Alain René Lesage
Gil Blas von Santillana
Alain René Lesage

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Achtes Kapitel.

Die Heirath aus Rache.

NovelleNovellen »werden vorzüglich eine Art von Erzählungen genannt, welche sich von den großen Romanen durch die Simplicität des Plans, und den kleinen Umfang der Fabel unterscheiden, oder sich zu denselben verhalten, wie die kleinen Schauspiele zu der großen Tragödie und Komödie. Die Spanier und die Italiener haben deren eine unendliche Menge. Von jenen sind die Novellen des Cervantes durch die Französische Uebersetzung, und durch eine Deutsche Uebersetzung des Originals, die äußerst glücklich ist, hinlänglich bekannt. Sie sind ihres Verfassers nicht unwürdig. Von den Italiänischen hat man uns zu Venedig einen Auszug unter dem Il Novelliere Italiano geliefert, der nicht weniger als 177 Novellen von mehr als acht und zwanzig verschiedenen Verfassern enthält. Die meisten sind Nachahmer des durch seinen Decameron so berühmten Boccaccio. Auch die Franzosen haben, seitdem die bekannte Mad. de Villedieu diese Art von kleinen Romanen beliebt gemacht hat, eine Menge Werkchen dieser Art aufzuweisen, wovon die Besten in der Bibliothèque de Campagne zu finden sind. – D. Uebers.

Rogerio, König von Sicilien, hatte einen Bruder und eine Schwester. Der Bruder, der Manfredo hieß, empörte sich gegen ihn, und entzündete ein gefährliches und blutiges Kriegsfeuer; er hatte aber das Unglück, zwey Schlachten zu verlieren, und in die Hände 217 des Königs zu fallen, der ihm zur Bestrafung für seine Aufwiegeley bloß die Freyheit nahm. Dieser Milde ungeachtet, hielten Rogerio'n die meisten seiner Unterthanen für einen Barbaren. Sie sagten, er habe seinem Bruder nun das Leben gefristet, um an ihm eine langsamere und unmenschlichere Rache zu üben. Die Uebrigen aber mit mehrerem Grunde, maßen die harten Begegnungen, die ihm im Gefängnisse widerfuhren, niemanden anders, als seiner Schwester Mathilde bey.«

»In der That hatte diese Prinzessinn den unglücklichen Fürsten von jeher gehaßt, und hörte nicht eher auf, ihn zu verfolgen, als bis er starb. Sie überlebte ihn nicht lange, und man sah' ihren Tod als eine billige Strafe ihrer unnatürlichen Grausamkeit an.«

»Manfredo hinterließ zwey Söhne, beyde noch Kinder. Rogerio war beynahe gesonnen, sie aus dem Wege zu räumen, weil er besorgte, daß sie bey reifern Jahren, aus Begierde, ihren Vater zu rächen, eine Partey möchten wieder emporlodern machen, die noch 218 nicht genug gedämpft war, um in dem Reiche nicht neue Unruhen zu erregen. Er theilte sein Vorhaben seinem Minister, dem Senator Leontio Siffredi, mit, der es nicht billigte; und um ihn davon abzuhalten, die Erziehung des Enrico, des ältesten Prinzen, über sich nahm, und ihm rieth, dem ConnetableConnettable, Kronfeldherr. »Es gibt deren zwey in Spanien, den von Castilien, und den von Navarra, unter welche die fast uneingeschränkte Gewalt über die gesammte Kriegsmacht des Landes getheilt ist. In Frankreich gab es ehedem deren auch, bis Ludwig XIII. im Jahre 1627 nach dem Tode des Connetable Lesdeguieres, diese dem Ansehen der Könige fast fürchterlich gewordene Reichsbedienung durch ein Edict aufhob, und dagegen das Commando der Armee, mit gemessener Gewalt, den Marschällen von Frankreich anvertraute, die bisher des Connetable Lieutenante gewesen waren. Die Spanische und Französische Regierung in Sicilien hat daselbst die Einführung dieser Würde veranlaßt. Von Wilhelm des Eroberers Zeiten bis in das dreyzehnte Jahr der Regierung Heinrich des Achten, hatte England auch Connetables, die eine Art von Obrigkeitsrichtern waren, und ihre Bedienung erblich besaßen. Und noch heißen daselbst Connetables (Englisch Constables) eine Art Gerichtsbediente. Der Connetable von Neapolis ist eine der höchsten Würden in diesem Königreiche, und dem Aeltesten aus dem Fürstlichen Hause Colonna erblich.« – D. Uebers. von Sicilien, die Aufsicht über den Jüngsten den Don Pedro anzuvertrauen.« 219

»Rogerio überzeugt, daß seine Neffen, durch diese beyden Männer, in dem ihm schuldigen Gehorsame würden erzogen werden, überließ sie ihnen, und nahm seine Nichte Constanzie unter seine Aufsicht. Sie war mit Enrico gleiches Alters, und die einzige Tochter der Prinzessinn Mathilde. Er gab ihr den gehörigen Hofstaat, hielt ihr Meister, und sparte nichts an ihrer Erziehung.«

»Leontio Siffredi besaß zwey kleine Meilen von Palermo, in einer Gegend, die Belmonte hieß, ein Schloß. Hier bemühte sich dieser Minister, den Enrico so zu bilden, daß er dereinst den Thron Sicilien's zu besteigen verdiene. Er bemerkte bald an dem jungen Prinzen so liebenswürdige Eigenschaften, daß er ihm so theuer ward, als wär' er sein einziges Kind. Gleichwohl hatte er zwey Töchter. Blanca, die älteste, nur ein Jahr jünger, wie der Prinz, war eine vollkommene Schönheit, und Porzia, die Jüngste, deren Geburt der Mutter das Leben gekostet hatte, lag noch in der Wiege. Blanca und Prinz Enrico fühlten Liebe für einander, sobald sie 220 zu lieben vermochten; doch hatten sie nicht die Freyheit, sich insgeheim zu sprechen. Dessen ungeachtet fand der Prinz dergleichen Gelegenheit aus. Und diese kostbaren Augenblicke wußt' er dergestalt zu nützen, daß er Siffredi's Tochter das Versprechen abdrang, ihm zur Ausführung eines von ihm ersonnenen Projectes behülflich zu seyn.«

»Gerade in der Zeit trug es sich zu, daß Leontio, auf Befehl des Königs, in eine der entferntesten Provinzen der Insel zu reisen sich genöthigt sahe. Während dieser Abwesenheit ließ Enrico in der Wand seines Zimmers, das an Blanca's Gemach stieß, eine Oeffnung anbringen. Diese wurde durch einen hölzernen Schieber verdeckt, der, weil er genau in's Getäfel war eingefügt worden, unvermerkt geöffnet, und wieder zugedreht werden konnte. Ein geschickter Baumeister, den der Prinz in sein Interesse gezogen, machte dieß Werk mit eben so vieler Schnelligkeit, als Verschwiegenheit.«

»Durch diese Oeffnung schlüpfte der verliebte Enrico unterweilen in das Zimmer seiner Geliebten; doch mißbrauchte er ihre Güte nicht. War es auch unbehuthsam von ihr gewesen, daß sie ihm einen geheimen Eintritt in ihr Zimmer verstattet, so war dieß doch nur nach dem theuern Versprechen geschehen, daß er nie mehr von ihr verlangen würde, als die unschuldigsten Gunstbezeigungen.« 221

»In der einen Nacht fand er sie äußerst mißmuthig. Sie hatte erfahren, Rogerio sey tödtlich krank, und er habe den Siffredi, als Großkanzler, zu sich rufen lassen, um ihn zum Bewahrer seines letzten Willens zu machen. Sie dachte sich schon ihren treuen Enrico auf dem Throne, und war voller Besorgniß, ihn durch einen so hohen Rang zu verlieren. Diese Besorgniß erregte einen heftigen Sturm in ihrer Brust, Thränen standen sogar in ihren Augen, als der Prinz herein trat.«

»So in Traurigkeit versenkt, meine Liebe? sagt' er. Was soll ich davon denken? Sennor, erwiederte Blanca, ich kann Euch meinen Kummer nicht verhehlen. Bald wird der König, Euer Oheim, nicht mehr seyn, und Ihr werdet seine Stelle einnehmen. Wenn ich nun erwäge, wie sehr Eure neue Hoheit Euch von mir entfernen wird, so muß ich gestehen, empfind' ich nicht wenig Unruhe. Der Monarch faßt alles auf einem andern Gesichtspuncte, als der Liebhaber; und wornach er aufs feurigste strebte, als er noch eine Gewalt über sich erkannte, das macht, wenn er auf dem Throne sitzt, nur gar schwachen Eindruck auf ihn. Ich fühle mein Herz, sey es nun Täuscherey, sey es wirkliches Vorgefühl, so in Sturm, daß all' das Zutrauen, das ich zu Eurer Güte habe, selbigen nicht besänftigen kann. Ich setze nicht 222 in Eure Standhaftigkeit Mißtrauen, sondern in mein Glück.«

»Anbethungswürdige Blanca, antwortete der Prinz, Eure Besorgniß ist die Frucht Eurer Bescheidenheit, und rechtfertigt völlig meine Anhänglichkeit an Euch; doch Euer zu weit gehendes Mißtrauen kränkt meine Liebe, und wofern ich es sagen darf, die Achtung, die Ihr mir schuldig seyd. Nein, nein! denkt nicht, daß Euer Schicksal je von dem meinigen könne getrennt werden. Glaubt vielmehr, daß Ihr nur allein meine Freude und mein Glück machen werdet. Laßt sie fahren, jene vergebliche Furcht. Wozu soll sie die Störerinn so süßer Augenblicke seyn?«

