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Viertes Kapitel

Wiederholen wir uns im kurzen den gestrigen Gedankengang unsers Freundes, so kam er zu dem Ziele: Amerika ist im Urwald; die Großstädte der ganzen Erde sind einander familienähnlich. Und wie die brausende Riesenorgel New York heute von neuem ihre Werktags-Register wieder spielen läßt, so winkt ihm über all dem betäubenden Stadtgewühl jetzt das Friedensbild von Wald und Prärie. Wie eine selige Luftspiegelung schwebt ihm das Bild zu Häupten, rein und vernehmlich blickt's dem Erwachenden durch die Morgenfenster und läßt tagsüber nicht ab, mit wonnevollem Geflüster sein Gemüt zu treiben und zu kräuseln. Das ist ja die Schönheit des genialen Menschen vor dem beschränkten und kleinlichen; wenn dieser den Erfahrungen gegenüber an Wärme verliert, so wirft sie jener auf neue und immer wieder auf neue Teile und unter der Schneelocke noch bricht ihm ein junges, glaubensfähiges Herz.

Moorfeld geht also heute lebendiger als je dem Gedanken seiner Ansiedlung nach. Ob wir ihn deswegen sogleich in die Schatten der Urwälder verschwinden sehen – überlassen wir das dem ehrlichen Generallandamt. Wir werden sehen. Begleiten wir ihn auf den Weg dahin.

Das Generallandamt ist der Ort, wo Kongreßland verkauft wird. Käufer und Ratgeber der Käufer umschwärmen das Gebäude zu allen Stunden des Tages; nie wird sein Inneres von Menschen leer, nie fehlt es den Karten, Plänen und Prospekten, womit seine Hallen von oben bis unten bedeckt sind, an gelehrten Beschauern und ungelehrten Begaffern, nie verkennt man in der Straße des Hauses jenes geldwickelnde, papierzettelnde, Brieftaschen aus- und einsteckende Publikum, welches die Nähe großer Geschäftsresidenzen bezeichnet, in denen der Verkehrsdrang so stark ist, daß man die Reste der Zahl- und Schreibtischarbeiten weit und breit unter freiem Himmel zu Ende kramt.

Als Moorfeld in die Straße eintrat, erregte er die Aufmerksamkeit eines Herrn von feinem, fast vornehmem Äußern, der ihn prüfend, aber nicht länger als anständig, betrachtete, dann vor ihm stehen blieb und ihn höflich anredete:

Mein Herr, Sie sind Ungar, wenn Sie meine Freiheit entschuldigen wollen?

Ihnen zu dienen, mein Herr – von deutscher Familie in Ungarn gebürtig.

Die höfliche Haltung des Fremden erwärmte sich. Und kommen in der Absicht, sich anzukaufen? fuhr er fort – in diesem Falle erlauben Sie mir, daß ich mich Ihnen vorstelle. Ich bin ein österreichischer Gesandtschaftsbeamter und speziell employiert, unsern Staatsangehörigen bei Landkäufen in jenem Hause meine Dienste anzubieten. Das Vorurteil der meisten Auswanderer gegen alles, was heimatliche Behörde heißt, ist leider ein solches, daß sich die Gesandtschaften fast aufdrängen, ja ihren Charakter verleugnen müssen, wenn sie die Ihrigen vor Schaden bewahren wollen. Doch Ihnen gegenüber ist dieses Vorurteil natürlich als nicht vorhanden anzunehmen. Ihnen präsentiere ich am besten gleich meine Legitimation. Hier ist sie. Ich stehe Ihnen bei ihrem Kaufgeschäft mit Rat und Tat zur Verfügung.

Dankbar anerkannt, mein Herr; ich glaube auf Ihre Güte verzichten zu dürfen.

Es ist auch nur eine Formel in diesem Falle. Der intelligente Immigrant bedarf dessen nicht, ich weiß. Erfülle Amtspflicht, nichts weiter. Entschuldigen Sie mich. Ihr Diener, mein Herr.

Der Fremde wandte sich zum Gehen. In demselben Augenblick aber hielt er inne, zog seine elegante Brieftasche und überreichte Moorfelden seine Karte mit den Worten: Wenn Sie nicht pressiert sind, mein Herr, so bitte ich mir vor Ihrer Abreise das Vergnügen auf eine Flasche Tokaier aus. Wir beide werden unsre Landsleute – denn auch ich bin Ungar – in der ganzen Union wohl schwerlich je zu Gesicht bekommen. Und das Andenken der Heimat –

Aus welcher Gespanschaft, wenn ich bitten darf, fragte Moorfeld, der sich erst jetzt den artigen Herrn aufmerksamer ansah.

Aus dem Zempliner Komitate, Ujhely ist meine Geburtsstadt, war die Antwort des Fremden. Und mit einem Seufzer, den er nur mühsam in die gemessenen Formen zurückpreßte, fuhr er fort: Ich wollte, ich war' wieder dort! Ubi bene ibi patria – ganz recht – aber wo ist's denn bene, wo ist's denn optime, wenn nicht eben in unserm herrlichen magyar-ország? Ach saß' ich noch als Konzipist bei der Palatinaltafel! Sie taten unrecht, barátom – Pardon »mein Herr«, sagt man hier – Sie taten unrecht, mein Herr, aus einem Lande wie Ungarn auszuwandern. Was können Sie bessers dafür eintauschen? Darf ich fragen, wo Sie Ihre Niederlassung projektieren?

Ohio ist stark in Aufnahme, sagte Moorfeld.

