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Zwölftes Kapitel

Masochismus

Es ist Krafft-Ebings Verdienst, eine Triebabweichung zuerst umgrenzt, beschrieben und benannt zu haben, die um ihrer Verbreitung willen von großer praktischer Bedeutung und zudem von jedem Standpunkt aus in hohem Maße interessant ist. Die Bezeichnung Masochismus hat Krafft-Ebing unter Benützung des Namens eines damals bekannten Schriftstellers gebildet. Leopold von Sacher-Masoch, ein österreichischer Autor, hatte nämlich jene wissenschaftlich damals noch gar nicht gekannte Perversion überaus häufig zum Gegenstand seiner Dichtungen gemacht.

Krafft-Ebing hat unter Masochismus »eine eigentümliche Perversion der psychischen Vita sexualis verstanden, die darin besteht, daß das von ihr ergriffene Individuum in seinem geschlechtlichen Fühlen und Denken von der Vorstellung beherrscht wird, dem Willen einer Person des andern Geschlechts vollkommen und unbedingt unterworfen zu sein, von dieser Person herrisch behandelt, gedemütigt und selbst mißhandelt zu werden. Diese Vorstellung wird mit Wollust betont; der davon Ergriffene schwelgt in Phantasien, in welchen er sich Situationen dieser Art ausmalt; er trachtet oft nach einer Verwirklichung und wird durch diese Perversion seines Geschlechtstriebes nicht selten für die normalen Reize des andern Geschlechts mehr oder weniger unempfänglich, zu einer normalen Vita sexualis unfähig – psychisch impotent. Diese psychische Impotenz beruht dann aber durchaus nicht etwa auf einem horror sexus alterius, sondern nur darauf, daß dem perversen Trieb eine andere Befriedigung als die normale, zwar auch durch das Weib, aber nicht durch Koitus, adäquat ist.

Es kommen aber auch Fälle vor, in welchen, neben der perversen Richtung des Triebs, die Empfänglichkeit für normale Reize noch leidlich erhalten ist und nebenher ein geschlechtlicher Verkehr unter normalen Bedingungen stattfindet. In andern Fällen wieder ist die Impotenz eine nicht rein psychische, sondern eine physische, da diese Perversion, wie fast alle andern Perversionen des Geschlechtstriebs, nur auf dem Boden einer psychopathischen, meistens einer belasteten Persönlichkeit sich zu entwickeln pflegt und solche Menschen in der Regel sich maßlosen, besonders masturbatorischen Exzessen von früher Jugend an hinzugeben pflegen, zu welchen sie die Schwierigkeit, ihre Phantasien zu verwirklichen, immer wieder hindrängt.

Ob Masochismus neben einem normalen Geschlechtsleben vorkommt oder das Individuum ausschließlich beherrscht, ob und inwieweit der von dieser Perversion Ergriffene eine Verwirklichung seiner seltsamen Phantasien anstrebt oder nicht, ob er seine Potenz dabei mehr oder weniger eingebüßt hat oder nicht – das alles hängt nur von der Intensität der im einzelnen Falle vorhandenen Perversion und von der Stärke der ethischen und ästhetischen Gegenmotive, sowie von der relativen Rüstigkeit der physischen und psychischen Organisation des Ergriffenen ab. Das für den Standpunkt der Psychopathie Wesentliche und das Gemeinsame aller dieser Fälle ist: die Richtung des Geschlechtstriebs auf den Vorstellungskreis der Unterwerfung unter und Mißhandlung durch das andere Geschlecht.

Auch beim Masochismus findet sich eine Abstufung der Akte von den widerlichsten und monströsesten Handlungen bis zu einfach läppischen herab, je nach der Intensität des perversen Triebs und der Kraft der moralischen und ästhetischen Gegenmotive. Den äußersten Konsequenzen des Masochismus wirkt aber auch der Selbsterhaltungstrieb entgegen, und deshalb finden Mord und schwere Verletzung, die im sadistischen Affekt begangen werden können, hier, soweit bis jetzt bekannt, kein passives Gegenstück in der Wirklichkeit. Wohl aber können die perversen Wünsche masochistischer Individuen in innerlichen Phantasien bis zu diesen äußersten Konsequenzen fortschreiten«.

Die für den Masochismus so überaus bezeichnende und gleichzeitig so auffällige Tatsache, daß bei dieser Perversion der Geschlechtstrieb, ganz grundsätzlich gesprochen, im Gegensatz zum Selbsterhaltungstrieb steht, ist schon Krafft-Ebing aufgefallen und hat ihn zu einer eingehenden theoretischen Darstellung dieser Triebabweichung veranlaßt, die zum großen Teil auch heute noch wertvoll und verwendbar ist. Wir geben sie also fast in extenso im nachfolgenden wieder, auch deshalb, weil sich aus ihr schon ein Überblick über das ganz außerordentlich weit gespannte Gebiet mit seiner wahrhaft verwirrenden Vielfalt der Erscheinungen ergibt.

»Das Entscheidende beim Masochismus ist jedenfalls die Begierde nach schrankenloser Unterwerfung unter den Willen der Person des andern Geschlechts (beim Sadismus umgekehrt die schrankenlose Beherrschung dieser Person), und zwar unter Weckung und Begleitung von mit Lust betonten sexuellen Gefühlen, bis zur Entstehung von Orgasmus. Nebensächlich ist nach allem vorausgehenden die besondere Art und Weise, wie dieses Abhängigkeits- oder Beherrschungsverhältnis betätigt wird, ob durch bloße symbolische Akte, oder ob zugleich der Drang besteht, von einer Person des andern Geschlechts Schmerzen zu erdulden.

Während der Sadismus als eine pathologische Steigerung des männlichen Geschlechtscharakters in seinem psychischen Beiwerk angesehen werden kann, stellt der Masochismus eher eine krankhafte Ausartung spezifisch weiblicher psychischer Eigentümlichkeiten dar.

Es gibt aber unzweifelhaft auch einen häufigen Masochismus des Mannes, und dieser ist es, welcher meistens in die äußere Erscheinung tritt und die Kasuistik fast ausschließlich füllt.

Für den Masochismus lassen sich in der Welt der normalen Vorgänge zwei Wurzeln nachweisen.

Erstens ist im Zustande der wollüstigen Erregung jede Einwirkung, welche von der Person, von der der sexuelle Reiz ausgeht, auf den Erregten ausgeübt wird, willkommen, unabhängig von der Art dieser Einwirkung. Es liegt noch ganz im Bereiche des Physiologischen, daß sanfte Püffe und leichte Schläge als Liebkosungen aufgefaßt werden.