»Ah! Gnädigster Herr, erwiederte Leontio's Tochter, wenn Ihr gekrönt seyn werdet, können Eure Unterthanen eine Königinn von Euch verlangen, die aus uraltem königlichen Stamme entsprossen ist, und durch welche glorreiche Vermählung neue Provinzen zu Eurem Reiche kommen; und ach! vielleicht entsprecht Ihr deren Erwartungen, selbst auf Kosten der süßesten Wünsche Eures Herzens.«

»Wozu, immerfertige Selbstquälerinn, wozu entwirfst Du Dir ein so kränkendes Bild von der Zukunft? sagte Enrico mit Wärme. Nimmt der Himmel den König, meinen Oheim, von uns, und macht er mich zum Herrn von Sicilien, so schwör' ich Dir, in meiner 223 Hauptstadt Palermo, in Gegenwart des ganzen Hofes, Dir meine Hand zu schenken. Ich rufe alle Mächte des Himmels, und alle Heiligen zu Zeugen dieses Schwures an.«

»Emerico's Versicherungen beruhigten Siffredi's Tochter ein wenig. Ihr übriges Gespräch betraf die Krankheit des Königs. Enrico verrieth die Güte seines Herzens, indem er das Schicksal seines Oheims bedauerte, so wenig er auch davon gerührt zu seyn Ursache hatte, und die Stärke des Blutes machte, daß ihm ein Fürst nahe ging, dessen Tod ihm eine Krone überlieferte.«

»Blanca wußte noch nicht all' das ihr bevorstehende Unglück. Der Connetable von Sicilien, der sie einst, als er in wichtigen Angelegenheiten mit ihrem Vater zu sprechen nach Belmonte gekommen war, in Leontio's Cabinett hatte gehen sehen, war von ihrer Schönheit bestrickt worden. Er hielt des folgenden Tages bey Siffredi'n um sie an, und bekam dessen Wort; da aber des Königs Krankheit dazwischen fiel, ward diese Sache aufgeschoben, und Blanca hatte davon nichts reden gehört.«

»Als eines Morgens Enrico sich eben angekleidet hatte, trat zu seinem nicht geringen Erstaunen Leontio mit Blanca'n in's Zimmer. Gnädigster Herr, sagte er, die Nachricht, die ich Euch bringe, wird Euch zwar 224 betrüben, doch der damit verbundene Trost muß Euren Schmerz mäßigen. Eben ist der König, Euer Oheim, gestorben; sein Tod macht Euch zum Erben seines Zepters. Ganz Sicilien unterwirft sich Euch. Die Großen des Reichs erwarten zu Palermo Eure Befehle. Sie haben mir's aufgetragen, selbige aus Eurem Munde zu vernehmen; und ich, gnädigster Herr, komme mit meiner Tochter, Euch die ersten und aufrichtigsten der Huldigungen abzulegen, die Eure neuen Unterthanen Euch schuldig sind.«

»Der Prinz, dem gar nicht unbekannt war, daß die Krankheit, woran Rogerio seit zwey Monathen gelegen, ihn nach und nach aufgerieben hatte, erstaunte über diese Nachricht nicht sehr. Doch die plötzliche Standesänderung traf ihn, wie ein Blitzstrahl; tausend sich durchkreuzende Regungen stiegen in seinem Herzen auf. Er stand eine Zeitlang in Gedanken, hierauf brach er das Stillschweigen, und sagte zum Minister:«

»Weiser Leontio! ich habe Euch stets als meinen Vater angesehen. Es wird mein Stolz seyn, mich nach Eurem Rathe zu richten, und Ihr werdet mehr in Sicilien herrschen, als ich. Bey diesen Worten näherte er sich einem Tische, worauf Schreibzeug stand, ergriff ein weisses Blatt, und schrieb seinen Nahmen auf dessen Rand. Was wollt Ihr machen, Gnädigster Herr? sagte Siffredi. 225 Euch meine Erkenntlichkeit und Achtung bezeigen, entgegnete Enrico. Hierauf reichte er Blanca'n das Blatt, und sagte zu ihr: Empfangt hiermit, Sennora, das Unterpfand meiner Treue, und der Macht, die ich Euch über mich einräume.«

»Blanca nahm es mit Erröthen an, und antwortete dem Prinzen: Gnädigster Herr, ich nehme die Gnade meines Königs mit schuldigster Ehrerbiethung an; allein ich hänge von einem Vater ab, und deßhalb werdet Ihr mir zu verzeihen geruhen, wenn ich ihm dieß Papier einhändige, um davon einen Gebrauch zu machen, den ihm seine Klugheit an die Hand geben wird.«

»Sie gab wirklich das Papier mit Enrico's Unterschrift ihrem Vater. Jetzt erst entdeckte Siffredi, was seinem scharfen Auge bisher entgangen war. Des Prinzen Gesinnungen lagen nunmehr klar und offen vor ihm da, und er sagte: Eure Majestät soll mir keine Vorwürfe zu machen haben. Ich werde nicht das Zutrauen mißbrauchen, das . . . . .«

»Mein theurer Leontio! unterbrach ihn Enrico, fürchtet Euch nicht, selbiges zu mißbrauchen. Was für Gebrauch Ihr auch von diesem Bogen machen möget, so werd' ich ihn stets gut heissen. Doch geht, fuhr er fort, kehrt nach Palermo zurück. Laßt alles zur Krönung Erforderliche veranstalten, und sagt 226 meinen Untertanen, ich würd' Euch auf dem Fuße folgen, um den Eid ihrer Treue zu empfangen, und sie meiner Gewogenheit zu versichern. Der Minister gehorchte den Befehlen seines Herrn, und nahm mit seiner Tochter den Weg nach Palermo

»Einige Stunden nach ihrer Abreise machte sich der Fürst gleichfalls auf den Weg nach der Hauptstadt, mehr beschäftigt mit seiner Liebe, als mit dem hohen Range, den er bekleiden sollte. Als er in's Stadtthor kam, tönte ihm ein tausendfaches Freudengeschrey entgegen; unter dem Gejauchze des Volks ging er in den Pallast, wo schon alles zur Ceremonie bereit stand. Er fand daselbst die Prinzessinn Constanzie in tiefer Trauer. Sie schien über Rogerio's Tod äußerst gerührt. Da sie sich über das Absterben dieses Monarchen beyderseits ein Beyleidscompliment schuldig waren, so entledigten sie sich dessen mit vielem Geiste; Enrico aber mit mehr Kälte, als Constanzie, die, ungeachtet des obwaltenden Familienzwistes, diesen Prinzen nie hatte hassen können.«

»Er bestieg den Thron, und die Prinzessinn setzte sich auf einen niedrigern Lehnstuhl, ihm zur Seite. Die Großen des Reichs nahmen ihre Stelle ein, jeder nach seinem Range.«

»Die Ceremonie begann, und Leontio, als Großkanzler und Verwahrer des Testaments 227 vom hochseligen Könige, öffnete selbiges, und las es hierauf mit lauter Stimme ab. Es war folgenden Inhalts: daß Rogerio, sintemahl er unbeerbt sey, den ältesten Sohn des Manfredo zum Thronfolger erkläre; jedoch unter dem Bedinge, daß er sich mit der Prinzessinn Constanzie vermähle, im Verweigerungsfalle solle er der Krone Sicilien's verlustig gehen, und solle selbige unter eben dem Bedinge dem Infanten Don Pedro, seinem Bruder, zufallen.«

»Diese Worte versetzten Enrico'n ins äußerste Erstaunen, in die lebhafteste Unruhe, die ungemein wuchs, wie Leontio nach Ablesung des Testaments zur ganzen Versammlung sagte: Meine Herren, nachdem ich unserm neuen Monarchen die letzten Gesinnungen des hochseligen Königs zu wissen gethan, hat dieser edelmüthige Fürst geäußert, daß er die Prinzessinn Constanzie, seine Muhme, mit seiner Hand zu beehren gewilligt sey.«

»Bey diesen Worten unterbrach der Fürst den Kanzler: Leontio! erinnert Ihr Euch nicht der Schrift, die Euch Blanca . . . . Gnädigster Herr, hier ist sie, fiel ihm Siffredi schnell in's Wort, um des Fürsten Erklärung nicht zu Stande kommen zu lassen. Mittelst dieser hohen Unterschrift, fuhr er fort, und wies das Papier der Versammlung, werden die Großen des Reichs die Achtung ersehen, 228 die Ihro Königliche Majestät gegen die Prinzessinn hegt, und Dero völlige Ergebenheit in den Willen des höchstseligen Königs, Dero Oheims. Hierauf las er das Papier so ab, wie er selbst es ausgefüllt hatte.«

»Der neue König that hierin seinem Volke auf die unverbrüchlichste Art das Versprechen, Constanzie'n, Rogerio's Gesinnungen gemäß, zu seiner Gemahlinn zu erwählen. Ein lautes, langdauerndes Freudengeschrey durchtönte den Saal, und alle Anwesenden riefen mit lauter Stimme: Lange lebe unser edler König Enrico

»Jedermann war die Abneigung bekannt, die dieser Fürst stets gegen die Prinzessinn geäußert hatte, und man war deßhalb mit Fug besorgt gewesen, er möchte sich gegen diese Clausel des Testaments auflehnen, und dadurch Zwiespalt im Königreiche verursachen; da nun durch die Vorlesung dieser Schrift Große und Volk vom Gegentheile überführt wurden, so entstand dieser allgemeine Jubel, der das Herz des Monarchen zerriß.«

