Rudolph Lindau
Erzählungen aus dem Osten
Rudolph Lindau

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8.

Das Wiedersehen zwischen Edith und ihrem Mann war ein unbeschreiblich herzliches. Beide waren so erregt, daß geraume Zeit weder sie noch er Worte finden konnten, bis endlich Edith dem ergreifenden Auftritt dadurch ein Ende machte, daß sie ihre Tränen trocknete und den alten scherzenden Ton aus ihrer Mädchenzeit anzuschlagen versuchte.

»Nun laß dich einmal ordentlich betrachten,« sagte sie. »Ich will sehen, ob ich dir ein gutes Zeugnis ausstellen kann.« Sie musterte ihn aufmerksam und dann setzte sie hinzu: »Nein, ich bin nicht zufrieden mit dir. Du siehst viel zu schmal aus. Man hat dich in Yokohama wahrscheinlich schlecht genährt. – Und dann: wie kannst du nur bei der Hitze, die wir haben, so warm gekleidet gehen? Du siehst aus wie ein Missionar. Das muß alles von jetzt bis auf heute abend vollständig anders werden. Aber komm nur zunächst zum Essen – und dann werde ich nach deinen Sachen sehen.«

»Du gefällst mir auch nicht,« sagte Büchner, seine Frau mit inniger Liebe betrachtend, »wo sind deine hellen Augen und deine frischen Farben geblieben?« »Die hat der heiße Sommer fortgenommen; aber jetzt wird alles gut werden. Merke dir, ich lasse dich nie wieder auf so lange Zeit fort!«

»Ich gehe auch nicht wieder. – Es war recht einsam da drüben.«

»Warst du denn immer allein, mein armer Georg?«

»Nein, ich verkehrte mit Doktor Jenkins. – Ein guter Mann! Auch die Bekanntschaft mit ihm verdanke ich Prati, wo steckt der übrigens?«

Dieser ließ nicht lange auf sich warten. – Die Begrüßung zwischen den beiden Freunden war herzlich, jedoch ruhiger seitens des Italieners, als man nach dessen gewöhnlichem Gebahren erwarten durfte. Es war vielmehr, als ob zwei Engländer sich wiedersähen: ein kräftiger Händedruck – und damit basta. Unter gewöhnlichen Verhältnissen wäre es zwischen dem Deutschen und Italiener ohne eine herzhafte Umarmung nicht abgegangen. Büchner, der von Natur zurückhaltend und ein Feind lebhafter Gemütskundgebungen war, bemerkte Pratis Ruhe nicht; aber nach einer Weile fiel ihm doch das stille Wesen seines Freundes auf.

»Fehlt Ihnen etwas?« fragte er besorgt, und um seine Teilnahme für das persönliche Wohl Pratis zu verbergen, fügte er hinzu: »Es ist doch nichts Unangenehmes im Geschäfte vorgefallen?«

»Durchaus nicht. Alles geht nach Wunsch. Aber ich bin etwas abgespannt. Der Sommer war diesmal recht schwer, und ich habe mehrere weite Ausflüge ins Innere gemacht, die nicht gerade Erholungsreisen waren, hinter Sutschau sieht es erschrecklich aus. Es wird Jahrzehnte dauern, ehe sich das Land von den Verheerungen der aufständischen Tai-ping erholen kann. Überall Trümmer und furchtbares Elend. Die Leute verhungern zu Tausenden, und unter den Überlebenden wüten Pestilenz und Cholera. Ich habe eigentlich ganz gute Nerven, aber diesen Sommer ist ihnen doch ein bißchen zuviel zugemutet worden. Das ist alles! Die kühle Jahreszeit wird mich schon wieder gesund machen.«

Als Prati sich entfernt hatte, begann Edith ausführlich zu erzählen, wie sie während der Abwesenheit ihres Mannes gelebt hatte. Sie war voll des Lobes der unermüdlichen Aufmerksamkeit und Freundschaft von Prati und Frau Onslow und brachte das Gespräch, anscheinend unbefangen, auf die geselligen Abende, die sie bei dieser zugebracht hatte. Büchner sagte kein Wort und machte auch keine Bewegung, als von dem häufigen Zusammentreffen mit James Rawlston und Francis Morrisson die Rede war. Edith aber wollte eine Erklärung von ihrem Mann über diesen Punkt haben und fragte geradezu, ob er es billige, daß sie die beiden oftmals gesehen habe. Er schwieg eine Weile und sagte dann milde:

»Ich weiß, wie sehr du deinen Bruder liebst. Also sieh' ihn, so oft du es wünschest. Ich zürne ihm nicht mehr ... aber ... nun, wozu soll ich dir lange Erklärungen machen, da du ja ohnehin weißt, wie ich fühle – ich, für meine Person, sehe ihn lieber nicht.«

Von Morrisson war nicht weiter die Rede gewesen. Büchner stellte seiner Frau augenscheinlich frei, ihn zu sehen oder nicht, ganz wie es ihr gefiel.

