Joseph von Lauff
Die Seherin von der Getter
Joseph von Lauff

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8

Der du von dem Himmel bist . . . Nein, du bist nicht vom Himmel; ich auch nicht, mein Junge, indessen jedoch . . .«

Ein kurzes Pausieren.

»Alter Nachtwächter!« lachte Bernd Travelmann und steckte den Brief zu sich, den er bei seinem Rundgang durch Ställe und Scheunen vom Hütejungen, der die Post zwischen Getter und der Station Hiltrup besorgte, empfangen, dann erbrochen und raschen Auges durchflogen hatte.

»Das muß man in Muße verzehren,« sagte er im Weiterschreiten, »denn solche Genüsse verlangen eine beschauliche und geruhsame Stunde. Wie seine Flinte, so seine Feder. Wo sie hinhalten und Dampf aufmachen, schreit es im Kleeacker oder purzelt etwas Lustiges von den Bäumen herunter. Nein, ich bin nicht vom Himmel; aber weiß der Teufel, du erst recht nicht, mein Bester. Münchhausen!«

Um ihn war es wie das Läuten von Glocken.

Es kam von den Tennen, es drang aus der Nachbarschaft, es erfüllte die ganze Gegend mit sonoren und gebieterischen Stimmen. Aber diese Glocken wurden von harten Fäusten geschwungen, kegelten durch die Luft, wirbelten auf gespreitete Garben und auf Erbsenstroh, rafften sich hoch, klapperten, tönten, überstürzten sich, um wieder mit lautem ›Tock, tock, tock‹ auf knochentrockenen Boden und in die dünnen Ährenlagen zu fallen. Unter diesem Geläut lachten die Knechte, kicherten die Mägde, hüpften die Weizen- und Roggenkörner wie aufgestöberte Flöhe über die nach frischem Brot atmenden Dielen. Die Ausdünstungen der Weiber und Männer erfüllten die Räume. Trotz des kalten Wetters da draußen – die Stirnen glitzerten von Schweiß, und die Körper dampften. Was in Hosen ging, hatte die Kittel abgelegt. Nur mit Hemd und Unterrock angetan, schafften die Mägde. Drüben rumorte das Göpelwerk, hier in der offenen Tenne, der längsten und größten auf Getter, die Flegel aus Kornel- und Buchenholz. »Tock, tock!« Dazwischen berstende Erbsenschoten, springende Spelze und Grannen. »Brot, Brot, Brot!« Es war der erlösende Schrei der glücklichen Erde, daß sie in Freuden empfangen, schwanger gewesen und in Freuden geboren hatte.

Bernd Travelmann stand am Eingang der großen Scheune und sah zu, wie sein Gesinde fröhlich hantierte. Seine Gegenwart beflügelte die Kräfte, straffte die Lenden, stählte die Muskeln. Das hatte er gerne, wenn es sich um ihn regte und wegte, denn er, der Gutsherr selber, war keiner von denen, die in die Hände spuckten und in die Tätigkeit hineingrinsten. Saure Wochen, frohe Feste! war von jeher seine Devise gewesen. Und nicht nur seine Devise. Er befolgte sie auch. Tages Arbeit, abends Gäste . . . Das Rumpeln und Poltern ringsum machte ihm die Augen blank, zog ihm wohlig durch alle Masern und Fasern.

»Tock, tock, tock, tock!«

Heilig Gewitter nochmal! wie ihm das in die Sinne und von hier aus in die Fäuste hineinkribbelte. Er mußte an sich halten, um nicht zwischen die dreschenden Leute zu fahren.

Hövelkamp führte. Ihm zur Seite wirkte Jans Schwarte. Weiter zurück rumorte das Kuhantilopengesicht mit den Weibern. Unter ihnen die Rassige mit den brandroten Haaren. Schrittweise rückten sie vor. Wie das brodelte und kochte, in allen Nähten krachte und seufzte!

Bernd schnupperte in die Luft. Der Geruch nach Mühe und Menschenleibern benebelte ihn. Unter seinen Brauen flammte ein Blitz auf. Der Blitz der Gier. Warum feiern, wo die anderen schafften? und er tat, was er seiner Zeit auf dem Ödland getan hatte, als er werktätig wurde. Er wollte Arbeiter sein.

»Saure Wochen, frohe Feste!«

Er warf das Wams ab und griff nach einem neben dem Eingang stehenden Flegel. Dann reihte er sich ein. Das harte Holz flatterte auf. Dazu jubelte er:

»Of arm, of rieck –
Dat bliff sick gliek;
Hier heff blot Wert,
Wer't Dresken ehrt.«

Erst Erstaunen, dann heller Zuruf.

»Gott lohn's! Gott lohn's!« und wieder das Geläut mit den hölzernen Glocken, das Strecken der Leiber, das Stampfen und Purren. Aber kein Jankern mehr, kein heimliches Kichern.

Der Herr war unter seine Leute getreten. Er keuchte wie sie, er schnaufte wie sie. Er wollte nichts anders sein als ein Knecht unter Knechten. Das imponierte, das trieb das Blut in die Schläfen und machte die Herzen freier und stolzer. Die Arme reckten sich, die Körper streckten sich.