»Constanzie, die Lieb' und Ehre hieran stärkern Antheil zu nehmen bewogen denn irgend jemanden, ergriff diese Gelegenheit, ihm ihre Erkenntlichkeit zu bezeigen. So sehr der Fürst sich auch zu zwingen suchte, so wenig glückte es ihm. Er nahm das Compliment der Prinzessinn so verstört an, war in solcher 229 Verwirrung, daß er selbst das nicht hervorbringen konnte, was der Wohlstand von ihm verlangte. Endlich vermocht' er die Gewalt, die er sich anthat, nicht länger auszuhalten, näherte sich Siffredi'n, der sich Amtshalber in der Nähe aufhalten mußte, und sagte mit leiser Stimme zu ihm: Was macht Ihr, Leontio? Das Blatt, das ich Eurer Tochter gab, war zu diesem Gebrauche nicht bestimmt. Ihr habt . . . . .«

»Gnädigster Herr, antwortete ihm Siffredi, mit einem festen Tone, nehmt Rücksicht auf Euren Ruhm. Gehorcht Ihr dem Willen des Königs, Eures Oheims, nicht, so geht Ihr der Sicilischen Krone verlustig. Kaum hatte er dieß gesagt, so entfernte er sich vom Könige, um des weitern Wortwechsels überhoben zu seyn.«

»Enrico blieb in der peinigendsten Verlegenheit; tausend Gedanken durchstürmten seine Seele; gegen Siffredi'n war er heftig aufgebracht; seine Blanca fahren zu lassen, dazu konnt' er sich nicht entschliessen, und zwischen ihr und dem Interesse seiner Ehre getheilt, wußt' er lange nicht, was für eine Partie er ergreifen sollte. Endlich entschloß er sich, und glaubte ein Mittel ausfindig gemacht zu haben, wie er Siffredi's Tochter behalten konnte, ohne den Thron einzubüßen.« 230

»Zum Scheine unterwarf er sich gänzlich dem Willen des Königs Rogerio, und war gesonnen, während der Zeit, daß man in Rom um die Einwilligung zur Vermählung mit seiner Muhme ansuchen würde, die Großen des Reichs dermaßen durch Gefälligkeiten an sich zu ziehen, und seine Macht so wohl zu gründen, daß man ihn zur Erfüllung der Testamentsclausel nicht zwingen könnte.«

»Nachdem er diesen Plan gemacht hatte, ward er ruhiger, wandte sich gegen Constanzie'n, und bestättigte ihr das, was der Großkanzler vor der ganzen Versammlung gelesen. Allein in eben dem Augenblicke, da er ihr die Treue versprach, die er zu halten gar nicht gesonnen war, trat Blanca in den Gehörsaal. Sie kam auf Befehl ihres Vaters, um ihre Schuldigkeit gegen die Prinzessinn abzulegen. Das erste, was ihr in's Ohr fiel, waren Enrico's Gelübde. Leontio, der sie von ihrem Unglücke völlig überführen wollte, sagte zu ihr, indem er sie Constanzie'n vorstellte: Hier ist Eure gnädigste Königinn, meine Tochter! Bezeigt derselben Eure tiefste Unterthänigkeit, und legt in aller Ehrfurcht den Wunsch ab, daß ihre Regierung so blühend und friedlich, als glücklich ihre Vermählung seyn möge.«

»Dieser fürchterliche Schlag schmetterte die unglückliche Blanca ganz zu Boden. Umsonst unternahm sie es, ihren Schmerz zu 231 verbergen. Bläss' und Röthe wechselten auf ihrem Gesicht' ab, und ihren Körper überfiel ein Schauer. Die Prinzessinn schöpfte hieraus keinen Verdacht. Sie schrieb ihre Betroffenheit, das Unzusammenhängende ihres Complimentes, der Verlegenheit einer jungen Dirne zu, die in der Einsamkeit gelebt habe, und an Hofton nicht gewöhnt sey.«

»Nicht so war es mit dem jungen Könige. Blanca's Anblick bracht' ihn aus aller Fassung, und die Verzweiflung, die er in ihrem Auge las, setzte ihn vollends ganz ausser sich. Er war überzeugt, daß sie dem ihm so entgegenseyenden Scheine trauen, und ihn für untreu halten würde. Er wäre minder besorgt gewesen, wenn er hätte mit ihr reden können; wie konnt' er aber das, da ganz Sicilien, so zu sagen, die Augen auf ihn geheftet hatte? Ueberdieß benahm ihm der grausame Siffredi alle Hoffnung hierzu.«

»Dieser Minister, der in den Herzen der beyden Liebenden las, und den Unglücksfällen zuvorkommen wollte, welche die Heftigkeit ihrer Liebe im Staate verursachen konnte, führte seine Tochter auf eine geschickte Art aus der Versammlung, und gerade nach Belmonte, entschlossener denn je – und das aus verschiedenen Gründen – ihre Hochzeit zu beschleunigen.«

»Kaum waren sie dort angelangt, so entdeckte er ihr all' das Gräßliche ihres Schicksals; 232 eröffnete ihr, daß er sie dem Connetable versprochen habe. Gerechter Himmel! rief sie, hingerissen durch eine Aufwallung des Schmerzes, die selbst ihres Vaters Gegenwart nicht zurück zu halten vermochte, zu was für schrecklichen Martern hast Du die unglückliche Blanca aufgehoben!«

»Der Schmerz wüthete so heftig in ihr, daß sie den Gebrauch ihrer Sinnen verlor; Todtenschauer rann über ihren Körper, und kalt und erblaßt sank sie ihrem Vater in die Arme. Der Zustand, worin er sie sah, rührte ihn. Dennoch ward er nicht wankend in seinem Entschlusse, so herzlich nah' ihm auch ihre Leiden gingen. Endlich erhohlte sich Blanca wieder, mehr durch den ihr heftig nagenden Jammer, als durch das Wasser, das ihr Siffredi in's Gesicht spritzte. Als sie ihr mattes Aug' wieder aufhob, sahe sie, mit welchem Herzensdrange ihr Vater ihr zu helfen bemüht war.«

»O, mein Vater! sagte sie mit fast erloschner Stimme, ich schäme mich, Euch meine Schwäche sehen zu lassen; doch der Tod, der meine Qualen bald enden muß, wird Euch von einer unglücklichen Tochter befreyen, die ihr Herz ohne Eure Einwilligung wegzugeben keck genug gewesen ist. Nein, theure Blanca, rief Leontio, Du wirst nicht sterben, und Deine Tugend wird Dich von neuem beherrschen. Das Anhalten des Connetable's um 233 Dich gereicht Dir zur Ehre. Er ist eine der ansehnlichsten Partien des Reichs . . . . . Ich schätze seine Person und seine Verdienste, unterterbrach ihn Blanca, allein, mein Vater, der König hatte mir Hoffnung gemacht . . . . .«

»Du darfst mir davon weiter nichts sagen, meine Tochter, fiel ihr Siffredi ein. Deine Zärtlichkeit für diesen Fürsten ist mir nicht unbekannt, und bey einer andern Lage der Sachen würd' ich sie nicht mißbilligen, Du würdest mich sogar eifrigst bemühet sehen, Dir Enrico's Hand zu versichern, wofern nicht seine Ehre und die Ehre der ganzen Nation ihn nöthigte, sich mit Constanzie'n zu vermählen. Bloß unter dem Bedinge hat ihn der hochselige König zum Thronfolger eingesetzt. Willst Du, daß er Dich der Sicilischen Krone vorziehen soll? Glaub' es mir, der tödtliche Streich, der Dich trifft, preßt auch mir bittere Seufzer aus. Da wir aber gegen das Schicksal nicht ankämpfen können, so handle hierin großmüthig, so hart es Dir auch ankommen mag.«

»Es liegt Deiner Ehre daran, das ganze Königreich nicht merken zu lassen, daß Du Dir mit einer nichtigen Hoffnung geschmeichelt hast. Deine Leidenschaft für den König würde sogar Stoff zu den boßhaftesten Reden geben; und Du kannst Dich vor selbigem nicht anderst sichern, als wenn Du dem Connetable die Hand gibst. Kurz, Blanca, Bedenkzeit hast Du 234 gar nicht. Der König läßt Dich für seinen Thron fahren, vermählt sich mit Constanzie'n. Der Connetable hat mein Wort; lös' es wieder aus von ihm, ich bitte Dich; und wenn meine väterliche Gewalt Dich nur zu diesem Entschlusse bewegen kann, so befehl' ich Dir.«

»Mit diesen Worten verließ er sie, damit sie über das, was sie vernommen hatte, nachdenken konnte. Er hoffte, nachdem sie die Gründe erwogen, deren er sich bedienet, ihre Tugend gegen ihre Herzensneigung zu unterstützen, würde sie sich von selbst entschliessen, dem Connetable die Hand zu geben. Er irrte sich nicht, allein wie viel kostete es der traurigen Blanca, diesen Entschluß zu ergreifen. Sie befand sich in dem bejammernswürdigsten Zustande von der Welt. Der Schmerz, ihre Ahndungen von Enrico's Untreue in Gewißheit verwandelt zu sehen, und durch dessen Verlust genöthigt zu seyn, sich einem Manne in die Arme zu werfen, den sie nicht lieben konnte, verursachte ihr so heftige Qualen, daß das Maß ihrer Leiden mit jedem Augenblicke wuchs.«

