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Achtundzwanzigstes Kapitel

Konradin zeigte mir seine Skizzen und Gemälde. Es waren glanzvolle Kunstwerke; deutsche Tiefe und südliches Feuer verbanden sie zu nie geschauter Schönheit. Und diese überwältigende Fülle erlesner Meisterstücke hatte der göttergleiche Jüngling im Alter von kaum dreiundzwanzig Jahren zuweg gebracht! Wo blieb denn nur sein Ruhm in der Geschichte? Sein Name hätte leuchten müssen neben Leonardo, Rafael und Tizian. Doch er starb unbekannt, sein Name war vergessen, seine Werke sind vernichtet.

Immer wieder wünschte er das Lichtbild zu betrachten, das ich bei unsrer ersten Begegnung vorgewiesen hatte. Auch ließ er sich von mir das Wesen der Photographie auf das Genaueste erklären. Seither war er verzagt und düster. Vergebens hielt ich ihm entgegen, wie viele große Maler noch in der Zukunft schaffen würden, von Murillo und Goya bis zu Böcklin und Segantini, und daß auch in meinen Tagen die Malerei als eine edle Kunst mit unbegrenzten Möglichkeiten betrieben und bewundert werde.

»Nein, ich verharr’ dabei«, entgegnete er immer wieder, »daß man mit dieser neuen Kunst jedwedes Malwerk überflüssig machen wird, als wie die unbekannten Kräfte, von denen Ihr mir jüngst erzähltet und mit denen Ihr Eure Wagen und Eure Schiffe treibt, die Pferde und die Rinder überflüssig machen.«

Im stillen mußte ich mich daran erinnern, daß auch in meiner Zeit Delacroix und Wiertz mit großem Ernst die Anschauung vertraten, die Photographie, sofern man sie nur recht verwende, werde dereinst die Malerei verdrängen.


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