Heinrich Laube
Reisenovellen - Band 3
Heinrich Laube

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Baden.

Man hat tägliche, kleine Schnellposten, die nach Baden hinausgehen; außerdem wechseln die stehenden Gelegenheiten zu dreien Malen des Tages; denn der Verkehr zwischen Wien und diesem Lustbade ist sehr lebhaft, zumal da der Kaiser einen Theil des Sommers dort zubringt. Wir gingen bei frühester Morgenzeit auf die Post, und wurden in einen unangenehmen Affenwagen gesteckt: in einem kurzen Kasten laufen an beiden Seiten der Länge nach zwei Bänke hin, und so sitzt man sich gegenüber, als wenn man zur Hochzeit säße. Wildfremde Gesichter, die weder am Wege, noch am Morgen, noch an irgend was Interesse zu nehmen schienen, saßen uns gegenüber, sie stierten in die untergeschlagenen Arme 107 hinein, und regten sich nicht. Wenn sie nur wenigstens geschlafen hätten, das bekundet doch eine menschliche Regung, nein, sie stierten unverwandt; unser gezwungenes Gegenübersitzen bekam etwas grauenhaftes. Ich fragte leise den Starosten, wofür er die Leute hielte, denn laut zu sprechen, war bei der stillschweigenden Uebereinkunft unseres Kastens nicht rathsam – er machte mir ein Zeichen; wahrhaftig, es war ein Kourszettel, der aus der Brusttasche des einen Schweigsamen kuckte, es waren Banquiers; –

»sie hören nicht, sie sehen nicht, sie sprechen nicht – sie spielen!«

Der alte Lichtwer hat mit seiner Fahrt noch immer Recht, wie denn überhaupt einzelne Worte etwas Magisches, über die täglichen Gesetze Hinausgreifendes haben. Whist, L'hombre, Faß, sind Kindereien geworden, wobei man jetzt hört und sieht und spricht, das moderne Spiel ist die Börse, da kann man auf Millionen rechnen in Gewinnst und Verlust, da ist eines ganzen Landes Wohl oder Wehe Begleiter des Spiels, der moderne Spieler 108 ist der Banquier. Es ist angenehm, Banquier zu sein, wenn man sonst weiter nichts ist: man muß als solcher rechnen können, und die Wechselkunde verstehen; etwas Geographie, gut Zeitungen lesen und ein Paar Louisdor gehören auch dazu, und dann ist man Banquier und kann Millionen kommandiren. Salomon Heine, der Onkel des Dichters, ist der Schriftsteller aller Banquiers, er hat ihnen das Motto, den Familienspruch erfunden. Als man ihn nämlich gefragt hat, ob er sich nicht freue über die Erfolge seines Neffen, da ist ihm jene klassische Banquiererwiderung entschlüpft. »Wenn er doch was gelernt hätte, so braucht' er keine Bücher zu schreiben.«

Ein ganzes Molièresches Lustspiel liegt in diesen Worten!

Wenn die Leute Dir gegenüber wüßten, dachte ich, daß Du ein Schriftsteller sei'st, sie würden sich zwei Minuten Zeit nehmen, Dich gründlich zu verachten. Still! die Börse ist der goldpapierene Mittelpunkt moderner Welt: der Schriftsteller kann durch 109 einen Artikel à propos auf die Fonds wirken, er kann dem Geldbeutel schaden, oder nutzen, er ist nicht mehr überflüssig; – wie viel? sagte der Eine, als der Andere die Uhre aus der Tasche zog – 93¾ war die Antwort. Und der Fragende hatte auch schon wieder vergessen, daß er nicht nach den Konsol's, sondern nach der Zeit gefragt, und wiederholte langsam und nachdenklich 93¾.

Dieses große Wort war das einzige, was ich von meiner Reisegesellschaft bis Baden vernommen habe, welches Baden vier Wegstunden entfernt ist von Wien.

Der Weg fuhrt über die Spinnerin am Kreuz auf der Heerstraße nach dem Sömmering, und wendet sich dann ein wenig seitwärts nach kleinen blauen Bergen hin.