»Wenn mein Unglück gewiß ist, sagte sie, wie kann ich es ertragen, ohne zu sterben? Unerbittliches Verhängniß! warum weidest Du mich mit solchen Hoffnungen, da Du mich in einen so tiefen Abgrund von Leiden stürzen wolltest? Und Du, treuloser Geliebter! Du 235 ergibst Dich einer andern, da Du mir ewige Treue versprochen? Hast Du so die mir gethanen heiligen Gelübde vergessen können! Gebe der Himmel, daß zur Strafe für Deine grausame Betrügerey, das Ehebette, das Du durch einen Meineid besudeln wirst, nicht das Lager deiner Lust werde, sondern durch dein Gewissen ein Lager voll stechender Dornen. Möchten doch Constanzien's Liebkosungen Dein Herz mit tödtlichem Gift anfüllen! Möchte doch Deine Ehe Dir eben so gräßlich werden, als mir die meinige.«

»Ja, Verräther, ich will den Connetable heirathen, den ich nicht liebe, um mich an mir selbst zu rächen, und mich dafür zu bestrafen, daß ich Dich zum Gegenstand meiner wahnsinnigen Leidenschaft gewählt habe! Da die Religion mir verbiethet, mein Leben zu verkürzen, so will ich dessen kleinen Ueberrest zu einem Gewebe von Leiden und Widerwärtigkeiten machen. Glimmt noch ein Fünkchen Liebe gegen mich in Deiner Brust, so räch' ich mich auch an Dir, indem ich mich vor Deinen Augen in die Armen eines andern werfe. Hast Du aber meiner ganz vergessen, so wird sich wenigstens Sicilien rühmen können, ein Weib gezeugt zu haben, das muthig genug ist, sich für eine zu leichtsinnige Wegschenkung ihres Herzens selbst zu bestrafen.«

»In dieser Verfassung brachte dieß traurige Schlachtopfer der Lieb' und Pflicht die Nacht 236 vor ihrer Vermählung mit dem Connetable zu. Als Siffredi sie am folgenden Morgen bereit fand, seine Wünsche zu erfüllen, eilte er, sich eine so günstige Stimmung zu Nutze zu machen. Er ließ an eben dem Tage den Connetable nach Belmonte kommen, und ihn in der größten Stille in der Schloßcapelle mit seiner Tochter trauen.«

»Welch' ein Tag für Blanca'n! Nicht genug, daß sie einer Krone entsagen, einen begünstigten Liebhaber verlieren, und einem verhaßten sich hingeben mußte, sie war auch genöthigt, ihre Gesinnungen gegen einen Mann zu verbergen, der lauter heiße Gluth gegen sie war, und von Natur höchst eifersüchtig. Voller Entzücken über ihren Besitz lag er beständig vor ihr auf den Knieen. Er ließ ihr sogar nicht einmahl den traurigen Trost, ihre Leiden insgeheim beweinen zu können. Als die Nacht gekommen war, fühlte Leontio's Tochter ihre Betrübniß sich verdoppeln. Aber was ward aus ihr, als ihre Kammerfrauen, nachdem sie sie entkleidet hatten, sie allein bey dem Connetable liessen: Er erkundigte sich auf's ehrerbietigste: was sie denn so ganz zu Boden streckte.«

»Diese Frage machte Blanca'n betroffen, sie schützte Unpäßlichkeit vor. Ihr Gemahl ließ sich anfänglich dadurch hintergehen, er blieb aber nicht lange in diesem Irrthum. Da er 237 nun über den Zustand, worin er sie erblickte, in der That unruhig war, und da er in sie drang, sich in's Bette zu legen, so stellte ihr sein inständiges Anhalten, das sie falsch auslegte, ein so grausames Bild vor die Augen ihres Gemüths, daß sie sich nicht länger zwingen konnte, und ihren Seufzern und ihren Thränen freyen Lauf lassen mußte.«

»Welch' ein Anblick für einen Mann, der sich auf dem Gipfel seiner Wünsche geglaubt hatte. Er zweifelte nicht mehr daran, daß in der Betrübniß seiner Frau etwas seiner Liebe Uebelweissagendes läge. Ob ihn nun gleich diese Entdeckung in einen Zustand versetzte, der fast so beklagenswürdig war als Blanca's ihrer, so hatte er dennoch Gewalt genug über sich, ihr seinen Verdacht zu verhehlen. Mit doppelter zärtlicher Wärme drang er von neuem in seine Gemahlinn, sie möchte sich niederlegen, und gab ihr die Versicherung, er wolle sie in der Ruhe nicht stören, deren sie so benöthigt sey. Er erboth sich sogar ihre Frauen zu rufen, wenn sie glaubte, daß deren Beystand ihr einige Linderung verschaffen könnte.«

»Dieß Versprechen beruhigte Blanca'n in etwas; sie versicherte: Schlaf allein sey das, was sie in ihrer gegenwärtigen Schwachheit bedürfe. Er stellte sich, als wenn er das glaubte. Sie legten sich Beyde in's Bett, und verbrachten diese Nacht ganz anders, als Amor 238 und Hymen sie einem Paar Herzlichliebenden gewähren.«

»Während der Zeit, daß sich Siffredi's Tochter ihrem Schmerz überließ, spannte der Connetable alle seine Geisteskräfte an, um herauszubringen, was eigentlich an seinem Unglücke Schuld sey. Daß er einen Nebenbuhler habe, konnt' er leicht schliessen; wenn er ihn aber auszuforschen bemühet war, verlor er sich in einem Meere von Vorstellungen. Er wußte weiter nichts, als daß er der unglückseligste von allen Männern sey.«

»Zwey Drittel der Nacht waren bereits in dieser stürmischen Gemüthsverfassung verbracht, als ein dumpfes Geräusch ihm in's Ohr fiel. Er erstaunte, Jemanden langsamen Schritts durch die Kammer gehen zu hören. Er glaubte sich zu irren, denn er besann sich, daß er nach der Entfernung von Blanca's Kammerfrauen die Thür selbst zugeschlossen hatte. Er öffnete den Vorhang, um mit seinen Augen von der Ursache des vernommenen Geräusches Erkundigung einzuziehen, allein das Licht, das man in dem Kamin hatte stehen lassen, war ausgegangen, und bald hörte er eine matte und schmachte Stimme zu verschiedenenmahlen Blanca! Blanca! rufen. Jetzt entflammte ihn sein eifersüchtiger Argwohn zur Wuth, seine in Gefahr schwebende Ehre nöthigte ihn aufzustehen, um einer Beschimpfung zuvorzukommen, oder sie zu rächen.« 239

»Schnell ergriff er seinen Degen, und ging nach der Seite zu, wo ihm die Stimme herzukommen geschienen hatte. Hier fühlte er einen blossen Degen, der sich dem seinigen widersetzte. Er näherte sich, man wich zurück. Er verfolgte, man entzog sich seinen Verfolgungen. So gut es die Dunkelheit verstattete, sucht' er nun denjenigen, der ihn zu fliehen schien, in allen Winkeln des Zimmers, und fand ihn nicht mehr. Er stand still, lauschte, und vernahm nichts weiter. War das Zauberey? Er nahte sich der Thür, der Meinung, sie habe die heimliche Flucht des geheimen Räubers seiner Ehre begünstigt, und fand sie verriegelt wie zuvor. Weil er von diesem Abenteuer nichts zu begreifen vermochte, rief er denjenigen von seinen Leuten, die seine Stimme am ersten erreichen konnte, und da er dieserhalb die Thür hatte öffnen müssen, stellte er sich vor den Ausgang, und stand sehr auf seiner Hut, aus Besorgniß, der, den er suchte, möchte ihm entwischen.«

»Auf sein verdoppeltes Geschrey rannten einige Bedienten mit Lichtern herzu, er nahm ihnen eines ab, und durchsuchte mit selbigem und dem bloßen Degen in der Hand das Schlafzimmer von neuem. Gleichwohl fand er Niemand daselbst, ja sogar nicht den mindesten Anschein, wie jemand habe herein kommen können, nicht die mindeste Oeffnung, keine heimliche Thür. 240 Gleichwohl war er versichert, daß ihn sein Gehör nicht getäuscht hatte.«

»Zu Blanca'n Zuflucht zu nehmen, ging nicht; sie hatte zuviel Interesse, die Wahrheit zu bemänteln, als daß er das mindeste Licht von ihr zu erhalten verhoffen konnte. Sonach ergriff er die Parthie, Leontio'n sein Herz aufzuschließen.«

»Deßhalb schickte er seine Leute zurück, nachdem er ihnen gesagt, er habe einiges Geräusch im Zimmer gehört, müsse sich aber geirrt haben. Er begegnete seinem Schwiegervater, den das Geräusch aus seinem Zimmer getrieben hatte. Diesem erzählte er den ganzen Vorfall, und das mit einer Miene, mit einem Tone, die den ausserordentlichen Sturm in seiner Seele, und seinen äussersten Schmerz auf's deutlichste zu erkennen gaben.«

»Siffredi'n bestürzte dieß Abenteuer. So wenig natürlich es ihm auch schien, so zweifelte er doch an dessen Wahrheit nicht im mindesten, und da er der Liebe des König's alles möglich glaubte, ward er sehr betrübt. Doch weit entfernt, den eifersüchtigen Argwohn seines Eidams zu unterstützen, stellte er ihm mit zuversichtlicher Miene vor: Die Stimme, die er gehört zu haben vermeint, und der Degen, den er dem seinigen widerstehen gefühlt habe, wären bloß Phantome einer von der Eifersucht getäuschten 241 Phantasie; es wäre unmöglich, daß jemand in seiner Tochter Zimmer hineingekonnt hätte.«