»Gott lohn's! Gott lohn's!«

Mit hitzigem Eifer plagten sich die von der Getter. Die Kolben wirbelten bunt durcheinander, durchrissen die Luft, stellten sich auf, um wie graue Vögel mit gebrochenen Flügeln niederzutaumeln.

»Jans, deinen Spruch!« rief der Freisassenhöfer.

»Von Müse kumt Müse.«

»Bravo! und du da hinten!«

Prompt kam die Antwort herüber:

»Fisken un Jagen
Mäkt hungrige Magen
Un nackelige Blagen.«

»Der Folgende – weiter!« und unter rhythmischen Schlägen rief das Antilopengesicht: »Wenn die Katte maust, dann miaut se nich.«

»Schiete, segg Lepper!«

Das junge, straffe Ding mit den brandroten Haaren wollte bersten vor Lachen.

Sie hatte gerufen.

»Ruhe!« gebot Hövelkamp, »und immer men vorwärts, sonst:

De Wichter, Papen un de Hiärk
Verdiärft dat ganze Tageswiärk,«

und sein Flegel rasaunte wie eine Jerichotrompete.

»Immer men vorwärts, immer men vorwärts! Der Herr ist unter uns, und seine Hände und Augen machen doppelte Arbeit, und des zu Lob und Dank stimmen wir das Lied an: ›Großer Gott, wir loben dich‹«, und unter Dampf und Schweiß, dem Springen und Rascheln der Körner, dem taktmäßigen Wiegen und Biegen der halbentblößten Glieder und dem Gedröhn der niederfallenden Hölzer sangen Knechte und Mägde:

»Großer Gott, wir loben dich,
Herr, wir preisen deine Stärke!
Vor dir neigt die Erde sich
Und bewundert deine Werke.
Wie du warst vor aller Zeit,
So bleibst du in Ewigkeit.«

Eine halbe Stunde verging.

Dann Pause.

Die Leute verschnauften sich. Bernd stellte sein Gerät wieder an Ort und Stelle, zog sich sein Wams über, grüßte und ging über den Hof fort. Auf halbem Wege, zwischen Herrenhaus und Scheune, holte Hövelkamp ihn ein.

»Herr Travelmann!«

»Was soll's denn?«

»Auf ein Wort men, Herr Travelmann.«

»Schieß' los, alter Junge!«

Schwer aufgerichtet stand dieser vor Bernd.

»Es ist eigentlich gar nichts,« sagte er langsam, sich mit der borkigen Hand den Druschstaub abstreifend, »warum ich hier inkommodiere, aber ich hab' so'n Gefühl, ich bin damals im Ödland beim Pflügen etwas respektlos gewesen, wenn's auch zu Recht besteht: wo Menschenblut geflossen ist, darf man den Boden nicht stören, denn wer's dennoch tut, dessen Blut wird wieder vergossen.«

»Lassen wir das.«

»Im Gegenteil, lassen wir das nicht, Herr Travelmann. Was man sich aufgepackt hat, muß man auch absacken dürfen. Es ist so ein Bedürfnis von mir, obgleich ich auch jetzt noch sage: Damals ging's um Leben und Sterben, oder Gottes Wort ist gelogen. Aber was heute zu Raum kam: diese Menschenliebe und Arbeitsfreude, ohne dem westfälischen Glauben das Genick abzustoßen – das nimmt vieles hinweg. Auch das, was an der Mergelgrube passiert ist. Das gibt einem den Atem zurück und klinkt den Tod aus der Stube. Nur eins nicht, Herr Travelmann: keine Dummheiten mehr! Und dann können wir sagen: Das Malör ist diesmal noch mit schiefem Maulwerk vorübergegangen. Und das ist bekömmlich. Da lernt man das Lachen wieder und kann einen die ganze Welt im kalten Mondschein betrachten.«

Bernd hielt ihm die Rechte hin.

»Also Burgfrieden, alter Herr?«

»Soll mir angenehm sein und für mich 'ne Aufmunterierung bedeuten.«

Hand lag in Hand, und zwei ehrliche Kerle waren nicht auseinander geglitten.

Dann schieden sie.

Hövelkamp sah ihm noch lange nach.

»Biäter en Dullkopp äs en Dudelkopp,« sagte er glücklich, »nur so'n Dullkopp darf keine Schmutzigkeit machen. Sonst gehen ihm seine besten Felle schwimmen, und das wäre ein Unglück.«

Als Bernd den Hausflur betrat, hub's von neuem an: das Dröhnen und Getöse, Jubelrufe der Arbeit, die Hof und Halle, Scheunen und Speicher und alle Räume des weitverzweigten Anwesens erzittern machten. –