Es war ein kalter Morgen mit den Herren Banquiers, und ich kam ein wenig erfroren nach Baden. Ob wirklicher Jahrmarkt in dem Städtchen war, kann ich nicht sagen, aber ein jahrmärktliches Treiben empfing mich in den Gassen. Ich hatte 110 mir den Ort großartiger gedacht; indessen ist er doch ganz artig, und der Verfolg seiner Promenaden nach dem Helenenthale hinab, ist sehr angenehm. Am Eingange dieses Helenenthales steht stolz und stattlich Weilburg, ein Lustschloß des Erzherzogs Karl. Das Gebäude hat eben so wenig Glück, als sein Herr; man sagt, der Boden wiche unter ihm, und es drohe, gelegentlich zusammen zu brechen. Und der Herr, der schlanke Archidur mit dem langen, nachdenklichen Gesichte, wie viel vergebliche, schön komponirte Schlachten hat er gegen Napoleon geschlagen! – Man kann das Genie und das industriöse Talent nicht deutlicher einander gegenüber sehen, die immer daraus erwachsenden Resultate nicht auffallender erblicken. Götter besiegen ewig die Menschen, wären diese auch Titanen und häuften mühsam Gebirg auf Gebirg. Das Genie ist ein eroberter, unmittelbarer Gedanke Gottes, das Talent ein mühsam, in einzelnen Theilen errungener. Im Kriege erkennt man gewöhnlich die Talente von kombinirten Plänen und schönen Rückzügen: Xenophon, 111 Moreau, Erzherzog Karl sind solche Namen. Das Genie braucht keinen Rückzug – dergleichen denkend, stand ich in fröhlichem Glanze der Mittagssonne vor Schloß Weilburg, und hörte mit Betrübniß, wie krankend und zurückgezogen dieser talent- und würdevolle Erzherzog lebe. Es war eine der vielen Krisen in Napoleons Leben, als der Kaiserssohn, der in Deutschland die französische Rheinarmee so glücklich bekämpft hatte, nach Italien geschickt wurde, um den ungestümen jungen Bonaparte zurückzuwerfen; am Tagliamento begegneten sie sich; rasch, als ob ihm die Windsbraut entgegen käme, ward er in die fliegenden, kleinen Schlachten verwickelt und zurückgedrängt bis in das Herz vom eigentlichen Oesterreich, bis zum Präliminarfrieden von Leoben. Napoleon legte sehr viel Gewicht auf die Vorfälle am Tagliamento – die besonnene, geschickte Leitung des Erzherzogs ließ die Erfolge einen Augenblick sehr zweifelhaft, bis das Glück eben so durchschlug, wie es ihm während des italienischen Feldzuges in den wichtigen Momenten stets 112 gekommen war. Denn man ist sehr schlecht unterrichtet, wenn man jene schnellen Successe auf bloße Ungeschicklichkeit der Melas, Alvinzy's &c. schieben will – gar Mannigfaches wirkte zusammen, was hier nicht specialisirt werden kann.

In Oesterreich ist übrigens der Haß gegen Napoleon keineswegs so zählebig als im übrigen Deutschland; es ist, als ob die Verwandschaftsbande auch in die Massen übergegangen wären, nirgends ist die struppige, fanatische Animosität zu finden, welche nicht sterben will beim Gedächtniß dieses Namens. Auch der tägliche Anblick seines blühenden, liebenswürdigen Sohnes und der frühe Tod desselben mag lindernd und besänftigend eingewirkt haben, denn an Leiden hat er's diesem Volke, seinem unermüdlichen Feinde, wahrlich auch nicht fehlen lassen, die großen kupfernen Kreuzer, welche so wenig gelten, und das dünne Papiergeld erinnern noch täglich an seine Geißel.

Du bürgst eine der schönsten Gestalten deutscher Herren. Es soll überaus rührend sein, jenen 113 vielerfahrenen Kriegsfürsten Karl sanft und mild sprechen zu hören, wie sehr die Erhaltung des Friedens zu wünschen sei, um ohne heftige Störniß das gegenseitig Störende ausgleichen zu können. Freundlich empfängt er die alten Kriegskameraden und trägt geduldig das Hemmende eines kränklichen Körpers. Schloß Weilburg, schlafe wohl. Ein anderes Interesse begegnete mir auf den Badener Promenaden. Im Schatten einer Ruhebank sah ich einen alten Freund aus Schlesien sitzen, der Gedanke an die Heimath verschlang alles Andere, und wir sprachen von dem Lande jenseits der blauen Riesenberge, vom Anblicke des Zobten, von den Wäldern der Oder.

Mein Freund zeichnete Figuren in den Sand, und aus allen Kreuzungen seines Stockes entstand immer wieder eine große Lyra – was willst du damit?