»Was die Betrübniß anlangte, so wäre sie vielleicht die Frucht einer Unpäßlichkeit; die Ehre kann nie für Erschütterungen des Nervensystems haften, und die Standesänderung eines Mädchens, die an einsames Leben gewohnt, sich plötzlich einem Manne überliefert sieht, den sie kennen und lieben zu lernen nicht Zeit gehabt hat, kann auch gar leicht der Quell jener Seufzer, jener Thränen und jener innigen Betrübniß seyn, worüber er sich beklagte. Zeit und Geflissenheit könnten nur in dem Herzen eines Mädchens von edler Geburt Liebe anfachen, er ermahne ihn daher, seine Unruhe zu verbannen, seine Zärtlichkeit und seine Gefälligkeiten zu verdoppeln, wodurch Blanca gewiß zu mehrerer Theilnehmung würde bewogen werden; er bäthe ihn endlich: wieder zu ihr zurückzukehren, mit der Ueberzeugung, daß sein Mißtrauen und seine Unruhe ihre Tugend beleidigten.«

»Der Connetable antwortete nichts auf die Gründe des Schwiegervaters, entweder weil er wirklich zu glauben anfing, daß er in der Verstörtheit seines Sinnes sich möchte geirrt haben, oder weil er es für dienlicher hielt, sich zu verstellen, als sich vergeblich zu bemühen, den Alten von diesem höchst unwahrscheinlichen Vorfalle zu überzeugen.«

»Er kehrte sonach wieder in das Zimmer 242 seiner Gemahlinn zurück, legte sich wieder neben sie, und suchte in den Armen des Schlafs einige Ruhe zu finden.«

»Blanca ihrer Seits, der traurigen Blanca war nicht besser zu Muthe. Sie hatte so gut wie ihr Gemahl all' das Vorgefallene gehört, und konnte eine Begebenheit, deren geheime Triebfedern sie wußte, nicht für Täuscherey halten. Sie war bestürzt, daß Enrico in ihr Zimmer sich einzuschleichen suchte, nachdem er seine Hand feyerlich der Prinzessinn Constanzie geschenkt hatte; sie sah dieß für eine neue Beleidigung an, und ihr Herz war hierüber ganz von Zorn entflammt.«

»Indeß Siffredi's Tochter den jungen König mit Augen des Vorurtheils betrachtete, und ihn für den Strafbarsten unter allen Männern hielt, wünschte dieser unglückliche Fürst, der mehr denn je für seine Blanca glühte, sie zu sprechen, und sich von dem ihn verdammenden Scheine zu rechtfertigen.«

»Er würde zu dem Ende eher nach Belmonte gekommen seyn, hätten die Angelegenheiten, womit er sich jetzt beschäftigen mußte, es ihm erlaubt; so aber hatte er sich nicht eher als diese Nacht vom Hofe wegstehlen können. Ihm waren alle Kreuz- und Winkelgänge eines Orts, wo er war erzogen worden, zu wohl bekannt, als daß es ihm hätte schwer fallen sollen, in Siffredi's Schloß zu schlüpfen; überdieß hatte er auch noch den Schlüssel zu einer 243 geheimen Thür, die in den Garten ging. Durch selbigen gewann er sein ehemahliges Zimmer, und dann das Gemach der Blanca

Stellen Sie sich das Erstaunen dieses Fürsten vor, als er eine Mannsperson darin fand, und einen Degen sich dem seinigen widersetzen fühlte. Bey Einem Haar wär' er losgebrochen, und hätte den Verwegnen auf der Stelle bestrafen lassen, der seine verruchte Hand gegen seinen König und Herrn aufhob, doch die Schonung, die er Leontio's Tochter schuldig war, hemmte seinen Rachdurst Er begab sich auf eben die Art weg, wie er gekommen war, und kehrte beunruhigter denn je nach Palermo zurück. Einige Augenblicke vor Tage langte er daselbst an, und schloß sich in sein Cabinet. Es kochte zu sehr bey ihm, als daß er hätte schlafen können; er dachte an weiter nichts, als nach Belmonte zurückzukehren. Seine Sicherheit, seine Ehre, und zumahl seine Liebe erlaubten ihm nicht, die Erläuterung einer sein Herz zerschneidenden Begebenheit aufzuschieben.«

»Sobald es Tag war, befahl er alle Anstalten zur Jagd zu treffen, und unter dem Vorwande dieser Belustigung vertiefte er sich mit seinen Jägern und einigen seiner Hofleute in den Wald von Belmonte. Er verfolgte eine Zeit lang die Fährte des Wildes, um seinen Plan desto besser zu verbergen, und als er sah, daß jedermann der Spur der Hunde auf's eifrigste 244 nach eilte, so verlor er sich von seinen Leuten, und nahm ganz allein den Weg nach Leontio's Schloße.«

»Die Wege in diesem Walde waren ihm zu wohl bekannt, als daß er sich in selbigem hätte verirren können; und da ihm seine Ungeduld sein Pferd nicht schonen ließ, so hatte er in kurzer Zeit über die ganze Kluft hinweggesetzt, die ihn von seiner Geliebten trennte. Eben sann er auf einen schicklichen Vorwand, sich eine geheime Unterredung mit Siffredi's Tochter zu verschaffen, als er beym Heraufsprengen eines nach dem Park hinführenden Fußsteges in einer kleinen Entfernung zwey Frauenzimmer gewahr ward, die am Fuße eines Baums sassen, und mit einander redeten. Er zweifelte nicht daran, daß diese Personen aus dem Schlosse wären; und bey diesem Anblick fuhr er in einander; noch erschütterter aber ward er, als er in einer der Frauenzimmer, die sich wegen des Geräusches nach seiner Seite hinwandte, seine theure Blanca erkannte. Sie war mit Nisa'n einer ihrer Kammerfrauen, zu der sie das meiste Zutrauen hatte, aus dem Schlosse entwischt, um wenigstens ihr Unglück ungestört beweinen zu können.«

»Er flog hinzu, und stürzte sich hin zu ihren Füßen. Als er in ihrem Auge die äußerste Betrübnis laß, jammert sie ihn. Schöne Blanca, sagte er zu ihr, laßt Eure Betrübniß fahren! Der Schein, ich gesteh' es, mahlt mich Euch strafbar; doch wenn Ihr von meinem um 245 Euretwillen gefaßten Vorhaben werdet unterrichtet seyn, so werdet Ihr in dem, was Ihr als Verbrechen anseht, einen Beweis von meiner Unschuld und von der Fülle meiner Liebe finden.«

»Diese Worte, die Enrico Blanca's Betrübniß Einhalt zu thun vermögend hielt, vermehrten nur noch selbige. Sie wollte antworten, konnt' es aber vor Schluchzen nicht. Der Fürst erstaunte, Seel' und Körper bey ihr so erschüttert zu finden, und sagte zu ihr: Wie Signora, sollt' ich Euren Kummer zu stillen nicht im Stande seyn? Wodurch hab ich unglücklicher Weise Euer Zutrauen verscherzt? Ich, der ich meine Krone, ja selbst mein Leben in die Schanze schlage, um der Eurige zu bleiben.«

»Hier gab ihm Leontio's Tochter, so sauer es ihr auch wurde, die Antwort: Gnädigster Herr, Eure Versprechungen kommen zu spät. Nichts kann hinfort mein Schicksal mit dem Eurigen verbinden. Ha! Blanca! rief Enrico hitzig, was für Worte der Grausamkeit hör' ich von Euch! Wer kann Euch meiner Liebe entreissen? Wer sich der Wuth eines Königs widersetzen wollen, der eher ganz Sicilien im Flamm' und Verwüstung gerathen läßt, als sich seine süßeste Hoffnungen durch Euch enreissen? All' Eure Macht, Signor vermag nichts gegen die Hindernisse, die uns trennen, antwortete Siffredi's Tochter mit matter Stimme. Ich bin die Gemahlinn des Connetable's246

»Gemahlinn des Connetable's! rief der Fürst, und taumelte einige Schritte zurück. Weiter konnte er nichts sagen, so heftig hatte ihn dieser unvorher gesehene Schlag getroffen; seine Kräfte schwanden, er sank nieder an den Fuß eines hinter ihm stehenden Baumes. Blaß lag er da und entstellt, zitternd an jedem Gliede, starr richtete sich auf die Geliebte sein Auge, in dem man deutlich las, wie nah' ihm das eben verkündigte Unglück ging. Sie ihrer Seits blickte ihn auf eine Art an, woraus man merkte, daß ihre Bewegungen von den seinigen wenig, unterschieden waren, und beyde unglücklich Liebende beobachteten ein Stillschweigen, das etwas Fürchterliches hatte. Endlich rief der Fürst, der sich mit vieler Mühe von seiner Bestürzung wieder erhohlt hatte, Blanca'n seufzend zu: O! was habt Ihr gemacht, Signora? Mich zu Grunde gerichtet, ja Euch selbst durch Eure Leichtgläubigkeit.«

»Blanca'n verdroß es, daß der Fürst ihr Vorwürfe zu machen schien, da sie doch das größte Recht, sich über ihn zu beklagen zu haben glaubte. Wie Signor, antwortete sie, gesellt Ihr Verstellung zur Untreue? Wollt Ihr, daß ich meine Augen und Ohren Lügen strafen soll, und Euch trotz ihrem Zeugnisse glauben? Nein, gnädigster Herr, einen so großen Sieg über meine Vernunft trau' ich mir nicht zu.«

