Anthoine de La Sale
Die fünfzehn Freuden der Ehe
Anthoine de La Sale

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Die achte Freude der Ehe ist diese:

Einer hat nun drei oder vier Jahre alle Lustigkeiten und Vergnügungen der Ehe genossen, wird also kühler und fängt an, um andere Dinge sich zu kümmern. Man kann nicht immer die verliebte blinde Kuh spielen. Kommen da noch dazu Zank und Streit aus allerlei Mißverständnissen zwischen den beiden Gatten, und geht die Frau, die schon zwei, drei oder vier Kinder hat, mit einem neuen schwanger und ist gerade bei diesem kränker als bei allen andern, da ist der Mann in groß Sorg und Nöten und will ihr nur gern alles tun, was sie nur möchte. Kommt endlich die Zeit der Niederkunft heran, wird die Frau so elend, daß die Gevatterinnen und alles meint, sie müsse dabei ihr Leben lassen. Der Mann gelobt sich allen Heiligen im Himmel, und sie verspricht eine Wallfahrt zu Unsrer lieben Frau von Puy in der Auvergne, oder zu der von Rocamadour und zu noch ein paaren. Die Heiligen nehmen sich des armen Mannes an und entbinden die Frau glücklich von einem Kinde. Das Kindsbett dauert nun lange Zeit. ... Die Gevatterinnen und Basen rücken an und lassen sich alles reichlich und wohl schmecken. Die Wöchnerin erholt sich bei guter Pflege gar bald und tut eifrig mit bei den Skandalgeschichten, die von Land und Ort da erzählt werden.

Darüber kommt der Frühling, und unter dem Einfluß der Elemente und Gestirne heben sich die Kräfte zu frischer Lust, daß man fröhlich durch das Land schweift. Die Lust zu reisen packt die Weiber und wenig kümmern sie sich darum, ob der Beutel des Mannes die Ausgaben verträgt. Sagt die Frau, von der ich redete, zu einer Freundin: »Ja, schon, aber ich weiß nicht, wie es meinem Mann sagen, daß ich auf Reisen will.« – »Darum kümmer ich mich bei meinem schon lange nicht mehr. Sie kommt einfach mit uns, und wir wollen uns eine gute Zeit machen; eine Base kommt noch mit und ein Vetter von mir.« Der ist natürlich keine Spur von Vetter, aber es sagt sich so besser. Und geht sie mit ihm auswärts, weil es sich da besser betreiben läßt als daheim. So wird die Reise beschlossen und die beiden trennen sich. Unsere Frau kommt nach Hause, ganz schlechter Laune; der Mann kommt aus der Stadt oder sonst woher von seinen Geschäften und fragt, was ihr fehle. »Ach,« sagt sie, »ich hab einen solchen Schrecken erfahren, Lieber, denk, unser Kind ist krank« – es ist ganz gesund – »ganz heiß ist es, und die Amme hat mir gesagt, daß es schon seit zwei Tagen nimmer die Brust nimmt, sie hat es sich erst gar nicht zu sagen getraut.« Der Mann ist ganz niedergeschlagen, schaut nach dem Kind und das Wasser kommt ihm in die Augen. Des Nachts, da die beiden zu Bett liegen, seufzt die Frau und fängt an: »Du hast was Wichtiges vergessen, Mann.« – »Was denn?« – »Erinnerst Du Dich nicht, wie ich mit dem Kind so elend war, da hab ich mich doch unserer lieben Frau von Puy und unserer lieben Frau von Rocamadour versprochen – Du hast's ganz vergessen.« – »Du weißt doch, Liebe,« sagt der Mann, »was wichtige Sachen mir im Kopf liegen, daß ich nicht weiß, wo anfangen; aber es ist doch noch immer Zeit dafür.« – »Mir wird sicher nicht eher leichter, bevor ich nicht mein Gelöbnis erfüllt habe, und ich glaub sicher, das Kind ist krank, weil ich die schwere Sünde begangen habe.« – »Aber Liebe, Gott weiß ja, daß es nicht an unserm guten Willen gefehlt hat.« – »Sprich nicht so, Mann, ich muß mein Gelübde erfüllen, wenn es Gottes und Dein Wille ist, und mich auf die Wallfahrt machen. Meine Mutter geht mit und ein paar Basen und Vettern. Ich entbehre lieber sonst etwas, nur daß ich mein Gelübde erfülle.« Und wenn sie sagt, sie entbehre lieber sonst was, so ist es aber der Mann, der entbehrt, und nicht die Frau.

