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X.

Mitten im Herbstdunkel und dem grauen Nebel vor Weihnachten war plötzlich junger Schnee über Stadt und Land gefallen, – die Luft so glänzend zwischen den treibenden Wolken, – Firste und Dächer so blendend weiß.

Der Korpsarzt war als Mitglied für militärisches Sanitätswesen auf eine Woche in die Hauptstadt gefahren. Zugleich wollte er aus Anlaß der bevorstehenden Uebersiedelung Ingwalds in das technische Institut allerlei Einkäufe machen.

Der Großvater kam von seiner Vormittagspromenade heim. Er ging in der letzten Zeit ganz allein aus. – – Hu! – wenn er nur den Messingknopf der Gangthür erblickte, war ihm schon, als müsse er sich wieder in sein Loch verkriechen.

Er blieb draußen auf der Thorstufe stehen und genoß die Wintersonne, welche die Mauer fast warm bestrahlte. Der Schnee begann nun, am späten Vormittag, auf der Straße wieder zu schmelzen, so daß der nasse schwarze Boden hervortrat – – Was auch der Schnee versteckt, die Sonn' es aufdeckt, ja wohl. – Der Großvater atmete bedrückt. – Es kommt ein Tag des Gerichtes wohl auch über dieses Haus ... Sie versorgt in der That ihren Eheherrn mit vielen Lügen, – hat sich's gemächlich eingerichtet. Die Nachmittage außerhalb des Hauses und ungeheuer zärtlich gegen ihn, wenn er heimkommt, – ganz zerstreut und abwesend, wenn er fort ist.

Adam und Eva, die waren zwei und nicht zehn – – Gott weiß, es ist nicht der Mühe wert, sich in die Geschichte der beiden sehr zu vertiefen ... Das aber ist klar: sie betrogen einander nicht, so lang sie nur zwei waren. – Aber schließlich saß auch da ein Wingaard oben im Baum ...

Der Großvater stand nachdenklich da und streifte mit dem Stock den Schnee vom Geländer ...

Daß eins und eins zwei macht, das sollte der möglich einfachste Satz von der Welt sein, – und daß eine Ehe nicht bloß ist, wie wenn ein leeres Stroh zu einem anderen Stroh gelegt wird, sondern ist wie zwei lebendige Keimkörner, mit Zukunftsmöglichkeiten, – die so reich sein können, wie die Sterne am Himmel. – Aber so wenig begreift der Mensch seine Natur und sein Interesse – –

Ja, wer das Leben wieder von Anfang beginnen könnte, mit dem Wissen, das man hat, wenn man es beschließt und endlich begreift, daß man es ganz von innen erfassen muß, – vom Kern aus, wenn man nicht zuletzt dastehen will, den Teller voll leerer Schalen – –

Als der Großvater die Entreethür aufgeschlossen hatte, kam Terna plötzlich aus der Stube heraus. Sie war verweint und mußte auf ihn schon gewartet haben.

»Großvater,« – flüsterte sie, – »ich muß Dir was erzählen. Paul ist fort.«

Sie folgte ihm, die Thränen unterdrückend, über die Treppe hinauf, aber droben warf sie sich auf das Sopha und brach in ein verzweifeltes Schluchzen aus.

»Armes Kind, – also ist er fort,« – kam es aus des Großvaters Munde.

»Ja, heute morgen« – sie rang krampfhaft die Hände.

»Und ohne – ohne – Dir etwas gesagt zu haben?« – forschte er.

Terna schluchzte unaufhaltsam und der Großvater ging auf und ab. Endlich blieb er stehen und sagte mit einem gewissen Vorwurf:

»Aber konntest Du auch eigentlich etwas anderes erwarten, Terna, nach der Art, wie Du ihn immer zurückgestoßen und alle seine wahrhaftig nicht undeutlichen Annäherungen zurückgewiesen hast ...«

»Aber Großvater, er hat mir ja geschrieben, – dies – da« – sie reichte ihm den Brief.

»So, das da« ...

»Und ich habe ihm geantwortet, daß ich nicht kö – önne,« – die Stimme verschwand im Sopha. – – »Ich würde mich nie trauen,« – rief sie aus – »nie« –

»Ah so« – – der Großvater las den Brief:

»Liebe Terna!

