Anthoine de La Sale
Die fünfzehn Freuden der Ehe
Anthoine de La Sale

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Die sechste Freude der Ehe ist aber diese:

Ein junger guter Mann tut seiner Frau alles zu Liebe und Freundschaft; und die kluge Frau merkt das bald und will nun, daß er nichts unternehme, bevor er sie nicht um Rat gefragt habe und so wird sie Herrin über sein Tun und Denken.

Das Paar hat die Nacht und den Morgen wohl im Schlafzimmer verbracht, daß sie vormittags gar fröhlich und vergnügt sind; der Mann geht nach seinen Geschäften und verläßt seine Frau munter und wohlgelaunt. Er kommt heim zur Essenszeit und läßt seine Frau zu Tisch bitten. Die aber läßt ihm durch eine Magd oder eines der Kinder sagen, daß sie heute nicht essen würde. Er schickt aufs neue nach ihr, und die Magd bringt die gleiche Antwort und bringt sie ein drittes Mal. Da geht er denn endlich selbst zu ihr und fragt sie, was ihr fehle. Sie gibt keine Antwort. Den armen Mann beunruhigt das, und er kommt gar nicht darauf, daß alles nur Verstellung ist – sie tut es nämlich bloß zur Übung für ein anderes Mal, damit er sich an solche ihre Launen gewöhne, wenn es einmal ihr Ernst würde, ihm Hörner aufzusetzen. So läßt sie sich bitten und zum – schon kalt gewordenen – Tisch führen wie eine Braut, zwingt sich zu jedem Bissen, und der arme verliebte Mann weiß nicht, was anstellen, um sie wieder gut zu machen und Verzeihung für irgendwas zu bekommen, was er nie getan hat. Und die Frau hat ganz recht: sie muß den Mann quälen, der sie liebt und damit er sie liebt; und damit glaubt sie ihre Pflichten getan zu haben, daß sie den Mann voll Kummer und Gedanken macht.

Es kommt vor, daß er oft einen Freund oder zwei mit nach Haus bringt, mit denen er oder die mit ihm Geschäfte haben. Er schickt einen Diener voraus und läßt seine Frau bitten, daß sie alles zum Empfang der Freunde bereiten möchte, damit sie es wohl bei ihm hätten, und daß sie auch für eine gute Mahlzeit sorgen möchte. Der Diener geht und richtet die Botschaft aus, auf die er von der Herrin diesen Bescheid bekommt: »Darum kann ich mich wirklich nicht kümmern. Hab ich denn nichts zu tun als die Gäste meines Mannes zu bewirten, und weshalb ist er denn nicht selbst gekommen?« Und damit läßt sie den Diener stehen und geht in ihr Gemach. Oft schickt sie auch noch absichtlich alles Gesinde fort, hierhin und dorthin; die Kammerfrau hat sie sich schon abgerichtet auf das, was sie zu sagen hat, wenn der Mann nach Haus kommt. Sagt dann etwa: »Die gnädige Frau ist sehr krank, und kein Mensch ist im Haus, der etwas hätte besorgen können.« Der gute Mann ist wütend und führt seine Gaste in den Saal, wo weder geheizt noch sonst etwas zum Empfang gerichtet ist und auch nicht in der Eile besorgt werden kann. Die beiden Herren wußten um den vorausgeschickten Diener und merken nun, daß das Wort des Herrn nichts weniger denn ein Befehl im Hause gilt. Der gute Mann schreit nach seinen Leuten, aber es kommt niemand bis auf einen alten gebrechlichen Kerl und eine uralte Küchenmagd, mit denen nichts anzufangen ist – weshalb sie die Frau auch erst nicht weggeschickt hat. Geht also der Mann nach dem Zimmer seiner Frau und fragt: »Liebe, weshalb hast Du denn nicht getan, was ich Dir sagen ließ?« – Die Frau: »Lieber Mann, Du befiehlst mir so viele Dinge auf einmal, daß ich wirklich nicht weiß, was ich zuerst vornehmen soll.« – Der Mann: »Du hast mir da, bei der Jungfrau, keinen guten Streich gespielt, denn ich bin den Leuten, die ich zu mir gebeten habe, sehr verpflichtet.« – Die Frau: »Was kann ich dafür, daß Du so viele Gäste ins Haus bittest und nicht weißt, was ihnen vorsetzen? Du wirst in Deinem Leben nicht vernünftig werden! Aber tu wie Du willst, mir ist es gleich.« – »Sag mir nur das eine,« fragt der Mann, »warum hast Du alle meine Leute weggeschickt?« – »Konnte ich denn wissen, daß Du sie brauchst?« Was soll der Mann darauf sagen? Und sagte er etwas, die Frau wüßte schon noch andere und immer neue Antworten darauf. So ärgert er sich und schweigt, und die Frau bekümmert das nicht weiter, denn sie weiß aus vielen Proben, daß er nichts tun wird. Der arme Schelm läuft das ganze Haus ab nach ein paar Dienstleuten und läßt die alles so gut richten, als es sich will tun lassen. Er verlangt Tischtuch und Servietten und bekommt die Antwort, es seien keine da. Er geht selbst zu seiner Frau, stellt ihr die Schande vor und sagt ihr noch, daß es die Freunde sehr übel nehmen würden, wenn sie nicht zu Tisch erschiene; daß sie sich also anziehen möge und herunterkommen. – »Und was soll ich da machen?« fragt die Frau. – »Ich bitte Dich, tu es mir zu Liebe und komm.« – »Ich denke nicht dran; das sind so große vornehme Herren, was soll ich armes Weib unter ihnen?« – Und kommt sie dann doch, so ist sie angezogen wie eine Magd und benimmt sich auf eine Weise, daß der Mann es lieber gesehen hätte, sie wäre gar nicht gekommen. Denn die Freunde sahen es natürlich gleich, daß sie nur gezwungen kam. Oder sie kommt nicht, und der Mann will die feinen Tischtücher und Servietten haben: »Was? Feine Tücher? Ich meine, die heraus sind, sind für Deine Herren wohl gut genug. Für meinen Bruder und meinen Vetter lege ich keine andern auf, und die werden doch wohl nicht schlechter sein als Deine Freunde. Überdies ist alles feine Zeug in der Wäsche. Und wenn noch was da sein sollte, ich suche schon seit heute morgen den Schlüssel zum Wäscheschrank. Laß mich doch endlich, ich hab so viel zu tun, daß ich nicht weiß wie damit fertig werden und hab Schmerzen, daß ich meine, der Kopf zerspringt mir.« – Der Mann: »Ich werde einfach den Wäschekasten aufschlagen lassen.« – Die Frau: »Das möchte ich sehen! Da möchte ich dabei sein!« Und der Mann setzt sich zu Tisch und zum alten Tischzeug. Er will bessern Wein haben, da ist der Hahn verlegt und man kann so kein neues Faß anstecken, und auch guter holländischer Käse ist nicht da, und muß darum auf gut Glück zum Nachbar schicken. Und der Stallknecht des Herrn erzählt den Dienern der beiden Gäste, daß die Gnädige sich krank stelle, weil sie die fremden Herren nicht ausstehen könne, und erzählt ihnen das, während sie gerade bei Tisch bedienen. Und wie die Gäste nach dem Abendessen sich zu Bett begeben wollen, fehlt es wieder an allem Nötigsten, und müssen sie auf gemeinem Zeug schlafen. Genug haben sie von dem wunderlichen Wesen der strengen Hausfrau erfahren, als sie sich nächsten Morgens empfehlen, und ihre Diener wetzen sich das Maul, daß sie froh waren, aus einem Haus zu kommen, wo sie nicht genug hatten zu essen bekommen und auf der Streu hätten schlafen müssen. So reden sie und ihre Herren denken sich ihr Teil.