»like the lover's pinch which hurts and is desired«

(Shakespeare, Antonius und Kleopatra V, 2).

Es liegt von hier aus nicht allzu ferne, daß der Versuch, eine recht starke Einwirkung von Seiten des Partners zu erfahren, in Fällen pathologischer Steigerung der Liebesinbrunst zu einem Gelüste nach Schlägen und dergleichen führt, da der Schmerz das immer bereite Mittel einer starken körperlichen Einwirkung ist. So wie beim Sadismus der sexuelle Effekt zu einer Übererregung führt, in welcher die überschäumende psychomotorische Erregung in Nebenbahnen überströmt, so entsteht hier im Masochismus eine Ekstase, in der die steigende Flut einer einzigen Empfindung jeden von der geliebten Person kommenden Einfluß begierig verschlingt und mit Wollust überschwemmt.

Die zweite und wohl die mächtigere Wurzel des Masochismus ist in einer weit verbreiteten Erscheinung zu suchen, die zwar schon in das Gebiet des ungewöhnlichen, abnormen, aber durchaus noch nicht in das des perversen Seelenlebens fällt.

Ich meine hier die allverbreitete Tatsache, daß in unzähligen in den verschiedensten Variationen auftretenden Fällen ein Individuum in eine ganz ungewöhnliche, höchst auffällige Abhängigkeit von einem andern Individuum des entgegengesetzten Geschlechts gerät, bis zum Verlust jedes selbständigen Willens, eine Abhängigkeit, welche den beherrschten Teil zu Handlungen und Duldungen zwingt, die schwere Opfer am eigenen Interesse bedeuten und oft genug gegen Sitte und Gesetz verstoßen.

Diese Abhängigkeit ist aber von den Erscheinungen des normalen Lebens nur durch die Intensität des Geschlechtstriebes, der hier im Spiele ist, und das geringe Maß der Willenskraft, die ihm das Gleichgewicht halten soll, verschieden, nicht qualitativ, wie es die Erscheinungen des Masochismus sind.

Ich habe diese Tatsache der abnormen, aber noch nicht perversen Abhängigkeit eines Menschen von einem andern des entgegengesetzten Geschlechts, welche Tatsache, namentlich vom forensischen Standpunkte aus betrachtet, hohes Interesse bietet, mit dem Namen » geschlechtliche Hörigkeit« bezeichnet, weil die daraus hervorgehenden Verhältnisse durchaus den Charakter der Unfreiheit tragen. Der Wille des herrschenden Teils gebietet über den des unterworfenen Teils, wie der des Herrn über den des Hörigen Die Ausdrücke Sklave und Sklaverei, obwohl sie oft auch in solchen Situationen bildlich gebraucht werden, wurden hier vermieden, weil dies Lieblingsausdrücke des Masochismus sind, von welchem die »Hörigkeit« durchaus unterschieden werden muß..

Der Ausdruck »Hörigkeit« darf auch nicht verwechselt werden mit J. St. Mills »Hörigkeit der Frau«. Was Mill mit diesem Ausdrucke bezeichnet, sind Gesetze und Sitten, soziale und historische Erscheinungen. Hier aber sprechen wir von jedesmal individuell besonders motivierten Tatsachen, die mit jeweils geltenden Sitten und Gesetzen geradezu im Widerspruch stehen. Auch ist hier von beiden Geschlechtern die Rede.

Diese »geschlechtliche Hörigkeit« ist, wie gesagt, eine allerdings auch psychisch abnorme Erscheinung. Sie beginnt eben da, wo die äußere Norm, das von Gesetz und Sitte vorgezeichnete Maß der Abhängigkeit eines Teils vom andern oder beider voneinander infolge individueller Besonderheit in der Intensität an sich normaler Motive verlassen wird. Die geschlechtliche Hörigkeit ist aber keine perverse Erscheinung; die hier wirkenden Triebfedern sind dieselben, die auch die gänzlich innerhalb der Norm verlaufende psychische Vita sexualis – wenn auch mit minderer Heftigkeit – in Bewegung setzen.

Die Furcht, den Genossen zu verlieren, der Wunsch, ihn immer zufrieden, liebenswürdig und zum geschlechtlichen Verkehr geneigt zu erhalten, sind hier die Motive des unterworfenen Teiles. Ein ungewöhnlicher Grad von Verliebtheit, der – namentlich beim Weibe – durchaus nicht immer einen ungewöhnlichen Grad von Sinnlichkeit bedeutet, und Charakterschwäche anderseits sind die einfachen Momente des ungewöhnlichen Vorganges. Das Wichtigste dabei ist vielleicht, daß sich durch die Gewöhnung an den Gehorsam eine Art Mechanismus der ihres Motives unbewußten, mit automatischer Sicherheit funktionierenden Folgsamkeit ausbilden kann, der mit Gegenmotiven gar nicht zu kämpfen hat, weil er unter der Schwelle des Bewußtseins liegt und von dem herrschenden Teil wie ein totes Instrument gehandhabt werden kann.

Das Motiv des andern Teiles ist Egoismus, der freien Spielraum findet.

Die Erscheinungen der Geschlechtshörigkeit sind in ihren Formen mannigfaltig, und die Zahl der Fälle ist ungemein groß In allen Literaturen spielt naturgemäß die Geschlechtshörigkeit eine Rolle. Ungewöhnliche, aber nicht perverse Erscheinungen des Seelenlebens sind ja für den Dichter ein dankbares und erlaubtes Gebiet. Die berühmteste Schilderung männlicher Hörigkeit ist wohl des Abbe Prévost »Manon Lescault«. Eine vorzügliche Schilderung weiblicher Hörigkeit bietet George Sands »Leone Leoni«. Hierher gehörten vor allem Kleists »Käthchen von Heilbronn«, von ihm selbst als Gegenstück zur (sadistischen) » Penthesilea« bezeichnet, hierher Halms »Griseldis« und viele ähnliche Dichtungen.. In geschlechtliche Hörigkeit geratene Männer finden wir im Leben bei jedem Schritt.