Woher Du den Vogelnamen Terna, Seeschwalbe, her hast, weiß ich nicht; aber ich weiß nur, daß ich, seitdem Du ein Schulmädel warst, Dich immer vor mir gesehen und mich über Dich gewundert habe, – und davon geträumt, daß ich, wenn ich erst etwas geworden sei, eine Frau haben müsse, die Terna heiße und so wahres und tiefes Auge habe, so fein und so ganz wäre wie Du. – Aber es fiel mir in der That nicht ein, daß sie einen so zierlich schlanken, zarten Wuchs und hübschen Gang bekommen könne oder daß sie, für mich wenigstens, noch schöner werden könne, als das, was unsere alte Magd immer als das Schönste auf Erden bezeichnete, nämlich als die Rose von Saron – –

Liebe Terna, ich könnte niemanden auf der Welt nehmen als nur Dich, und antwortest Du mir, ja, – daß der Vogel mein ist, so stoße ich bei Euch in die Stube herab, durch Thür und Fenster, einerlei, – um Dich nie mehr los zu lassen. Sagst Du aber nein, so gehe ich morgen früh an Bord des Dampfschiffs »Hertha«, das nach Messina segelt, und bleibe fort, – bis ich finde, daß es zur Abwechselung wieder ganz lustig wäre, etwas zu thun, – oder bis Du vielleicht auf den Gedanken kommst, daß es einen Freund auf der Welt giebt, der Dich liebte und den Du im Wetter und Wind hinausziehen ließest, – der aber dennoch den Wahnsinn hat, herumzugehen und auf Dich zu warten.

Paul Höeg.«

»Und Du antwortetest »nein«, Terna« – sagte der Großvater grübelnd und in Gedanken. – »Ja, – hm, ich behaupte nicht, daß daran nicht etwas zu überlegen gewesen wäre. – Ich behaupte das nicht, – gar nicht ... Es giebt viele verbrannte Finger in diesen Verhältnissen ... gar oft sonst die besten Menschen, die einander um keinen Preis hätten böses zufügen mögen. Man läßt das Glück so leicht wie Schornsteinrauch aus dem Hause entwischen; – nach der Seite hin haben die Leute förmlich eine blinde Scheibe im Fenster« ...

Er schlenderte bisher hin und her und blieb wieder vor ihr stehen:

»Aber Du begreifst, die Welt muß heiraten. Es geht nicht an, nur so scheu beiseite zu springen und »nein« zu sagen. Du darfst mir glauben, es giebt auch brave Leute, die nicht im Stiche lassen, – besonders, wenn man ihnen rechtzeitig Verständnis beibringt – hm – m« ...

»Nein, nein, Großvater, – zu Paul vermöchte ich nie das Zutrauen verlieren. – Und nun ist er fort« – sie brach wieder in heftiges Weinen aus – »und nur mit diesen kalten Worten ... Es ist so traurig, so traurig« –

*

Es schneite wieder in der folgenden Nacht und den nächsten ganzen Tag und die Luft war voll hängender fallender Schneewolken. Erst am dritten Tag klärte es sich auf über einer Stadt und einer Landschaft, die fußtief in Weiß dalag. Es war plötzlich frischer Frost gekommen, – ringsum eine neugeschaffene Welt, so rein und unberührt wie im Paradies ...

Dächer und Vordächer wurden rein geschaufelt, Pfade und Steige frei gekehrt und die breite Verkehrsstraße war mit einem Schlag verändert – erst schleppte man sich durch Schmutz und tiefen Kot, und dann rasselte und lärmte es auf Rädern über das körnige Glatteis, und nun fuhr sich's leicht und sein und munter auf niedrigen Schlittenkufen.

Es lag Winterlust in der Luft. –

Schlitten mit Holz, Schlachtvieh und Marktvorräten begannen schon am nächsten Morgen in die Stadt zu ziehen, um abends leer und schellenklingelnd über die schon weich gefahrenen Landstraßen heimwärts zu wackeln. In der Stadt flogen Schneebälle und in Garten und auf Plätzen wurden Schneemänner und Festungen gebaut. Allerhand Vehikel für den Winter wurden aus Schuppen gezogen. Und durch die Straßen jagten mehr oder weniger luxuriös ausgestattete Schlitten, – man wußte, wem sie gehörten, – klirrend nach verschiedenen Richtungen, die Bahn zu versuchen, so lange noch eine solche vorhanden, – denn vor Weihnachten war das in der Regel unsicher genug ...

Man mußte einander Besuche machen in den gemütlichen, mit Doppelfenster wohlverschlossenen Wohnungen, – sich über den plötzlichen, überraschend hereingebrochenen Winter aussprechen und zugleich eine neue Boa, einen Iltismuff mit Besatz oder das kostbare Pelzwerk eines Mantels zeigen – – –

– – Stefanie war nun in Abwesenheit des Doktors, da und dort in Anspruch genommen, – zugleich zerstreut und heiter, fand der Großvater.

