Anthoine de La Sale
Die fünfzehn Freuden der Ehe
Anthoine de La Sale

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Die dritte Freude der Ehe ist diese:

Der junge Mann hat mit seinem jungen Weibe alle Wollüste und Freuden getrieben, und sie wird schwanger, doch wohl nicht von ihrem Manne. Der hat nun Sorg und Plage, denn er muß rennen und laufen, das zusammenzuholen, was die Frau zu haben wünscht. Läßt sie eine Nadel fallen, muß er sich danach bücken, denn es könnte ihr Schaden tun, und keine Speise ist ihr recht, wie er sie auch wechselt; das Gewöhnliche wird ihr bald zum Ekel und er muß seltene, ungewöhnliche Gerichte besorgen, oft von weit her. Neun Monate wird der Mann so gemartert und geschoren und die Frau tut sonst nichts weiter als piepsen und sich bedauern.

Die Entbindung ist geschehen, und der Mann muß nun auf Befehl seiner Frau die ganze Gevatterschaft zusammenbitten und muß sich um Amme und Wärterin bekümmern. Zwanzig Wallfahrten hat die Frau, als sie in den Wehen lag, zu tun versprochen und der Mann hat alle heiligen Gelöbnisse gemacht. Die Gevatterinnen kommen von allen Seiten herbei, und der Mann muß ihnen zu essen und trinken schaffen und kommt ihm sein Haus vor wie ein öffentliches Wirtshaus, in dem jeder freigehalten wird. Die Gevatterinnen sitzen den ganzen Tag bei der Wöchnerin und ist des Tratschens und Erzählens kein Ende. Regnet es draußen oder hagelt es, während der Mann unterwegs ist, sagt eine: »Bei Gott, mein armer Gevatter wird was ausstehen in dem Wetter!« Sagt darauf die Frau, das sei weiter nicht schlimm. Und fällt etwas vor, was der Wöchnerin nicht recht ist, sagt gleich eine von ihren guten Freundinnen: »Wahrhaftig, meine Liebe, ich bin ganz erstaunt, und wir alle hier sind es, daß sich Ihr Mann so wenig aus Ihnen und dem Kinde macht. Wie wird das erst gehen, wenn es das fünfte oder sechste ist! Er kann Sie unmöglich recht lieben und beweist Ihnen wenig Ehrung dafür, daß Sie ihm einen Stammhalter geboren haben.« – »Gott soll mich strafen,« sagt eine andere, »wenn mein Mann mich so behandelte, ich würde ihm die Augen auskratzen.« – »Meine Frau Gevatterin«, meint eine dritte, »versteht eben noch nicht die Kunst, ihn unter dem Pantoffel zu halten, und wenn Sie's nicht bald lernen, geht's Ihnen bei der nächsten Kindstaufe übers Jahr gerade so oder noch schlimmer.« – »Ich verstehe nicht,« kommt nun eine vierte, »Sie sind doch eine kluge Frau und von besserer Abkunft als Ihr Mann, ich versteh nicht, daß Sie so was dulden. Er beleidigt damit ja uns alle.« – »Sie haben vollkommen recht,« sagt nun die Wöchnerin, »ich weiß nicht, wie ich es machen soll, und wie ich ihn zurechtkriegen soll, ein so böser und eigensinniger Mensch wie er ist.« – »Ja, schlecht ist er, da haben Sie ganz recht,« erzählt eine, »aber lassen Sie sich erzählen: Sie erinnern sich doch alle noch ganz gut, daß es, wie ich meinen Mann bekam, hieß, er sei schlimm und eigensinnig und daß er mich totschlagen würde. Aber ich hab mir ihn schön gezähmt, Gott Lob und Dank; jetzt bräche er sich lieber den Arm, als daß er mir in irgendwas widerspräche, und was wollte er sich im Anfang nicht alles herausnehmen und kommandieren und befehlen! Er hat mich nur einmal geschlagen und das war auch das letzte Mal und jetzt hab ich immer recht, ob ich nun recht habe oder nicht. Der Spieler muß sein Spiel verstehen, meine Teure, und das kann ich Ihnen sagen: der Mann mag so wild sein wie er mag, die Frau versteht ihn zu bändigen, wenn anders sie eine Frau ist. Und der Ihre wäre wohl imstand, Ihnen die Augen auszukratzen.« – »Sehen Sie nur darauf,« mahnt eine andere, »daß Sie ihn gleich richtig empfangen, wenn er heimkommt.« So also bedenken die Weiber den armen Mann, während sie saufen bis sie voll sind und sich mit einem »Auf Wiedersehen morgen« verabschieden.