Seit dem Tode Altrogges waren Wochen vergangen. Mit dem ersten Frost hatten die würdigen Kardinäle ihren Purpur eingebüßt. Als bettelarme Kleriker streckten sie ihre Arme gen Himmel, denn alle ihre Prunkgewänder lagen am Boden oder wurden von einem kalten Nordost in die Höhe gehoben und als hinfälliges Beiwerk landeinwärts getragen. Dann segelten kalte Schneesternchen nieder und legten einen Hermelin über die zerflederten Kleider. Tief im Horizont begann es zu schimmern und zu scheinen. Die gnadenreiche Zeit rückte näher. Das Licht von Bethlehem war im Aufstieg begriffen. Seine Sendboten zogen bereits über die Gegend, pochten bei den Menschen an und verhießen ihnen eine selige und freudenreiche Weihnacht. Sie mußte bald kommen. Auch die von der Getter rüsteten für die heiligen Tage. Alle hatten das innige Gefühl: es wird besser und beschaulicher werden. Des traurigen Ereignisses auf Sankt Hubertus wurde kaum mehr gedacht. Es war dahingegangen wie der Schrei eines im grimmigen Frost gespaltenen Baumes. Alles und jedes stimmte wieder seine regelmäßige Weise an wie das Heimchen hinterm Backofen. Auch Frau Judith. Sie war aufgeräumter als früher. Ihr Krückstock ging heller durch Flure und Kammern. Ihre Blicke strahlten von einer besonderen Güte, vornehmlich Hilles wegen, denn diese . . . ihre Wangen färbten sich, die unseligen Gedanken ebbten zurück, und die trostlosen Anwandlungen des Hellsehens hatten sich allmählich verloren. Du bist gebenedeit unter den Weibern. Diese süße Verheißung scheitelte ihr banges Denken sacht auseinander, umzitterte sie mit dem Glanz der ewigen Botschaft, die sich über Juda niederließ, als die Könige aus Mohrenland heraufzogen, um den neugeborenen Fürsten zu feiern und anzubeten. Ihr Sinnen und Suchen bleichte ab, freudige Bilder traten vor ihre geängstigte Seele, das Weib in ihr nahm aufs neue teil an den stillen Winken und Anforderungen des Lebens. Auch Fräulein Johanna. Was war nicht aus dieser wilden Heideblume geworden! Nichts Störrisches mehr, nicht das unstete Hasten eines verzogenen und irren Menschenkindes. Ihr wie aus Wachs bossiertes Gesicht lächelte zwischen den schwarzblauen Haarflechten wie das einer Mittlerin, einer Fürsprecherin, eines zutunlichen Wesens, das über die Schwelle getreten war, um die Flamme des Herdfeuers emsig zu pflegen. Hoch und niedrig begrüßten ihre wohltuende Nähe, erfreuten sich ihres unauffälligen Schaltens und Waltens und fühlten ihre Hand wie die linde Hand einer barmherzigen Schwester. Selbst Frau Hille, die zuerst ihre Gegenwart nur schwer zu ertragen vermochte, änderte sich zusehends in ihren Anschauungen, bis sie sich eingestehen mußte: »Sie hat mein Vertrauen gefunden.« Johanna Altrogge hatte gewonnenes Spiel und es endlich verstanden, sich bei ihrer Herrin unentbehrlich zu machen. Eine liebevolle und zwingende Gewalt büschelte von ihr aus, der sich keiner auf die Dauer zu entziehen vermochte. Nur wer genauer zusah . . . ihr Gehen war wie das sanfte und zierliche Gleiten einer Katze . . . hinter ihren dunkeln Wimpern blitzte ein weißes Feuer, heiß und suchend, wie die Wetterzeichen in den schwülen Stunden der Sonnwendnächte. Auch jetzt wieder, wo Haus Getter einen tiefen Atemzug tat, sich wohlig einnistete und Anstalten machte, in einen ausgiebigen Winterschlaf hinüberzuträumen.

Alle Feldarbeiten waren bestellt, Rüben und Kartoffeln untergemietet, die Saaten eingeeggt worden. In der Spinnstube haspelten die Rädchen, alte Geschichten wurden lebendig, und auf den Tennen regierten die Dreschflegel.

Das Göpelwerk rumorte.

So auch heute.

Es ging auf Abend. Ein rotes Feuer stand tief im Westen über der Heide.

Unter dem letzten Schein hatte der Gutsherr sein Zimmer betreten und sich am Fenster niedergelassen, noch den Klang der harten und kernigen Hölzer im Ohre.

Jetzt erinnerte er sich des Schreibens, das ihm der Hütejunge zugebracht hatte.

»Die beste Stunde, um so etwas zu lesen,« sagte er in sich hinein, entnahm den Brief seiner Brusttasche, faltete die Blätter auseinander und las dann:

»Herzensbruder, du in Kraft heiliger Tradition von Schild und Wappen Entblößter!