»Gleichwohl haben diese Zeugen Euch hintergangen, sagte der König, so treu sie Euch 247 euch scheinen, haben Euch sogar verrathen helfen, und es ist eben so gewiß, daß ich unschuldig und treu bin, als gewiß, daß Ihr die Gemahlinn des Connetable's seyd.«

»Wie, gnädigster Herr, erwiederte sie, hab' ich Euch nicht das Geschenk Eurer Hand und Herzens an Constanzien bestättigen hören? Versichertet Ihr nicht den Grossen des Reichs, daß Ihr den Willen des verstorbnen Königs erfüllen würdet, und nahm die Prinzessinn nicht die Huldigungen der neuen Unterthanen als Königinn und Braut des Fürsten Enrico an? Waren damahls meine Ohren und Augen mit magischem Blendwerke geschlagen? Bekennt, bekennt nur, Ungetreuer, daß Ihr es gar nicht der Mühe lohnend gehalten habt, Blanca'n und Sicilien's Kron' in Eine Wagschale zu legen, und ohne Euch so weit herabzulassen Empfindungen zu häucheln, die Ihr nicht mehr fühlt, vielleicht nie gefühlt habt, gesteht: Sicilien's Krone hat Euch mit Constanzie'n sichrer geschienen, als mit Leontio's Tochter

»Ihr habt Recht, gnädigster Herr, auf einen schimmernden Thron konnt' ich so wenig rechnen, als auf das Herz eines solchen Fürsten wie Ihr. Ich war zu eitel auf eins oder das andere Ansprüche zu machen; aber Ihr hättet mich in diesem Irrthume nicht unterhalten sollen. Ihr wißt, was für Besorgnisse ich über Euren Verlust geäussert habe, der mir ganz unvermeidlich für mich zu seyn schien? Weshalb spracht Ihr 248 mir Beruhigung ein? Zernichtet meine Furcht? Ich würde eher das Schicksal angeklagt haben als Euch; und wäre mein Herz stets Euer geblieben, in Ermanglung meiner Hand, die nie ein andrer von mir würde erhalten haben. Jetzt ist keine Zeit mehr zur Rechtfertigung. Ich bin die Frau des Connetable, und da eine weitere Unterredung mit einem andern Manne meiner Ehre nachtheilig seyn könnte, so werdet Ihr erlauben, gnädigster Herr, daß ich ohne Verletzung des Euch gebührenden Respects einen Fürsten verlasse, den ich nicht mehr anhören darf.«

»Mit diesen Worten entfernte sie sich vom Enrico mit all der Schnelligkeit, die ihr damahliger Zustand ihr verstattete. Bleibt hier, Signora! rief er. Setzt nicht einen Fürsten in Verzweiflung, der weit geneigter ist, den Thron umzustürzen, den er, Euren Vorwürfen nach, Euch soll vorgezogen haben, als der Erwartung seiner neuen Unterthanen zu entsprechen. Jetzt ist dieß Opfer unnütz, erwiederte Blanca. Damahls hättet Ihr Euren feurigen Edelmuth sollen ausbrechen lassen, als ich noch nicht dem Connetable gehörte! Jetzt, da ich in Fesseln bin, liegt mir wenig daran, ob Sicilien in einen Aschenhaufen verwandelt wird, und an wen Ihr euch vermählet. War ich so schwach, mein Herz von Euch überraschen zu lassen, so werd' ich wenigstens so standhaft seyn, dessen unwillkürliche Bewegungen zu ersticken, und dem neuen Könige von Sicilien zu zeigen, 249 daß des Connetable's Weib nicht mehr Prinz Enrico's Geliebte ist.«

Da sie jetzt eben an die Thür des Parks gekommen war, warf sie sich schnell mit Nisa'n in selbigen hinein, und die Thür hinter sich zu. Zu Boden gedrückt von Betrübniß ließ sie den Fürsten da stehen. Er konnte sich von dem Schlage, der ihn bey Blanca's Nachricht von ihrer Vermählung getroffen, nicht wieder erhohlen.«

»Ungerechte Blanca, rief er, so habt Ihr ganz unsers Bundes vergessen. So sind wir trotz meinen Schwüren und den Eurigen auf ewig von einander getrennt! So war die süße Vorstellung, all' Eure Reitze zu besitzen, nichts denn ein elendes Gaukelspiel! Ah! Grausame, wie theuer kommt mich der Vorzug zu stehen, dessen mich Euer Herz gewürdigt hat?«

»Jetzt stellte sich ihm das Bild von der Glückseligkeit seines Nebenbuhlers, mit all' den Farben dar, mit denen Eifersucht es ihm mahlte. Diese Leidenschaft bemächtigte sich seiner Seele auf einige Augenblicke dermaßen, daß er den Connetable, ja selbst Siffredi'n seiner Rachgier aufzuopfern beschloß. Doch kühlte die Vernunft allmählig die Aufwallungen seines Zorns. Gleichwohl setzte ihn die Unmöglichkeit, worin er sich befand, Blanca'n den Wahn von seiner Untreue zu benehmen, in Verzweiflung. Er schmeichelte sich selbigen zu zerstören, wenn er sie frey und ungehindert sprechen könnte; um dazu zu gelangen, urtheilte er, müsse der 250 Connetable über Seite geschafft werden, und er beschloß, ihn als einen Mann in Haft nehmen zu lassen, der bey der gegenwärtigen Verfassung des Staats verdächtig sey. Er gab dem Hauptmanne der Leibwache hierzu Befehl; der nach Belmonte eilte, mit anbrechender Nacht sich seiner Person versicherte, und ihn nach dem Schlosse zu Palermo führte.«

»Dieser Vorfall setzte zu Belmonte alles in Bestürzung. Siffredi reiste sogleich ab, um dem Könige für seines Eidams Unschuld zu haften, und ihm zugleich die verdrießlichen Folgen vorzustellen, die eine solche gefängliche Einziehung nach sich ziehen würde. Dieser Fürst, der eines solchen Schrittes von seinem Minister gewärtig war, und wenigstens vor Loslassung des Connetable's sich eine freye Unterredung mit Blanca'n aufsparen wollte, hatte ausdrücklich verbothen, heute jemand vor ihn zu lassen, dennoch drang Leontio durch.«

»Gnädigster Herr, sagte er, als er in's Königs Cabinet trat, wofern es einem redlichen Unterthan erlaubt ist, sich über seinen Herrn zu beklagen, so komm' ich, um mich bey Euch über Euch Selbst zu beklagen. Welches Verbrechens hat sich mein Eidam schuldig gemacht? Haben Eure Majestät wohl bedacht, daß Sie dadurch mein Haus auf ewig gebrandmarkt, und die Herzen all' der Männer von sich abwendig gemacht haben, die in den wichtigsten Posten des Staates sind? Ich habe zuverläßige Nachrichten, 251 antwortete der König, daß der Connetable mit dem Infant Don Pedro ein strafbares Verständniß hat.«

»Er, mit dem Infanten? Ein strafbares Verständniß? unterbrach ihn Leontio bestürzt. Ha! Gnädigster Herr! glauben Sie dieß nicht! Sie werden hintergangen. Nie schlich sich Verrath in das Haus der Siffredi's; und für den Connetable reicht es hin, daß er mein Schwiegersohn ist, um vor allem Verdachte gesichert zu seyn. Der Connetable ist unschuldig, aber geheime Absichten haben Euch zu dieser Gefangennehmung bewogen.«

»Offenherzigkeit dann gegen Offenherzigkeit, erwiederte der König. Ihr beklagt Euch über des Connetable's Verhaftung, hab' ich mich nicht über Eure Grausamkeit zu beklagen? Ihr seyd es, barbarischer Siffredi, der mir meine Ruhe geraubt, mich durch seine dienstfertige Sorgfalt so weit gebracht hat, daß ich das Loos des elendesten Sterblichen beneiden muß. Denn schmeichelt Euch nur nicht, daß ich je in Euren Plan treten werde. Vergebens ist meine Vermählung mit Constanzie'n beschlossen, ich . . . .«

»Wie, gnädigster Herr, fiel ihm Leontio mit Beben in die Rede, Ihr wolltet diese Prinzessinn nicht zur Gemahlinn, nachdem Ihr selbiger vor den Ohren des Volks mit dieser Hoffnung geschmeichelt habt? Wenn ich diese allgemeine Erwartung täusche, versetzte der König, 252 so meßt niemand anders die Schuld bey, als Euch. Warum habt Ihr mich in die Nothwendigkeit gesetzt, ihnen zu versprechen, was ich nicht gewähren kann? Wer hieß Euch mit Constanzien's Nahmen ein Blatt ausfüllen, das ich Eurer Tochter gegeben? Meine Gesinnungen waren Euch nicht unbekannt. Mußtet Ihr gegen Blanca'n so sehr Tyrann seyn, und ihr einen Mann aufzwingen, den sie nicht liebt? Und was für Recht hattet Ihr über mein Herz, es einer Prinzessinn zu schenken, die ich hasse? Habt Ihr vergessen, daß Sie die Tochter jener grausamen Mathilde ist, die die Rechte des Bluts und der Menschheit mit Füßen trat, und meinen armen Vater unter den härtesten Qualen im tiefsten Kerker sein Leben verschmachten ließ? Nein, Siffredi! die Hoffnung laßt fahren. Eh' ich Hymens Fackel diesem gräßlichen Bunde leuchten sehe, soll lieber ganz Sicilien in voller Flamme stehen, und seine Aecker mit Blut gedüngt werden.«