Heute abend kam sie erst heim, als man schon bei Tisch saß, – ganz erhitzt und den Teint von der Luft gerötet.

Sie riß den Pelzmantel auf, wegen der schwülen Wärme in der Stube, – wollte nichts essen, – gleich ins Bett gehen. Das war ein langer Nachmittag draußen am Strand bei der Witwe Wiborg gewesen, und sie war müde.

Ja, ein hübscher Kaffeeklatsch, das – durchfuhr es den Großvater ... Er sah, wie Ingwald da saß und schluckte und schluckte und es vermied, die Mutter anzusehen, und wie Terna die Augen starr auf den Teller heftete ...

Es wurde drückend still, als Stefanie gegangen war, und sie erhoben sich bald vom Tisch.

»Diese Hölle!« flüsterte Ingwald und strich an Terna vorbei. – »Wie gut, aus dem Haus zu kommen!«

Er eilte davon und in sein Zimmer hinauf.

*

Der Korpsarzt sah mit einem gewissen Stolz auf seinen Aufenthalt in der Hauptstadt zurück. Seine Anschauung hatte gesiegt, alle Meinungen in der Kommission für sich gewonnen – alle Aussicht, bei der nächsten Vakanz Brigadearzt zu werden! Er hatte viel zu thun gehabt, aber doch allerlei gesehen, und verschiedene Eindrücke empfangen, Jugendfreunde besucht u. s. w, wovon er erzählte und Stefanie unterhielt.

Er hatte für sie eine lange, prächtige Boa mitgebracht, und Stefanie mußte mit dem Geschenk ihn bei seiner ersten Visite nach seiner Heimkehr zu ihren alten Freunden, Direktor Bodoms Familie, begleiten. Hier ließ er sie, – hatte nicht Zeit, Chokolade zu trinken, – mußte hinaus und nachsehen, wie sein Vikar mit den Patienten umgegangen sei. –

Seine elastische Gestalt verschwand in der Straße, da und dort grüßte er heiter einen Bekannten. – – –

– Das waren in diesem Jahr stille Weihnachtstage beim Korpsarzt; denn Ingwald sollte gleich nach Neujahr abreisen, und Terna weigerte sich, am Lämmerhüpfen im Verein teilzunehmen. Es schien übrigens, als ob das Gesellschaftsleben der Stadt in dieser Saison erst später beginnen solle.

Feiertage gab es für den Korpsarzt nicht; alle Augenblicke fuhr er mit Schellengeläute über die Hügel hinaus in die Umgegend.

Heute abend, als er von einem Krankenbesuch bei guten Freunden draußen in Reistadt heimgekehrt, war er müde und bleich und begab sich gleich in sein Kontor, ohne in die Wohnstube zu schauen.

Er saß dort im Dunklen, als Kirstine ihn das zweitemal zum Abendessen mahnte.

Bei Tisch war er schweigsam und zerstreut und antwortete nur ganz kurz auf Ingwalds Geplauder und Fragen in betreff der Abreise, die nun auf den dritten Januar festgesetzt war.

»Ist das Kind in Reistadt sehr krank?« erkundigte Stefanie sich teilnehmend.

»Nichts von Bedeutung,« lautete die kühle Antwort. Dem Großvater schien, als schösse hastig ein durchbohrender Blick auf sie, wie heraus aus der Tiefe innerer Bewegung.

»Und nicht die geringste Rücksicht auf Dich, daß sie Dich in den Weihnachtstagen so weit hinaus bemühen,« klagte sie.

»Eine schöne Häuslichkeit dort, Stefanie,« – sagte er, die Augen geistesabwesend in die Luft gerichtet. – »Wie ein ewiges Fest ... ein ewiges Fest.« ...

»Ja wohl es sind nur noch fünf Tage, Ingwald, bis Du reisest!« – fuhr er auf, wie plötzlich von einem Gedanken gepackt. – – »Ich denke gerade an einen Koffer. Du sollst einen soliden und geräumigen bekommen, daß Du Platz für die Bücher hast und nicht so bald einen neuen brauchst. – Ja–a, ja–a«, – er kniff die Augen zusammen, als starre er ganz eingenommen in irgend etwas hinein. – »Du sollst, sozusagen, von dieser Stadt nun Abschied nehmen, – einen neuen Abschnitt Deines Lebens beginnen, meinst Du wohl, nicht? – – – Ja, Stefanie, dem Kind ging es schon besser,« – sagte er auf einmal weich und mild und nickte seiner Frau zu. –

– Der Großvater hatte die letzten Tage der Weihnachtswoche mit einigen gemütlichen und lebhaften Spielabenden im Klub unten gefeiert. So wie er, nahmen auch sie ihre Zuflucht dahin, die verschiedenen einsam lebenden älteren Herren der Stadt, von den Größen zu schweigen, die mehr jeunesse dorée sind und nicht zu seiner Kategorie gehören.