Der du von dem Himmel bist . . . Nein, du bist nicht vom Himmel gefallen, ich auch nicht, mein Junge, aber wenn ich so alles bedenke . . . Wo sind die glasgrünen Römer geblieben, die Bouteillen mit Hochheimer Domdechanei und die mit Romanée-Conti? Wein und Weiber habe ich nicht mal im Traum erlebt, geschweige denn . . . Jawohl, ja, es ist alles nichts und eitel unter diesem westfälischen Dezemberhimmel. Ich komme mir vor wie'n abgeschossener Flitzbogen. Einfach schlapp, und bin sonst 'n Aas auf der Klarinette gewesen. Es wäre Gott wohlgefälliger, Stab und Muschelhut zu ergreifen und nach Ägypten zu pilgern, um in der strohgelben Wüste . . . nein, um keine Ziegel zu streichen, sondern vielmehr um gleich den einbalsamierten Pharaonen über die Wurschtigkeit der Pyramiden nachzudenken – ich, der Paderborner Husar, Gideon Freiherr von und zu Hasenklever. Was bin ich? Eine durstige Distel im libyschen Sand. Was hab' ich? Bloß Pumpernickel und saures Altbier. Was tu' ich? Trübsal schwitzen, mich kasteien, Hoffnungsreiser auf die unmöglichsten Dinge pfropfen. Mein Kopf brummt, meine Nerven zerquält ein scheußliches Musizieren. Du weißt ja: ich bin 'mal in Nanzig und Brüssel gewesen. Da spektakelten die französischen und belgischen Hörner. Clairons! Nein, dieses Getute! Es ging mir bis in die Zehenspitzen hinein. Ich mußte vomieren. Herrgott, diese infamen Kindertrompeten! Sadismus! Gerade so ist es, so wirbelsinnig bin ich im Kopp wie'n heftiger Vater von sieben Kindern, der noch immer an den Storch glaubt. Mensch, dieses Leben! Es ist das eines Fakirs, eines Simeon Stylites, eines Anachoreten in rauher Kamelschur, der mit verfitztem Wuschelhaar und dreckigen Fingernägeln die kalten Sterne betrachtet. Der frühere Pläsier-Michel ist abgefault, und wenn ich 'mal an 'ner Bodega oder 'ner sonstigen Weinkneipe vorbeidefiliere, laustere ich auf wie ein Schwadronsgaul, dem 'ne Karre mit Hafersäcken über den Weg fährt. Und daher . . .«

Bernd ließ das Schreiben herunter. Um seine Mundecken kräuselten sich lustige Fältchen.