»Wirst du Frau Onslow einen Besuch machen?« fragte Edith schüchtern.

»Es geht wohl nicht gut anders,« antwortete Büchner; »sie würde es mir übelnehmen, wenn ich sie nicht aufsuchte, und sie ist eine gute Frau. Wir wollen lieber gleich heute abend zu ihr gehen; dann ist die Sache abgemacht, und ich brauche nicht mehr lange darüber nachzudenken.«

Edith willigte freudig ein, und die beiden verbrachten den Abend bei ihrer redseligen Freundin. Sie verstand es, alles in ihrer Unterhaltung zu vermeiden, was Büchner unangenehm hätte berühren können, so daß dieser zufrieden von dem Besuche den Heimweg antrat und unterwegs zu Edith sagte: »Sie ist doch wirklich eine herzensgute Frau. Und wenn ich bedenke, wieviel ich ihr zu verdanken habe! Geh' recht häufig zu ihr und unterhalte dich dort, so gut du kannst, natürlich auch mit deinem Bruder. Es ist mir eine Beruhigung, mir sagen zu können, daß du durch meine Schuld nichts entbehrst, wonach du dich sehnst. Hörst du, Edith? Sieh deinen Bruder recht oft. Es macht mir Freude. Ja, sicher, jetzt, da ich darüber nachgedacht es macht mir Freude, ich bitte dich darum.«

»Du guter Mann!« sagte Edith.

Die nächsten Monate gingen ruhig vorüber. Büchner machte sich viel im Kontor zu tun, unternahm lange Spaziergänge und Spazierritte mit Prati und trieb sich in einem schmalen, leichten Boote, einem »Ausleger«, auf dem Wussong umher. Das kleine Fahrzeug aus Mahagoniholz, ein Meisterstück der Schiffbaukunst, war auf einer Gewerbeausstellung in San Francisco durch eine Medaille ausgezeichnet worden. Wer es nach Schanghai gebracht hatte, weiß ich nicht mehr. Es war dort lange unverkäuflich geblieben, weil sich kein Liebhaber für das teure Spielzeug gefunden, bis Prati es eines Tages entdeckt und für Büchner gekauft hatte, der von jeher ein großer Freund des Rudersports gewesen war. Der lange Holländer nahm das Geschenk dankbar an, ließ es mit großer Sorgfalt instand setzen und begab sich damit, sobald es tüchtig war, auf den Wussong. Für einen reißenden Strom mit zahlreichen Strudeln und Schnellen und häufig starker Wellenbewegung war das leichte Fahrzeug nun aber nicht berechnet, und Prati machte sich klar, daß er seinem Freunde ein etwas gefährliches Geschenk gemacht hatte. Aber der lange Holländer war einer der besten und sichersten Ruderer der fremden Kolonie und ein ausgezeichneter Schwimmer, wenn sein Boot auch wirklich zu Schaden kommen sollte, so war bestimmt anzunehmen, daß er selbst sich auf demselben mit Leichtigkeit so lange würde halten können, bis ihm Hilfe käme. Daß er sich unterhalb des Hafens hinauswagen sollte, aus dem Bereich der Schiffe, die dort zu jeder Jahreszeit vor Anker lagen – an eine solch' waghalsige Torheit brauchte man nicht zu denken. Büchner hegte auch nicht die Absicht, etwas Ähnliches zu unternehmen, und seine weitesten Fahrten brachten ihn auf die andere Seite des Wussong, bis wohin Prati ihn von scharfen Matrosenaugen beobachtet wußte. Denn »Jack« sagte sich natürlich, einmal werde das kleine Ding doch wohl kentern, und dann seien für denjenigen, der mit seinem Boote am schnellsten am Orte des Unfalls eintreffe, wohl einige zwanzig Dollars zu verdienen.