So zahlreich aber auch die Beispiele männlicher Hörigkeit sind, so muß doch jeder halbwegs unbefangene Beobachter des Lebens zugeben, daß sie an Zahl und Gewicht der Fälle gegen die weibliche Hörigkeit weit zurückbleiben. Dies ist leicht erklärlich. Für den Mann ist die Liebe fast stets nur Episode, er hat daneben viele und wichtige Interessen; für das Weib hingegen ist sie der Hauptinhalt des Lebens, bis zur Geburt von Kindern fast immer das erste, nach dieser noch oft das erste, immer mindestens das zweite Interesse. Was aber noch viel wichtiger ist: der Mann, den der Trieb beherrscht, löscht ihn in den Umarmungen, zu denen er unzählige Gelegenheiten findet. Das Weib aber ist in den höheren Ständen, wenn überhaupt mit einem Manne versehen, an diesen Einen gefesselt, und selbst in den unteren Klassen der Gesellschaft sind noch immer bedeutende Hindernisse der Vielmännerei vorhanden.

Deshalb bedeutet für ein Weib der Mann, den sie hat, das ganze Geschlecht. Seine Wichtigkeit für sie wächst dadurch ins Ungeheure. Dazu kommt endlich noch, daß das normale Verhältnis, wie es Gesetz und Sitte zwischen Mann und Weib geschaffen haben, weit davon entfernt ist, beiden Teilen gleiche Rechte zu gewähren. Um so tiefer hinab in die Hörigkeit werden sie die Konzessionen drücken, die sie dem Geliebten macht, um seine ihr fast unersetzliche Liebe zu erhalten, und um so höher steigen die unersättlichen Ansprüche der Männer, die entschlossen sind, ihren Vorteil auszubeuten, und eine Industrie aus der Ausbeutung der grenzenlosen weiblichen Opferfähigkeit machen.

Das Gebiet der »geschlechtlichen Hörigkeit« mußte hier eine kurze Darstellung finden, da in ihm offenbar der Mutterboden zu sehen ist, aus dem die Hauptwurzel des Masochismus entsprießt.

Die Verwandtschaft beider Erscheinungen des psychischen Geschlechtslebens springt sofort in die Augen. Sowohl Hörigkeit als Masochismus bestehen ja wesentlich in einer unbedingten Unterwerfung unter eine Person des andern Geschlechts und in Beherrschung durch dieselbe.

Die beiden Erscheinungen sind aber wieder klar gegeneinander abzugrenzen, und zwar sind sie nicht graduell, sondern qualitativ verschieden.

Geschlechtliche Hörigkeit ist keine Perversion, sie ist nichts Krankhaftes; die Elemente, aus denen sie entsteht, Liebe und Willensschwäche, sind nicht pervers, nur ihr gegenseitiges Stärkeverhältnis erzeugt das abnorme Resultat, das den eigenen Interessen, oft auch den Sitten und Gesetzen so sehr widerspricht. Das Motiv, aus welchem der unterworfene Teil hier handelt und die Tyrannei erduldet, ist der normale Trieb zum Weibe (bzw. Manne), dessen Befriedigung der Preis seiner Hörigkeit ist. Die Akte des unterworfenen Teiles, in denen die geschlechtliche Hörigkeit zum Ausdruck kommt, geschehen auf Befehl des herrschenden Teiles. Sie haben für den unterworfenen Teil gar keinen selbständigen Zweck; sie sind für ihn nur Mittel, den eigentlichen Endzweck, den Besitz des herrschenden Teiles, zu erlangen oder zu bewahren. Endlich ist Hörigkeit eine Folge der Liebe zu einem bestimmten Individuum; sie tritt erst ein, wenn diese Liebe erwacht ist.

Ganz anders verhält sich dies alles beim Masochismus, welcher entschieden krankhaft, eine Perversion ist. Das Motiv für die Handlungen und Duldungen des unterworfenen Teiles ist hier der Reiz, den die Tyrannei als solche für ihn hat. Er mag daneben den herrschenden Teil auch zum Koitus begehren; jedenfalls ist sein Trieb auch auf die Akte, die zum Ausdruck der Tyrannei dienen, als auf direkte Objekte der Befriedigung gerichtet. Diese Akte, in denen der Masochismus zum Ausdruck kommt, sind für den unterworfenen Teil nicht Mittel zum Zweck, wie bei der Hörigkeit, sondern selbst Endzweck. Endlich tritt beim Masochismus die Sehnsucht nach Unterwerfung a priori auf, vor jeder Neigung zu einem bestimmten Gegenstand der Liebe.

Der Zusammenhang zwischen Hörigkeit und Masochismus, der bei der Übereinstimmung beider Erscheinungen im äußeren Effekt der Abhängigkeit, bei allem Unterschied der Motivierung, wohl anzunehmen ist, der Übergang der Abnormität in die Perversion, dürfte sich zunächst auf folgendem Wege vollziehen:

Wer sich durch lange Zeit im Zustande der geschlechtlichen Hörigkeit befindet, wird disponiert sein, zu leichteren Graden des Masochismus zu gelangen. Die Liebe, die gern Tyrannei um des Geliebten willen erträgt, wird dann direkt Liebe zur Tyrannei. Wenn die Vorstellung des Tyrannisiertwerdens lange mit der lustbetonten Vorstellung des geliebten Wesens eng verbunden war, so geht endlich die Lustbetonung auf die Tyrannei selbst über, und es ist Perversion eingetreten. Das ist der Weg, auf dem Masochismus gezüchtet werden kann.

Es ist sehr interessant und beruht auf der im äußeren Effekte wesentlich übereinstimmenden Natur von Hörigkeit und Masochismus, daß zur Illustrierung der Hörigkeit ganz allgemein im Scherz und bildlich Ausdrücke gebraucht werden, wie »Sklaverei, Ketten tragen, gefesselt sein, die Geißel über jemand schwingen, an den Triumphwagen spannen, zu Füßen liegen« usw., lauter Dinge, die für den Masochisten in buchstäblicher Ausführung den Gegenstand seiner perversen Begierde bilden.

Solche Bilder werden bekanntlich im täglichen Leben oft gebraucht und sind geradezu trivial geworden. Sie stammen aus der dichterischen Sprache. Die Dichtung hat zu allen Zeiten, innerhalb des Gesamtbildes heftiger Liebesleidenschaft, das Moment der Abhängigkeit vom Gegenstande, der sich versagen kann oder muß, erkannt, und die Tatsachen der »Hörigkeit« boten sich ihr stets zur Beobachtung dar. Indem der Dichter Ausdrücke wie die oben angeführten wählt, um die Abhängigkeit des Verliebten mittels sinnfälliger Bilder anschaulich zu machen, geht er genau denselben Weg wie der Masochist, der, um sich selbst seine Abhängigkeit (die ihm aber Selbstzweck ist) sinnfällig vorzustellen, solche Situationen verwirklicht.