»Haha!« sagte er vergnügt vor sich hin, »die Prämisse ist aufgestellt, über ein Kleines werden wir das ›Quod erat demonstrandum‹ haben. Und daher,« las er weiter, »und zwar in bezug auf obige Betrachtungen, Tatsachen und Geständnisse, greife ich auf den Beginn dieser brieflichen Epistel zurück und bejahe das, was ich anfangs verneinte. Ja, du in Kraft heiliger Tradition von Schild und Wappen Entblößter, ich wähne mich vom Himmel gekommen, denn nur Märtyrer, Dulder, Bekenner und Leute ähnlicher Sorte können den überirdischen Gefilden entstammen. Indessen, was mich betrifft: ich habe diese Dulderei über. Es geht nicht mehr weiter. Ich muß aus dem Fakir- und Anachoretentum heraus. Muß unter Menschen. Aber du . . . wo steckst du? Wo bleibst du? Ich für meine Person bin doch immer zu haben. Zur Tages- und Nachtzeit. Toujours en vedette. Gut Holz, mein Junge! Das mit der vorgesehenen Taxation deiner Bestände scheint Essig geworden. Schlimm das und äußerst betrüblich. Reiß' dich als Forstmensch zusammen. Spätestens in zwei Monaten muß abgeholzt werden. Ich warte darauf. Zuvor jedoch . . . Denke dir: gestern, so ums Schummern herum, kam ich an der Tabagie ›Zu den heiligen Drei Königen‹ in der Salzstraße vorbei. Da ging mir ein Stern auf. Der Stern von Bethlehem, und da kam mir ein Ahnen: O du fröhliche, o du selige . . . und ein delikater Hauch nach Spiegelkarpfen in Dill ließ mir den Gaumen verwässern. Noch anmutiger: Gänsebraten und so. Apropos, ich habe ein nagelneues Rezept auf der Walze. Der kapitolinische Vogel wird sich freuen, nach diesem behandelt zu werden. Die Getter wird weite Nasenlöcher und Stielaugen machen. Doch später hiervon. Alles der Reihe gemäß. So gestatte mir denn, daß ich dir zuvor von unserm Leukas-Titanen erzähle. Allerhand Achtung. Die akademische Jugend, die freie Studentenschaft und der baumwollene S. C. ist vernarrt in diese griechische Leuchte. Dabei ist er zugeknöpft wie ein Staatshämorrhoidarius. Ich dräng' mich nicht an. Gehe nie zu deinem Förscht . . . niemals. Aber ein Gideon Freiherr von und zu Hasenklever weiß sich zu trösten. Heterogene Naturen. Man muß sich bescheiden. Jedem das Seine. Ich mache in Abschätzungstabellen und Romanée-Conti, er in hellenischen Scherben und Töpfen. Er leuchtet den Toten, ich den Lebendigen. Die Wahl fällt mir nicht schwer. Ich für meine Person bin mit meiner Tätigkeit vollauf zufrieden. Er gewiß auch. Also ist uns beiden geholfen. Seine Reputation wächst stündlich, ähnelt dem allmählich stärker werdenden Glanz eines Kometen. Noch vor wenigen Tagen: ein Vortrag von ihm, gehalten in dem ehrwürdigen Rathaussaal, riß die Notabeln von Münster in archäologische Bahnen. Die ganze Gesellschaft ist rein aus dem Häuschen. Selbst die dämlichsten Weiber fühlen auf griechisch. Wohin du auch hörst: überall reden sie von Odysseus, dem herrlichen Dulder und dem göttlichen Sauhirten. Die Sonne Homers steht über der westfälischen Metropole. Besagter Sauhirt ist Trumpf geworden, und geht das so fort, bellen die Hunde nächstens auf griechisch, quieken die Ferkel in den Lauten des sagenhaften Barden. Weißt du noch: ein tönender Rhapsode stand und sang von seinem Schaugerüste . . .? Ich komme mir klein vor, ganz klein und häßlich. Mein Grips reicht nicht aus, diesem illustren Forscher auf seinen Exkursionen zu folgen, aber alles, was recht ist: ein verflixter Kerl bleibt er doch, und wäre es ihm nach seinem Vortrage in den Sinn gekommen, seine Pedale zu schonen und sich in 'ne zweispännige Droschke zu setzen, die münsterischen Weiblein und Männlein hätten in ihrer Begeisterung die Hottohü-Pferde ausgesträngt, um ihn wie'n Sieger bei den olympischen Spielen eigenhändig nach Hause zu fahren. Jawoll, ja, und last not least: selbst Tante Boeselager war eigens von Darfeld gekommen, um Emmerich sprechen zu hören . Sie zerfloß vor Andacht und Bewunderung. Selbstverständlich! denn Kapazitäten wie Professor Brungert und Lewin Schücking waren der Ansicht, ähnliche Thesen und Antithesen verdienten es, unter Glas und Rahmen gebracht zu werden. Der heimgegangene Ausbuddelmensch Ludwig Roß sei nur ein ganz gewöhnliches Roß und eine extraordinäre Tranlampe gegen unsern Freund und Totenbeschwörer. So weit und so viel von Emmerich Dinklage, dem Großen. Beseligt und stolz darauf kutschierte Tante Boeselager wieder nach Darfeld . . . aber apropos, diese Demoiselle! Sie sagte mir, sie sei von deiner Hausehre geladen, um bei euch vergoldete Nüsse zu knacken. Das bringt mich wieder auf mein mieses Alleinsein, und die Frage liegt nahe: Wann darf ich antreten? Ich komme gerne und willig. Ein kurzes Zeichen genügt, nach dem Bülow Krawallo zu greifen und mich marsch- und reisefertig zu machen. Besagtes Rezept führe ich mit mir. Es ist das non plus ultra von allen Rezepten. Der Küchenchef von Midi hat's mir verraten, besonders das mit dem Majoran, dem Bündelchen Beifuß und dem Löffel Madeira. Das Weitere später. Die ganze Getter wird auf dem Kopf stehen, die Diele zur duftgeschwingerten Levante werden. Schöner und lieblicher kann das Christkind nicht feiern, ganz gleich, was du ihm anbietest: 'ne Schneegans, auf lateinisch anser hyperboreus benamset, oder 'ne fette, gewöhnliche, aber zartfleischige Adelheid aus dem heimischen Stall. Geschmacklich und hinsichtlich des Appetits sind Christkind und Gideon Freiherr von und zu Hasenklever ein und dieselbe Person. Also – ich komme. Nur bitte um nähere Angabe von Tag und Stunde. Je eher, je besser. Ich ersticke im Wüstensand, im Nichtstun, im hellenischen Weihrauch, der sich um Emmerich breitet. Er schreitet durch Lorbeerhaine und Ovationen und war doch berufen, nur in Scherben und alten Knochen zu machen. Aber so sind nun mal die Gelehrten von heute. Nichts Menschliches ist ihnen fremd. Auch gut. Jawoll, ja. Also – auf bald denn. Ich harre der Antwort. Das Arom nach Tannenzweigen ist das Höchste auf Erden, besonders, wenn es die Getter bietet. Ich eile zu euch auf Flügeln des Gesanges. A rivederci!

Gehorsamsten Gruß und Handkuß den Damen. Meine chevalereske Ader hat das Bedürfnis, ihnen meinen Respekt zu erweisen, voll und ganz, im edelsten Sinne des Wortes. Sie sind eine Quelle der Wärme, der Ordnung, des behaglichen Lebens, Trägerinnen des Lichtes, Hüterinnen des Herdfeuers. Anbetungswürdig. Und schließlich – aber nur abseits und in Parenthese gesprochen – ein unmerkliches Augenzwinkern der rassigen Tochter Montezumas. Wäre ich Herr der Cordilleren, wäre mir das frühere Reich der Azteken zugesprochen, alle Silber- und Goldbarren Vitzliputzlis wären mir gerade gut genug, sie unter die Füße dieser eigenartigen Präriedistel zu legen. Da ich aber nur 'nen Ring mit 'nem Lapislazuli meinen Kronschatz nenne . . . der Rest ist Schweigen. So schweige ich denn und drücke dir schweigend die Hand, auf ein baldiges und frohes Wiedersehen hoffend.

In Leid und Freud, in Tod und Not, bei Wein und Brunnenwasser

allzeit            
dein          
Gideon.

