Gustav Leutelt
Die Könighäuser
Gustav Leutelt

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16.

Heute kam der Klamtbauer auf den Ascherhof und der – der Ascherhof nämlich – wußte vorerst nicht, was er von dem seltenen Besuch halten sollte.

»Wenn er nur nicht einfällt, der Ofen,« hatte der große, starke Mann gesagt und damit in Gebirgsweise das Ungewöhnliche seines Kommens selbst in den Vordergrund geschoben.

»Wäre mir gerade nicht recht,« gab der Johannes in aller Unschuld zurück und besann sich leider zu 241 spät darauf, daß diese Antwort auch übel gedeutet werden könne.

Aber der Klamtbauer war heute nicht übelnehmerisch und meinte nur: »Ja so, alles neu; hab's gesehen: einen neuen Stall, Dachzimmer und einen neumodischen Ofen in der Stube. Wer's kann, der kann's.«

Johannes hatte sommersüber Bauleute im Haus gehabt und die Kosten nicht gescheut; aber um den alten Ofen war es ihm doch leid gewesen und als der Maurer mit dem Abbrechen beginnen wollte, ging er aus der Stube. Ihm hätte der alte, grüne Kachelberg noch lange getaugt. Nur die Frauenzimmer mochten ihn nicht mehr, und da mußte er weichen. Nun stand der Neuling im feinen Weiß da und mit Messingbeschlägen und wollte in die altersbraune Stube nicht recht passen; aber Raum war doch gewonnen und die lichten Kacheln hellten den Ofenwinkel etwas auf, und so gab sich auch der Johannes zufrieden.

Von dem allen ließ der Heimgesuchte jetzt freilich nichts verlauten. Er sagte nur als Antwort auf des Klamtbauern Rede:

»Es war schon recht notwendig.«

»Erst bei mir,« meinte der Gast. »'s liegt die Stallwand ja schon bald auf dem Mist. Muß aber Geld sein.« 242

»Das wird beim Klamtbauer ja nicht fehlen,« wendete Johannes höflicherweise ein und nötigte darauf zum Sitzen.

Dem Besucher mußte etwas in die Kehle gekommen sein, denn er räusperte sich ziemlich. Darauf aber wendete er sich gegen die Frauenzimmer:

»Ist das Kind groß und stark geworden. Wird schon eine rechte Hilfe sein.«

»Die ist nicht mehr eine Hilfe, die ist schon die Hauptsache,« gab die Katharine zurück und Johannes sah schweigend, aber mit leuchtenden Augen nach seinem Kinde.

»Werden sie nur nicht lange mehr daheim lassen, die Freier.«

»Ist noch lange Zeit.«

»Soll auch Hochzeit richten. Muß aber noch bleiben; kostet zu viel.«

Johannes fing an, zu begreifen. Seinem Gegenüber standen die hellen Schweißtropfen auf der Stirn und gar dessen tanzender Hakenstock und die unruhvollen Hände gaben ihm fast Gewißheit. Die erste Andeutung des Gastes hatte der Bauer natürlich nicht verstanden und auch jetzt war er noch halb ungläubig, aber als der Besucher zum drittenmal ausholte, kam er ihm entgegen und gab der Katharine einen Wink, worauf die sich mit dem Mädchen entfernte. 243

»Ist recht – ist mir lieb,« meinte der halb Erleichterte. »Königbauer, ich komme Geld borgen.«

»Seid Ihr denn in Not?«

»Ja, er hat mich bös in der Schlinge. Wenn ich's nicht auftreib, das Geld, bringt er mich noch um meine Sache. Der kann's!«

»Wer denn?«

»Wißt Ihr's noch nicht? Richter-Friedels Seiner.«

Johannes hätte wissen können, wie es mit dem Klamthof stand, wenn er mehr um den Klatsch bekümmert gewesen wäre. Neuigkeitsschnüffeln war eben nie seine Sache.