Der Sommer verging – die Tage wurden kürzer, die Spazierritte mußten verkürzt, die Fahrten auf dem Wussong ganz eingestellt werden. Es kamen die langen Abende, und Büchner war während derselben nicht selten allein.

Frau Edith hatte von der ihr erteilten Erlaubnis, mit ihrem Bruder bei Frau Onslow zusammenzutreffen, anfänglich nur bescheiden Gebrauch gemacht. Aber die harmlosen Besuche, die ihre einzige Zerstreuung bildeten, waren mit der Zeit häufiger geworden. Die Wirtschaft gab ihr, wie allen anderen Frauen in Schanghai, nichts zu tun. Sie hatte nicht gelernt, sich um Küche, Speisekammer und Wäscheschrank zu bekümmern. Das war Sache des Cook, des Boy und der Ama (Koch, Diener, Kammerfrau). Was sollte sie tun, während Georg im Kontor arbeitete oder auf dem Wussong lag oder seine langen einsamen Spaziergänge machte, die ihm dem Anscheine nach ein Bedürfnis geworden waren? Besuche empfing sie nicht und hatte deshalb auch keine zu erwidern. Sie konnte doch nicht den ganzen Tag Romane lesen und sticken, und es war natürlich, daß sie sich bisweilen auch nach anderer Gesellschaft sehnte, als der des nachdenklichen Mannes, der ihr am Abend unendlich freundlich und liebevoll, aber wortkarg und traurig in dem stillen Gemach gegenübersaß, bis die Uhr endlich, manchmal nach recht langer Weile, ankündigte, es sei nun an der Zeit, nach der ermüdenden Einförmigkeit des Tages die nächtliche Ruhe zu suchen. – Sie bedurfte nicht so vieler Ruhe. Sie war jung! – Bei Frau Onslow wurde sie mit offenen Armen empfangen, verzogen, wie sie es als Mädchen gewöhnt gewesen war. Ihr Bruder überhäufte sie seit ihrer Versöhnung mit Aufmerksamkeiten aller Art, Herr Morrisson brachte ihr neue Bücher, selbst Herr Onslow entrichtete ihr seinen Tribut, indem er ihr Geschichten aus der Schanghaier Gesellschaft erzählte, der sie seit ihrer Verheiratung fernstand, aber für die sie natürlich Interesse bewahrt hatte.

Das Wetter war rauh und unfreundlich geworden. Drei Abende hintereinander hatten Büchner und Edith sich allein gegenübergesessen. Prati war auf einem seiner zahlreichen Ausflüge in das Innere und durfte erst in einer Woche etwa zurückerwartet werden.

»Willst du nicht zu Frau Onslow gehen?« fragte Büchner.

»Was willst du ganz allein anfangen, mein armer Georg?« antwortete Edith.

»Ich habe noch zu tun, unten im Kontor – geh nur, mein Kind.«

»Wenn du es erlaubst.«

Er hing ihr den Mantel um und half ihr in die Sänfte, die sie zu Frau Onslow tragen sollte. Dann kehrte er in das stille Zimmer zurück, in dem er nachdenklich lange Zeit auf und ab ging. Endlich öffnete er die Tür zur Veranda. Der rauhe Wind blies in das Zimmer, das Lampenlicht flackerte in die Höhe. Er schloß die Tür hinter sich und trat auf die offene, nasse Terrasse. Er blickte in die Höhe, er suchte seinen Stern; aber dunkles, dichtes Gewölk lagerte niedrig und schwer über ihm. Aus der Ferne vernahm er das Rauschen des Wussong. – »Es muß Hochwasser sein,« sagte er im Selbstgespräch.

Er trat in das Zimmer zurück. Der Tisch war mit Büchern bedeckt. Er nahm eines davon, einen neuen Roman, und begann darin zu lesen. Aber seine Aufmerksamkeit erschlaffte bald. Er gab es auf, sie anzustrengen, warf sich in den Sessel zurück, bedeckte das Gesicht mit der Rechten und blieb unbeweglich, wie ein in Schlaf Versunkener. Endlich vernahm er im Garten das helle Rufen der »Chair-Kulis«. Er erhob sich, strich sich mit der Hand über die Stirn, atmete tief auf und ging seiner Frau entgegen. Diese trat elastischen Schrittes, mit leicht geröteten Wangen in das Zimmer. »Frau Onslow läßt dich herzlich grüßen. – Nun, was hast du ohne mich angefangen?«