Nachschrift: Mein Wandergenoß beginnt schon in der Ecke zu rumpeln. Bald rumple ich mit. Dann aber auf eine fröhliche, selige, gnadenbringende Weihnachtszeit. Ich habe gesprochen.«

Mit einem vergnügten Schmunzeln legte Bernd Travelmann das kuriose Schriftstück zu den übrigen Schriftsätzen und beeilte sich, Ohm Gideons Hoffen und Harren einer schönen und gediegenen Reife entgegenzuführen. Abends, im Beisein der Damen, wurde beschlossen, auch Emmerich und den hochwürdigen Herrn Ludgerus Hölscher zu laden und Fritz Garke aufzufordern, das grünste und krauseste Fichtenbäumchen in der Uhlenbrinker Gemarkung zu schlagen. Und also geschah es. Die Tage vergingen. Emmerich Dinklage und der hochwürdige Herr waren verständigt; der Hiltruper Revierförster hatte Order erhalten, die Tanne rechtzeitig anzuliefern. Judith und Hille sahen mit klaren und geweiteten Augen dem heimeligsten Feste des Jahres entgegen, während die Schneeflocken immer dichter niederpendelten und Heide und Hof in einem Meer von weißen Daunen und Glitzerblumen versanken. Das Scheinen und Leuchten am tiefen Horizont wurde freier und stärker. Frau Judith stand um die Dämmerzeit häufig am Fenster und sah gegen Osten. »Von dort kommt das Heil,« sagte sie dann, »das uns grüßen wird in den Worten des Messias. Es erwärmt uns, es erheitert die Seele. Die Seele aber wird ihr Feierkleid antun und den Schmuck der Travelmänner aus der Truhe heben, um ihn einem geliebten Menschenkind um Hals und Schultern zu legen. Und dann: Friede den Menschen auf Erden, Friede dem Freisassenhof.«

Die Zusage Ohm Gideons und die von Ludgerus Hölscher kamen frühzeitig an. Die des ehemaligen Paderborner Husaren war ein einziger Dithyrambus auf Haus Getter, auf Spiegelkarpfen in Dill und den Gänsebraten nach dem neuen Rezept, das er beigelegt hatte. Er fuchtelte darin herum wie mit seinem Bülow Krawallo, der alle Auslassungen und rhetorischen Phrasen seines Herrn stets mit pfeifenden und vielsagenden Lufthieben unterstrich und sinnfälliger machte. Emmerichs Antwort verzögerte sich seltsamer Weise. Endlich, zwei Tage vor Heiligabend, kam sie an. Er bedauerte lebhaft. Wenn auch äußerst dankbar und höflich gehalten, schien die Ablehnung doch eine tiefere Bewandtnis zu haben.

Der Gutsherr war außer sich. Das roch nach Bockbeinigkeit oder war mit Affront auf ein und dieselbe Stufe zu setzen.

Mit einem bittern Lachen knallte er das unbegreifliche Schreiben auf den Tisch, an dem seine Damen just saßen.

»Das wirft einen vom Stuhl,« sagte er grantig, »und so was kommt extra von dem gottverlassenen griechischen Mistpfuhl herüber, um einem das ganze Fest zu zertöppern.«

Hille erhob sich. Ihre schmalen Hände flochten sich ängstlich zusammen. Das Gesicht wurde abweisend.

»Bernd, so darfst du nicht sprechen,« sagte sie ruhig.

»Warum nicht?«

»Er wird seine Abhaltung haben,« suchte Frau Judith einzulenken.

»Sein jetziger Wirkungskreis legt ihm mehr oder weniger Verpflichtungen auf, die wir von hier aus nicht beurteilen können. Auch er hat Rücksicht zu nehmen.«

»Worauf denn?«

»Das müssen wir schon ihm überlassen.«

»Gibt's nicht,« trumpfte er auf. »Auf wen hat er Rücksicht zu nehmen? Was berechtigt ihn, unsre Dispositionen über den Haufen zu knallen? Hierher gehört er, und wenn er den Dicknäsigen aufsetzt, so heißt das mit andern Worten: die Treue gebrochen. Fahnenflüchtige sind niemals mein Gusto gewesen. Das infame Land der Scherben und Metopen färbt ab. Bei diesem war niemals Geradsinn zu finden. Es sollte mir leid tun, wenn er davon etwas abgekriegt hätte. Himmel Verdammich! was hat er den Toten zu leuchten? Er sollte besser den Lebendigen leuchten. Das könnte er hier unter der Tanne besorgen. Aber die in Münster räuchern ihn ein wie'ne westfälische Mettwurst und beglücken ihn mit Lorbeerblättern, die sie ihren Kübelbäumen entnehmen. 'ne traurige Welt das! Möglich, hier bei uns vermißt er die homerische Sonne. Mir soll's egal sein. Warten wir ab. Vielleicht besinnt er sich wieder, wenn – um nach berühmten Mustern zu sprechen – die hiesigen Hunde auf griechisch bellen und die Ferkel sich angewöhnen, in den Lauten des sagenhaften Rhapsoden zu quieken.«

Der Krückstock zeterte in diesen Travelmannschen Unmut und Grimm hinein.

»Bernd, mäßige dich!«

Hille legte ihren Arm auf den ihres Mannes.