Ach, dieser Platz ist schuld daran, sagte er. Vor zwölf Jahren führte mich auch ein frischer, sonniger Tag wie heute nach Baden heraus, und 114 hier auf dieser Bank saß die gebeugte, dunkle Gestalt eines Ligorianers, und zog mit dem Stocke Figuren in den Sand. Ich blieb stehen, die Erscheinung, die dunkle Gestalt, welche sich nach der Erde beugte, die scharfen Umrisse des magern Gesichtes, die lange, spitze Nase, das Ueberhängende der Augenknochen hatten etwas Magisches für mich. Er blickte auf, wir sahen uns an; eine grundlose, verwirrte Traurigkeit lag in den eingefallenen Augen, es dauerte wohl eine Minute, ehe ich den alten Bekannten wieder herausfinden konnte aus den Irrgängen dieser Augen – Zacharias! rief ich. –

Pater Zacharias heiß ich jetzt. – Es war Zacharias Werner, der Dichter der »Söhne des Thales,« der Verherrlicher Luthers, der später diese »Weihe der Kraft« widerrief und die »Weihe der Unkraft« publizirte, der unglückliche Werner!

Er ist lange aus den literarischen Besprechungen verschwunden, und wir haben aus Oeppings Pariser Erinnerungen ein garstiges Bild von ihm als letzten Eindruck. Dort lauft er, der bejahrte, halb blinde 115 Mann lüstern im Palais Royal herum, geneckt von den frivolen Freudenmädchen, die von allen Seiten rufen: Papa, Papa! Der Kurzsichtigkeit halber geht sein Diener mit ihm, um die gröbsten Mißgriffe der Wahl zu verhüten.

Dort in Baden traf ihn mein Freund, als jene Periode bereuet und abgebüßt wurde. Werner war katholisch geworden, und in den Orden der Ligorianer getreten – er hatte wenig gesprochen auf jener Bank, aber unablässig eine große Lyra in den Sand gezeichnet mit zerrissenen Saiten.

Was machst Du da, Pater Zacharias? – so hörte er sich am Liebsten nennen. –

Ach, ich denke an den Tod – solch eine Lyra mit zerrissenen Saiten würde sich auf mein Grab schicken. – Freund, es war doch eine schöne Zeit, als sie noch ganz waren! –

In dem Klange, womit er dieß sprach, lag ein erschütternder Schmerz, er stand auf, drückte mir die Hand mit seinen magern, trocknen Fingern und schlich langsam von dannen, eine dunkle traurige Gestalt.

116 Drunten in Wien steht eine kleine Kirche im Winkel, dort hat er oft gepredigt, ich habe ihn nicht wiedergesehen, und nicht lange Zeit darauf hörte ich, er sei gestorben, und in geweihter Erde begraben worden. Er hatte kein Maaß gefunden für ein starkes Herz und einen starken Kopf – die Erde sei ihm leicht! 117

 


 

In der Gegend des Brunnens – Baden hat Schwefelquellen – ist eine kleine, besondere Promenade, wo man die Elite der Badegäste im Auszuge findet. Vornehme und reiche Leute, daß Einem die Börse in der Tasche zusammenschrumpft. – Die Leute sind meistens affabler, als in Deutschland, wenigstens im nördlichen.

Wir gingen in's Bad, ließen uns in weiße Braminengewänder hüllen und stiegen hinab in das warme Schwefelbassin, wo Männlein neben Fräulein herumstrudelt. Das Wasser bricht die Lichtstrahlen so häßlich, die Figuren sehen alle so verzwergt und ungestaltet aus, daß von Liebesillusion nicht wohl die Rede sein kann, so lange man nicht in jener 118 Lebensepoche begriffen ist, wo man liebt quand même. Für solche Leute sind aber die modernen Novellen nicht erfunden.

Und es passirte mir wirklich das Unglück, eine alte Flamme in diesem Schwefeldampfe wieder zu sehen, Maria aus Karlsbad plätscherte in jenem schönheitsfeindlichen Schwefelpfuhle umher. Sie erkannte mich – Maria, wie lang ist es her, daß ich ein Faible für Dich hatte, und wie hast Du Dich verändert. Sie machte mir Vorwürfe, daß ich nicht in den »Erzherzog Karl« gekommen wäre, und ich betheuerte ihr, daß ich mich so eben mit ihm beschäftigt habe.