»Wieviel ist's denn?«

»Ganze Dreitausend.«

»Das ist viel Geld.«

»Ist so nach und nach geworden. Vom Friedl hatten wir das erste, der Milian hat's uns so mehr aufgezwungen, aus Freundschaft und es hätt' gar nicht sein müssen. Tut seine Freundschaft jetzt zeigen.«

»Und er will Euch um die Sache bringen?«

»Ja, die Äcker gehen ihm halt in's Auge.«

Johannes erinnerte sich des Gespräches mit dem Ingenieur und überschlug im stillen, wie gut die Klamtgründe zur Vergrößerung des langgestreckten Richterhofbesitzes brauchbar seien. Und er gedachte jener Warnung des Schwiegervaters, und wie leicht 244 sein eigen Hab und Gut von der andern Seite her zur Abrundung hätte dienen können und sagte über den Tisch hin:

»Wenn ich es machen kann, und im Grundbuch alles richtig ist, sollt Ihr das Geld haben.«

Der Klamtbauer war gegangen und, wie es schien, mit dem Bewußtsein, daß es mit dem Ascherbauer doch leichter gewesen sei, als er geglaubt. Er sah aber noch immer nicht recht froh dabei aus.

Im Grundbuch war es nicht richtig. Der Klamthof trug noch andre Lasten und Johannes ging darauf, um dessen Besitzer die Zusage aufzukündigen.

Der Mann schien ganz gebrochen.

Da müßten sie eben Bettelleute werden, denn der Emilian treibe zum Verkauf und werde die Sache um ein Spottgeld in die Hände bekommen. Wenn es nach dem Rechten ginge, sei der Hof schon noch mehr wert, jammerte er, und Johannes mußte ihm zustimmen.

»Wenn uns wer nicht schinden wollte und zahlte, was recht ist, bliebe gut noch so viel, daß wir auswandern könnten. Und des Sohnes Seine nähmen wir auch mit nüber.«

Johannes bemitleidete die Leute, die bei aller Arbeitsamkeit sich durch sinnloses Wirtschaften zu Grunde gerichtet hatten, aber er hielt seine helfende Hand zurück und dabei war nicht als letzter Grund 245 maßgebend, daß in ihm noch die alte Scheu vor dem Emilian fortlebte.

»Er würde wütend sein, wenn ich da wieder in die Quer käme.«

Es ist aber nun einmal so, daß auch die schlimmste Sache, wenn sie allabendlich mit auf die Ruhstatt genommen wird und morgens schon wieder am Kopfende des Bettes sitzt, gemach die Hälfte ihrer Schrecknis einbüßt, und dann ist der alternde Mensch, der Schritt für Schritt die einstige Hilflosigkeit näher kommen sieht, leicht zum Anhäufen geneigt, besonders, wenn er noch glaubt, für das Kind vorsorgen zu müssen.

»Und schließlich, was kann er dir denn antun?«

Eines Tages ging der Johannes zum Helmsbauer und beredete sich mit dem. Und im nächsten Sommer schon schwammen die Klamtleute alle und des Sohnes Seine auf dem Atlantik und schauten alltäglich und allstündlich aus, ob Rio Grande do Sul bald da sei. Und der Helmsbauer hatte für seinen zweiten Sohn den Klamthof gekauft mit den Äckern und Johannes besaß die Wiesen und hatte zum erstenmal die Sensen über sie geführt.

Alter Ingenieur, dein Wort hat Kraft gehabt in die Zeiten. Bald wird am Laubbach die Sägemühle kreischen. 246

Die beiden Männer müssen sich eilen.

Über den dunklen Bergen hängen dunkle Wolken, und aus ihnen fallen Tropfen, einzeln, tickend, in die regungslosen Wipfel. Unter dem Gestämme dunkeln die Schatten noch mehr und über sie hin schleicht die Dämmerung; nur von den kahlen Steinblöcken des Vordergrundes geht noch einiges Licht aus.

Die Männer halten ein hastiges Gehgespräch:

»Kann es was dümmeres geben, König, als sich eine halbe Stunde vom Ort weg verlaufen?«

»Wir sind im letzten Jüngicht der Durchforstung nachgegangen und zu weit nach links geraten. Jetzt müssen wir hinauf.«

»Da kommen wir aber in die Steinfelsen hinein, und die lassen uns nicht mehr aus.«

»Tut nichts. Unter der Einschicht hören sie schon auf und von dort kommt Ihr leicht hinüber.«

Sie steigen weiter und es knacken anfangs noch dürre Zweige unter ihren Füßen, dann wird es still.