Durch den neuen Ohio-Erie-Kanal, allerdings; aber – fluchte der Gesandtschaftbeamte mehr naturwüchsig als diplomatisch, – Gott verdamm' mich, wenn ein Mann von Bildung aushält in einem Lande, das just in Aufnahme ist. Ein solches Modeland ist wie ein Kloake, ein wahrer Abzugsgraben. Alles Gesindel strömt da zusammen, die borniertesten Rasse-Unterschiede haben ihr ekelhaftes Spiel, Parteisucht, Mord und Totschlag sind an der Tagesordnung. Nein, mein Herr, Sie sind ein viel zu feiner Kulturmensch für solche Schlammwirbel. Sollt' ich Ihnen raten – Sie sehen ich falle nicht aus meinem Amte, lächelte der Sprecher – so ging' ich diesem wilden Landspekulationsschwindel aus dem Wege, und suchte mir ein reservierteres Plätzchen.

Zum Beispiel? fragte Moorfeld.

Die beiden Männer waren inzwischen, da der Beamte mechanisch seine Schritte an Moorfeld anschloß, die Straße hinabgekommen und ins Erdgeschoß des Landamtes eingetreten. Sie standen in einer Halle, welche die Vorhalle zu den verschiedenen Bureaus des Amtsgebäudes war, zugleich aber nach Art einer Börsenhalle den Selbstzweck eines öffentlichen Besprechungsortes zu haben schien. Dazu war sie in allen Teilen eingerichtet. Nicht nur sah man Säulen und Wände mit Plakaten von Fahrplänen und Reiserouten in allen Farben und Formaten bunt überkleidet, Situationskarten von allen Gegenden der Union, nach allen Maßstäben projektiert, vom Fußboden bis an den Plafond augenverwirrend durcheinander geklebt: auch Tische und Bänke standen zu reichlicher Bequemlichkeit überall umher und auf den Tischen deuteten Schreibzeuge, Trinkgläser und Wasserflaschen in Kühleimern den ständigen Verkehr eines großen geschäftlichen Publikums an. Dieses Publikum sah Moorfeld in den verschiedensten Trachten, Physiognomien und Nationalitäten auch ringsum die Halle erfüllen, indes ein Durcheinander aller Sprachen und Mundarten babelähnlich sein Ohr betäubte. Er selbst bedurfte aber großer Überwindung, diese Schwelle zu betreten, denn der erste Blick auf den Marmorboden glitt in eine so häßliche Spucknapfpfütze, daß sich seine ganze Natur schauernd am Eingang sträubte. Nur der Gewandtheit seines Führers gelang es, ihn geschickt durch die gangbarsten Stellen dieses Speichelmeers durchzubugsieren, während Moorfeld selbst keine andre Rettung erkannte, als seine Fußspitze überhaupt nicht mit dem Auge zu verfolgen. Sein weißes Steg-Beinkleid gab er übrigens auf.

Sehen Sie dieses Terrain hier; das ganze Gebiet des untern Missouri, sagte der Fremde, indem er Moorfelden vor eine der vorhandenen Karten führte, das ist der vorzüglichste Boden für unsre Nationalität. Wir Ungarn akklimatisieren uns schwer an Land und Leute; auf diesen Prärien aber leben Sie wie auf unsern Pußten. Leute siedeln noch wenig hier und das Land – wenn zwischen beiden Polen ein Erdwinkel unserm schönen und fruchtbaren Ungarn gleicht, so ist es dieser. Die Üppigkeit des untern Missouri spottet allem Glauben. Ganze Wälder gibt's hier, die aus dem Geschlinge eines einzigen Baumes bestehen; andern Orts fanden die Landesvermesser wieder auf einem einzigen Morgen vier Arten von Walnußbäumen, drei Arten Eichen, zwei Arten Ulmen, den virginischen Kirschbaum, den kanadischen Judasbaum, Pflaumenbäume, einen Maulbeerbaum, Eschen, Linden, Sassafrasbäume, Storaxstauden, Papawbäume, den blumenreichen Kornelbaum, den Eisenholzbaum, den Häckberrybaum, Platanen, Weinstöcke, Haselstauden, Brombeeren und Holunder. Rechnen Sie zu dieser Vegetation den entsprechenden Wildreichtum, erwägen Sie die Wasservorteile vom Missouri und Mississippi, und Sie werden keinem Lande der Welt den Vorzug geben. Ein nicht zu verachtendes Akzidenz sind auch die Pferde, die Sie hier umsonst haben können. Wenn diese Tiere nämlich von den Hofstellen des obern Missouri entlanglaufen und in ihrem Instinkte dem Wasser folgend, am untern Missouri ankommen, so sehen sie sich zwischen Missouri und Mississippi plötzlich aufgehalten und in weiterer Flucht gehemmt. Dieser Mündungswinkel ist daher stets angefüllt von jener edlen und nützlichen Tiergattung, er ist nichts als ein großer Marstall für den dortigen Farmer. Wer aber bedenkt, daß Menschenarbeit und Haustiere die höchsten Posten im Ausgabebudget eines amerikanischen Landwirts sind, der wird diesen Umstand nicht gering anschlagen. Doppelt schätzbar ist er natürlich dem Ungar, dem gebornen Reiter und Pferdefreund, und eine Prärie mit dieser herrlichen Tierstaffage kann ihm den Heimatszauber der Pußta gar nicht mehr süßer vergegenwärtigen. Das sind die kleineren, aber wichtigen und interessanten Detailzüge einer Lokalität, die kein Handbuch nennt, die aber an Ort und Stelle den Entschlüssen des Auswanderers erst eine entscheidende Richtung zu geben imstande sind. Wahrlich, die Abolitionisten verfolgen eine unverantwortliche, aber zum Glück auch unhaltbare Politik, wenn sie die Besiedelung solcher Mutterländer, wie Missouri, bloß weil sie Sklavenstaaten sind, bisher systematisch zu hindern oder in Vergessenheit zu bringen gewußt haben. Natürlich ist das für den heutigen Ankäufer nur eine Chance mehr. Denn wenn jene abstrakte und ungesunde Abolitionspolitik eines Tages in die Luft auffliegt, wozu es unter Jackson schon jetzt den Schein gewinnt, so schnellt Ihr Bodenwert in unaufhaltsamer Folge ums zehn-, hundert- und tausendfache empor und Ihre Hofstelle kann gar wohl ein zweites Cincinnati werden, dessen ganzes Stadtareal in ein- und demselben Menschenalter dreißig Dollar und zwei Millionen Dollar wert war. St. Louis überflügeln Sie reißend. Franzosen und Katholiken halten sich nirgends gegen die Konkurrenz der protestantischen Anglo-Amerikaner. Es ist schade, daß wir das sagen müssen, aber was kümmert's uns? Wir verkaufen unser Land an die Rasse, wir brauchen ja nicht zu leben mit ihr! Daß wir's ein paar Jahre getan haben, dafür schleppen wir unsre Million nach Hause, und das ist doch auch etwas. Ich sage wir, denn auch ich habe ein kleines Kapital in Missouri-Land angelegt, in der Gegend von St. Charles, die nämliche, die ich Ihnen empfehle. Kommen Sie gefälligst in mein Bureau, ich will Ihnen die topographischen Pläne und landamtlichen Berichterstattungen davon vorlegen, dann sollen Sie sehen, von welchen Avantagen hier die Rede ist im Vergleich zu dem armseligen Ohio-Erie-Kanal-Puff, der übrigens größtenteils schon ausgebeutet und für den heutigen Spekulanten kaum noch de saison ist.