»Betrog mich mein Gehör nicht? rief Leontio. Ha! gnädigster Herr! was für eine Aussicht zeigtet Ihr mir. Eure Drohungen sind schrecklich! Doch ich ängst'ge mich zur Unzeit, fuhr er mit geändertem Tone fort. Eure Unterthanen sind Euch zu theuer, als daß Ihr sie in ein so unermeßliches Elend stürzen solltet. Ihr werdet nicht der Liebe die Oberhand lassen; werdet Eure Tugenden nicht durch die Schwachheit beflecken, worein nur gewöhnliche Menschen 253 fallen. Daß ich dem Connetable meine Tochter gab, geschahe bloß, um Eurer Majestät einen tapfern Unterthan zu erwerben, der durch seinen Arm und durch das unter ihm stehende Heer Euer Interesse gegen das Interesse des Prinzen Don Pedro unterstützen konnte. Hätt' ich geglaubt, daß, indem ich ihn durch ein so enges Band an mein Haus . . . .«

»Ha! eben dieß Band, rief Enrico, eben dieß leidige Band ist es, das mich zu Grunde gerichtet hat. Grausamer Freund, warum mußtet Ihr mir den empfindlichsten Streich versetzen? Hatt' ich es Euch aufgetragen, auf Kosten meines Herzens mein Interesse zu befördern? Warum liesset Ihr mich nicht selbst meine Gerechtsame vertheidigen? Fehlte es mir an Muth, diejenigen von meinen Unterthanen zu Paren zu treiben, die sich gegen mich auflehnen wollen? Ich hätte den Connetable zu bestrafen gewußt, wenn er ungehorsam gewesen wäre. Könige sind, – das weiß ich – keine Tyrannen; das Glück ihrer Völker ist ihre erste Pflicht. Müssen sie aber Sclaven ihrer Unterthanen seyn, und verlieren sie von dem Augenblicke an, da die Vorsicht Ihnen das Ruder des Staats in die Hände gibt, das Recht, das die Natur allen Menschen gewährt, das Recht, über seine Neigungen zu gebiethen; können sie dessen nicht so gut, wie der geringste Sterbliche genießen! ha! so nehmt sie wieder hin, Siffredi, diese 254 Obergewalt, deren Ihr mich, auf Kosten meiner Ruhe, habt versichern wollen.«

»Euch kann nicht unbekannt seyn, gnädigster Herr, erwiederte der Minister, daß Euer Oheim, der hochselige König, die Thronfolge von der Vermählung der Prinzessinn abhängig gemacht hat. Und aus welcher Befugniß konnt' er dieß? versetzte Enrico. Hatte ihn dieß unwürdige Gesetz auch betroffen, als er dem Könige Carlo, seinem Bruder, folgte? Mußtet Ihr so schwach seyn, und einen so unbilligen Beding zulassen? Als Großkanzler seyd Ihr vom Reichsherkommen schlecht unterrichtet. Mit Einem Worte, wenn ich Constanzie'n meine Hand auch gleich versprach, so war dieß Versprechen nicht freywillig. Auch werd' ich es nicht halten; und gründet Don Pedro seine Hoffnung, den Thron zu besteigen, auf diese meine Weigerung, nun wohlan, so soll der Degen zwischen uns beyden entscheiden, – denn kein Unterthan soll in einen Zwist verwickelt werden, der zu viel Blut kosten würde – wer des Thrones am würdigsten ist.«

»Leontio wagte es nicht weiter in ihn zu dringen und ließ es dabey bewenden, daß er ihn auf den Knieen um die Freyheit seines Eidams bath, die er auch erhielt. Geht nun wieder zurück nach Belmonte, sagte der König. Der Connetable wird Euch bald nachfolgen. Der Minister ging, und verfügte sich nach Belmonte, in der festen Ueberzeugung, daß sein 255 Schwiegersohn ihm unverzüglich auf dem Fuß nachfolgen würde. Er irrte sich. Enrico wollte diese Nacht Blanca'n sprechen, deßhalb verschob er die Loslassung ihres Gemahls bis auf den folgenden Tag.«

»In der Zeit stellte der Connetable die kränkendsten Betrachtungen an. Seine Gefangennehmung hatte ihm Licht gegeben; er sah nun sein Unglück deutlich ein. Von diesem Moment an überließ er sich ganz der Eifersucht, legte die Treue ab, die ihn bisher so schätzungswerth gemacht hatte, und athmete nichts denn Rache. Da er wohl schliessen konnte, daß der König nicht unterlassen würde, sich diese Nacht bey Blanca'n einzufinden, und da er sie gern belauschen wollte, so bath er den Gouverneur des Schlosses zu Palermo, ihn aus dem Gefängniß zu lassen, mit der Versicherung, sich morgen vor Tagesanbruche wieder einzustellen. Der Gouverneur, der ihm ganz ergeben war, willigte hierein um so eher, da er vom Siffredi erfahren hatte, daß er ihm die Freyheit ausgewirkt habe, und gab ihm noch dazu ein Pferd, um desto schneller in Belmonte einzutreffen.«

»Als der Connetable daselbst angekommen war, band er sein Pferd an einen Baum, ging durch ein Pförtchen, wozu er einen Schlüssel hatte, in den Park, und war glücklich genug, in's Schloß zu schlüpfen, ohne jemand zu begegnen. Er erreichte die Zimmer seiner Frau 256 und verbarg sich in einem Vorsaale hinter einen Schirm, der sich von ungefähr da befand. Von hier nahm er sich vor, alles, was vorging, zu beobachten, und auf das mindeste Geräusch, das in Blanca's Gemache entstände, plötzlich zu erscheinen. Er sahe Nisa'n herauskommen, die ihre Herrschaft verließ, um sich nach dem Cabinet zu begeben, worin sie schlief.«

»Siffredi's Tochter, die ohne Mühe den Beweggrund von ihres Mannes Haft eingesehen hatte, machte hieraus den Schluß, daß er die Nacht nicht nach Belmonte kommen würde, ob ihr gleich Leontio gesagt hatte, er habe des Königs Versicherung, daß der Connetable bald nach ihm abreisen würde. Sie zweifelte nicht, daß Enrico diesen Umstand nützen wollte, um in völliger Freyheit sie zu sehen, und mit ihr sprechen zu können.«

»In diesem Gedanken erwartete sie den Fürsten, um ihm wegen einer That Vorwürfe zu machen, die für sie die erschrecklichsten Folgen haben konnte. Kurz, nach Nise'ns Entfernung öffnete sich wirklich die Säule, der König trat herein und warf sich Blanca'n zu Füssen.«

»Verdammt mich nicht, Signora, sagte er, ohne mich anzuhören. Hab' ich den Connetable in Haft nehmen lassen, so bedenkt, daß dieß das einzige Mittel war, das mir zu meiner Rechtfertigung übrig blieb. Ein Kunstgriff, 257 den Ihr nur allein Euch beyzumessen habt. Warum versagtet Ihr mir heute Morgen das Gehör? Ah! morgen ist Euer Gemahl frey, und ich kann nicht mehr mit Euch sprechen; hört mich also zum letzten Mahle an. Setzt mich gleich Euer Vater in den beklagenswürdigsten Zustand, so gönnt mir wenigstens den traurigen Trost, Euch zu melden, daß ich mir dieß Unglück nicht durch meine Untreue zugezogen habe.«

»Daß ich Constanzie'n öffentlich meine Hand angelobte, fuhr er fort, kam daher, weil ich in der Lage, worein Euer Vater mich gesetzt, dessen nicht überhoben seyn konnte. Ich mußte meines und Eures Interesse halber die Prinzessinn hintergehen, um Euch die Krone und die Hand Eures Liebhabers zu sichern. Ich versprach mir den glücklichen Erfolg; hatte bereits Maßregeln genommen, dieß Versprechen aufzuheben. Doch Ihr zernichtet mein Werk, und stürztet durch die zu leichtsinnige Weggabe Eurer Hand zwey Herzen in endlosen Jammer, die durch alle Fülle der Liebe ewige Seligkeit würden geschmeckt haben.«

»Er endete diese Rede mit solchen unverstellten Zeichen der tiefsten Verzweiflung, daß Blanca dadurch gerührt wurde. Sie zweifelte nicht mehr an seiner Unschuld. Anfänglich empfand sie Freude darüber, aber nachher ward das Gefühl ihres Unglücks um so lebendiger. Ha! gnädigster Herr! sagte sie zum Fürsten, nach 258 dem, was das Schicksal über uns verhängt hat, verursacht Ihr mir neue Leiden, indem Ihr mich von Eurer Unschuld überzeugt. Was hab' ich Unglückliche gethan? Meine Rachgier hat mich verführt. Ich glaubte mich verlassen, und ergriff aus Unwillen die Hand des Connetable, die mir mein Vater darboth. Ich bin also die Verbrecherinn und die Stifterinn unsers Unglücks? Ha! zu eben der Zeit, da ich Euch des Betruges beschuldigte, war ich es also, ich zu leichtgläubige Thörinn, die Bande zerriß, deren ewige Dauer ich beschworen hatte. Jetzt ist es an Euch, Herr, Euch zu rächen! Haßt die unglückliche Blanca! . . . . Vergeßt . . . . .«

»Kann ich das, Blanca, fiel ihr Enrico traurig in's Wort, kann ich eine Leidenschaft aus meinem Herzen reissen, die selbst Eure Ungerechtigkeit nicht hat vertilgen können? Gleichwohl müßt Ihr dieß über Euer Herz bringen, erwiederte Siffredi's Tochter seufzend . . . . . Werdet Ihr das selbst im Stande seyn? antwortete der König. Werdet ihr? Ob es mir gelingen wird, weiß ich nicht, versetzte sie; aber mein eifrigstes Streben wird dahin gehen. Ha! Grausame! rief der Fürst, Ihr werdet Enrico'n leicht vergessen, da Ihr ein solches Vorhaben fassen könnt.«