»Rechts hinüber, Helmsbauer! Die Schlucht ist oben zu.«

Es geht hinein zwischen die Felsen, die aus der Lehne hervorragen wie niedergerutschte Dachplatten verschütteter Riesenhäuser und deren Fortsetzung auf dem jenseitigen Hange den Dornstzacken emportreibt.

Die Moose sind da unter den Füßen und Schattengewächse und hie und da Quellengesümpfe und alles 247 das macht die Schritte fast unhörbar. Nur mitunter, wenn die Wanderer nach der Felswand tasten, rieselt ein Flechtenbröcklein nieder, aber nach solch winzigem Geräusche hört nur jener, der es hervorruft.

Die Männer schweigen.

Und dann sinken die Wände immer tiefer in den Boden hinein und verkriechen sich schließlich ganz ins Berginnere und die beiden haben nach dem Schein zu gehen, der von der Lichtung der Einschicht herkommt.

Plötzlich bleibt der Johannes stehen und greift rückwärts nach dem Gefährten. Drüben im Helleren geht – er ist eben noch erkennbar – ein Mann schräg vorüber. Auch er hat es eilig.

»Ist das nicht der Richter-Milian?«

»Er ist's; den Gang hat da herum kein Zweiter.«

»Er kommt von der Einschicht.«

»Ja! Und um die Zeit . . .«

»Ich schau hinüber.«

»Und ich geh' mit.«

Nach dem Dunkel des tiefen Forstes ist die Dämmerung über der Waldwiese noch eine solche Helle, daß der Johannes erschrocken zurückblickt und sieht, ob nicht wer hinter ihnen herspäht. Sie gehen aber doch weiter.

Das dunkle Einschichthaus hat seltsam helle Fenster, aber das machen nur die neuen Bretter, die 248 hinter sie genagelt sind. Dem Johannes ist dieses verfallende Besitztum nur mehr ein Heumagazin, das die duftige Ausbeute der Klamtwiesen fast zur Gänze enthält. Daheim hat er keinen Raum mehr.

Nun sind sie unter den Ebereschen und dann an der hinteren Tür, und die steht offen. Darauf hat das dunkle Haus die Männer aufgenommen und der Johannes führt den Gefährten an der Hand.

»Es riecht so.«

»Ja, es ist ein Schwefelholz da angezündet worden.«

»Wir müssen suchen.«

»Die Stubentür ist zu.«

»Die fällt von selber in den Falz.«

»Nichts!«

Der schwüle Heuduft tut sein möglichstes, den fremden Geruch zu übertäuben; es gelingt ihm nicht. Die Halme knistern, wie die Zwei herumwühlen.

»Da liegt viel unten. Jemand ist hinaufgestiegen.«

Die Männer arbeiten sich empor, wo unter der Stubendecke noch ein Raum frei ist von dem duftenden, knisternden Heugrase und beide rufen auf einmal und gleichzeitig:

»Dort! – Jesus!«

Darauf sind sie in der hintersten Stubenecke, hart an der Decke und sehen den Schein einer Kerze, die hinter einem aufgetürmten Wall mitten 249 im Heu steckt und friedlich leuchtet. Einen Augenblick schauen die blassen Gesichter einander an, dann langt schwer, mit äußerster Vorsicht, Johannes nach der Flamme und erdrückt sie in seiner Hand.

Es raschelt noch auf dem Heu und ruschelt darauf im altersschwachen Hause umher, endlich stehen die beiden dunklen Gestalten wieder im Freien.

»Behalten wir es für uns, Helmsbauer.«

»Nun ja, aber morgen geh' ich versichern.«

»Ich bin es schon. Nur an die Einschicht ist noch nicht gedacht worden; werde es aber morgen gleich nachholen.«

»Ich denke, ich werde schlecht schlafen, heute.«

»Ich auch.«

»Lebt wohl!«

»Auch so.«

Die Männer gehen auseinander. Die wirkliche Nacht bricht nun stark herein, aber es ist auf der Wiese noch nicht völlig dunkel; denn zwischen den Stämmen des Hochwaldes blickt eine noch größere Finsternis hervor. Und die Männer haben nur keine Zeit, sonst müßten sie merken, daß auch in dieser noch eine Spur von Licht ist; sieht man ja doch in ihrem Dunkel noch die weiße Motte flattern.