Während der Gesandtschaftsbeamte so sprach, fingen zwei Männer in einer benachbarten Gruppe lauter zu reden an, dem Scheine nach zwar unter sich, doch so, daß es Moorfeld deutlich vernehmen konnte. St. Louis hat eine hügelige Lage, sprach einer der Männer, und ist nur darum bewohnbar. Wer Ihnen aber St. Charles empfiehlt, den betrachten Sie als Ihren Mörder und Totschläger. Ich will verdammt sein, wenn das Land nicht unterm Wasserspiegel von Missouri und Mississippi liegt. Es ist ein Loch für Regenwürmer und Ratten. Es ist das Hauptquartier der Fieberpest. Pfui, pfui, fort mit St. Charles! Ich sehe den Schimmel an den Wänden, und das Wasser von der Decke tröpfeln, wenn ich St. Charles nennen höre. Die Blockhäuser vom dortigen Holze haben alle den Schwamm. Mich schüttelt das Fieber, meine Natur gerät in Transaktion bei dem Gedanken St. Charles. Sprechen wir nicht mehr davon, mein Herr!

Wir Ungarn heißen Gascogner und Bramarbasse, sagte Moorfelds Landsmann lächelnd, aber diese Yankees wissen die Hyperbel noch ganz anders zu handhaben. Haben Sie den Burschen gehört? Der allmächtige Schuft hat wahrscheinlich eine Handvoll Klippen und Felsen in Agentur, und schwärzt seinem armen Opfer, das uns vielleicht belauscht hat, das köstlichste Bottomland unter der Sonne nun mit des Teufels Pinsel an. Etwas fieberig ist die Gegend, das leidet keinen Zweifel, aber was schadet das einem Ungar? Sind wir in Sumpf und Niederung nicht geboren? Ich spreche nämlich von der reinen Rasse, denn im Gebirge sitzen die Slowacken. Wo sind Sie zu Hause, barátom?

Ich bin von Saros-Patak im Banate, sagte Moorfeld mit fester Verwegenheit.

Nun dann kommen Sie, rief der Gesandtschaftsbeamte entschieden. Das besiegt auch den zartesten Zweifel. Ein Mann, dessen Wiege von den Überschwemmungen der Donau, der Theiß und der Maros zugleich bespült war, der kann ohne Sumpfluft gar nicht gedeihen. Der findet zwischen Missouri und Mississippi nichts als Brüste voll Muttermilch. Kommen Sie.

Moorfeld blieb stehen und maß den Mann, dessen unerschütterliche Fassung ihm fast imponiert hätte, mit einer Art von Bewunderung. Als aber jener sich die freundschaftliche Freiheit nahm, seinen Arm zu ergreifen, trat er gemessen zurück und sagte kalt: Alles wohl erwogen, mein Herr, so kehre ich wieder heim nach Saros-Patak im Banat. Vielleicht hat sich Saros-Patak inzwischen fünfzig Meilen nach Norden hinauf lokomoviert, und sich eine halbe Stunde vor Ujhely hingelegt, was, wie ich höre, Ihr Geburtsort ist. Dann sind wir ja doch wieder Nachbarn. Mit diesen Worten wandte er dem Betrüger den Rücken, welcher mit einem damned! zwischen den Zähnen sich aus dem Staube machte. Dem unkundigen Leser sei aber zu wissen, daß Saros-Patak nicht eben bloß einen Ortsnamen, der möglicherweise öfter vorkommen könnte, sondern zugleich die Lage des Ortes bezeichnet, so daß daher: Saros-Patak im Banate – ungefähr klang, wie: Naumburg an der Saale in Württemberg. Der Schwindler, der so vieles bruchstückartig wußte und mit hoffnungskühner Frechheit darauf baute, wußte zufällig dieses nicht.