Heute abend war er müde, war früh hinaufgegangen und hatte sich vorgenommen, sein kleines Jahresbudget abzuschließen, wie er es um Neujahr immer zu thun pflegte. Es waren nun ja bloß kleine Summen, oft in Oere notiert, – das ganze Jahr hindurch genau aufgeschrieben. Er hoffte, daß der Abschluß zu seiner Zufriedenheit ausfallen würde, nämlich, daß das Resultat ergäbe, er sei mit seiner Pension ausgekommen und brauche nicht die Renten seiner zwei, drei Gasaktien oder die paar tausend Kronen anzugreifen, die er in der Bank zu liegen hatte.

Er saß nun, nachdem die Rechnung beendet, und schmauchte aus seiner Pfeife und raisonnierte, daß die Zahlen nicht ganz balancierten, wie er gehofft, – er war hübsch in die Zinsen hineingeraten. Er hatte noch immer seine alten flotten freigebigen Neigungen – was für einen Pensionär nicht gerade vorteilhaft war. Aber – summa summarum – es ging schon an, und ein bischen Großvater durfte man ja doch sein!

Einen Tag oder zwei vor Neujahr hatte er auch sonst immer über den Jahresrechnungen gesessen – und dann, in verschiedenen Stimmungen, hinein zu seiner Frau ...

Nun gab es nichts mehr zu poltern. – Die Gedanken gingen zurück über die vielen, vielen Jahre hin.– –

Ja–a, – damals war immer ich es, der von ihr Aufschluß und Rechenschaft forderte, – es war zu viel gebraucht worden, – hier dies und dort jenes. Und nun,– – ist sie es, die mit der großen Abrechnung, über alle Jahre zusammen, herbei kommt.

Du hast Dein »quitt« darunter geschrieben, Terna, mich frei und ledig gesprochen. – Könnte ich mich nur ebenso frei sprechen! Du hieltest das große Glück mir vor die blinden Augen, und ich stand zu niedrig, zu sehr im Weltlichen, – begriff nicht unseres Zusammenlebens volles Fest. –

Es klopfte an der Thür, und der Großvater hob hastig seine herabgesunkene Pfeife auf, während der Korpsarzt eintrat:

»Du bist noch nicht schlafen gegangen, Vater, – ich möchte mit Dir reden, wenn ich nicht störe.«

»Nun?« – der Großvater richtete sich plötzlich sehr gespannt im Stuhl auf.

»Siehst Du,« – der Sohn stand einen Moment und setzte sich dann in die Sophaecke. – »Es handelt sich um Ingwald.«

»Um Ingwald!« – der Großvater sah seitwärts nach ihm hin.

»Ja, Vater, – Du, der Du zu allen Zeiten ein- und ausgehst, könntest immerhin ein oder das andere sehen. Hast Du nicht vielleicht gemerkt, daß er irgendwelche Vorbereitungen getroffen, die auf einen Ausflug nach Sollid schließen lassen? – daß er z.B. über dem Kontorschrank gewesen und sich den Schlüssel genommen, oder daß er Einkäufe gemacht, um eine Kneiperei zu veranstalten?«

Der Großvater schüttelte den Kopf.

»Ich möchte gern dahinter kommen, – wissen, wie es um den Burschen bestellt ist. Ich muß Dir nämlich sagen, ich hatte den Schlüssel mitgenommen, um heute den Weg über Sollid zu machen, wenn ich von Reistad zurückfuhr. Ich sah gleich auf der Straße, daß Leute dort gewesen waren; es waren überwehte Schlittenspuren vorhanden. Und drinnen in der Stube war auch nicht mehr alles in der alten Ordnung; – die Polster auf dem Sopha waren anders gelegt und im Kamin war Feuer gewesen, seit ich das letzte Mal dort war. Aber was mir volle Gewißheit gab, waren die Stücke einer Champagnerflasche, die auf den Misthaufen geworfen worden und aus dem Schnee herausragten« ...