Schon die Dichtung des Altertums gebraucht für die Geliebte den Ausdruck »domina« und verwendet gerne das Bild des In-Fesseln-Schlagens (z. B. Horaz Od. IV. 11). Von da bis in unsere Zeiten (vgl. Grillparzer, Ottokar, IV. Akt: »Herrschen ist gar süß, so süß fast als gehorchen«) ist die galante Dichtung aller Jahrhunderte von dergleichen Phrasen und Bildern erfüllt. Interessant ist auch die Geschichte des Wortes »Mätresse«.

Die Dichtung wirkt aber auf das Leben zurück. Auf diesem Wege mag der höfische Frauendienst des Mittelalters entstanden sein, der mit seiner Verehrung der Frauen als »Herrinnen« in der Gesellschaft und im einzelnen Liebesverhältnis, seiner Übertragung des Lehns- und Vasallenverhältnisses auf die Beziehung zwischen dem Ritter und seiner Dame, seiner Unterwerfung unter alle weiblichen Launen, seinen Liebesproben und Gelübden, seiner Verpflichtung zum Gehorsam gegen alle Gebote der Damen, als eine systematische Ausgestaltung verliebter »Hörigkeit« erscheint. Einzelne extreme Erscheinungen, wie z. B. die Leiden des Ulrich von Liechtenstein oder des Pierre Vidal im Dienste ihrer Damen, oder das Treiben der Bruderschaft der »Galois« in Frankreich, die ein Martyrium der Liebe suchten und sich allerlei Qualen unterzogen, tragen aber schon deutlich masochistischen Charakter und zeigen auch hier den naturgemäßen Übergang einer Erscheinung in die andere.

Ein leichter Grad von Masochismus kann also wohl aus der Hörigkeit entstehen, erworben werden. Der echte, vollkommene, tiefwurzelnde Masochismus mit seiner glühenden Sehnsucht nach Unterwerfung von frühester Jugend an, wie die von dieser Perversion Ergriffenen ihn schildern, ist aber angeboren.

Die Erklärung für die Entstehung der – immerhin seltenen – Perversion des ausgebildeten Masochismus dürfte sich am richtigsten in der Annahme finden lassen, daß dieselbe aus der viel häufiger auftretenden Abnormität der »geschlechtlichen« Hörigkeit hervorgeht, indem hier und da diese Abnormität durch Vererbung auf ein psychopathisches Individuum in der Weise übergeht, daß sie dabei zur Perversion wird. Daß eine leichte Verschiebung der hier in Betracht kommenden psychischen Elemente diesen Übergang bewerkstelligen kann, wurde oben erörtert. Was aber für mögliche Fälle des erworbenen Masochismus die Gewohnheit tun kann, das tut für die sicher festgestellten Fälle des angeborenen Masochismus die Vererbung. Es tritt dabei kein neues Element zur Hörigkeit hinzu, sondern es entfällt eines, das Liebe und Abhängigkeit verbindet und damit eben Hörigkeit von Masochismus, Abnormität von Perversion unterscheidet. Es ist ganz natürlich, daß sich nur das Triebartige vererbt.

Aus diesen beiden Elementen – aus der »geschlechtlichen Hörigkeit« einerseits, aus jener oben erörterten Disposition zur geschlechtlichen Ekstase, welche selbst Mißhandlungen mit Lustbetonung aufnimmt, anderseits – aus diesen beiden Elementen, deren Wurzeln sich bis in das Gebiet physiologischer Tatsachen zurückverfolgen lassen, entsteht auf einem geeigneten psychopathischen Boden der Masochismus, indem die sexuelle Hyperästhesie allerlei zuerst physiologisches, dann nur abnormes Beiwerk der Vita sexualis zur krankhaften Höhe der Perversion steigert.

Daß die eigenartige, psychisch anormale Richtung der Vita sexualis, als welche der Masochismus erscheint, eine angeborene Abnormität darstellt und nicht, sozusagen gezüchtet, bei einem Disponierten aus passiver Flagellation sich entwickelt, auf dem Wege der Ideenassoziation, wie Rousseau und Binet annehmen, ist wohl leicht zu erweisen.

Es ergibt sich das aus den zahlreichen, ja die Majorität bildenden Fällen, in welchen die Flagellation beim Masochisten niemals aufgetaucht ist, in welchen der perverse Trieb sich ausschließlich auf rein symbolische, die Unterwerfung ausdrückende Handlungen ohne eigentliche Schmerzzufügung richtet.

Es ergibt sich aber das gleiche Resultat, nämlich daß die passive Flagellation nicht der Kern sein kann, an den sich alles Übrige angesetzt hat, auch aus der näheren Beobachtung solcher Fälle, in denen diese eine Rolle spielt.

In andern Fällen kann nicht an eine sexuell stimulierende Wirkung einer in der Jugend erlittenen Strafe gedacht werden. Überhaupt ist bei ihnen die Anknüpfung an eine frühere Erfahrung nicht möglich, da die hier den Gegenstand des sexuellen Hauptinteresses bildende Situation mit einem Kinde gar nicht ausführbar ist.

Endlich ergibt sich überzeugend die Entstehung des Masochismus aus rein psychischen Elementen aus dem Vergleich desselben mit dem Sadismus.

Daß passive Flagellation so häufig beim Masochismus vorkommt, erklärt sich einfach daraus, daß sie das stärkste Ausdrucksmittel für das Verhältnis der Unterwerfung ist.

Ich wiederhole es als entscheidend für die Differenzierung von einfacher passiver Flagellation und Flagellation auf Grund masochistischen Verlangens, daß im ersteren Fall die Handlung Mittel zum Zweck des dadurch möglich werdenden Koitus oder wenigstens einer Ejakulation, im letzteren Fall Mittel zum Zweck der seelischen Befriedigung im Sinne masochistischer Gelüste ist.

Versucht man, dem Masochismus seine Stellung im Gebiet der sexualen Perversionen anzuweisen, so muß man von der Tatsache ausgehen, daß er eine ins Pathologische übertriebene Erscheinung weiblicher psychischer Geschlechtscharaktere darstellt, insofern ein Merkmal derselben Duldung, Unterwerfung unter den Willen und die Macht ist. Wird doch bei Völkern auf niederer Kulturstufe die Unterwerfung des Weibes bis zu Brutalitäten gegen dasselbe ausgedehnt und dieser schlagende Beweis der Abhängigkeit von dem betreffenden Weibe wollüstig empfunden und als Liebesbeweis aufgefaßt! Es ist wahrscheinlich, daß auch beim Weibe auf hoher Kulturstufe die Rolle der »unterliegenden« Partei angenehm empfunden wird und einen Bestandteil des sich beim Geschlechtsakt entwickelnden Wollustgefühls bildet, wie überhaupt das aggressive Vorgehen des Mannes einen sexuellen Reiz für das Weib abgibt. Es kann kein Zweifel darüber sein, daß sich der Masochist in passiver, weiblicher Rolle der Domina gegenüber fühlt, und daß seine sexuelle Befriedigung davon abhängt, daß ihm die Illusion des Unterworfenseins unter den Willen der Domina gelingt. Die daraus hervorgehende Wollust ist an und für sich nicht verschieden von dem Gefühl, welches sich für das Weib aus seiner passiven Rolle beim Sexualakt ergibt.