Kaum war derselbe hinweg, so wendete sich von jenen beiden Männern derjenige, welcher über St. Charles abgesprochen hatte, zu Moorfeld, und sagte mit der freien lächelnden Stirn eines Glückwünschenden: Da sind Sie einen der ärgsten Gauner los geworden, der je einen Galgen zu zieren verdient hat, Sir. Der Westen hat eine große Zukunft, Sir, wer möchte es leugnen, und der Mississippi wird jetzt, was vor fünfzig Jahren die Alleghanies waren – die zweite Parallele der Zivilisation gegen die Barbarei. Aber Donnerwetter, Sir, wer dürfte einen Mann von Ihrer espèce zu einem Schanzgräber machen? Das überläßt man den Backwoodmen, den Squatters. Wohlfeiles Land – ja, ja, aber nicht wahr die Baugefangenen in Ihrem Europa, Sir, die mit Hand- und Fußschellen arbeiten, bearbeiten auch wohlfeiles Land, verdammt wohlfeiles Land, keinen Penny kostet es sie, der Teufel weiß es! Nein, Sir, bleiben Sie bei Ihrem Ohio, ich rate Ihnen nichts anders, als Sie sich selbst raten. Welche Anmaßung wäre es auch, einen Gentleman Ihresgleichen für unberaten zu halten! Ohio, recht so, Ohio! mit unvergleichlichem Blick ist's gewählt. Zwischen dem rohen Westen und dem kostspieligen überfeinerten Osten die goldene Mitte! Urwald, Kultur, Wildheit, Schönheit, Luxus, Indianer, Universitäten, Einsamkeit, Meetings, Jugend, Vergangenheit und Zukunft – es gibt nichts Angenehmers und Vorteilhafters, das in diesem glücklichen Staate nicht im reizenden Gemisch vereinigt wäre. Zwar seit dem Ohio-Erie-Kanal haben die Bodenpreise angezogen, es ist wahr, und Kongreßland steht überhaupt nicht mehr im Angebot: Sie werden aus zweiter Hand kaufen müssen. Aber ein Gentleman von Ihrer Bildung war längst in Europa unterrichtet von diesen Verhältnissen; anmaßend wär's, Ihnen was Neues damit zu sagen. Ohio-Land ist, wie Sie also wissen, in den Händen der Aktienkompagnien. Das ist kein Geheimnis. Und ebensowenig mache ich ein Hehl daraus, daß ich Agent einer solchen Kompagnie bin, und Ihnen Ohio-Land gerne verkaufen möchte. In Wahrheit, mein Herr, das will ich, und das ist's, was man einen ehrlichen Handel, eine reine Kaufmannschaft nennt; dazu braucht man keinen österreichischen Gesandten. Jener ewige Schuft baumelt noch mit seiner österreichischen Gesandtschaft; ich will an einer Erdbeere sterben, wenn er nicht baumelt, Sir, aber er tut es gewiß, verlassen Sie sich darauf. Ohio-Land auf sieben bis acht Meilen vom Kanal steht fünf Dollar der Acre. So kann ich's Ihnen ablassen, mein Herr. Nicht wahr, ein hoher Preis, mein Herr? ich bin der Kaufmann der es selbst sagt. Sehen Sie, solchen Handel heb' ich. Das nenn' ich ein loyales Geschäft. Fünf Dollar per Acre ist teuer, mein Herr. Vom Kongreß haben wir ihn um einen gekauft. In Wahrheit, Sir, wir haben den Kongreß wie die Wölfe ausgekauft, das ist ein Faktum. In drei Tagen war ganz Ohio vergriffen, es wär' schade, wenn's nicht wahr wäre. Eins zu fünf das ist unser Profit; – da haben Sie unsre ganze Bilanz; mögen alle Gesandtschaften des Erdkreises baumeln, wenn ich nicht stets den geradesten Weg für den besten Geschäftsweg halte. Fünf Dollar per Acre, das ist der Kurs. In einer Woche wird er zehn und in einem Monat vielleicht fünfzig sein. Um Cleveland und Portsmouth ist er heute schon fünfzig. Dort wütete die wildeste Hausse. Sie wird sich allerdings nicht behaupten, Sir; die Baisse wird eintreten, wenn sich die Spekulationen auf neue Kanal- oder Eisenbahnlinien wirft. Aber auf fünf Dollar weicht Ohio-Land in Ewigkeit nicht mehr. Das Land wird mit jedem Schaufelstich rentabler, und die Vermehrung der Verkehrsmittel bewirkt höchstens im einzelnen eine relative Entwertung, im ganzen dagegen eine absolute Wertsteigerung. Das ist klar.

Um Gottes willen auf ein Wort, Mr. Jones, die Herren verzeihen, daß ich störe, aber so wahr ich lebe, nur eine Sekunde, Mr. Jones, ich bitte tausendmal! –

