doch unausgesetzt ein Chor von knarrendem Holz, knirschenden Spanten und unergründlichen Geräuschen unter den Dielen.

Die Schläfer ließen sich nicht stören. Es waren ihrer acht – die beiden unten befindlichen Wachen – die Luft war dick vor Wärme und stinkendem Atem, und das Ohr erfüllte der Lärm ihres Schnarchens, Seufzens und Grunzens, Überbleibsel ihres Tiermenschentums. Aber schliefen sie? Alle? Oder hatten sie geschlafen? Das wollte Wolf Larsen offenbar feststellen; er wollte den finden, der sich nur schlafend stellte oder erst vor kurzem eingeschlafen war. Und er begann die Untersuchung in einer Art, die mich an eine Erzählung des Boccaccio erinnerte.

Er nahm die Lampe aus ihrem schwingenden Halter und reichte sie mir. Bei den beiden ersten Kojen steuerbord begann er. In der oberen lag der Kanake Oofty-Oofty, ein ausgezeichneter Seemann. Er lag auf dem Rücken, schlief fest und atmete so sanft wie eine Frau. Den einen Arm hatte er unter seinen Kopf gelegt, während der andere auf der Decke lag. Wolf Larsen faßte mit Daumen und Zeigefinger sein Handgelenk und fühlte ihm den Puls. Da erwachte der Kanake. Er erwachte ebenso leicht wie er schlief, ohne eine einzige Bewegung seines Körpers. Nur die Augen regten sich. Sie öffneten sich plötzlich ganz weit, groß und schwarz, und starrten uns, ohne zu zwinkern, an. Wolf Larsen legte ihm zum Zeichen, daß er schweigen sollte, den Finger auf den Mund, und die Augen schlossen sich wieder.

In der unteren Koje lag Louis, dick, warm und verschwitzt, und schlief einen unverstellbaren, schweren Schlaf. Als Wolf Larsen sein Handgelenk faßte, bewegte er sich unbehaglich und krümmte seinen Körper so, daß er einen Augenblick nur auf Schultern und Fersen ruhte. Seine Lippen bewegten sich, und er murmelte folgende rätselhaften Worte:

»Ein Viertel für einen Schilling, aber biete die Lampen für drei Pence das Stück aus. Sonst hängt sie dir der Wirt für sechs Pence auf.«

Dann drehte er sich mit einem schweren Seufzer auf die Seite und sagte:

»Ein Sechspencestück ist ein Tanner, und ein Schilling ist ein Bob, aber was ein Pony ist, weiß ich nicht.«

Befriedigt schritt Wolf Larsen weiter zu den beiden nächsten Kojen an der Steuerbordseite, in denen, wie wir beim Schein der Lampe sahen, oben Leach und unten Johnson lagen.

Als Wolf Larsen sich zur unteren Koje niederbeugte, um Johnson den Puls zu fühlen, sah ich, der ich aufrecht stand und die Lampe hielt, wie Leach verstohlen den Kopf hob und über den Rand der Koje herabblickte, um zu sehen, was vorging. Er mußte wohl die Absicht Wolf Larsens durchschaut und erkannt haben, daß eine Entdeckung unumgänglich war, denn im selben Augenblick wurde mir die Lampe aus der Hand geschleudert, und das Vorderkastell war in Finsternis gehüllt. Gleichzeitig mußte er auf Wolf Larsen heruntergesprungen sein.

Das erste nun folgende Geräusch war wie das eines Kampfes zwischen einem Stier und einem Wolfe. Ich hörte ein wütendes Gebrüll von Wolf Larsen und ein Knurren von Leach, das verzweifelt und haarsträubend klang. Johnson muß ihm sofort zu Hilfe gekommen sein, so daß sein untertäniges, kriecherisches Wesen in den letzten Tagen nichts als Verstellung gewesen war. Ich war so entsetzt über diesen Kampf im Dunkeln, daß ich mich zitternd gegen die Treppe lehnte und nicht imstande war hinaufzugehen. Ich hatte wieder das alte Gefühl in der Magengrube, das mich stets beim Anblick von Gewalttätigkeiten überkam. In diesem Falle konnte ich zwar nichts sehen, aber ich hörte das dumpfe Geräusch der Schläge, den klatschenden Ton, der entsteht, wenn Fleisch auf Fleisch prallt. Dann hörte ich den krachenden Zusammenstoß von Körpern, schwere Atemzüge und kurze, rasche Schmerzensausbrüche.

