Anthoine de La Sale
Die fünfzehn Freuden der Ehe
Anthoine de La Sale

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Die erste Freude der Ehe ist aber diese:

Ein junger Mann lebt in seiner schönsten Jugend, lustig, sorglos, zu allem Scherz aufgelegt wie zu jedem Liebesabenteuer; er sucht sein Vergnügen nach Stand und Vermögen; Eltern oder Verwandte geben ihm was er braucht und er hat sich nicht zu kümmern. Er sieht die Verheirateten, die sehr verlegen in ihrem Netz sind; aber sie kommen ihm vor, als ob sie sich da prächtig unterhielten des Weibes wegen. Er sieht die Frauen schön geputzt, in Kleidern, die ihre Männer allerdings oft nicht selbst bezahlt haben; die Frauen sagen ihnen, sie hättens von ihrer Mutter. Der junge Mann kann nicht weg von dem Netz, läuft immer daran herum – bis er hineinfällt und sich verheiratet. Die Eile, die er hatte, ließ ihn sich nicht besinnen und so hat er oft einen Kauf geschlossen, ohne zu wissen, was er bekam. Aber nun ist's geschehen, und der arme Schelm kann nicht mehr wie früher den Schönen Artigkeiten sagen und ihnen Geschenke machen. Wohl stellt er sich eine Zeitlang vergnügt und zufrieden, bis er sich wieder des andern besinnt, aber es ist zu spät und keine Zeit mehr dafür. Seine Frau weiß ihn schon so herzurichten, wie sie ihn haben will. Und hat sie zufällig ein munteres, fröhliches Herz, und Freude an Festen und Gelagen, so wird sie gern dahin gehen und wird da andere Frauen, bürgerliche oder von ihrem Stande sehen, gekleidet in der neuesten Mode. Dies gefällt ihr so wohl, daß sie sich ihres altmodischen Staates, wie sie sagt, schämt; und so wartet sie auf Ort und Stunde, wo sie ihrem Mann diese wichtige Sache vorbringen könnte, und wählt Ort und Stunde, wo ihr der Mann besonders ergeben und nachgiebig gestimmt ist: die Nacht und das Bett. Da wartet der Mann schon auf das Vergnügen und verliebtes Spiel und vermeint, daß sich nichts anderes sonst da schicke. Da sagt die Frau: »Laß mich, ich bin heut gar nicht aufgelegt und nicht wohl.« – »Was fehlt Dir, Liebe?« fragt der Mann. – »Ich weiß wohl,« sagt sie, »was mir fehlt, aber ich werde mich hüten, Dir's zu sagen, Du machst Dir ja doch nichts draus.« – »Wie kannst Du, Liebe,« fragte er, »so zu mir sprechen?« – »Es ist nicht nötig, daß Du es weißt, und gerade das ist etwas, worauf Du nicht hören wirst, wenn ich es Dir sage.« – »So sprich doch«, sagt der Mann. »Also wenn Du es willst, mein Liebster,« sagt die Frau: »Du weißt, ich war gestern auf den; Fest, zu dem Du mich schicktest und wo ich erst nicht hinwollte. Wie ich also hinkomme, da war keine Frau so schlecht angezogen wie ich und keine davon war schließlich mehr wie ich, wie ich wohl ohne Überhebung sagen kann. Ich sag das nicht meinetwegen, wie Du weißt, denn ich weiß, was ich bin, aber ich schämte mich für Dich und für meine Freundinnen.« – »Ja, wie waren denn die andern angezogen, Liebste?« fragt der Mann. – »Da war keine,« erklärt die Frau, »die nicht in Samt ging, mit Spitzen oder in modernem Grün, grau ausgeschlagen, mit weiten Ärmeln und seidengestickten Gürteln, die auf dem Boden schleiften, alles nach der neuesten Mode. Du kannst Dir denken, was ich daneben für eine Figur machte mit meinem Hochzeitskleid, das nahezu abgetragen und zu kurz ist, weil ich seit der Heirat stärker und größer geworden bin. Ich war ja noch ein kleines Mädchen, als ich heiratete, und jetzt hab ich eine Taille, als ob ich schon paarmal Mutter gewesen wäre. Ich hab mich unter den andern so geschämt, daß ich alle Kontenance verlor. Und da fragte mich noch die eine, was ich da anhabe, und eine andere sagte, es sei eine Schande, wie ich angezogen sei.« – »Ach, Liebste,« seufzt der gute Mann, »Du weißt doch, daß wir genug Ausgaben haben und daß ich, als wir heirateten, alles anschaffen mußte, Bett und Möbel und alles andre, und daß wir jetzt mit dem Geld etwas knapp sind. Du weißt doch auch, daß ich auch zwei Ochsen für unsere Meierei draußen kaufen muß. Und dann muß ich vor allem andern das Scheunendach flicken lassen, das es sehr nötig hat. Und dann muß ich vielleicht auch noch wegen Deines Prozesses, der mich nur kostet und bei dem ich nichts gewinne, zu Gericht fahren.« – »Ach, Du wirfst mir schon wieder den Prozeß um mein Heiratsgut vor, anderes fällt Dir ja nichts ein,« sagt die Frau und dreht sich um, daß sie ihrem Mann den Rücken kehrt, »laß mich, ich rede kein Wort mehr mit Dir.« – »Werd doch deswegen nicht gleich so wütend, Liebe,« bittet der Mann. – »Gar nicht,« sagt sie, »aber wenn Du nichts oder nur wenig hast, kann ich doch nichts dafür. Aber Du weißt doch ganz gut, wen ich alles hätte heiraten können, zwanzig warens gewiß, die mich um meiner Schönheit wegen haben wollten, ohne Mitgift. Und Du wirst Dich noch gut erinnern können, wie Du immer um mich herum warst und ich keinen andern wollte als Dich, und wie mein Vater dagegen war und noch ist und wohl recht hat, denn jetzt seh ich es ein, daß ich die unglücklichste Frau auf der Welt bin. Sag mir doch, ob die Frauen, die sich vor mir in ihren schönen Kleidern brüsten, mehr sind als ich, ob sie reicher oder vornehmer sind, sag doch! Beim heiligen Johann, die Kleider, die sie ihren Mägden schenken sind besser als die, die ich am Sonntag trage. Ich weiß nicht, weshalb so viel ordentliche Leute sterben, um die es schade ist – wollte Gott, ich stürbe bald! So wärst Du mich los und brauchtest Dich nicht mehr über mich zu ärgern.« – »Sprich doch nicht so, Liebste,« sagt der Mann, »Du weißt, es gibt nichts, das ich nicht für Dich täte. Dreh Dich doch wieder zu mir, ich tu alles, was Du willst.« – »Laß mich. Ich weiß ja, wie Du Dein Wort hältst. Aber das sag ich Dir: Nie mehr laß ich mich von Dir auch nur anrühren.« – »Nie mehr!« – »Nein, nie mehr!« – Nach einer kleinen Weile sagt der Mann: »Wenn ich gestorben bin, heiratest Du auch sofort einen andern.« – »Ich?« ruft die Frau aus, »ich noch einmal heiraten? Beim Sakrament, mich küßt kein Männermund mehr, und wenn ich wüßte, daß ich nach Dir sterben sollte, so würde ich schon was tun, daß ich die erste wäre.« Und sie beginnt zu weinen.