Mit diesen Worten und höchst eilfertiger Gebärde wurde der Ohio-Makler von Moorfelds Seite weggerissen. Wir dürfen dringend vermuten, daß der Mann, der dieses tat, im Einverständnis mit einem andern Makler stand, denn augenblicklich trat ein solches Individuum heran und bemächtigte sich Moorfelds. Mein Herr, sagte dieser Ankömmling mit einer verbindlichen Gentlemanmanier, ich war stets ein Verehrer der europäischen Gelehrsamkeit. Die Art, wie Sie Sprachen, Geschichte, Sitten- und Völkerkunde in Europa betreiben, läßt sicher nichts zu wünschen übrig, desto mehr aber zu beneiden übrig. Ich bin überzeugt, wie Sie auf diesem Marmorwürfel hier stehen, haben Sie bereits aus Europa eine Kenntnis Amerikas mitgebracht, die vielleicht manchem Senator im weißen Hause zu Washington fehlt. Ich möchte schwören darauf, es ist so. Nur eins setzt mich in Erstaunen. Ich mache nämlich in dieser Halle die Bemerkung, daß alle Europäer, welche hier eintreten und amerikanisches Land zu besitzen wünschen, von der seltsamen Idee ausgehen, als müßten sie dieses Land kaufen. In der Tat, mein Herr, ein Wahn, der mich höchlich überrascht. Wird Amerikas Demokratie noch so verkannt in Europa, daß man unsern Boden nicht anders einnehmen zu dürfen glaubt, als indem man die Taschen wucherischer und beutegieriger Land-Jobber füllt? Denn ich bitte Sie, mein Herr, was ist der Kaufschilling, den Sie für Ihr Grundstück zahlen, anders als ein ungerechter, ja schimpflicher Leibzoll, der als Abgabe auf Ihren psychischen und intellektuellen Arbeitskräften ruht, womit Sie dem Lande doch nützen? Oder sagen Sie selbst! Ist irgendeine Logik darin, daß man unser Land ein freies Land nennt und doch es verkauft – d.h., es nur der Aristokratie des Geldes öffnet? Ja, der Osten geht der Aristokratie entgegen, oder vielmehr er ist ihr mit Stiel und Stein schon verfallen. Aber im Westen thront noch der reine und unverfälschte Begriff der Demokratie! Das Land ist ein freies Element, wie Luft und Wasser, heißt unser Programm; halten Sie sich an den Westen, mein Herr! Vom Westen geht jene großherzige und echt republikanische Agitation gegen den Kongreß aus, daß er den schimpflichen und engherzigen Landverkauf endlich fahren lasse, und das Land verschenke. Vom Westen werden jene Bills eingebracht, welche den Kongreß nach einem systematischen Plan zu Preisermäßigungen des Kongreßlandes drängen und auf die gänzliche Preisaufhebung konsequent hinarbeiten. Schon hat unsre free-soiler-Politik solche Preisermäßigungen wiederholt durchgesetzt, obgleich wir mit Schrecken sehen, daß wir nur für den Aktienwucher arbeiten, der sich des wohlfeilen Kongreßlandes bemächtigt, um es teurer als je wieder zu verkaufen. Wollte Ihnen jener ewige und allmächtige Schuft doch Ohio-Land zu fünf Dollar anschwindeln; der Mann ist wahrlich ebenso ehrlich als jener, der Ihnen den Koffer vom Wagen abschneidet. Hol' der Teufel alle Landspekulanten! Wir free-soilers werden nicht ruhen, bis wir nicht Gesetze auch gegen diesen schändlichen und monopolisierenden Landverkauf durchgebracht haben; indes sollte es doch bekannter sein in Europa, daß wir in Arkansas schon jetzt unser Land verschenken, zum vorleuchtenden Beispiel der ganzen Union, von der wir fordern, daß sie uns nachfolge. Ja, mein Herr, Arkansas hat durch mich die Ehre, Ihnen achtzig bis einhundertundzwanzig Acre Landes zum Geschenk zu machen; oder um mich anständiger auszudrücken: Arkansas erklärt Ihnen, daß es dem Import Ihrer Hände, Ihrer Intelligenz und Ihres Kapitals keine Grenzbarriere in Form eines Kauf Schillings entgegensetzt. Wählen Sie nach Belieben den Ort Ihrer Niederlassung. Die Nähe unsrer großen Städte Smithville, Clarkville, Lewisburg, Littlerock dürfte Ihnen besonders annehmlich und vorteilhaft sein; aber ich empfehle Ihnen nichts, ich vermeide jeden Eingriff in Ihr eigenes Urteil, wir heißen Sie auf jeder Hufe unsers wahrhaft freien Bodens willkommen. Nur übernehmen Sie mit der Besitzurkunde die einzige Verpflichtung, Ihren Besitz auch wirklich anzutreten, eine selbstverständliche Bedingung, die uns gegen den Scheinbesitz betrügerischer Landspekulanten schützt. Soll ich das Vergnügen haben, Ihnen einen Grundbrief sogleich auszufertigen? Begleiten Sie mich gefälligst in mein Bureau!

Im Augenblick bin ich zu Diensten, mein Herr, antwortete Moorfeld, ich wünsche nur ein paar Worte mit einem Freunde zu wechseln.

Schon lange hatte ihm nämlich über die Schultern seines Partners hinweg eine hagere, spindeldürre Jammerfigur Zeichen und Winke gegeben, welche immer dringender, immer mystischer und inhaltsschwangerer wurden, so daß er zuletzt einen Geist zu sehen glaubte, der ihn pantomimisch um Erlösung beschwor, und dem er mit dem Reiz des Komisch-Schauerlichen folgte.

Sie wünschen, mein Herr? redete Moorfeld den Klappermann an.