Es mußten sich wohl noch andere an der Verschwörung gegen Kapitän und Steuermann beteiligen, denn aus den verschiedenen Geräuschen erkannte ich, daß Leach und Johnson schnell Verstärkung von ihren Kameraden erhalten hatten.

»Ein Messer her!« schrie Leach.

»Zerschlag ihm den Kopf! Zerquetsch ihm das Gehirn!« rief Johnson.

Aber nach dem ersten Gebrüll machte Wolf Larsen keinen Lärm mehr. Grimmig und stumm kämpfte er um sein Leben. Er war arg in der Klemme. Im ersten Augenblick war er zu Boden geworfen, und es war ihm nicht möglich, wieder auf die Beine zu kommen. Ich fühlte, daß er trotz seiner ungeheuren Kraft keine Hoffnung hatte.

Ich erhielt selbst einen deutlichen Begriff von der Gewalt des Kampfes, denn ich wurde von den umherwirbelnden Körpern zu Boden geschleudert und bös gequetscht. Aber es gelang mir, in der Verwirrung in eine leere Unterkoje zu kriechen, wo ich mich in Sicherheit befand.

»Alle her! Wir haben ihn! Wir haben ihn!« konnte ich Leach rufen hören.

»Wen?« fragten die, welche wirklich geschlafen hatten und jetzt, sie wußten nicht wie, geweckt worden waren. »Den blutigen Steuermann«, antwortete Leach listig. Diese Auskunft wurde mit einem Freudengeheul begrüßt, und jetzt waren sieben starke Mann über Wolf Larsen. Ich glaube, Louis beteiligte sich nicht am Kampfe. Die Back glich einem Bienenstock, dessen wütende Insassen durch einen Eindringling aufgescheucht waren.

»Was ist denn los da unten?« hörte ich Latimer durch die Luke herunterrufen. Er war zu vorsichtig, um in diese Hölle der Leidenschaften herabzusteigen, die er in der Finsternis toben hörte.

»Kann denn niemand ein Messer finden? Ein Messer, ein Messer!« flehte Leach in einem Augenblick verhältnismäßiger Ruhe.

Die große Zahl der Angreifer verursachte Verwirrung. Sie hinderten sich gegenseitig, ihre Kräfte zu entfalten, während Wolf Larsen, der nur ein Ziel kannte, dadurch gewann. Dieses Ziel war, sich bis zur Luke durchzuschlagen. Obgleich völlige Finsternis herrschte, konnte ich durch das Geräusch seine Fortschritte verfolgen. Endlich hatte er die Treppe erreicht, und was er jetzt tat, vermochte nur ein Riese zu tun. Zoll für Zoll zog er sich, allein durch die Kraft seiner Arme, aus dem Haufen von Männern heraus, die ihn umklammert hielten, und richtete sich auf, bis er auf den Füßen stand. Und dann arbeitete er sich, Stufe um Stufe, mit Händen und Füßen die Treppe hinauf.

Das allerletzte sah ich. Denn Latimer, der endlich eine Laterne geholt hatte, hielt sie so, daß sie die Treppe hinableuchtete. Wolf Larsen mußte beinahe oben sein, wenn ich ihn auch nicht sehen konnte. Allein sichtbar war der Klumpen von Männern, die sich an ihn klammerten. Der Klumpen zappelte wie eine ungeheure Spinne mit vielen Beinen und schwankte hin und her mit dem Rollen des Schiffes. Aber Zoll um Zoll, mit langen Pausen dazwischen, hob sich der Klumpen. Einmal taumelte er und schien herabzustürzen, aber er gewann den verlorenen Halt wieder und kroch weiter.

»Wer ist da?« rief Latimer.

Im Schein der Lampe konnte ich sein bestürztes Gesicht herabblicken sehen.

»Larsen«, hörte ich eine gedämpfte Stimme inmitten des Klumpens.

Latimer streckte die freie Hand herab. Ich sah eine andere Hand emporschnellen und die seine packen. Latimer zog, und die nächsten Stufen wurden im Sturm genommen. Dann streckte sich die andere Hand Wolf Larsens empor und umklammerte den Rand der Luke. Der Klumpen pendelte zurück, und die Treppe war frei, während die Männer noch an dem fliehenden Feinde hingen. Sie begannen abzufallen, einige wurden von dem scharfen Lukenrand abgefegt, andere mit den Füßen fortgestoßen. Leach war der letzte, der losließ. Er fiel kopfüber auf seine am Boden krabbelnden Kameraden. Wolf Larsen und die Laterne verschwanden, und wir blieben im Dunkeln zurück.


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