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Dreiundfünfzigstes Kapitel

Da liege ich, gefesselt an Händen und an Füßen, und erwarte den Martertod. Da liege ich, gefesselt wie Prometheus, und wollte der Menschheit das Höchste erringen. Da liege ich.

Um mich Grabesstille. Nur ab und zu das Knirschen der Seile an der Folterbank und irres Heulen der Gemarterten. Wenn ich Trost suche, blicke ich empor zum Fenster, wo ein winzig kleines Stückchen blauer Himmel leuchtet und verwittertes Gemäuer, bedeckt mit wildem Grün.

Aber schweige, mein Herz. Du heißes, ungestümes Herz, schweig stille. Für das Gute und das Hohe hast du stets geschlagen und mußt nun brechen in Schmach und Einsamkeit und Martern.

Ach, es ist das Los der Freudenbringer, daß sie leiden, und die des Lichtes eine Fülle spenden, müssen im Dunkel sterben. –

Nun werden sie bald kommen, mich zu holen. Ich muß das Buch beschließen.

Simson, Philister über dir! Nein, den Riesen mögen die Barbaren blenden, schänden werden sie ihn nicht!

Die Schätze will ich ihnen zeigen, die ich bei meinem Häuschen vor der Stadt vergraben habe. So wähnen sie. Aber in Wirklichkeit will ich sie vor die lauernde Dynamomaschine locken. Ich lasse sie, sich an den Händen fassend, eine Kette bilden, bringe die Dynamo in Gang. Mit eigner Hand entreiß’ ich ihr den todbringenden Strom und jage ihn durch mich hindurch in die geschloßne Kette meiner Peiniger. –

Wenn sie die Handschrift bei mir finden, wird sie als Hexenwerk verbrannt. Darum versenke ich sie ins Gemäuer, und den toten Stein beschwöre ich, daß er mein Geheimnis treu bewahre.

Und dich, ferner Leser, den das Schicksal auserkor, mein Geheimnis zu entdecken, beschwöre ich, daß du diese Handschrift meiner Mutter überbringest; wenn sie aber schon verstorben oder noch gar nicht geboren, daß du sie kundtust.

Ich grüße dich im Namen Gottes, der mich strafte.

Erasmus Büttgemeister


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