Und weint und weint – bei sich denkt sie gar nicht daran – und ihrem Mann ist beides: wohl und weh. Wohl, daß seine Frau nur für ihn leben wolle, und weh, weil er sie weinen sieht, was ihm das Herz rührt; und ohne ein Wort zu sagen, nimmt er sich vor, ihren Wunsch zu erfüllen, und tut ihr schön auf tausend Arten. Aber noch hat sie das Kleid nicht und gibt ihre Rolle der zürnenden Unglücklichen nicht auf: rührt sich nicht und spricht kein Wort. Früher als gewöhnlich steht sie am nächsten Morgen auf; den ganzen Tag ist sie schlechter Laune; schenkt ihrem Mann keinen Blick. Es kommt die nächste Nacht, und die Frau geht zu Bett; nach einer Weile sieht der Mann nach, ob sie schon schläft und auch gut zugedeckt ist. Da tut sie so, als ob sie aufwachte. »Schläfst Du schon, Liebste?« frägt der Mann. – »Noch nicht.« – »Und bist Du wieder gut?« frägt er. – »Gut? Du weißt, daß mein Zorn nicht lang dauert. Und dann hab ich ja Gott sei Dank alles was ich brauche.« – Und der Mann: »Ja, das haben wir, und so will ich Dir auch zu der Hochzeit meiner Cousine ein Kleid kaufen, wie es keine andere hat.« – »Ich geh aber doch nirgends hin in diesem Jahr!« sagt die Frau bestimmt. – »Du wirst schon,« sagt der Mann, »und sollst haben, was Du verlangst.« – »Was ich verlange?« macht die Frau erstaunt, »aber ich verlange doch gar nichts! Gott soll mich bewahren, daß ich es um meinetwillen gesagt habe, denn ich gehe heuer nicht aus dem Hause als in die Kirche, und ich hab Dir nur erzählt, was die andern sagten.« – Der Mann überdenkt alle die Sachen, die er in seine Wirtschaft zu kaufen hat und weiß nicht, woher er das Geld dafür nehmen soll. Dafür und für das Kleid, das zu kaufen er nun durchaus entschlossen ist, denn er sieht seine Frau so klug und schön. Er wälzt sich die Nacht auf seinem Lager und denkt an das Geld, während die listige Frau heimlich über ihn lacht.