Der Großvater umfaßte plötzlich die Stuhllehne: – »Hum – hum – Ja, Du, – möglich ist es schon, daß Ingwald« – –

»Hast Du ihm in der letzten Zeit Geld gegeben, Vater? Er ist ja ein so ordentlicher und braver Junge. Aber er konnte darauf verfallen sein, mit seinen Kameraden einen Abschiedskommers zu feiern und dabei den Spendabelen gespielt haben.« –

»O ja, – ja gewiß, – ich habe ihm hie und da in Anbetracht seiner Abreise etwas zugesteckt ... Dachte allerdings nicht gerade an Champagner« ...

»So, so,« – rief der Korpsarzt lebhaft; – »ich werde ihn wahrhaftig darum nicht schelten, weil er sich's einfallen ließ, ein grandioses Abschiedsbankett zu geben. – So, so, – es ist gar nicht ohne Wahrscheinlichkeit – – kann ganz gut sein. Ein recht klug gewählter Ort, unbemerkt sich's gut sein zu lassen.« –

Er saß und redete zum Fußboden hin. –

... »Ich möchte ihn nie fragen, – ihm keine Unannehmlichkeit verursachen oder ihn nur ahnen lassen, daß ich – es entdeckt habe.« – –

Er nahm die Feder des Großvaters und kritzelte damit auf einem Papier.

»Aber sag' mir, Vater,« – rief er, wie von plötzlicher Angst ergriffen, aus, – »da wir von Sollid fortzogen, – warst Du nicht in der Küche, als wir einen Topf mit Eingemachtem in den Fliegenschrank stellten? Kannst Du Dich erinnern, ob Ingwald damals zugegen war?« – seine Augen blickten den Vater scharf an, als wollte er es ihm aus dem Gedächtnis heraustreiben.

»Ja, ich erinnere mich ganz genau«, – meinte der Großvater. »Ich saß beim Feuer und wärmte mich und schaute durchs Fenster, wie Ingwald mit Anstrengung eine Regentuchdecke über das Gepäck schnürte, während Ihr den Topf hineinstelltet«.

Der Doktor kritzelte nicht mehr. Seine Hand blieb auf dem Papier liegen. Es klang wie ein halbes Stöhnen, – sein Kopf sank mit einem hörbaren Ruck nach hinten, und er saß mit fahlem Gesichte da.

»Und wenn er sich auch daran vergriffen hätte«, – meinte der Großvater halb entschuldigend; er suchte in seinen Gedanken, was seinem Sohn plötzlich klar geworden sein mochte und ihn in solchen Aufruhr versetzte.

»Ja, – so ein Junge konnte ... konnte doch wohl herumgestöbert und den Topf aufgefunden haben. – Die Schnur war vom Topf genommen und es war davon gegessen worden. – Er konnte ja, – unmöglich ist es nicht. – Ja – a, ja – a ... Ja – nun also gute Nacht, Vater«, – er erhob sich plötzlich. – »Verzeih, daß ich Dich gestört habe mit – mit – einer Bagatelle im Grunde« – – – –

*

Nein, das war keine Bagatelle, nein, – antwortete der Großvater auf seine eigenen Gedanken, als er wieder allein war. Seine Lippen preßten sich fest auf einander, und er nahm sich gehörig zusammen. Er war gewohnt, einer Sache nachzugehen ...

– Stefanie, natürlich, und Wingaard, die ihre Promenade dort hinaus gemacht hatten. – –

– An jenem Abend, als sie in ihrem Pelzmantel so erhitzt nach Hause kam, – von der Witwe Wiborg, selbstverständlich?

Und Gunnar hat kombiniert, – sucht nun alle anderen Möglichkeiten und Unmöglichkeiten. –

Er nahm die verschiedenen, vorsichtig verblümten Fragen des Sohnes wieder vor, – sein ganzes Manöverieren um die Sache herum, und blieb dann mit einer eigentümlichen Miene von Selbstanklage sitzen. – –

Er hätte die Sache ablenken, so daß sie weniger auf Spitze und Knopf stand, – hätte nicht gerade so bestimmt auf die Frage antworten müssen, ob Ingwald in der Küche gewesen, als das Eingemachte in den Schrank gestellt wurde ... Er fühlte, daß ihn der Teufel geritten hatte, – daß etwas von seinen angehäuften Rachegefühlen gegen Stefanie, – ein bitteres Augenblicksgelüste ihn angespornt.

Ja, der Mensch ist unergründlich, – – peitscht wie der Skorpion sich mit dem eigenen Schwanz ... Hätte vorsichtig sein sollen, sehen, wen ich treffe.

Er hörte den Sohn in das Kontor gehen, – wußte, er saß nun drunten ruhelos und brütete.

»Unglückselig ... unglückselig« ...


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