Der Mann kommt zufällig spät nachts heim; er hat weit herumlaufen müssen, um alle Aufträge seiner Frau richtig zu besorgen. Er kommt also in Ängsten um das Befinden seiner Wöchnerin nach Haus; die Dienerschaft, die von der Frau schon gehörig instruiert worden, ist noch auf – anders wäre sie schon lang zu Bett. Er frägt, wie es der Frau geht und gleich redet die Kammerjungfer, daß es der Gnädigen sehr schlecht ging und daß sie nichts gegessen hat seit der Herr fort ist und daß es gegen Abend etwas besser geworden sei. Das alles ist natürlich gelogen, aber der arme Mann glaubt es und betrübt sich. Er ist müde und wundgeritten und kotbesudelt, denn sein Gaul ist auf einem schlechten Wege gestürzt. Er hat den ganzen Tag über kaum was gegessen. Die Dienstboten verstehen ihre Rolle zu spielen, stehen da mit einem Unglücksgesicht und wollen ihn nicht in das Gemach seiner Frau lassen. Und wie er bei ihr ist, beugt er sich sorgenvoll über das Bett und fragt: »Was machst Du, Kind liebest?« – »Ach, Mann, ich bin so krank!« – »Wo denn, Liebe, wo hast Du denn Schmerzen?« – »Du weißt ja, wie schwach ich schon lange bin und nichts essen kann.« – »Wie war's mit einer Kapaunenbouillon?« – »Man hat mir eine gebracht, aber sie können sie nicht machen, nur Du kannst's.« – »Gleich, Liebste, mach ich Dir eine, ich ganz allein, niemand soll mir auch nur was helfen, und die ißt Du dann, ja?« – »Ach ja, lieber Mann.«

Der gute Mann geht also und macht den Koch; er schimpft seine Leute, daß sie dumme Viecher seien und nichts könnten, nicht einmal eine Suppe machen. Sagt die Alte, welche die Frau pflegt und in ihrer Kunst ein Doktor ist: »Ihre Frau Tante hat heut den ganzen Tag nichts sonst getan, als die Gnädige zum Essen zu bereden, aber sie hat nichts nicht angerührt. Ich weiß wahrhaftig nicht, was ihr fehlt; ich hab doch schon viele und viele gepflegt, aber die Gnädige ist die allerschwächste Gnädige, die ich jemals gehabt habe.« Der Mann ist unterdes fertig und bringt seiner Vielliebsten sein Kochkunststück, bittet sie, daß sie davon was esse, und sie sagt, daß die Suppe vorzüglich wäre und die andere Spülwasser gewesen sei und nimmt einen Löffel davon – »ihm zu Liebe«. Der Mann befiehlt, daß man in seinem Zimmer heize und er geht essen. Man bringt ihm etwas kaltes Fleisch, das die Damengesellschaft und die Dienstboten übrig gelassen haben; und er geht bald todmüd zu Bett.