»Und liegt dir so viel daran,« sagte sie mit leisem Frösteln, »ihn unter unsrer Fichte zu wissen?«

»Offen gestanden: jawohl, denn seine Absagegründe sind nichtige Gründe und gleichsam wie aus den Fingern gesogen. Was bezweckt er damit? Was soll überhaupt dieses spitzfindige Brimborium von Worten und Einwendungen? Tante Boeselager hat zugesagt, der Hiltruper gibt sich die Ehre, Ohm Gideon macht seinen Bülow Krawallo mobil und scheut sich nicht, zwei Meilen verschneite Chaussee unter seine Transchuhe zu nehmen, die Sonderstiefel und ein frischgestärktes Hemd im Rucksack . . . und ausgerechnet er muß lebhaft bedauern. Das ist ja, um Kammerjäger und Schermausfänger zu werden. Pfui Teufel! Fühlung an Fühlung und Tuch an Tuch in ein und derselben Schwadron geritten, manche Nacht gemeinsam um die Ohren geschlagen – und jetzt diese Antwort. Daran erkennt man seine Eideshelfer, und das gibt zu denken. Aber nichts Liebliches. Wer Fahnenträger ist, hat auch die Fahne zu tragen. Für mich war er ein Fahnenträger, der Träger der Freundschaft. Will er nicht mehr, dann mag er es sagen. Jedenfalls: ich komme mir vor, wie vor die Plauze gehauen; denn bleibt er in Münster, pfeift er auf Getter, dann ist es mir, als ginge ich mit nebelnassen Kleidern in die Weihnacht hinein, und das wäre trostlos. Aber gebt 'mal acht: es geht was um in der Luft.«

Die Alte unterbrach ihn.

»Was sollte da umgehen?« fragte sie heftig.

Bernd machte eine unwirsche Geste.

»Darüber kann nur die Person dieses zugeknöpften Tempelpriesters Auskunft erteilen.«

Er lachte bissig auf.

»Gut,« sagte Hille und zwang ihren Mund zu einem schmerzlichen Lächeln,« wenn es dir recht ist, werde ich ein Letztes versuchen.«

»Du?« fragte Bernd.

»Ja ich,« gab sie fest und zuversichtlich zurück, »denn ich möchte alte Beziehungen gesichert wissen.«

»Versuch's,« sagte der Gutsherr, »aber hier mein Letztes . . .« und die Knöchel seiner Hand legten sich schwer auf das zerknitterte Schreiben. »Der Ton steckt an. Läßt er das hier bestehen, spielt er den Großartigen weiter, bleibt dein Appell wie der Ruf einer schwindsüchtigen Trompete in der Luft hängen, dann adjüs ihr goldenen Lorbeerkränze und ihr fliegenden Fahnen . . .«

Er ging und begab sich zur Stellmachern, um dort für den andern Morgen noch einige Vorkehrungen zu treffen.

Über der großen Scheune hing das Abendrot.

Der Schnee blutete. Dunkle Vögel schaukelten dem feurigen Westen zu. Fern drüben, in den eingeschneiten Vorgehölzen und Wallhecken, lärmten die Eichelhäher. Ihr ohrbetäubendes Krätschen kam so deutlich herüber, daß man es mit den Händen hätte greifen können.

»Unglückspropheten!«

Dem Einsamen lief ein unbehagliches Gefühl über den Rücken.

Als er den Hof passierte, pilgerte eine schmucke Fichte durch die offene Einfahrt.

In dem schnittigen und räumigen Gang ihres Trägers erkannte er den Revierförster von Hiltrup und Amelsbüren.

»Pünktlich wie immer!«

»Will's meinen, Herr Travelmann,« sagte der Belobte und präsentierte das Bäumchen.

Es war kraus und frisch und wie eine Kerze gewachsen.

»Die beste im Holz,« setzte er erläuternd hinzu, faßte die Tanne beim Schopf und drehte sie um ihre eigene Achse.

Kein Fehl war zu sehen. Von oben bis unten ein tadellos gedrechselter grüner Kegel, der seinesgleichen suchte. Der freie und fröhliche Harzduft des kalten Winterwaldes spielte in den dichten Nadelzweigen.

»Wo geschlagen?«

»Nicht weit von den Schilfkaupen.«

»Doch den schwarzen Bock nicht vergrämt?«

»Keine Idee. Der wechselt nicht über und steht wie'n Pfahl.«

»Brav so. Stille Arbeit, aber muntere Arbeit. Als Lohn 'ne Pulle mit Rum oder 'ne solche mit fünfundsiebzigprozentigem Arrak. Je nach Belieben. Ich bitte um Antwort.«

»Wenn ich denn darf, möchte ich mich für die Bouteille mit Arrak entscheiden.«

»Genehmigt. Zu Weihnachten noch ein Extrapräsent. Man muß seine Leute bei muntern Sinnen halten.«

Fritz Garke lachte.

»Merci, Herr Travelmann. Noch sonst was?«

»Eigentlich nicht. Doch ja. Der Freiherr wird unruhig.«

»Kann's mir denken. Durchforstung ist nötig. Jagen zweiundzwanzig schreit nach der Axt.«

»Ist schon bedacht. Kurz nach Neujahr. Nähere Order erfolgt noch, aber ich bitte mir aus – für Sie und den Festmetermann: Visier- und Abschätzungswasser bleibt diesmal zu Hause. Ich habe mich bei den Temperenzlern einschreiben lassen.«

»Sehr bedauerlich,« meinte Fritz Garke.