Die Pflicht der christlichen Bruderliebe wünsche ich an Ihnen zu erfüllen, näselte der Dürre mit einer sentimentalen Quäckerstimme und preßte seine kalte Totenhand in Moorfelds warme und volle, indem er zugleich sein mißfarbiges Mausaugenpaar, schwül seufzend, gegen die Decke des Saales schlug. Herr, ich riskiere mein Leben, fuhr der Quäcker fort, und fing fast zu weinen an, jener Original-Gauner aus Arkansas, der Walfisch aller Diebe, wird mir meuchlerisch nachstellen, weil ich ihm sein Opfer entreiße; aber ich kann nicht anders, ich kann nicht, Gott helfe mir, ich stehe in seiner Hand. Moorfeld machte eine etwas ungeduldige Gebärde gegen den Betbruder, der aber hielt ihn fest in seiner Froschklaue und zog ihn an das äußerste Ende des Saales, in eine heimliche Nische. Ängstlich um sich bückend, als fühlte er die Dolche der Mörder schon zwischen den Rippen, fing er hier zu flüstern an: Ich danke Ihnen, mein Herr, daß Sie mir gefolgt sind. Es wird Sie nicht reuen. Hier sind Sie im Hafen. Einen Schritt weiter mit jenem Seelenverkäufer und Sie waren verloren. Landverschenker nennt sich die Teufelsbrut, ich aber sage Ihnen, Seelenverkäufer sind's. Das sage ich und das beweise ich. Ja, ich beweise es, mein Herr; hören Sie mich an, wie ich es beweise. Man schenkt Ihnen Arkansas-Land. Gut. Man legt Ihnen Karten vor, schraffiert, koloriert, Wald, Prärie, Bottomland, Straßen, Flüsse, große Städte – alles ist darauf gezeichnet, gemalt, daß das Herzchen im Leibe lacht, und die beigebundenen Beschreibungen lesen sich wie ein Roman; sie sind auch wie diese eine ebenso vollendete Erfindung des Teufels. Gut. Sie wählen Ihre Farm in der Nähe der großen Stadt Littlerock mit ihrem schiffbarem Strome, mit ihren Poststraßen und Flurwegen. Gut, mein Herr. Sie kommen an. Sie finden einen Sumpf und im Sumpfe steht ein Täfelchen auf einer Stange mit der Inschrift: Stadt Littlerock. Aus dem Schilfe guckt eine zweite Stange hervor, die nennt sich: Gerichtshaus der Stadt Littlerock. Im mannshohen Farrenkraut rennen Sie gegen eine dritte Stange, die heißt: Akademie der Stadt Littlerock. Vor einer Stunde haben kämpfende Büffel einen Pfahl niedergetreten: es war die Kathedrale der Stadt Littlerock. Fassen Sie nun den Mann, der die Landkarte gezeichnet hat, beim Kragen! Auf fünfzig Meilen in der Runde finden Sie keine Seele. Wen sie aber finden, der zeigt Ihnen ein ganz anderes Gesicht als hier im Land-Office zu New York. Gut. Sie sind überrascht, enttäuscht, aber nicht entmutigt. Sie stehen auf geschenktem Lande, und das Wort hat noch immer einen Klang für den Europäer. So schnell wird die Form, in welcher wir unsre Begriffe gießen, nicht zerbrochen. Land hat Wert in europäischen Augen und wird's noch lange haben, bis Sie amerikanische Augen bekommen. Sie nehmen also ihr Land in Besitz. Gut. Sie bauen sich Ihren Hof, Sie schaffen sich Haustiere, Sie kaufen ein paar Sklaven. O Gott, Sklaven! Gut. Sie fangen zu wirtschaften an. Aber Ihre Produkte können nicht durch die Luft zu Markte fliegen, und die Erde hat so wenig Straßen als der Grund des Erie-Sees. Ihre Haustiere werden weggeschossen. Ihre Sklaven entlaufen oder werden Ihnen entführt. Sie hören zu wirtschaften auf. Verwünschungen auf den Lippen, den letzten Cent im Beutel wenden Sie Ihrer Wüste den Rücken. Gut, mein Herr. Aber die Spuren Ihres Pfluges, die Ruinen Ihrer Hofstelle sind immer noch wahrnehmbar, und das genügt, daß jener ewige und allmächtige Schuft die Backen voll nimmt: Kulturboden mit Improvements zehn Cent per Acre! Ihr Nachfolger geht ebenfalls zugrunde, hat aber wieder sein Kapital dareingesteckt – einen halben Dollar per Acre. Erst der dritte Mann brachte es zu der Möglichkeit sich zu behaupten, da belehrt ihn ein Wink mit der Kugelbüchse oder mit dem Bowiemesser, daß auch für ihn die Zeit da sei, sich schleunigst durch die Flucht zu expropriieren, denn das Land soll zum vierten Mal ausgeboten werden – einen Dollar per Acre. Einen Dollar per Acre, mein Herr; das Ziel ist erreicht! Mit einer Reihe betrogener und ruinierter Kapitale haben sie ihr wertloses Land in Wert gebracht; – einen Dollar per Acre! Das ist geschenktes Arkansas-Land. So macht man Kultur hinterm »blutigen Grund«. So geschieht's, mein Herr, und nicht anders; – heute verschenkte Wüste, morgen »lovely spots« einen Dollar per Acre – die Zauberei der Gewissenlosigkeit! Ich rate, Herr, die Hölle braucht einen neuen Flügelbau für die »free-soilers«. Nehmen Sie sich in acht, mein Herr, nehmen Sie sich in acht! Wir gehen einer Zeit entgegen – das Böse bekommt die Oberhand auf der Erde.

Diese letzteren Worte fühlte Moorfeld schon längst in sich selbst Tatsache geworden, denn unüberwindlich war seine Lust, dem frommen uneigennützigen Warner ebenso schlechte Absichten zu unterlegen als den übrigen Herren Kollegen desselben. Er hielt es in der Tat nicht aus, die Wendungen und Übergänge abzuwarten, auf die ihm das Ganze angelegt schien, und so fragte er mit jener ungeduldigen Lust am Bösen geradezu: Ach, sehr ehrenwerter Herr, wenn Sie selbst Land zu verkaufen hätten! dann wäre meiner Verlegenheit auf einmal ein Ende!