Am selben Morgen sagt der Mann zu seiner Frau: »Ich weiß wirklich nicht, Liebe, was ich denken soll. Dein Betragen ist zu wunderlich und wie wird es weiter werden?« – »Bei der Mutter Gottes!« ruft die Frau aus, »ich glaube gar, Du willst mir in meine Wirtschaft dreinreden, wo mir doch wahrlich nichts mehr als die am Herzen liegt, und ich mich kümmere und sorge, daß alles da und in Ordnung ist, wo ich nähe und flicke und mich abarbeite auf den Tod. Und Du kommst, rührst keine Hand und denkst nichts aus als das, was ich erspare, mit fremden Leuten durchzubringen, mit Leuten, die mich gar nichts angehen und mit denen ich auch nichts zu tun haben will.« – »Aber liebes Kind,« sagt der Mann, »das sind doch alles Leute, die mir helfen und nützen!«

Ganz anders ist es, wenn so ein galanter Herr von Adel zu Besuch kommt; da wird nichts gespart. Der Mann sagt stets, daß ihm gar nichts daran liege, diesen Herrn ins Haus zu ziehen und daß er nichts mit ihm zu tun haben wolle. Darauf sagt sie ihm, daß ja er ihn habe einladen lassen, und redet und redet, und es hebt ein Zanken an, und der Mann haut sie und wird so zum Narren. Sagt der Mann: »Um Ruh und Frieden sag ich Dir, daß Du Dich nicht unterstehst, den Menschen noch einmal bei Dir zu haben. Geschieht es noch einmal, so geht es Dir schlecht.« – Die Frau tut darauf: »Mag der Herr Ritter am Galgen hängen, es tät mich freuen. Aber so geht es einmal – die anständige Frau gilt für eine Hure und die Hure passiert für eine anständige Frau. Wär' ich eine schlechte Frau, würd' ich mich zu Tod schämen, aber für Dich eifersüchtigen Menschen bin ich noch viel zu gut.«

Nun ist Streit alle Tage. Aus Bosheit oder Ärger von ihm oder von ihr schlafen sie nun in verschiedenen Zimmern und nicht mehr beieinander, und das ist es, was die Frau haben wollte. Nun macht es keine Schwierigkeit, daß der Herr Ritter, der dem Manne so verdächtig ist, zum Fenster hereinsteigt oder durch die Hintertür eingelassen wird. Und hat sich das gut eingerichtet, so kommt es wieder zur Versöhnung: der Mann schmeichelt seinem Weib und tut ihr schön – was alle Weiber ja immer haben wollen und ist keine Lüge so groß und so dumm, die sie nicht glauben, sobald sie nur zu ihrem Lobe ist.

So geht die Zeit, bis der Mann einmal sein Weib mit jenem Herrn Ritter trifft, wie sie mit ihm spricht, in der Kirche oder in seinem Hause oder bei einem Feste. Das macht ihm schwere Gedanken, macht ihn rasend, wütend und so zum Narren: denn ein Mann vornehmen Herzens beschwert sich nicht mit Weibsdingen. Kennt einmal der Mann seines Weibes Fehler, so erliegt er einer Krankheit, für die es keine Medizin gibt. Ist er beunruhigt, sucht er seine Schande auf, und findet er sie, so ist es nur recht, daß er das Übel ertrage, das er gesucht und gefunden hat und ist verloren. Alle Gefahr wird über sein Gut und seine Gesundheit kommen, und das Alter wird ihn überfallen und alles wird ihm zum Ekel, nichts zur Freude sein. Und ist es zu spät für alle Reue. So lebt er in Qualen hin und endet seine Tage im Elend.


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