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Der Sinn ist aller Dinge Heimat,
der guten Menschen Schatz,
der nichtguten Menschen Schutz.
Mit schönen Worten kann man zu Markte gehen.
Mit ehrenhaftem Wandel
kann man sich vor andern hervortun.
Aber die Nichtguten unter den Menschen,
warum sollte man die wegwerfen?
Darum ist der Herrscher eingesetzt,
und die Fürsten haben ihr Amt.
Ob man auch Zepter von Juwelen hätte,
um sie im feierlichen Viererzug zu übersenden,
nicht kommt das der Gabe gleich,
wenn man diesen Sinn
auf seinen Knien dem Herrscher darbringt.
Warum hielten die Alten diesen Sinn so wert?
Ist es nicht deshalb, daß es von ihm heißt:
»Wer bittet, der empfängt;
wer Sünden hat, dem werden sie vergeben«?
Darum ist er das Köstlichste auf Erden.

Das Wort, das wir mit »Heimat« wiedergegeben haben (Au), bedeutet eigentlich die dunkle Südwestecke des Hauses, wo der Lar seinen Sitz hatte. Die Verehrung des Laren scheint übrigens im 6. Jahrhundert schon wesentlich zurückgegangen zu sein zugunsten des Herdgottes, der gegenwärtig den vollen Sieg davongetragen hat. Man vergleiche zu diesen Zuständen Kungfutse, Gespräche III, 13.

Indem Laotse die Art dieser Gottheit, die in den dunklen Verborgenheiten des Hauses unsichtbar schützend thront, in erweitertem Maßstab auf den Sinn anwendet, gewinnt er ein überaus bezeichnendes Bild für ihn, das in den beiden nächsten Zeilen noch weiter erklärt ist. Bemerkenswert ist die Ausdehnung seiner Wirksamkeit auch auf die Nichtguten, vgl. Schillers Lied an die Freude:

»Alle Guten, alle Bösen
Folgen ihrer Rosenspur«.

Die beiden Zeilen über die schönen Worte und den ehrenhaften Wandel sind nach dem Wortlaut bei Huai Nan Dsï wiedergegeben. Die Stelle hat große textliche Schwierigkeiten.

In der Beziehung der Einsetzung des Herrschers und der Fürsten auf das Vorangehende, daß sie nämlich dafür sorgen, daß auch die Nichtguten nicht verworfen zu werden brauchen, folgen wir dem Kommentar II.

Das Folgende geht von dem Bild der Darbringung von Geschenken an den Herrscher aus, es bezeichnet den Sinn als die wertvollste Gabe an den Herrscher. Möglich wäre auch die Übersetzung: »Besser als ein Minister, der (alle äußeren Formen beherrscht und in Anwesenheit des Herrschers) sein Nephritszepter ehrfurchtsvoll in Händen hält und mit vier Vorreitern fährt, ist einer, der auf seinen Knien (wörtlich »sitzend«, entsprechend dem alten Ritus) den Sinn darbringt.« Die Details des Hofzeremoniells, die hier andeutungsweise erwähnt sind, bedürfen wohl, weil nicht wesentlich, keiner ausführlichen Erläuterung.

Die Idee der Sündenvergebung, die hier auftritt, ist der konfuzianischen Richtung in dieser religiösen Ausprägung im allgemeinen fremd.

 


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