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Macht selten die Worte,
dann geht alles von selbst.
Ein Wirbelsturm dauert keinen Morgen lang.
Ein Platzregen dauert keinen Tag.
Und wer wirkt diese?
Himmel und Erde.
Was nun selbst Himmel und Erde nicht dauernd vermögen,
wieviel weniger kann das der Mensch?

Darum: Wenn du an dein Werk gehst mit dem Sinn,
so wirst du mit denen, so den Sinn haben, eins im Sinn,
mit denen, so das Leben haben, eins im Leben,
mit denen, so arm sind, eins in ihrer Armut.
Bist du eins mit ihnen im Sinn,
so kommen dir die, so den Sinn haben,
auch freudig entgegen.
Bist du eins mit ihnen im Leben,
so kommen dir die, so das Leben haben,
auch freudig entgegen.
Bist du eins mit ihnen in ihrer Armut,
so kommen dir die, so da arm sind, auch freudig entgegen.
Wo aber der Glaube nicht stark genug ist,
da findet man keinen Glauben.

Die zweite Hälfte bietet große Schwierigkeiten. Auch ist der Text in den verschiedenen Ausgaben verschieden, was den dringenden Verdacht der Korruption nahelegt.

Besondere Differenzen herrschen über die Auffassung des Worts, das im Text mit »Armut« wiedergegeben ist und wörtlich »verlieren« heißt. Nicht minder schwierig ist der Ausdruck, der im Text mit »freudig entgegenkommen« übersetzt ist und wörtlich »sich freuen zu bekommen« heißt. Der Komm. II sowie St. Julien lassen das »sich freuen« aus, wodurch der Text flüssiger wird; es ist aber fraglich, ob nicht eine nachträgliche Erleichterung vorliegt. Wang Bi faßt den »Verlust« in dem Sinne auf, den wir im Text gegeben. Er sagt: »Der Berufene kann alles aushalten und sich mit allem identifizieren – also auch mit dem Verlieren, der Armut.« Andere, z. B. Strauß, fassen den »Verlust« gleich »Verderbnis«. Dann bekommt man die unmögliche Auffassung: »Wer durch Nachfolge Taos zur Wesenseinheit mit ihm kommt, der wird auch von Tao mit Freuden aufgenommen und angeeignet. Tao bewegt sich ihm entgegen, fördert und vollendet sein Streben und freut sich, ihn zu erhalten. Ähnlich die Tugend (von uns mit Leben wiedergegeben), die (und so auch die Verderbnis) hier entweder rhetorisch personifiziert wird oder auch durch diejenigen, welche sich mit ihr bereits identifiziert haben, vertreten gedacht werden mag. Die Verderbnis aber freut's, den, der mit ihr sich einiget, zu verderben.« (Hier liegt abermals eine Textvariante zugrunde.) Strauß a. a. O. pag. 123. Dazu ist zu sagen, daß diese Personifikationen der ganzen pantheistischen Stimmung Laotses nach und beim 2. und 3. Glied auch dem chinesischen Sprachgefühl nach unmöglich sind. Auf der andern Seite steht die Carus'sche Auffassung (a. a. O. pag. 109): »When identified with reason, he forsooth joyfully embraces reason, when identified with virtue, he forsooth joyfully embraces virtue; and when identified with loss, he forsooth joyfully embraces loss.« Auch diese Auffassung ist grammatisch möglich.

St. Julien übersetzt: »Celui qui s'identifie au Tao, gagne le Tao« usw.

Der Komm. II sieht darin den Satz der Vergeltung ausgedrückt, daß jeder erhält, was seine Taten wert sind.

Alles in allem wird man die Stelle als hoffnungslos aufgeben müssen.

Die letzte Zeile findet sich im Zusammenhang von Abschnitt 17.

 


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