Schneller als ein Blitz zog der lamentable Tugendmann seine Hand aus Moorfelds Hand, fuhr sich an die Augen, und trocknete ein paar abwesende Tränen. Ich muß fort; leider, leider, ich muß fort; ich kehre wieder zurück nach Alt-England. Sie sollen's hören, was mich von hinnen treibt. Die Teufel! o Gott, die Teufel! Aber ich muß fort, das schönste Landgut in den Staaten muß ich aufgeben! Schwarze Dammerde mit Lehmunterlage und kalkhaltig, Herr, kalkhaltig – das Christentum gebeut Fassung im Unglück – aber dieser Kalk, Herr, und diese Dammerde, und diese Lehmunterlage – mir bricht das Herz! Wer mir noch vor einem halben Jahr gesagt hätte, ich würde diese Juwele aller erschaffenen Erde zwei Dollar per Acre verkaufen wollen, da mir Reverend Daniel Gaskin aus New Jersey noch bei seiner letzten Durchreise zwanzig aufzudringen versucht hat – ich bin Temperance-Man, mein Herr, sonst würde ich Sie auf eine Flasche in Mr. Distels Bar bitten, die teuflischen Intrigen anzuhören, die mich forttreiben von Gottes geliebtester Erde. Hier darf ich einer solchen Gemütsbewegung unmöglich freien Lauf lassen. Armer Reverend Daniel Gaskin! du stellst jetzt in der Ewigkeit Vergleiche darüber an, ob meine Landstelle oder das Paradies schöner ist, sonst könntest du's heute haben, das irdische Paradies, zwei Dollar per Acre – doch dann wäre dir dein Ende nicht so leicht geworden! Deinen Glauben in Ehren, würdiger Gottesmann Daniel Gaskin, aber hier hättest du zum erstenmal gezweifelt, ob ein Tausch mit meiner Hofstelle und dem Paradiese ein wirklicher Lohn für den Gerechten ist. Herr, als ich an die jungfräulichen Schätze dieses Bodens die erste Hand anlegte, da trieb ich auf einem einzigen Acre – hören Sie mich an, mein Herr, und merken Sie wohl auf, was ich auf einem einzigen Acre an Bäumen und Sträuchen abtrieb: vier Arten von Walnußbäumen, drei Arten Eichen, zwei Arten Ulmen, den virginischen Kirschbaum, den kanadischen Judasbaum, einen Maulbeerbaum, Pflaumenbäume, Eschen, Linden, Sassafrasbäume, Storaxstauden, Papawbäume, den blumenreichen Kornelbaum, den Eisenholzbaum, den Häckberrybaum, Platanen, Weinstöcke, Haselstauden und Holunder. Wo bleibt Ihre Besinnung, mein Herr, wenn Sie einer solchen Fruchtbarkeit nachdenken? Sie schwindeln! Das alles trieb ich auf einem einzigen Acre ab; mein Herr, auf einem einzigen Acre! –

Es muß wohl ein einziger Acre gewesen sein, denn seine ganze übrige Landstelle ist nichts als eine senkrechte Felsenwand, an die auch keine Raupe in die Höhe kriecht, viel weniger ein menschlicher Pflug.

Der Mann, der so sprach, schlenderte mit den Händen in der Hosentasche und einem frischfrohen Apfelgesichte um unser Paar herum, indem er zu mehrerer Herzensvergnügungen den »Yankee doodle« pfiff.

Der Quäcker zuckte zusammen wie eine elektrisierte Katze. Sein Haar sträubte sich, seine grauen Glasaugen sprühten Blitze, seine vorfallenden amerikanischen Schultern neigten sich noch tiefer, wie der Stier zum Stoß, seine Fäuste ballten sich, seine Adern schwollen, rote Zornflecke loderten in seinem falben Gesichte auf – kurz das seufzende Lämmlein ward auf einmal zu einer Mördergestalt.

