Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

58

Wessen Regierung still und unaufdringlich ist
dessen Volk ist aufrichtig und ehrlich.
Wessen Regierung scharfsinnig und stramm ist,
dessen Volk ist hinterlistig und unzuverlässig.
Das Unglück ist's, worauf das Glück beruht;
das Glück ist es, worauf das Unglück lauert.
Wer erkennt aber, daß es das Höchste ist,
wenn nicht geordnet wird?

Denn sonst verkehrt die Ordnung sich in Wunderlichkeiten,
und das Gute verkehrt sich in Aberglaube.
Und die Tage der Verblendung des Volkes
dauern wahrlich lange.

Also auch der Berufene:
Er ist Vorbild, ohne zu beschneiden,
er ist gewissenhaft, ohne zu verletzen,
er ist echt, ohne Willkürlichkeiten,
er ist licht, ohne zu blenden.

Der Sinn der ersten vier Zeilen ist ohne weiteres klar.

Im Folgenden finden sich verschiedene Abweichungen im Text. Unserer Textauffassung nach ist die Meinung etwa: Was zunächst als Unglück erscheint (nämlich die zögernde Handhabung der Regierung), stellt sich mit der Zeit als Glück heraus. Was zunächst als Vorzug erscheint (nämlich eine energische und zufassende Regierung, die das Volk zu Ruhm und Ehren führt), bringt mit der Zeit Unglück. Darum ist es das Höchste, nicht zu regieren; denn sonst wird das Gesetz mit der Zeit lästig: »Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage«. Und das Volk bleibt in beständiger Verblendung (vgl. Faust I).

Eine andere Textversion teilt nach Zeile 7 ab, nimmt also die Zeile noch zum Vorhergehenden und erklärt: »Wer erkennt es aber, daß Glück und Unglück auf ihrem Höhepunkt beständig ineinander übergehen?« Dann heißt es weiter: »Hat er (der Regent) nicht die rechte Art, so verkehren sich die Ordnung und das Gute fortwährend in ihr Gegenteil, und das Volk kommt aus der Verblendung nicht heraus«.

 


 << zurück weiter >>