Nächsten Morgen ist der arme Mann ganz zerschlagen von der Nacht, steht auf und geht. Er borgt sich Geld, verkauft ein goldenes Familienstück von seinem Großvater her und kommt heim mit Seidenstoffen und Spitzen und Tuch und allerlei Zutat, wie es seine Frau verlangte. Die stellt sich erst, als ob ihr gar nichts daran gelegen und schimpft auf jene, die mit ihrem Gerede sie zu solchen Ausgaben veranlaßten. Wie nun alle Sachen da sind und nichts mehr fehlt, sagt sie: »Mein Lieber, sag mir nur morgen oder übermorgen nicht, daß ich Dich veranlaßt habe, so viel Geld auszugeben; Du weißt, ich bin mit dem Einfachsten zufrieden.« Kurz, das Kleid wird nach der neuesten Mode gemacht, und die Dame zeigt es in Kirchen und auf Bällen.

Dann kommt die Zeit, daß der Mann seine Gläubiger zahlen muß; er kann nicht zahlen und sie wollen nicht länger warten. Man droht mit der Pfändung – die Frau hört zu – und man nimmt Schmuck als Pfand mit. Und da er nicht bezahlen kann, kommt der Tag, da ihm alle seine Habe genommen wird. Die Frau läuft im Hause herum und schreit: »Verflucht sei die Stunde, da ich geboren wurde! Daß ich doch in den Windeln gestorben wäre! Was für eine Schande! Hab ich gearbeitet und gesorgt und nun ist alles verloren! Wie könnte ich glücklich sein, hätte ich mich anders verheiratet!« So klagt die Frau und weint und denkt nicht an ihre Kleider und Feste und Kindstaufen, die sie so gern besuchte, statt sich daheim um die Wirtschaft zu kümmern, und gibt alle Schuld ihrem Mann. Und der ist vor Liebe so heruntergekommen und unfähig geworden, daß er alle Schuld auf sich nimmt. Er denkt nichts sonst, als wie sich von seinen Schulden befreien, damit die Frau nichts zu klagen und weinen habe, und bringt so sein Leben hin in Kummer und stirbt in Elend.


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