Anthoine de La Sale
Die fünfzehn Freuden der Ehe
Anthoine de La Sale

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Viele haben schon mit guten Gründen und unwiderlegbaren Beweisen zu zeigen unternommen, wie die größeste Glückseligkeit des Menschen auf dieser Erde darin bestehe, daß er frei und ungebunden lebe und er in allem seinem Willen folge und darin keinen Zwang dulde. Dagegen könnte man einwenden, daß der nicht recht bei Verstande sei, der ganz den Freuden und Genüssen der Welt ergeben, freiwillig und ohne Nötigung in ein trauriges enges Gefängnis voll Tränen sich stürzt, wo alsbald hinter ihm die eiserne Tür sich schließt und ihn so verschlossen hält, daß kein Bitten ihn jemals mehr befreit. Die Torheit eines solchen Menschen würde auch dann nicht entschuldbar sein, wenn er vorher, bevor er so ins Gefängnis kam, das Heulen und Klagen derer, die darin sind, nicht gehört hatte.

Das kann man wohl sagen: einer, der nicht sein eigenes Wohl liebt, auch wenn er andern damit keinen Schaden tut, der ist nicht bei Verstand; wie man den nicht für klug halten wird, der freiwillig in einen tiefen Graben springt, um darin zu leben. Solche Gräben hält man sich für wilde Tiere und selbst die sind darin nicht zufrieden und suchen auszubrechen und zu entkommen; da es aber zu spät ist.

Das gilt auch von denen, die in der Ehe leben und so dem Fisch gleichender in einem großen Wasser frei lebt und schwimmen kann wohin er mag – bis er ans Netz kommt, in dem schon viele Fische zappeln, die sich vom Köder locken ließen, und nach dem auch seine Lust groß ist, daß er sich müht hineinzukommen und sich nun mit den andern Fischen erlustiert. Und da kann er dann nicht mehr heraus, und ist Traurigkeit und Trübsal, wo er meinte, Freude und Lustbarkeit zu finden. Die Lockspeise ist die Ehe, und der Jüngling ist der Fisch. Er sieht die andern, die verheiratet sind, im Netz und es dünkt ihm, als ob sie in lauter Freude schwämmen. Das lockt ihn und so wird er auch gefangen und kann nicht mehr heraus. Ein DOCTOR VALERIUS wurde von seinem Freunde, der sich verheiratet hatte, gefragt, ob er recht daran getan hatte, worauf ihn der Doktor nur fragte: »Mein Freund, habt Ihr kein hohes Fenster gefunden, aus dem Ihr Euch kopfüber in einen tiefen Fluß stürzen konntet?« Er wollte damit sagen, wie großer Gefahr er sich damit ausgesetzt habe, daß er seine Freiheit aufgab. Der ARCHIDIACON VON THEROUENNE gab seinen geistlichen Stand auf, um eine Witwe zu heiraten, bei der er, wie er mit großer Betrübnis selbst erzählte, in ewiger Knechtschaft lebte und in Leiden und Ärger aller Art. Er bedauerte sehr was er getan und schrieb zum besten derer, die ihm zu folgen etwa Lust bezeigen sollten, ein schönes Buch darüber, welches das BUCH DES MATHEOLUS heißt. Und auch andere haben von gleichen Leiden erzählt.

Viele fromme Leute haben in Hinsicht auf die Heilige Jungfrau und ihre fünfzehn Freuden, wie die Verkündigung, die Geburt und die andern, viele schöne Gebete zum Lobe der Jungfrau angefertigt, und so bin ich auf den Einfall gekommen, die Ehe auf dieselbe Art zu behandeln, obzwar ich selber nicht verheiratet bin, insofern es Gott gefallen hat, mich auf andere Art zum Sklaven zu machen. Da man nun bei der Ehe fünfzehn Zeremonien übt, wie ich mir von denen habe sagen lassen, die die Sache verstehen und sagen, es gäbe nichts freudvolleres als verheiratet sein, so nehme ich daraus den Anlaß, meinem Buch die Überschrift DIE FÜNFZEHN FREUDEN DER EHE zu geben – worunter ich aber nichts andres verstehe, als alle Schmerzen und Qualen und Elend und Trübsal, die auf Erden sind; keine andern, als etwa das gliedweise Zerstückeln des lebendigen Leibes sind größer. Deswegen verurteile und tadle ich jene nicht, die sich verheiraten, und bin ganz ihrer Meinung, daß sie wohl daran tun, denn sie sind auf diese Welt gesetzt, um Leiden zu ertragen und Buße zu tun, auf daß wir in das Paradies kommen. Und es kommt mir vor, daß der Mensch keine größeren Leiden ertragen und keine schwerere Buße tun kann, als wie ich es in diesem Buche aufgeschrieben und erklärt habe. Dies eine tröstet mich dabei, daß viele von denen, die verheiratet sind, diese Leiden für Freuden halten und dieses Unglück für Lustigkeit, und dies, weil sie verheiratet und daran gewöhnt sind, wie ein Esel ans Lastentragen; ist aber kein Verdienst dabei. Es unterhält mich und macht mir Spaß, wenn ich so viele in diesem Netz zappeln sehe, in dem sie ganz fest gefangen sind, wie ich es in diesen fünfzehn Freuden gezeigt habe, zu ihrem Trost. Ja, für sie habe ich meine Mühe, meine Tinte und mein Papier verschwendet, nicht für die andern, die noch nicht verheiratet sind, daß sie sich in dem Netz nicht sollten fangen lassen. Nein, das ist gar nicht meine Absicht. Um zu bereuen, muß man etwas getan haben und ich sage diesen nur, daß die Freuden ewig dauern und sie ihr Leben im Elend enden werden.


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