Der masochistisch Fühlende sucht und findet überdies eine Ergänzung für seine Zwecke darin, daß er der Partnerin männliche psychische Geschlechtscharaktere andichtet – auch hier in perverser, übertriebener Weise, insofern das sadistische Weib sein Ideal darstellt.

Aus solchen Tatsachen läßt sich der Schluß ziehen, daß der Masochismus eigentlich eine rudimentäre Form der konträren Sexualempfindung ist, eine partielle Effeminatio, welche nur die sekundären Geschlechtscharaktere der psychischen Vita sexualis ergriffen hat.

Diese Annahme findet eine Stütze darin, daß heterosexuelle Masochisten sich mehr als weiblich fühlende Naturen bezeichnen und tatsächlich auch der Beobachtung gegenüber weibliche Züge aufweisen. So wird es auch verständlich, daß masochistische Züge so überaus häufig bei homosexuell fühlenden Männern anzutreffen sind.

Aber auch beim weiblichen Masochismus finden sich solche Beziehungen zur konträren Sexualempfindung.

So fühlt, wenigstens im Traumleben, manche Frau sich als Sklave dem Phantasiegebilde des geliebten Mannes gegenüber und wundert sich selbst darüber, nie in der Rolle der Sklavin zu erscheinen. Die von ihr versuchte Erklärung dieser übrigens auch im wachen Leben anklingenden Tatsache ihres Bewußtseins ist folgende: sie denkt sich als Mann, der ja von Natur stolz und hochstehend ist, weil dadurch die Erniedrigung vor dem geliebten Manne um so größer erscheint, was kaum annehmbar erscheint.«

Wenn wir nun auf diese Erklärung Krafft-Ebings eingehen, so möchten wir mit der ersten der beiden von ihm angegebenen Wurzeln beginnen, und zwar deshalb, weil wir ja stets bestrebt sind, die Übergänge zwischen Normalem und Perversem aufzuzeigen. In der Tat ist es etwas ganz Gewöhnliches, daß beim normalen Geschlechtsakt Schmerzen, natürlich geringeren Grades, als lustvoll empfunden werden.

Hierher gehört auch die im zweiten Kapitel dieses Buches erwähnte Tatsache, daß Schläge, besonders Rutenstreiche, ad podicem et ad nates, reflektorisch zu einer Erregung der Sexualsphäre führen und dadurch die Bereitschaft zum Akt auslösen oder steigern können.

Weit wichtiger indessen ist die Beziehung zwischen Schmerz und Ekstase. Die Ekstase, zu deutsch das »Außersichgeraten«, ist ihrem Wesen nach eine Verschiebung des Bewußtseins nach oben, das Erreichen einer höheren Sphäre, also jener Region, in der z. B. die Mystiker ihre bedeutsamen Erlebnisse und Schauungen hatten. Bei allen Völkern, zu allen Zeiten und aus allen Motiven wurde seit jeher der Schmerz als das wirksamste Mittel, als die Via regia betrachtet, in den Zustand der Ekstase zu gelangen. So ist es denn auch durchaus verständlich, daß in Fällen, in denen bereits eine überstarke Liebesleidenschaft das betreffende Individuum über die normale Bewußtseinsebene hinausgehoben hat, der Wunsch rege wird, diese Steigerung noch weiter zu treiben bis zur wahren Ekstase. Und es ist klar, daß dann in diesem Zusammenhang der Weg der Schmerzen gewählt und beschritten wird.

Weit wichtiger nun, und hierin stimmen wir durchaus mit Krafft-Ebing überein, ist die von ihm als zweite Wurzel des Masochismus bezeichnete geschlechtliche Hörigkeit; es ist überaus bemerkenswert, daß schon damals diese eigenartige seelische Erscheinung so klar erkannt und so genau beschrieben werden konnte.

Wesentlich für den Masochismus ist eben nicht der Schmerz, den man ersehnt oder in Wirklichkeit erleidet, sondern die Unterwerfung, die man wünscht oder durch Objektwahl und Arrangement tatsächlich erreicht. Wir möchten in diesem Zusammenhang zuerst einmal an unser Schema erinnern, das – ohne jede Beziehung zum Schmerz – deutlich ausdrückt, daß der Masochist tiefer steht als sein Sexualobjekt und sich somit diesem unterordnet, unterwirft. Die Richtung: oben – unten ist entscheidend! Die Problematik des gesamten Masochismus ist nun ganz wesentlich darauf zurückzuführen, daß dieser Unterwerfungswunsch, der dem weiblichen Geschlecht aus atavistischen und andern Gründen verhältnismäßig gemäß ist, beim Mann der üblichen Einstellung und Lebensführung widerspricht. Das ist unter allen Umständen auffällig, und dieses Moment der Auffälligkeit haben wir ja schon verschiedentlich bei andern Perversionen (Fetischismus usw.) hervorgehoben.

Wir möchten darauf verzichten, den von Krafft-Ebing beschriebenen Zusammenhang zwischen Hörigkeit und Masochismus und seine Erklärung für den Übergang der Abnormität in Perversion kritisch zu besprechen, zumal die dort entwickelten Anschauungen auf manche Fälle von Masochismus nach wie vor wohl anwendbar sind. Weit wichtiger erscheint es uns, einige Ergänzungen anzubringen.