 

Und die Nacht ist nicht zu Ende. Sie hat im Ascherhofe noch nicht einmal die Lichter verlöscht und 250 muß den Lampenschein auf ihren dunklen Wiesen und den dunkleren Klumpen der Baumwipfel dulden. Und wenn die geflügelten Nachtschwärmer in jene Lichtbäche tauchen, die aus den Fenstern hervorgehen, so schwingt die Fledermaus sich ihnen nach zu deren sicherem Verderben.

Motten und Licht! Was für die Nacht geboren, flattert nicht ungestraft ins Helle.

Um den Bauer flattern noch immer die Vorwürfe, aber er hascht nicht nach ihnen und will sie sogar verscheuchen. Sie kommen freilich wieder in hellen Scharen.

»Warum mußte ich es auch tun? Er ist durch meine Jugend gegangen wie der Erbfeind und hat kaum seinen unbändigen Sinn auf andres geworfen, als ich schon den alten Haß wieder rufe. Will ich denn immer sein wie ein Unmündiger bis an meinen – Tod?

Tod?! – Ob er – auch daran – schon gedacht hat?

Das – wird . . .«

Der Gedanke ist dem Bauer noch nicht gekommen. Er hält auf seiner Wanderung durch die Stube inne und blickt starr nach der Tür, als ob durch die im nächsten Augenblick mit wutentbranntem Blick und drohend erhobenen Armen der Emilian hereinstürzen müßte. Aber Johannes ist nur eine weiche Natur, 251 kein Feigling, und er faßt sich bald. Mit der Rechten sucht er das klopfende Herz zu bändigen, derweilen er mit der Linken bemüht erscheint, den Schrecken von der Stirn zu streichen. Und er ist darauf Manns genug, derselben Tür den Rücken zu kehren und sein Gesicht an die dunklen Scheiben zu drücken, ob nicht doch noch die Feuerlohe über dem Walde da oben aufsteht.

Tod! – Über dieser Diele lag sein Weib aufgebahrt und da auch seine Mutter, und der Vater – der starb wohl drüben an der Wand, und er wird – – wo wird . . .?

Wie die Sinne doch in der Erregung trügen. Er hätte schwören mögen, daß er den Firnisgeruch des Sarges und den stickenden Qualm der brennenden Kerzen und den vielen Blumenduft verspüre.

Und was geschieht mit ihm, dem Kinde, wenn er nicht mehr sein wird. Muß er nicht mehren, jetzt, für das Kind mehren? – Es war doch rechtlich, es war eine Wohltat, was er getan hat. Der Herrgott kann doch nicht zugeben, daß er dafür gestraft wird.

Und doch, und trotzdem nagt der Vorwurf weiter.

»War es auch klug?

Ich habe doch nur den kleinsten Vorteil davon gehabt. Die großen Äcker, um die es ihm eigentlich zu tun gewesen ist, besitzt ja der Helmsbauer. Warum geht er nicht gegen den?« 252

Ach, er weiß nur zu gut . . .

Bläst nicht schon die Feuerwehr? – Nein! Es ist auch nichts zu sehen. Heute wird er es nicht mehr wagen.«

Aber er muß doch nachsehen. Jedes Knistern erschreckt ihn und er eilt hinaus, um sich zu vergewissern, daß sein eigenes Dach noch nicht glüht, und als er im Freien ist, treibt es ihn von selbst weiter hinauf.

Und die Nacht ist noch nicht zu Ende.

Die dunklen Wolken mögen ihre Tropfensaat noch immer nicht verstreuen. Oder doch? – Dort im alten Ahorn? Nein; dann müßte es über den Baum allein niedergehen. Weit eher sind es die Nachtschwärmer, die in seinem Laube rascheln, oder es ist der Marder, der an der Rinde kratzt.

Aber das Fenster! Die Nachtschwärmer können es nicht sein, die gegen seine Scheiben prallen; es lockt sie ja kein Licht hinter denen und dem Marder ist es wohl mehr um Taubenschläge, als um Kammerfenster der Menschenmädchen zu tun.