Der Mann überlegt nun die Reise, denn seine Verhältnisse sind nicht so, daß er die Kosten ohne weiteres bestreiten kann. Quasimodo kommt näher, die Zeit, da die Vöglein fliegen und singen; der Mann treibt Geld auf, um Pferde zu kaufen und ein Reitkleid für seine Frau. Und zufällig reist dieser oder jener Galan mit, der ihr unterwegs seine Dienste und Unterhaltung anbietet zu seinem und seiner Höflichkeit Nutzen. Manchmal fällt es dem Mann ein, mit auf die Wallfahrt zu gehen, aber er hätte besser getan, zu Haus zu bleiben und da lieber Steine zu tragen den ganzen Tag. Denn er hat vielleicht keinen Knecht und muß den unterwegs selber machen; und hätte er auch zwanzig Knechte, sie wären nicht genug, denn die Frau wäre nicht glücklich, würde sie ihren Mann nicht immerwährend ärgern und plagen, weil er ihr den dummen Streich gemacht hat, mit auf die Reise zu gehen. Bald ist ein Steigbügel zu lang, bald zu kurz, bald braucht sie den Mantel, bald braucht sie ihn nicht, bald trabt das Pferd zu scharf, daß sie darüber krank wird, bald steigt sie ab, dann wieder auf, weil der Weg schlecht ist oder es über eine Brücke geht, und der Mann muß das Pferd führen. Zuerst schmeckt ihr das Essen nicht, und der Mann, der müde ist wie ein Hund, muß in der ganzen Stadt herumlaufen, um das aufzutreiben, wonach sie Lust hat. Und nichts erträgt sie mit Geduld. Sagen noch die andern Weiber der Reisegesellschaft: »Wirklich, Gevatter, Sie taugen nicht zum Reisebegleiter einer Frau, denn Sie verstehen gar nicht damit umzugehen.« Er hört das und läßt sie reden, denn er ist an Zank und Arbeit gewöhnt wie eine Dachrinne an Regen. Mit Müh und Not kommt man so nach Puy in der Auvergne und tut seine Wallfahrt. Gott weiß, wie sich der Mann in der Menge herumschlägt und drückt und manchen Puff bekommt, um seiner Frau Platz zu machen, damit sie ihren Rosenkranz und ihre Paternoster beten und die Reliquien unserer lieben Frau berühren kann. Die reichen Damen ihrer Gesellschaft kaufen sich da Rosenkränze aus Korallen und Bernstein, Ringe und Heiligenbilder in Email und andres derlei Zeug. Seine Frau muß natürlich auch solche Sachen haben, und er muß für das nötige Geld sorgen.

Endlich reist man wieder heim, nicht anders für den Mann als wie man hinreiste. Ein Pferd lahmt oder steht um, und er muß ein andres kaufen oder er muß zu Fuß trotten, wenn er dafür kein Geld hat, immer neben seiner berittenen Frau her. Sie will einmal Kirschen, dann wieder Pflaumen, dann Äpfel, dann Birnen; jetzt hat sie die Peitsche fallen lassen, jetzt hat sie ihr Taschentuch verloren, und der Mann muß zurück und suchen.

Man kommt nach Haus und meint, nun müsse der Mann wohl Ruhe vor seinem Weibe haben; aber dafür gibt sie noch keine Zeit, denn nun geht es an ein Hin und Her von Besuchmachen und Besuchempfangen, denn sie muß ja von all den schönen Dingen erzählen, die sie gesehen hat, und von allem was passiert ist. Natürlich beklagt sie sich dabei über ihren Mann, der zu gar nichts zu brauchen war und wie er sie oft ganz rasend gemacht hat. Im Hauswesen geht bald alles drunter und drüber; der gute Mann plagt sich was er kann und hat keine ruhige Stunde mehr. Gelingt ihm was, so sagt die Frau, es sei allein ihr Verdienst. Läuft etwas nicht gut ab, so ist es allein seine Schuld. Es ist ihr nun nicht mehr wohl zu Haus und möchte sie immer reisen und unterwegs sein Der Mann altert und kriegt die Gicht. Die Familie ist groß und so sind es die Ausgaben. Die Frau hat nun Reisen und Kinder satt und schimpft und flucht den ganzen Tag. Solcherart ist der gute Mann im Netze, steht alle Leiden und Jammer aus, die er immer für Freuden halten mag, und wird drin bleiben, bis er sein Leben elendiglich beschließt.


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