Zu diesem Zwecke möchten wir in die Nomenklatur einen neuen Begriff einführen. Auch andere Autoren haben bereits die Schwierigkeiten empfunden, die sich ergeben, wenn man sich an die Namensgebung und Begriffsbestimmung Krafft-Ebings hält. So hat z. B. Schrenck-Notzing das Wort Algolagnie vorgeschlagen, vom griechischen Algos, der Schmerz, und Lagneia, die Wollust, und hat den Masochismus als passive Algolagnie bezeichnet (den Sadismus dann als aktive Algolagnie). Da wir nun mit Krafft-Ebing der Ansicht sind, daß beim Masochismus der Schmerz weit weniger wichtig ist als die Unterwerfung, so können wir uns dem Vorschlag Schrenck-Notzings nicht zur Gänze anschließen. Wir möchten vielmehr vorschlagen, den Ausdruck Algolagnie für jene Formen des Masochismus zu reservieren, in denen tatsächlich, wie z. B. bei der passiven Flagellomanie, der Schmerz im Vordergrund steht. Die weit zahlreicheren Fälle hingegen, in denen die Perversion im Wunsch nach Unterwerfung besteht und gipfelt, und zu denen der vor allem so außerordentlich verbreitete ideelle Masochismus gehört, mit seinen Unterarten wie Pagismus usw., möchten wir als Doulolagnie bezeichnen Von den griechischen Worten Doulos: Sklave, und Lagneia: Wollust.. Wir sind uns darüber klar, daß die Einführung eines solchen neuen Begriffes vor allem heuristischen Wert haben muß, um Geltung zu erlangen, sind aber überzeugt, seine praktische Verwendbarkeit aufzeigen zu können.

Gleichgültig, ob man an Hand der Literatur (und zwar der medizinischen wie der historischen und der kulturhistorischen) das Gebiet des Masochismus durchforscht, oder ob man über ein größeres Material an Beobachtungen und Fällen verfügt, immer wieder zeigen sich grundlegende Unterschiede zwischen der Algolagnie und der Doulolagnie. Wir haben bereits früher gesagt, daß es eigentlich das Richtigste wäre, den Masochismus als eine Unterart des Fetischismus aufzufassen, und daß wir bloß aus praktischen Gründen bei der althergebrachten Einteilung geblieben sind. Nun, auch in dieser Beziehung, also im Hinblick auf die fetischistische Note der perversen Einstellung und Handlung, differieren Algolagnie und Doulolagnie sehr beträchtlich. Der ersteren kommt es auf den Schmerz an, und Fetischcharakter erhält demnach der den Schmerz bereitende Gegenstand – Hand und Fuß, Stiefel und Sporn, Peitsche und Rute usw. – oder der von der Schmerzzufügung betroffene Körperteil, in den weitaus meisten Fällen also die Nates. Kurz, die Beziehungen zum reinen Gegenstands- und Partialfetischismus sind unverkennbar.

Bei der Doulolagnie hingegen können allenfalls auch Körperteile, besonders der Fuß, und Gegenstände, wie Fesseln und Riemen, aber auch Stiefel und Schuhe, eine sehr beachtliche Rolle spielen, niemals aber die Hauptrolle, die einzig und allein der Situation und dem Arrangement zukommt. Die Verhältnisse sind also hier ungleich komplizierter, und so wie wir beim Fetischismus erwähnt haben, daß dort, bei jener Triebabweichung, der Perverse manchmal geradezu die Fähigkeiten eines Dichters braucht, so muß hier Regiearbeit, oft feinster und mühevollster Art, geleistet werden.

Noch ausgeprägter sind die Unterschiede zwischen den beiden Möglichkeiten des Masochismus, wenn man von den sexuellen Leitlinien unseres Schemas ausgeht. Bei der Algolagnie nämlich, bei der es darauf ankommt, Schmerzen zu erleiden und zu erleben, ist das Sexualobjekt, hier also die jene Schmerzen zufügende Person, von verhältnismäßig geringer Bedeutung. Die Sexualwünsche solcher Perverser sind so eindeutig, um nicht zu sagen so primitiv, daß die Objektwahl stark in den Hintergrund tritt, wie wir das auch bei andern Triebabweichungen bereits gesehen haben. Demzufolge bilden solche Pervertierte die Kundschaft der Massagesalons, der Bordelle und überhaupt jener Prostituierten, die sich »sadistisch« spezialisiert haben. Es gibt natürlich auch hier Fälle, in denen die seelische Einstellung im Sinn des Unterwerfungswunsches verändert ist, aber dieser tritt doch immer stark hinter der Begierde, Schmerzen zu erleiden, zurück.

Gänzlich anders steht es um die Doulolagnie. Hier finden wir einen Aufwand an Phantasie und Kraft zur seelischen Umgestaltung der eigenen Person wie des Sexualobjekts, der das, was in dieser Beziehung beim Fetischismus vorkommt, erreicht und sogar übertrifft. Der bekannte Satz: »Das Weib vom Mann geschaffen« hat hier vollste Geltung. Der ganze Minnedienst des Mittelalters gehört in diese Gruppe, denn als normale Sexualbeziehung wird man die »Hohe Minne« auch dann nicht auffassen, wenn sie noch weit von dem unzweifelhaft pathologischen Verhalten etwa eines Ulrich von Liechtenstein entfernt ist. Im Elisabethanischen Zeitalter Englands waren, wie Shakespeare und andere Dramatiker jener Epoche bezeugen, perverse Akte durchaus üblich, die wie bibere urinam feminae amatae heute durchaus als Symptom eines sehr schweren Masochismus aufgefaßt werden müßten. Bei der Doulolagnie ist es anscheinend nicht möglich, die Abszisse (unseres Schemas) zu verlassen, und so muß das Sexualobjekt auf der Ordinate nach oben verschoben werden, um die Richtung: unten – oben, auf die es einzig und allein ankommt, herstellen zu können. Es ist ohne weiteres klar, daß diese Einstellung nur in einer sehr kleinen Zahl von Fällen verwirklicht werden kann, und daraus ergibt sich schon, daß der ideelle Masochismus zum allergrößten Teil in das Gebiet der Doulolagnie fällt.