»Was ist denn Euer Gedanke? sagte Blanca in einem festern Tone. Schmeichelt Ihr Euch, daß ich etwa noch ferner die Aeusserungen Eurer Liebe genehm halten werde? Schuf mich 259 gleich nicht der Himmel zum Thron, so schuf er mich doch auch nicht zur Buhlschaft irgend eines Mannes! Mein Gemahl ist sowohl wie Ihr aus dem edlen Hause von Anjou, und legte nicht bereits meine Pflicht Eurer unziemlichen Liebe unübersteigliche Hindernisse entgegen, so würde doch mein Stolz sich dagegen setzen. Ich beschwöre Euch, mich zu verlassen. Wir dürfen uns nicht weiter sehen.«

»Wie barbarisch! rief der König. Ha! Blanca, ist es möglich, daß Ihr mir so hart begegnen könnt? Ist es nicht niederdrückend für mich genug, Euch in den Armen des Connetable zu wissen? Wollt Ihr mir noch den einzigen Trost entreissen, der mir übrig bleibt; den, Euch zu sehen? Fliehet vielmehr, antwortete Siffredi's Tochter, und Thränen tröpfelten über ihre Wangen. Der Anblick dessen, das man zärtlich geliebt hat, ist nicht Wonne mehr, sobald man die Hoffnung verloren hat, es zu besitzen. Lebt wohl, gnädigster Herr! Fliehet mich! Ihr seyd dieß Eurer eignen Ehre und meinem guten Nahmen schuldig. Ich verlange dieß auch um meiner Ruhe willen! Denn so wenig meine Tugend auch von dem Tumulte in meinem Herzen etwas zu befürchten hat, so erregt doch das Andenken an Eure Zärtlichkeit so heftige Kämpfe in mir, daß es mir so sauer wird, selbige auszuhalten.«

»Diese letzten Worte sprach sie so lebhaft 260 aus, daß sie den hinter ihr auf einem Tische stehenden Leuchter unversehens herunter stieß. Im Fallen löschte das Licht aus. Blanca hob es auf, und um es anzuzünden, öffnete sie die Thür des Vorgemachs, und begab sich in das Cabinet der Nisa, die sich noch nicht niedergelegt hatte; hierauf kam sie mit dem angezündeten Lichte wieder zurück. Kaum sahe sie der auf sie lauernde König, so drang er von neuem in sie, seiner Liebe fernern Zutritt zu verstatten. Bey der Stimme sprang der Connetable mit bloßem Degen in's Zimmer, fast seiner Gemahlinn auf dem Fuß.«

»Zuviel, Tyrann! rief er. Hältst Du mich für feig genug, meine Ehre so schändlich kränken zu lassen? Ha! Verräther, antwortete der König, bilde Dir ja nicht ein, Dein Vorhaben ungestraft auszuführen. Bey diesen Worten begann ein Gefecht, das zu rasch war, um lang dauern zu können. Der Connetable, aus Besorgniß, Siffredi und seine Leute möchten auf das Schreyen der Blanca zu schnell herbeyeilen, und ihn an seiner Rache verhindern, schonte sich nicht. Seine Wuth nahm ihm alle Besonnenheit. Er fochte so unvorsichtig, daß er sich selbst in den Degen seines Feindes rannte, der ihm bis an's Heft in den Leib fuhr. Er sank nieder, und sogleich ließ der König vom Kampfe ab.«

»Leontio's Tochter, gerührt durch den Zustand, worin sie ihren Gemahl sah, 261 überwand die natürliche Abneigung, die sie gegen ihn hatte, warf sich neben ihn hin zur Erde, und bemühte sich, ihm beyzustehen. Doch dieser unglückliche Mann war viel zu sehr gegen sie eingenommen, als daß ihn diese Beweise ihres Schmerzes und ihres Mitleids hätten erweichen sollen. Der Tod, dessen Annäherung er fühlte, konnte seine eifersüchtige Wuth nicht bezähmen. In diesen letzten Augenblicken, schwebte ihm nichts vor Augen, als das seinen Nebenbuhler erwartende Glück; ein ihm so gräßliches Bild, daß er den wenigen Ueberrest seiner Kräfte zusammenraffte, den Degen, den er noch in der Hand hatte, emporhob, und ihn Blanca'n in die Brust stürzte.«

»Stirb, untreues Weib! rief er, indem er sie durchbohrte, stirb, weil das Band der Ehe mir die am Altar zugeschworne Treue nicht hat erhalten können. Und Du, Enrico, freue Dich über Dein Schicksal nicht. Du kannst die Früchte meines Unglücks nicht geniessen. Ich sterbe vergnügt.«

»Mit Endigung dieser Worte gab er den Geist auf. In seinem Gesicht, obgleich von den Schatten des Todes völlig bedeckt, hatte er noch etwas Stolzes und Schreckliches. Welch' ein ganz anders Schauspiel gab Blanca. Der Streich, den sie empfangen hatte, war tödtlich. Sie sank hin auf den sterbenden Leichnam ihres Gatten, und das Blut des schuldigen Schlachtopfers mischte sich mit dem Blute seines 262 Mörders, der seinen Entschluß so schnell ausführte, daß der König ihm nicht zuvorkommen konnte.«

»Dieser unglückliche Fürst that einen Schrey, als er Blanca'n sinken sahe; der Streich, der ihr das Leben raubte, hatte ihn mehr getroffen denn sie; er versuchte ihr die Hülfe zu leisten, welche sie ihrem Gemahle hatte widerfahren lassen, und welche dieser ihr so übel gelohnt hatte. Allein sie sagte zu ihm mit sterbender Stimme: Eure Bemühungen sind umsonst, gnädigster Herr. Ich bin das Opfer, welches das unerbittliche Schicksal verlangte. Möchte doch nunmehr sein Zorn gestillt und Eure Regierung hinfort ununterbrochen glücklich seyn.«

»Eben wie sie diese Worte gesagt hatte, trat Leontio herein. Das Geschrey seiner Tochter hatte ihn hierher gezogen. Die Gegenstände ringsum fielen mit solcher Macht auf ihn, daß er unbeweglich stehen blieb. Blanca, ohne ihn zu sehen, fuhr in ihrer Rede folgendermaßen fort: Lebt wohl, mein Fürst! mein Andenken sey Euch theuer. Das heischt meine Zärtlichkeit und mein Unglück von Euch. Sucht Euch nicht an meinem Vater zu rächen. Schont seines Alters und seiner Betrübniß, und vergeßt seinen warmen Diensteifer nicht. Vor allen Dingen thut ihm meine Unschuld kund. Dieß empfehl ich Euch mehr, als alles Uebrige. Leb wohl, mein Enrico . . . . . ich sterbe . . . . . nimm meinen letzten Seufzer hin.«

»Mit diesen Worten verschied sie. Der 263 König beharrte eine Zeitlang in einem dumpfen Stillschweigen, endlich wandt' er sich zum Siffredi, der in den tödtlichsten Schmerz versunken war, und sagte zu ihm: Seht da, Leontio, Euer Werk! Die Frucht Eurer unzeitigen Geschäftigkeit und Dienstfertigkeit! Der Greis war so mit Wehmuth angefüllt, daß er nicht antworten konnte.«

»Doch wozu will ich weiter eine Scene beschreiben, wozu die Sprache keine Ausdrücke hat. Es ist hinlänglich, wenn ich sage, ihr Herzenskummer brach in die rührendsten Klagen aus, sobald er sich aus der zusammengepreßten Brust emporgearbeitet hatte.«

»Der König behielt seine Blanca, solang' er lebte, im liebevollsten Andenken. Constanzie'n zu heirathen, dazu konnt' er sich nicht entschliessen. Infant Don Pedro verband sich mit dieser Prinzeß, und alle Beyde sparten nichts, die Clausel in Rogerio's Testament gelten zu machen; sie wurden aber endlich genöthigt, dem Könige Enrico nachzugeben, der all' seine Feinde unter den Fuß brachte.«

»Was Siffredi'n anlangt, so macht' ihm der Kummer, der Stifter so vielen Unglücks gewesen zu seyn, die Welt ekel, und den Aufenthalt in seinem Vaterlande unerträglich. Er verließ sammt seiner übriggebliebenen Tochter Porzia Sicilien, begab sich nach Spanien, und kaufte sich dieß Schloß. Hier lebte er nach Blanca's Tode beynah an funfzehn Jahr, 264 und hatte vor seinem Ende den Trost, Porzie'n zu vermählen. Sie nahm den Don Hieronymo de Silva und ich bin die einzige Frucht ihrer Ehe.«

Dieß ist die Geschichte meiner Familie, fuhr die Witwe des Don Pedro de Pinares fort, und die treue Erzählung der Unglücksfälle, die dieß Gemählde in sich faßt. Leontio, mein Großvater ließ es verfertigen, um seiner Nachkommenschaft ein Denkmahl dieser traurigen Begebenheit zu hinterlassen.

Ortiz, ihre Gespielinnen und ich, nachdem wir diese Erzählung angehört hatten, begaben uns hinweg, und liessen Aurore'n und Elvire'n allein beysammen. Sie verplauderten noch die ganze übrige Nacht. Keiner von beyden ward die Zeit lang, und als wir am folgenden Morgen abreisten, so kam ihnen die Trennung so sauer an, als zwey Freundinnen, die sich an die Süßigkeiten des täglichen Umgangs gewöhnt haben.

 


 


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