»Ich hatte noch zu arbeiten und ich habe gelesen, woher kommen all' die neuen Bücher, die auf dem Tische liegen?«

»Kleine Aufmerksamkeiten Herrn Morrissons.«

Die Besuche bei Frau Onslow wiederholten sich noch zweimal in derselben Woche, jedesmal auf Büchners Anregung, dann kam Prati zurück und leistete seinem Freunde des Abends Gesellschaft. Es war Vollmondszeit. Das Wetter hatte sich gebessert. Die beiden Freunde machten nach dem Essen lange Spaziergänge, so daß Edith gewöhnlich schon von Frau Onslow heimgekehrt war, wenn Büchner von seiner Promenade wieder nach Hause kam. Aber bald verschwand Prati von neuem auf mehrere Tage.

»Darf ich zu Frau Onslow gehen?« fragte Edith am Tage nach der Abreise des Italieners.

»Welche Frage! Natürlich, mein Kind. Viel Vergnügen!«

Dann drei Stunden später: »Frau Onslow läßt dich herzlich grüßen. Wie hast du den Abend verbracht?«

Und immer dieselbe Antwort: »Ich hatte nach zu arbeiten. Ich habe etwas gelesen. Die Zeit ist mir ganz schnell vergangen.« Und eines Abends der Zusatz: »Welch' schöne Blumen du mitgebracht hast!«

»Herr Morrisson war so liebenswürdig, mir den Strauß zu schenken.«

Das ging noch ein halbes Dutzend Male so, und dann fing die gewissenhafte kleine Frau an sich Vorwürfe zu machen. Sie durfte ihren Georg nicht jeden Abend allein lassen: es war nicht denkbar, daß er immer arbeitete und las. Der Ärmste langweilte sich wahrscheinlich tödlich.

»Gehst du heute abend nicht zu Frau Onslow?«

»Nein, ich bleibe bei dir.«

Büchners Gesicht verklärte sich. »Meine gute Edith!«

»Siehst du, daß du dich freust, mich hier zu haben, weshalb schicktest du mich jeden Abend fort?«

»Ich schicke dich nicht fort.«

»Nun gehe ich auch nicht wieder.«

Der Abend verging schnell und angenehm. Aber es gibt in einer einzigen Woche sieben – lange sieben Abende. Sie erschienen Edith mit jedem Tage länger. Ein unbeschäftigter Mann ist etwas Schreckliches!

»Willst du nicht rauchen? Prati hat mir gesagt, es sei jetzt kein Tee zu kaufen, du dürftest wieder rauchen.«

»Nein, Kind, es hat mich Mühe genug gekostet, es mir abzugewöhnen. Jetzt entbehre ich es nicht, und ich mag es mir nicht noch einmal angewöhnen, um es später wieder aufgeben zu müssen.«

Nach zehn oder zwölf Tagen war es Büchner wieder, der Edith bat, zu Frau Onslow zu gehen, und an demselben Abend, nachdem Edith gegangen war, ohne sich mehr als nötig bitten zu lassen, erschien Prati. Er fand Büchner allein, noch nachdenklicher als gewöhnlich und erfuhr im Laufe des Abends die Ursache der besonderen Traurigkeit seines Freundes.

Das Gespräch zwischen beiden lenkte sich in natürlicher Weise auf die abwesende Hausfrau, Prati hatte sich nach ihr erkundigt, und Büchner ihm geantwortet, sie befinde sich ganz wohl, sie sei zum Besuch bei Frau Onslow.

Darauf geriet das Gespräch ins Stocken.

»Woran denken Sie eigentlich?« fragte der Italiener.