Ganz früh morgens schon geht er in das Schlafgemach seiner Frau und erkundigt sich nach ihrem Befinden. Gegen Morgen habe sie etwas geschlafen, aber die ganze Nacht kein Auge zugetan. Sie hat die ganze Nacht natürlich sehr gut geschlafen. Sagt der Mann: »Liebe, heut werden wohl wieder Deine Freundinnen kommen und wir müssen sie bewirten. Aber denkst Du nicht daran, aufzustehen? Es sind nun vierzehn Tage seit Deiner Niederkunft, und das macht große Ausgaben.« – Schreit die Frau: »Was! Wollt ich doch lieber, ich hätte abortiert, ich armes, unglückliches Weib, das ich bin! Gestern waren fünfzehn Freundinnen bei mir und taten Dir die Ehre, mich zu besuchen und behandeln mich mit größter Höflichkeit, wenn ich sie besuche; und diese meine Gäste bekamen einen Braten vorgesetzt, den sie bei sich zu Haus kaum ihren Mägden geben; ich weiß das, ich hab es selbst gesehen. Sie hielten sich untereinander auch sehr darüber auf, und ganz mit Recht, und ich hab es wohl gesehen, ohne daß sie es zu merken schienen. Wie werden sie behandelt und gepflegt, wenn sie in meiner Lage sind! Und ich, kaum daß ich entbunden bin, soll ich schon heraus und kann mich kaum auf den Füßen halten! Und soll im Haus herumwirtschaften und mich umbringen – warum hab ich das verdient!« – »Kind liebes, Du hast unrecht.« – »Nein,« redet die Frau, »Du willst meinen Tod, gut, Du sollst ihn haben. Meine Cousine fragte mich gestern, ob ich kein Morgenkleid hätte wenn ich aufstände, aber es ist ja ohnedies warm und morgen steh ich also auf, geht's wie's geht. Ich seh wohl, daß wir nichts haben, unsere Gäste zu bewirten. Mein Gott, was werd ich erst erdulden müssen, wenn wir zehn und zwölf Kinder haben – aber davor soll mich Gott hüten und mich überhaupt von der Welt nehmen, so hast Du keinen Ärger mit mir und ich brauch mich nicht vor den Leuten zu schämen.« – »Du regst Dich auf ohne Grund,« sagt der Mann. – »Ohne Grund! Wahrhaftig ohne Grund, und dabei ist keine Frau auf Gottes Erdboden, die so viel ausgestanden und so viel auszustehen hat wie ich.« – »Also, Liebe,« gibt der Mann nach, »Du kannst aufstehen, wann es Dir paßt. Und wie ist das mit dem Morgenkleid?« – »Ich verlange ja nichts und will nichts,« sagt die Frau, »ich habe Kleider genug und mach mir nichts mehr aus hübschen Sachen: ich bin eine alte Frau, jetzt, wo ich ein Kind habe, und Du läßt es mich ja auch fühlen. Ich sehe schon die Zeit, wo ich vom Kinderkriegen und Wirtschaftbesorgen verbraucht sein werde. Ach, die Zeiten, wo ich noch ledig war und der und jener mich zur Frau wollte! Und Du dann kamst und ich mich in Dich so vernarrte, daß ich den Kronprinzen von Frankreich ausgeschlagen hätte! Und jetzt? Jetzt schau ich aus wie meine Mutter. Ach, wenn ich noch Mädchen wäre!« – Sagt der Mann: »Wozu soll nun all das Gerede, mein Engel. Wir müssen uns darüber klar werden, wo Geld herbekommen. Du kennst doch unsere Verhältnisse, Liebe. Wir müssen sparsamer leben. In acht Tagen hab ich eine Schuld zu zahlen und weiß noch nicht, woher das Geld dafür nehmen.« – »Aber,« sagt die Frau, »ich verlange auch gar nichts von Dir. Gar nichts verlange ich. Aber ich bitt Dich, laß mich jetzt, ich habe Kopfschmerzen, wovon Du natürlich nichts spürst. Ich meine, Du läßt meinen Bekanntinnen sagen, sie mögen heute nicht kommen, mir sei wirklich nicht wohl.« – »Ach, Liebste,« meint der Mann, »sie sollen doch nur kommen.« – »Meinetwegen mach was Du willst,« sagt die Frau. Währenddem kommt die Pflegerin und sagt zum Mann: »Regen Sie die Gnädige nicht mit Reden auf, sie ist so schwach, daß es üble Folgen haben kann,« und zieht den Bettvorhang zu. Die Frau will schon, daß ihr Mann geht, denn sie erwartet ihre Freundinnen, deren gute Lehre schon ein Teil gewirkt hat und noch besser wirken wird. Der Mann ist ja bald so geduldig wie ein Schaf auf der Weide. Er sieht nach der Wirtschaft, daß die Gäste seiner Frau auch ordentlich was zu essen und zu trinken fänden und keine Ursache mehr wäre, daß sich seine Frau über Mangel noch einmal beklagen müsse. Da kommen auch schon die Freundinnen, eine nach der andern, und er empfängt sie freundlich an der Tür und führt sie ins Gemach seiner Frau: »Hier kommen schon Deine Freundinnen, Liebste.« – »Ach, bei der Jungfrau,« seufzt die Frau, »es wäre mir lieber, sie wären daheim geblieben, aber da sie einmal da sind, kann ich es ihnen nicht sagen, wie mich ihr Besuch freut.«

Dann treten sie also ein, die guten Frauen, frühstücken und essen Mittag und essen Abend, sitzen am Bett der Wöchnerin und trinken wohl ein Stückfaß leer. Der Mann schaut nur so, wo all sein Wein hingeht. Und sie reden der Frau von Kleidern, von Ringen und neuen modischen Schuhen.

So geht's eine Weile, bis der Tag kommt, daß der Mann rechnet, was ihm noch an Vermögen bleibt, und es ist gerade noch so viel, daß es zum knappen Leben reicht. Die Frau muß sich mit einem Kleid im Jahr begnügen und damit wohl auch noch länger auskommen, mit zwei Paar Schuhen, ein Paar für die gewöhnlichen, das andere für die Festtage. So ist er in das Netz gekommen, in das es ihn zu kommen einmal so sehr verlangt hat, und bringt sein Leben in Sorgen und Qualen hin, die er für Freuden hielt. Und so wird er seine Tage im Elend enden.


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