Ihre Haut sei spröde geworden, klagte sie; und deshalb müsse sie baden. Unser Herz ist doch kindisch wie ein Mädchen, was hatte es sich darum zu kümmern, ob Maria's Haut ein bischen mehr oder weniger spröde sei, aber es flüsterte fortwährend, und verläumdete das Mädchen.

Wie hätte mich vor wenigen Monaten diese Situation mit Maria entzückt: wir konnten uns 119 die Hände drücken und mit einander herumschwimmen!

Wenn wir blos ein sogenanntes Faible für ein Mädchen gehabt haben, und das Stückchen Leidenschaft aufgehört hat, zu spornen, die spannenden Hindernisse aus dem Wege geräumt sind, dann sind wir schlecht oder gut genug, das Mädchen zu unserer Freundin, zu unserer Vertrauten zu wünschen, mit der wir schwatzen und Confessions austauschen.

Eine Ariadne macht kein Glück; – es ist in unsern Sympathieen zu wenig tragische Größe; Humor, Lachen, gar Ausgelachtwerden lauern im Hintergrunde. Widerstand, Neid, Eifersucht in größerem oder geringerem Maaße reizen größtentheils zu Intriguen der sogenannten Liebschaften, jenen Spielereien des Herzens. Diese Verführung überfüllt Manchen dergestalt, daß er gar nicht zu einer wirklichen, tiefen, uneigennützigen Neigung gelangen kann. Mancher freilich geräth über diese Brücke der Herzensintrigue zur wirklichen Leidenschaft. Denn 120 auch die Liebe gewöhnt sich an, sicherlich die Leidenschaft derselben.

Unter den oben angeführten Umständen wollte ich Maria zur Freundin haben, zu einer Freundin, welcher man die Hand küßt, der man ohne Rückhalt erzählt, was Einem Alles begegnet sei am vergangenen Abend. Maria, der Schalk, lächelte, und machte mich gesprächig. –

Als wir aus den Ankleidezimmern in's Freie traten an den vollen, klaren Tag, war ich nicht wenig erstaunt, sie schöner als je, umringt von Anbetern zu finden. Wie mit einem Zauberschlage war die alte Illusion wieder da, diese koquette Illusion – leben Sie wohl, Herr Doktor, rief der Schelm, grüßen Sie Madame Pichler, machen Sie ihr mein Kompliment über die »Frauenwürde,« die ich vor zwei Jahren gelesen habe, und Ihnen anempfehle.

Fort war sie – das war eine ganz andere Stimme als im Bassin, wo ihr Ton so ergeben, so resignirt war! Wie übermüthig hatte sie jetzt 121 gesprochen, wie herausfordernd lachte sie da in der Ferne. Sie hat Dich gefoppt – nur Vertrauen auf Sieg erringt den Sieg, Muth ist in allen Verhältnissen der Schöpfer – verwirrt und nachdenklich ging ich zur Frau Caroline Pichler, gebornen von Greiner, um ihr meine Aufwartung zu machen. Diesen eben erlebten Fall wollt' ich ihr vortragen.

Eine bejahrte Köchin hielt mir auf dem Vorsaale das Ohr hin, damit ich meinen Namen hineinpfropfe, langsam ward ich angemeldet, Herr von Kurländer hatte mir einen Empfehlungsbrief mitgegeben, langsam wurde ich angenommen.

Ja, nun fragen die Damen, wie sieht es aus? was hat sie für Augen, was für eine Taille, wie alt, wie stehts um Hand und Fuß.

Das hab' ich, Gott weiß es, so ziemlich vergessen, und nur daß ich vergessen konnte, mag mir schildern helfen. Es war eine nicht eben große, ältliche Frau, die mich ein wenig zurückhaltend empfing – war gegen Mittag, und es schien, als hätte ich sie im Hauswesen gestört.