Büchner begann langsam und leise zu sprechen, es war, als denke er laut. »Edith ist bei Frau Onslow. Ich habe sie gebeten, sich zu zerstreuen. Hier ist es einsam. Dies ist nicht das Haus, in dem sich eine junge Frau wohlbefinden kann. Ich bin traurig, und Edith hat in meiner Gesellschaft keine Freude. Ihre Jugend sehnt sich nach Glück. Sie hat redlich versucht, es zu finden in dem freudlosen Kreise, in den mein Dasein gebannt ist. Vergeblich! Ich sehe wohl, wie sie nach Sonne und Wärme dürstet und in dem kalten Schatten, in dem ich lebe, dahinwelkt. Ich selbst habe ihr die Tür des Gefängnisses geöffnet und sie ins Freie geführt. Aber sie fühlt sich dort ohne mich nicht sicher und flattert ängstlich nach ihrem Käfig zurück. Die treue Seele mag sich nicht freuen, weil ich traurig bin. Neulich kehrte sie heim mit Blumen, einem Zeichen, wie schön Gottes Welt da draußen ist. Und hier ist es öde und kalt, und ich allein halte sie zurück ...!« Er blickte starr vor sich hin. »Graue Dämmerung rings umher! – Ich möchte, es wäre dunkle Nacht!«

Prati fand kein Wort des Trostes. »Wollen wir einen Spaziergang machen?« fragte er leise.

Keine Antwort.

»Raffen Sie sich auf. Büchner!«

»Wozu?«

Prati sah wohl, daß er an diesem Abend nicht helfen konnte. Er drückte Büchner die Hand und begab sich zu Frau Onslow. Als er die Treppe hinaufging, vernahm er freundliches Lachen, und deutlich unterschied er den hellen Klang von Ediths frischer Stimme. Während er die Anwesenden begrüßte, sagte Frau Edith: »Herr Morrisson, erzählen Sie auch Herrn Prati die reizende Geschichte; sie wird ihm gefallen, und wir hören sie gern noch einmal.« Herr Morrisson ließ sich nicht lange bitten. Edith lauschte seinem Vortrag mit glänzenden Augen und stimmte wieder ihr fröhliches Lachen an, als er geendet hatte. Prati konnte an der Geschichte nichts Komisches finden, aber er sagte mit seinem verbindlichen Lächeln: »Sehr hübsch.«

Bald darauf entfernten sich die andern, und Prati blieb mit Frau Onslow allein. Er erzählte von seinem Besuche bei Büchner. Frau Onslow hörte aufmerksam zu.

»Was Büchner von den Blumen sagte, macht mich nachdenklich,« bemerkte sie, als Prati geendet hatte. »Morrisson hatte sie Edith geschenkt.«

»Sie glauben doch nicht, daß Büchner eifersüchtig ist?«

»Nicht im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Er weiß so gut wie Sie und ich, daß er sich auf Ediths Liebe und Treue unbedingt verlassen kann.«

»Nun, was glauben sie?«

»Er grämt sich über seine Ohnmacht, Edith glücklich zu machen, er bildet sich ein, daß dies anderen gelingen könnte. Er denkt dabei vielleicht an Morrisson, – wie der Kranke an den Gesunden: mit einer Art von Neid, aber ohne Übelwollen für den andern.«

»Ich quäle mich nun seit bald drei Jahren mit Büchner,« sagte Prati. »Ich habe es ehrlich versucht, ihn von seinem Elend zu heilen. Aber Gott sei es geklagt, ich habe nichts erreicht, und heute fühle ich mich entmutigt.«

»Sie waren ihm ein treuer Freund, Herr Prati; niemals hatte jemand einen besseren, als Büchner in Ihnen besitzt. Sie haben Ihre Pflicht getreulich geübt. Der Beste kann nicht mehr als sein Bestes tun. Das haben Sie getan. Aber ich fürchte, unserem Freunde ist nicht mehr zu helfen: er ist ein gebrochener Mann.«

»So geben auch Sie die Hoffnung auf, ihn je wieder froh zu sehen?« fragte Prati verzweifelt.

»›Je‹ ist ein langes Wort. Die Zeit heilt alles. Aber ich komme wieder auf meinen alten Gedanken zurück: Edith und Büchner müssen China verlassen. Man sollte in Amerika oder in Europa etwas für sie zu tun finden.«

»Das ist auch meine letzte Hoffnung,« sagte Prati. »Ich werde darüber nachdenken, wir kommen später darauf zurück. Ich sage Ihnen heute Lebewohl. Von Büchner habe ich mich schon verabschiedet, er wird es wohl seiner Frau bestellen, ich vergaß, ihr zu sagen, daß ich morgen nach Sutschau gehe.«

»Sie sind ja soeben zurückgekehrt.«

»Ich konnte nicht alles erledigen, was ich dort zu tun fand. Gegen Ende der Woche hoffe ich wieder in Schanghai zu sein. – Auf Wiedersehen, Frau Onslow!«


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