Doch an den Scheiben ist etwas. Es geht aus dem Ahorn hervor, dessen Äste, große, starke Äste, über das Dach hinragen und bis in die Nähe des Fensters, das der Ascherbauer im vergangenen Sommer hat bauen lassen. 253

Es ist etwas, und es muß lang sein und schmächtig und scharrt und klopft an den Scheiben. Und es scheint, als ob drinnen im Erker des Fensters eine menschliche Gestalt sich an die Wand drücke. Es kann aber auch ein hingehängtes Kleid sein, oder sonst etwas. Wer kann das sagen, in so dunkler Nacht?

Das unbekannte Etwas aber ist dem Schreck zugänglich, denn es schweigt sogleich, als unten die Tür geht und der Ascherbauer heraustritt, um in Bangnis nach seinen Dächern zu sehen. Es wird erst wieder laut, als darauf Schritte bergan verklingen und bringt in kurzem die Wirkung hervor, daß jenes Fenster sich einen Spalt weit öffnet und eine Stimme hervordringt:

»Bist du schon wieder da? Und ich habe dich doch so gebeten.«

Es ist merkwürdig, aber es ist wahr, daß der alte Ahornbaum nun eine Stimme erhält, eine jugendliche Stimme, und die sagt:

»Schon wieder? Erst, mein ich eher. Und bitten könntest du schon um was Gescheiteres.«

»Du wirst dir noch den Hals brechen.«

»Kann sein. Aber mach' doch das Fenster ordentlich auf.«

Es scheint fast, als ob das lange, dünne Etwas versucht hätte, in den Fensterspalt einzudringen, denn 254 dieser wird geschlossen und die Stimme von innen her ruft recht böse:

»Das laß bleiben.«

»Schrei doch nicht so,« tönt es aus dem Ahorn zurück. »Dein Vater geht um.«

»So?« meint es drinnen halb erstickt und es klappt, als ob der Riegel vorgeschoben würde, aber gleich darauf wird der Spalt noch weiter geöffnet und gefragt:

»Wo?«

»Den Berg ist er hinauf. Seit wann läuft denn der in der Nacht 'rum?«

»Ach! er geht ja sonst gar nicht. Heute nur ist er so kurios heim gekommen und hat nichts essen wollen und auch nichts können, wie es sich dann ausgewiesen. Und die Kathrine mochte auch kein Wort aus ihm herausfragen und er ist nur immer in der Stube herumgerannt.«

»Merkwürdig, gerade wie bei meinem Alten,« brummt der Ahorn. »Der war heute auch hinter den Appetit gekommen und fuhr von einem Stubenfenster zum andern und dann ging er gar nach der Hütte hinauf.«

»Wenn er nur nicht krank wird, der Vater.«

»Das meine ich nicht. Könnten die Zwei nicht was miteinander gehabt haben?« 255

»Ach woher! Der red't ja gar nicht von deinem Vater.«

»Meiner auch nicht oft. Aber wenn er was red't, dann ist's auch nichts Gutes von deinem.«

»Das ist ja schrecklich. Der Vater tut doch keinem Menschen was an.«

»Na, weißt du, das mit den Klamtbauerischen –.«

»Wieso denn?«

»Das muß ich dir näher erzählen.«

»Nein, bleib nur.«

Es hilft aber der Stimme aus dem Innern nichts, daß sie abwehrt und ebensowenig, daß der Fensterspalt sich schließt. Auf dem großen, starken Aste rückt etwas näher, undeutlich, ein Knäuel, wird darauf lang nach unten und steht einen Augenblick auf dem schiefen Dach, dann sinkt es wieder in sich zusammen.

»Mach doch auf,« meint die Stimme, die sich eben von dem Ahorn losgelöst hat, aber es bleibt still drinnen. Es scharrt und klopft auch nicht an den Scheiben, als hätte die Stimme jenes lange, dünne Etwas nicht zur Hand, das noch vorhin so laut werden konnte.

»Na also,« meint die Ahornstimme dann nach manchen vergeblichen Bitten, und der Knäuel auf dem Dache wächst wieder zur Höhe, schwankt aber bedenklich und greift wie mit Armen um sich. 256

»Jesus! Falle nicht!« klingt es da ganz unvermittelt. Das Fenster fliegt auf und zwei weiße Arme greifen nach dem Schwankenden und halten es fest . . .

Johannes, Johannes! Laß die Nacht gehen, wie sie rinnen und was sie dir sonst bringen mag. Hüte dein Kind!

 


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