Sehr interessant sind ferner die Unterschiede, die zwischen der Algolagnie und der Doulolagnie in bezug auf die männliche Potenz sowie auf die Frage bestehen, ob es sich hier und dort um eine Perversion im engeren Sinn des Wortes handelt, ob also daneben der normale Geschlechtsverkehr vorkommt oder nicht; der enge Zusammenhang dieser Probleme ist klar. Von vornherein wäre man versucht anzunehmen, daß die Freude am erduldeten Schmerz einen höheren Grad des Abweichens vom Normalen bedeuten müsse als der bloße Wunsch nach Unterwerfung, schon deshalb, weil ja der aus eigenem Willen herbeigeführte Schmerz dem vielleicht wichtigsten Trieb des Menschengeschlechtes (und aller lebenden Wesen), nämlich dem Selbsterhaltungstrieb, widerspricht. In Wirklichkeit ist dem aber nicht so, und es scheint dafür auch maßgebend zu sein, daß Schmerzen gewisser Art und gewissen Grades primär und direkt, also ohne daß die Psyche beteiligt wäre, einen sexuellen Reiz bilden können, was ja bereits früher, im zweiten Kapitel, erwähnt wurde. Jedenfalls lehrt die Beobachtung, daß mit der Algolagnie ein normales Geschlechtsleben recht oft verbunden ist, sei es, daß die betreffenden Akte als Einleitung des coitus normalis vorgenommen werden, sei es, daß sie ihn ersetzen, ohne daß er deshalb jedoch völlig und dauernd abgelehnt würde. Bei der Doulolagnie tritt der normale Geschlechtsverkehr sehr, sehr stark in den Hintergrund. Er wird zwar nur selten, so wie wir das auch bei den schweren Formen des Fetischismus gesehen haben, vollkommen aufgegeben, dafür aber wird in der Regel das gesamte Arrangement so angelegt und aufgebaut, daß der eigentliche Geschlechtsakt eben dadurch ausgeschlossen wird. Um das zu verstehen, braucht man sich nur an die sexuelle Leitlinie: unten – oben zu erinnern, die hier ja den wahren und wesentlichen Inhalt der Vita sexualis bildet. Der Koitus bedeutet für solche Perverse nicht nur ein Verlassen, sondern geradezu ein Umkehren eben dieser Leitlinie!

Gehen wir nun auf die Frage ein, wie und inwieweit Algolagnie und Doulolagnie mit der (männlichen) Potenz, bzw. deren Störungen zusammenhängen, so möchten wir zuerst feststellen, daß hier eine über die Norm hinausgehende Potenz niemals vorkommt, also das Gegenteil von dem, was wir beim Sadismus gesehen haben. Wesentlich ist nur die Unterscheidung zwischen post und propter. Wird der Masochist impotent, weil er Masochist ist? oder wird man auf Grund der Impotenz zum Masochisten? Klarerweise trifft der letztere Fall zu, wobei aber sogleich zu sagen ist, daß es sich hier weniger um wirkliche Impotenz handelt als um Potenz angst, deren Bedeutung für die Entstehung der Triebabweichungen ja bereits mehrfach erwähnt wurde.

Auch hier besteht ein gewisser Unterschied zwischen der Algolagnie und der Doulolagnie. Bei der Algolagnie liegen häufig faktische Potenzstörungen vor, und die Flagellation hat hier sehr deutlich auch den Zweck, durch direkte Reizung der Genitalsphäre die Erektion herbeizuführen oder zu verbessern. Es ist dies sogar dort erkenntlich, wo die passive Flagellation mit dem Unterwerfungswunsch verbunden ist und also masochistischen Charakter hat. Der ganze Sachverhalt geht weniger aus den verschiedenen Krankengeschichten hervor als aus den Berichten jener Prostituierten, die sich »sadistisch« betätigen. Freilich wird man doch annehmen müssen, daß in solchen Fällen eine (manchmal auch unbewußt gebliebene) masochistische Grundeinstellung besteht, denn ohne diese Annahme dürfte es schwer sein zu erklären, warum gerade eine so abwegige und dem Normalen so unerfreuliche Methode zur Potenzsteigerung gewählt wird wie die passive Flagellation.

Bei der Doulolagnie liegen die Dinge insofern anders, als es sich hier hauptsächlich um Potenzangst handelt. Sie ist es, die immer neue Anlässe liefert, um durch ein möglichst seltsames und möglichst kompliziertes Arrangement um den normalen Geschlechtsakt herumzukommen, bei dem man eine Niederlage, eine Blamage fürchtet. Die oft geradezu an Fetischismus erinnernde Bevorzugung des Cunnilinguus, die für solche Perverse durchaus kennzeichnend ist, beruht nicht nur auf der Situation, die man dabei einnimmt, sondern auch auf dem Gedanken, der Partnerin durch diesen perversen Akt den coitus normalis zu ersetzen. Dabei ist die Potenz sehr oft an und für sich durchaus normal, doch kann die Potenzangst so übermächtig sein, daß der Koitus durch sie unmöglich gemacht wird und höchstens dann gelingt, wenn sie, z. B. im Rausch, ausgeschaltet ist. Es ist begreiflich, daß nicht selten versucht wird, diese Potenzangst zu begründen; am häufigsten wird da die Masturbation, die dann in der Regel als »exzessiv« bezeichnet wird, ins Treffen geführt. Es ist nun sehr interessant, daß solche Menschen einer auf die Wiederherstellung der Potenz abzielenden Behandlung fast völlig unzugänglich sind. Das wird verständlich, wenn man bedenkt, daß sie die Potenzstörung als logischen Unterbau ihrer Triebabweichung dringend brauchen; ein Behandlungserfolg würde sie um ihre Motivation bringen und sie somit zwingen, sich zu ihrer perversen Einstellung, die ihnen als unmännlich, unwürdig erscheint, zu bekennen.

Wir stehen nun vor der Frage, welche Rolle dem Wunsch nach Unterwerfung, der sexuellen Leitlinie: unten – oben, in der seelischen Dynamik zukommt – ein Problem also, das uns, im polaren Gegensatz, beim Sadismus bereits beschäftigt hat. Wir möchten da wieder von dem psychologischen Grundsatz ausgehen, daß gewisse seelische Spannungen als Unlust empfunden werden und das Bestreben auslösen, sie auf dem Weg der Kompensation zu beseitigen. Gerade die Doulolagnie (weniger die Algolagnie) läßt sich als Spannungsausgleich auffassen. Es ist nämlich den meisten Beobachtern aufgefallen, daß diese Triebabweichung vor allem bei Männern in sozial gehobenen Stellungen vorkommt, und bei näherer Betrachtung zeigt sich sogar, daß es sich da in erster Linie um Personen handelt, die sich im praktischen Leben leitend und führend betätigen. (Ebensowenig natürlich wie das Genie in irgendeiner Weise als Beispiel gelten kann, dürfen auch wahre Führer und Helden hier zum Beweis herangezogen werden.)