Bernd streifte nachdenklich über das Gewirr der krausen Nadeln.

»Schade um's Bäumchen. Hätte 'ne Königin werden können. Weihrauch im Haar und mit rauschender Schleppe. Und wenn dann im Frühling . . . wenn rings so die Buchfinken anheben . . . und später dann, wenn die Eiszapfen klingeln . . . alles dieser Königin zu Ehren . . .«

Er drückte sich Daumen und Zeigefinger tief in die Augen.

»Zu spät jetzt. Fort damit! Vergoldete Äpfel und Nüsse wollen auch leben, und irdische Engel im Nachthemd singen dazu: Ehre sei Gott in der Höhe. Auch das wird gewertet. Also los denn dafür. Die gemordete Prinzessin an Fräulein Johanna. Das Weitere wird ihr übertragen.«

Er schritt zur Stellmacherei.

Fritz Garke wandte sich rechts und trat über den Bordstein.

Er hatte nicht lange zu suchen.

Da war sie . . . auf der Diele . . . neben dem Kamin . . . und stellte die blankgescheuerten Zinn- und Kupferkasserollen wieder auf Reihe.

Als sie den Förster bemerkte, hielt sie mit ihrer Arbeit inne.

»Wohl für die Herrschaft?« fragte sie lauernd, wobei sie ihre jungen Brüste straffte und steifte.

»Allerdings,« meinte er nähertretend. »Selbiges ist ordnungsgemäß in ihre Hände zu legen.«

Er placierte das Bäumchen in eine verschwiegene Ecke und sagte: »Mög's auch Ihnen bekommen, Mamsell. Im übrigen: noch immer munter auf Getter?«

»Danke der Nachfrage. Ich bin zufrieden, Herr Garke.«

»Kann's mir denken. Noble Naturen, diese Freisassenhöfer. Aber wenn's nicht unbescheiden ist, möchte ich auch andermanns Sache rekommandieren.«

»Na – und . . .

»Ich dächte, es wäre Ihrerseits gar nicht so übel, zur grünen Farbe zu halten.«

»Nicht zu machen, Herr Garke.«

»Warum nicht?«

Sie zeigte ihre blanken, elfenbeinernen Zähne.

»Ich habe Froschblut, Herr Garke.«

Er stieß einen vergnüglichen Ton aus.

»Man keine Bange. Das findet sich alles. Der Nachthunger kommt schon.«

»Bei mir nicht, und im Forsthaus erst recht nicht. Da pfeifen die Mäuse im Bettstroh, und ich kann keine Mäuse vertragen.«

»Mögen sie pfeifen. Aber wenn so die Merle bei Tag singt und die Nachtigall im Mondschein, dann ist es schon ein pläsierliches Leben bei mir. Besser als das auf der Getter. Darüber kann man alles Mäusepfeifen vergessen.«

In seinem gebräunten, scharfen Gesicht begehrte es auf. Er ergriff ihre Hände. Mit stechenden Augen begann er, ihren schlanken Leib zu entkleiden.

Dann ein Sprung.

Ein geschmeidiger Frauenkörper lag ihm hart an der Brust.

»Du Schmaltier!«

Ein jauchzender, heller Schrei . . . und ein heißer Mund lag auf ihren zuckenden Lippen.

Sie war gelähmt vor Schreck und Entsetzen.

»Du,« stammelte er mit trunkenen Worten, »ich möchte dich in ein Jägerwams stecken . . . und dann hinaus in den Abend . . . in den Schnee . . . und von dort in die Kammer . . . Mögen sie pfeifen, die Mäuse . . .« und wieder zuckte sein Mund auf dem ihren.

»Du Viechskerl . . .

Sie hatte ihre Besinnung wieder gefunden. Sie stemmte sich gegen ihn an, biß und hämmerte ihm die Faust gegen die Stirne.

»Lasse mich loß oder ich schrei'!«

Immer fester schnürten seine ehernen Arme.

Ihr Atem versagte.

»Schmaltier – du liebes!«

Da – Schritte auf dem Flur. Das Hallen des Krückstocks.

»Frau Judith!« stieß sie hervor.

Sie streckte sich und krampfte die Finger jäh ineinander.

Wie ein Federspiel, ein geschmeidiges Wiesel entglitt sie der wilden Umschlingung.

An allen Gliedern zitternd, stand sie vor ihm.

»Du,« keuchte er auf, »es ist noch nicht aller Tage Abend geworden. Wir sehen uns wieder, und wenn wir uns im Walde begegnen . . .«

»Schön! Und wenn wir uns im Walde begegnen, was wäre dann anders?«

Ein spöttisches Zucken machte sie noch begehrenswerter.

»Weib, du herrliches! Weib, du infames! Komm' nur, oder ist für mich dein Wildpret zu schade?«

Der Krückstock kam näher.

Fritz Garke . . . er war wie vor den Kopf geschlagen. Mit keuchender Brust verließ er die Diele.

»Ja du,« rief Johanna ihm nach, »allerdings – für dich ist mein Wildpret zu schade,« und als wäre gar nichts geschehen, ging sie hin und machte sich an der zugebrachten Fichte zu schaffen. Aber die Sehnsucht des Weibes in ihr war geweckt und aufgeschürt worden.

 


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