Anthoine de La Sale
Die fünfzehn Freuden der Ehe
Anthoine de La Sale

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die zehnte Freude der Ehe ist diese:

Das Netz der Ehe ist zum Fang aufgerichtet, wie die Vorrichtungen zum Vogelfang: ein paar dressierte Vögel und eine handvoll Körner locken das freifliegende Wild herbei, die Schlinge zieht sich zu und die Dinger sind gefangen; da werden sie nun mit den Füßen zusammengebunden und in einen Korb gesteckt gegen alle ihre freie Natur. Wenn auch die schlaueren Vögel vor dein Fangnetz waren gewarnt worden, würden sie doch ihre Begier nicht haben zurückhalten können. Der Ehemann dachte es sich sehr gut einzurichten und hofft auf Tage voller Lust und Freude; aber er findet das Gegenteil. Und oft geschieht es, man sagt durch Besprechungen und Zaubertränke, daß sein Weib von ihm nichts wissen will und er seinem Weibe keine Lebensfreude tun kann, so sehr ihm auch das Fleisch danach brennt. Dann geht ihre Klage abseits, zu Mutter oder Base: daß ihr Mann unfähig in der Liebe sei, und bei ihr wenigstens nichts vermöge, wenn auch vielleicht bei andern, und daß ihre Lust danach groß sei. Und dies sei doch sicher das schlimmste, daß man recht durstig das Wasser schon mit dem Munde berühre und doch nicht trinken könne. Eine solche Frau hat immer einen Freund, der ihr mit seinen Dingen treulich beisteht und ihr das Vergnügen macht, das sie von ihrem Manne nicht bekommt, weil sie es von ihm nicht will.

Nun kommt es vor, daß die Frau und der Liebhaber nicht vorsichtig genug sind, der Mann etwas merkt und wütend zuschlägt. Manchmal jagt er sie auch davon, wie es schon öfter vorgekommen ist. Und manchmal verklagt sie den Mann, daß er sie schlage und schlecht behandle, und der Mann wird sich bemühen, den Frieden wieder herzustellen um jeden Preis. Da beredet sie sich erst gut mit ihrem Liebhaber, da sie so des Mannes guten Willen sieht, und schickt Freundinnen zu ihrer Mutter, daß sie sage, sie wäre die Zeit über nicht von ihrer Seite gegangen; und die Mutter spricht zu dem Gatten: »Ich wollte, Sie hätten sie mir lieber zurückgeschickt, als mein Kind so zu schlagen, denn ich weiß, daß sie nicht das mindeste getan hat. Und wenn sie was getan hat, so war es durch Ihre Schuld allein.« Es trifft sich auch wohl, daß der Mann oder die Frau die Trennung wünschen: der Mann klagt sein Weib, das Weib klagt den Mann. Sie sind im Netz Und wollen heraus, aber die Reue ist zu spät, also prozessieren sie. Doch können sie keine hinreichenden Gründe zur Scheidung anführen oder die Beschuldigungen können nicht gehörig erwiesen werden; also gibt ihnen der Richter den Bescheid, daß sie in ihrer Ehe weiterleben müssen und ermahnt sie zur Einigkeit und zum Vertragen. Das wenig Gute, daß vor in dieser Ehe war, wendet sich damit zum schlimmen und sie haben den Spott dazu. Zuweilen bringen sie aber auch triftige Gründe und Beweise vor; worauf sie der Richter scheidet und ihnen bei großer Strafe ein keusches und zurückgezogenes Leben gebietet. Aber nun seht, was daraus folgt: der eine oder der andere oder alle beide tun was ihnen beliebt und überlassen sich ganz ihren Leidenschaften. Die Frau geht von Bett zu Bett die ganze Stadt durch und sucht ihr Vergnügen. Beide glauben, sie wären nun außer dem Netz und der Falle entgangen, und sind doch nur schlimmer dran als zuvor. Denn der Mann mag welchen Standes immer sein, er ist wie die Frau in dieser Welt verdorben und vernichtet. Keiner darf fürder mehr heiraten, so lange einer von ihnen lebt, und ist ihr Name verloren und ohne Erben. Der Mann ist vom Leben seiner Frau geschändet, denn die hat alle Scham verloren und treibt es mit jedem Liebhaber vor ihres früheren Mannes Augen. Ich glaube, dies ist der Übel schlimmstes, das ein Mann ertragen kann, außer die Ehe selber! So lebt er, und im Netz sein Leben voller Leid und Qual und endet es im Elend.


 << zurück weiter >>