Das alles kümmerte den andern nicht im geringsten. Vertraulich zog er seine Hände aus der Hosentasche und legte sie der gebäumten Katze auf den Rücken, indem er zu flöten aufhörte und zu sprechen anfing. Gemach, Kamerad, sagte er, stehen wir denn hier, um einander den Handel zu verderben? Was hätt' ich gegen deine Felsenwand, wenn ich sie nicht selbst kaufte? Ja, ja, John, sei ruhig. Die Felsenwand ist mein; – zweihundert Dollar – ist's ein Geschäft? schlag' ein, Junge, abgemacht! Der Quäcker, der immer zusammenzuckte, wenn das Wort »Felsenwand« ausgesprochen wurde, sah gleichwohl in dem Angebot des Sprechers so viel Ernst, daß er anfing versöhnlicher auszusehen. Dieser fuhr fort: Siehe Junge, ich habe mir die Sache mit deiner Felsenwand überlegt. Du trödelst nun schon so lange damit herum – den Donner auch! sollen sich Yankees nachsagen lassen, ein Geschäft geht nicht, weil's auf eine Art nicht geht? Keineswegs. Deine Felsenwand steht in den Kattskillbergen, nur zwei Stunden von der großen Route nach Sarotoga und den Fällen –: das muß uns wuchern. Ich lass' ein paar Zentner Farben an die Wand schmieren und wend' ein paar Dollars daran, daß uns irgendein Doktor Thomson beweist, es wären Malereien eines alten Kulturvolkes. Derselbe Dr. Thompson führt dann als Dr. Johnson aus, daß Dr. Thompson ein Esel ist, als Dr. Thompson aber schlägt er den Dr. Johnson mit einer neuen Flut von Thesen aufs Maul und die Wandmalereien des alten Kulturvolkes sind durch »eine ebenso gelehrte als gründliche Kontroverse« in allen Zeitungen siegreich außer Zweifel gesetzt. Merkst du, Bursche? Wir eröffnen jetzt am Fuße der Felsenwand ein Hotel, denn unsere Felsenwand wird Touristen-Mode, und lassen uns bei jedem Beefsteak und weichgekochten Ei unsere Wandmalereien honorieren im Namen der Künstler des alten Kulturvolks. Was sagt John, he? Siehe, das ist die naturgemäße Art, eine Felsenwand zu verwerten. Aber diesem Gentleman hier zuzumuten, mit seinem Pflug auf einem Ding herumzufahren wie der Turm der Londoner Paulskirche – Freundchen, das geht nicht; das ist zu viel verlangt von einer Felsenwand. Steck' sie ein, deine Situationspläne, steck' sie ein, ehrenwerter Sir John (denn dieser hatte bereits angefangen, sie vor Moorfeld auszukramen), steck' sie ein, und sag deinem Geometer, wir bedürfen nicht mehr der liebenswürdigen Zerstreuung, womit man senkrechte Linien als waagrechte zeichnet. Pfui doch, ein garstiger Handel; in Wahrheit ein abscheulicher Handel; das verdirbt uns die Börse, lieber Sir John, und um alles zu sagen, so ist's ein sehr zweideutiger Handel, Sir John, die Senkrechte für eine Waagerechte zu verhandeln, ein sehr zweideutiger Handel, das ist ein Faktum, Sir John. Was ich sagen wollte, wandte er sich an Moorfeld, Sie kaufen doch meine Farm drüben in New Jersey? ich geb' sie jetzt auf, da ich das Hotel an der Felsenwand projektiere. Sie sehen, ich bin zwar ein »smart man«, aber eine ehrliche Haut. Ich werde meinen Landsleuten ihr Geld abnehmen für die Wandmalerei des alten Kulturvolks: das ist kein Schelmenstreich, höchstens ein wenig Humbug, eine Glaubenssteuer, ein Wahnzoll. Sehr aber tadl' ich meinen ehrenwerten Freund, daß er Sie, mein Herr, als einen Fremden und in einer ungleich ernsteren Sache – o pfui, pfui; ich tadle es hart, es verdirbt das Geschäft, wir brauchen das Vertrauen der Fremden. Merken Sie wohl, mein Herr, wir ziehen eine sehr genaue Grenzlinie zwischen Humbug und Betrug; man kann der ärgste Humbuger und der reellste Geschäftsmann sein. In der Tat, Herr, Humbug und Busineß haben gar nichts zu tun miteinander. Im Busineß bin ich der verläßlichste Mann, den die New Yorker Sonne bescheint; Humbug ist meine Erholung, meine Privatsache außerm Busineß; Busineß selbst duldet keinen Humbug. Reines Geschäft, reines Geschäft, mein Herr, um Gotteswillen! reines Geschäft. Im Humbug besteuere ich die menschliche Torheit; – aber im Geschäft sucht der Mensch sein Bedürfnis bei mir, seine Leibes- und Lebens-Notwendigkeiten – auf diesem Boden sein Vertrauen zu täuschen, untergrübe den Bestand aller Staaten und Völker. Es wäre einfach barbarisch. Von Religion und Gewissen nicht zu reden, unklug war's, unpolitisch, selbstmörderisch, denn es hübe die Möglichkeit der menschlichen Gesellschaft auf. Und ohne menschliche Gesellschaft weder Humbug noch Busineß, das ist klar! Das sind meine Grundsätze, Herr; Sie sehen, ich bin weder schwarz noch weiß, sondern grau meliert, aber unendlich haltbar, Sie können mir tausend Prozent mehr vertrauen als einem Burschen, der sich weiß brennt wie Jungfernwachs. Sehen Sie sich mein Gütchen in New Jersey an. Wann fahren wir hinüber, Herr? Freie Station hin und zurück, wenn Ihnen die Farm nicht gefällt. Keine bedruckten und lithographierten Papierwische – gleich amtliche Ausweise, nichts als amtliche Ausweise; gleich vor das Staats-Auditoriat, Einsicht der Ernteregister von heuer, vom vorigen Jahr, von fünf, von zehn Jahren; alter Kulturboden, New Jersey, alter Kulturboden, von hundert Jahren, wenn Sie wollen –

Kurz, von aller Vergangenheit, sagte Moorfeld, nur nicht von der Zukunft. Denn leider, mein Herr, zeigt Ihr Boden irgendeinen geheimen, angehenden Schaden, den ich zwar weder in Landschaftsbüchern noch mit leiblichen Augen einsehe; aber desungeachtet ist er da und verdirbt Ihnen die Sicherheit Ihrer ferneren Rente. Wie kämen Sie sonst auf den Einfall mit der Felsenwand?

Ich rate, Sie sind ein smartman nach Onkel Sams Herzen, lachte der Mäkler, good bye, mein Herr! Reiten Sie so gut, wie Sie gesattelt haben, über mich sollen Sie nicht straucheln, es täte mir leid für Sie. In Wahrheit, ein schmuckes Gut, das meinige, gehen Sie drin 'rum wie der Staubpinsel im Uhrwerk, Sie finden kein Stäubchen Makel dran. Denn die kanadische Distel hat sich vorderhand nur im Nachbarfeld eingeschlichen; der Würgeengel alles Unkrauts wird bei mir erst im nächsten Jahr aus dem Samen schießen. Aber dann Gnade Gott dem Käufer, denn verkauft wird das Grundstück doch, oder ich habe nicht mehr Verstand als ein Fingerhut. Das Grünhörnchen soll sich schon finden, der's kauft, es täte mir leid, wenn ich bangte. Sie sind's nicht, mein Herr, und das ist gut für Sie; aber nicht jeder sieht, der die Augen offen hat, und das ist gut für mich. Good bye!


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