122 Dieß scheint jetzt ein Tic der Schriftstellerinnen geworden zu sein, sich vor allen Dingen des Kochens zu rühmen – Fallschirme für die gewöhnlichen Männerkritiken. Fräulein Fanny Tarnow, eine lebhafte, strebsame Schriftstellerin, der ich später in Deutschland zu begegnen das Vergnügen hatte, sprach zuerst sehr lange und sehr verführerisch über Mehlspeisenrecepte. –

Frau Caroline Pichler, geborne von Greiner, fühlte sich und war sich ihrer sechsunddreißig Romanbände wohl bewußt; – damit soll indessen nicht gesagt sein, sie habe sich gespreizt und gebrüstet, o nein, sie hat ganz das Ansehn einer besonnenen, klaren Frau, die mit Recht darauf fußt, die Herzen vieler Menschen beschäftigt zu haben. Im Ganzen gleicht sie wohl ihren Schriften, die sich in einem kleinen Gedanken- und Gefühlskreise bewegen, darin etwas breit, aber gehaltlos werden – es interessirte mich, zu wissen, wie sie sich der Studien bemächtigt habe, die zum »Agathokles« nöthig sind, einem Romane, der zur Zeit Diocletians 123 spielt, und große historische Interessen berührt. Es waren nicht wenige Hülfsmittel, die sie mir aufführte, jedenfalls bedingten sie aber noch große Geistesbehendigkeit einer Dame, und das gestand sie lächelnd zu.

Von jetzt an ward sie munterer. Ich fragte, ob Herr Menzel bei seinem Besuche in Wien nicht zu ihr gekommen wäre. – Nein, sagte sie witzig, wie einst Stolberg von Jacobi: Er kann mir's nicht vergeben, daß er mich herunter gerissen hat.

Dieser Mann stört mit seiner Kantschuhkritik manch schüchternes Talent, was den grollenden Hausvater fürchtet, der seine Senatorstimme erhebt: Frauenzimmer, laß die Bücher und nimm den Kochlöffel in die Hand! – Es giebt viele Dinge, die nur Frauenzimmer wissen, und abgesehen von diesem Egoismus der Bildung, welcher die Frauen aufmuntern mußte, abgesehen von Tausend andern Rücksichten bleibt es eine brutale Anmaßung, sie von der Gedankenmittheilung mit Peitschenhieben wegzudrängen, ein trüber Rest alter Rohheit.

124 Solche Aeußerungen behagten Madame Pichler, und sie erzählte mir, was sie jetzt schreiben wolle. Maria Theresia soll verherrlicht werden auf Kosten Friedrichs des Großen; – die schöne Kaiserin mag sich allerdings in einem Romane besser ausnehmen, als der magere König mit der Tasche voll Spaniol, und der Gleichgültigkeit gegen Frauenzimmer; aber, unter uns gesagt, ich lese den Roman auch nicht. Unter drei Bänden thut sie's auch nicht leicht. Wir denken und handeln jetzt doch ein wenig schneller und straffer, als es in den Büchern der Frau Pichler geschieht, und die Preußen kennt und liebt sie auch nicht genug, um sie richtig zu schildern. Die alte Degenzeit des großen Fritz ist freilich kein Thema für Frauenzimmer.

Ich empfahl mich, und nahm im Ganzen einen recht angenehmen Eindruck mit hinweg; selbst die ein wenig harten Formen der alten Dame störten mich nicht, zumal gegen das Ende meines Besuchs Tochter und Enkelkinder der Schriftstellerin 125 erschienen, und sie in einem muntern, behaglichen Familienkreise zeigten.

Die Familie bildet stets einen sanften, wohlthätigen Rahmen; Cölibatairs behalten immer ein schrofferes Ansehen.

Auf dem Rückwege nach Wien stieg ich in einem Gasthause ab, welches am Wege liegt; – da gab's ein munteres, lustiges Treiben, Hin- und Zurückfahrende begegnen sich dort, und eine emsige Wienerische Fröhlichkeit springt vom Platze in's Haus, vom Hause in den Hof; – Maria spielte Billard mit einem Wiener Saudy. Sie war im Reitkleide, nahm sehr wenig Notiz von mir, und setzte sich nach beendigter Partie zu Pferde. Es war eine große Kavalkade, aus mehrern Damen, und vielen Herren bestehend, in brausendem Galopp ging es nach Wien hinab, Maria mit fliegenden Locken voran.

Mädchen, abscheuliches Mädchen, Du stürzest mich ins Malheur! Mein Kutscher mit seinen steifen Gäulen mußte nachhumpeln so schnell als 126 möglich. Als wir an den Abhang der Spinnerin am Kreuz kamen, gab ich es auf; – weit, weit unten sprengten sie in den goldenen Funken der untergehenden Sonne dahin, die stundenlange Stadt glänzte mit tausend Fenstern wie ein Tagesfeuerwerk; sie empfängt Dich Maria. 127

 


 


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