Es läßt sich nun wohl annehmen, daß das ständige Anordnen, ja Befehlen einen starken Wunsch herbeiführen kann, von der Führung, der Leitung und vor allem von der Verantwortung abzurücken. Innerhalb der sozialen Sphäre könnte eine solche Abdankung nur dauernd sein und hätte gleichzeitig schwere materielle Folgen. So muß also ein Ausweg gesucht werden, und am naheliegendsten ist da der Rückzug, die Flucht ins Sexuelle. So wie im Bereich des normalen Trieblebens manchesmal hochgestellte Persönlichkeiten ihr Werk und ihre Umwelt plötzlich verlassen, um sich gewissermaßen sexuell auszuleben, so, nur weniger plötzlich und weniger katastrophal, verspüren (prädisponierte) Männer die Möglichkeit, durch Unterwerfung unter das Weib jene Spannungen auszugleichen, die durch die Rolle des Befehlshabers über Männer in ihnen entstanden sind. Es hängt da von der allgemeinen Einstellung zum andern Geschlecht ab, ob eine solche Flucht aus der Realität in die Phantasie als Algolagnie oder als Doulolagnie verwirklicht wird. Einfacher organisierte Menschen, in deren Leben die Frau überhaupt nur eine geringe Rolle spielt und gespielt hat, gelangen zur Algolagnie, wobei sie sich in der Regel der Prostitution bedienen. Bei höher entwickelten Männern kommt es weit eher, unter starker Zuhilfenahme der Phantasie, zur Doulolagnie.

Beim sozial tiefstehenden Mann ist nur sehr selten von Masochismus, bzw. von Doulolagnie die Rede, und es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, daß der Zuhälter oder der Gigolo, die in sozialer Beziehung ziemlich den Tiefpunkt bilden, niemals Masochisten sind, sondern – und das sogar oft – Sadisten.

Selbstverständlich kann eine psychologische Erörterung dieser Art keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben, und es wird immer wieder Fälle von sozusagen primärer Algolagnie und Doulolagnie geben, bei denen jene nach Ausgleich verlangenden Spannungen nicht vorliegen. Wir möchten aber unsere psychodynamische Auffassung von der Entstehung der Doulolagnie noch durch einen kurzen historischen Überblick stützen, ungefähr so, wie wir das auch bei der Besprechung des Sadismus getan haben. Es zeigt sich nämlich, daß in Zeiten, in denen ein bestimmtes Volk, ein Land, eine Kultur durch einen besonderen Tatendrang ausgezeichnet war, stets auch deutliche Anzeichen einer weitverbreiteten Doulolagnie zu finden sind. Man darf das natürlich nicht grobsinnlich auffassen, sondern muß als Hauptkennzeichen eine das physiologische Maß überschreitende Frauenverehrung annehmen. (Bei Naturvölkern muß überhaupt jede Frauenverehrung auffallen, weil bei den Primitiven das Weib von vornherein eine untergeordnete Rolle spielt.) Um ganz früh zu beginnen, erwähnen wir die Verbindung von Heldentum und Frauenverehrung, die Tacitus von den Germanen berichtet. Die gleiche Erscheinung finden wir in Rom, in der Epoche, in der es – als Republik – sich zur Weltmacht entwickelte. Sehr deutlich zeigt sich die Doulolagnie in der Hochblüte des abendländischen Rittertums. Der Minnedienst wurde bereits erwähnt; in höchster Sublimierung dürfte hierher auch der Madonnenkult jener Zeit gehören. Der Held, der keinerlei irdische Macht über sich anerkannte, und dessen Leben und Denken von Kampf und Streit ausgefüllt war, brauchte ein über der Menschheit stehendes Objekt, um sich in Demut unterwerfen zu können, und schuf sich aus dieser Einstellung heraus die reine Himmelskönigin, in deren Dienst zu treten ihm sein Heldentum nicht verwehrte. Das Elisabethanische England ist gleichfalls als Beispiel in dieser Beziehung geeignet, und als in den deutschen Freiheitskriegen die Blüte der Jugend sich gegen Napoleon erhob, wurde sogleich eine Frauenverehrung lebendig, die den früheren Generationen völlig fern gelegen war. Am allerdeutlichsten vielleicht ist die Doulolagnie in USA, wo gerade die härtesten, tüchtigsten und erfolgreichsten Geschäftsmänner in wirklich sklavenhafter Demut Frauenanbetung und -kult betreiben.

Ehe wir nun auf die Kasuistik des gesamten Masochismus eingehen, möchten wir noch zu einem Problem Stellung nehmen, das in der einschlägigen Literatur nicht einheitlich geklärt erscheint. Es ist das die Frage, ob ein Sado-Masochismus existiert, also ob es Menschen gibt, die zwischen Sadismus und Masochismus hin und her schwanken, einmal Sadisten, dann wieder Masochisten sind usw. Wir glauben, diese Möglichkeit entschieden verneinen zu sollen. Masochismus und Sadismus sind angeborene Perversionen, durch ihre Entstehung und durch ihre Dynamik ihrem innersten Wesen nach nicht nur voneinander unterschieden, sondern überhaupt miteinander unvereinbar. Sie sind grundsätzlich polar entgegengesetzt, allenfalls mit der Einschränkung, daß beim Sadismus die (zugefügten) Qualen eine größere Rolle spielen als beim Masochismus der (erduldete) Schmerz. Das Zustandsbild also, das fälschlich – als Sado-Masochismus bezeichnet wird, kann die Folge sexuellen Spieltriebs sein, dann ist die betreffende Person ihrem Wesen nach weder sadistisch noch masochistisch, sondern sie betätigt sich in, wie gesagt, spielerischer Weise hier und dort, hauptsächlich deshalb, weil es ihr darauf ankommt, sich von der normalen sexuellen Leitlinie zu entfernen. Oder aber es handelt sich um Vorgänge in der Art der beim Fetischismus besprochenen Identifikation, indem bei der Objektwahl aus äußeren oder – seltener – inneren Gründen für die zur Verwirklichung der Perversion, des Sadismus oder des Masochismus, notwendige Tathandlung die eigene Person herangezogen wird.

Wenn wir nunmehr den gesamten Masochismus in seinen einzelnen Formen und Arten so besprechen, wie wir das früher beim Sadismus getan haben, so haben wir hier sogleich festzustellen, daß ein Äquivalent zum Lustmord fehlt. Ist auch am Masochismus und besonders an der Algolagnie ein gewisser Selbstvernichtungstrieb mitbeteiligt, so geht dieser doch nie so weit, um zu irreparablen Schädigungen des Leibes und der Gesundheit und insbesondere zum Tode zu führen. Es gibt zwar Fälle, bei denen, in Bordellen – die Flagellation mit dem Tode des Perversen geendet hat, doch ließ sich dabei jedesmal nachweisen, daß da ein unglücklicher Zufall mitgespielt hat, der keineswegs im Arrangement vorgesehen war. Der ideelle Masochismus allerdings kennt in seinen Phantasien und der ihnen als Unterlage dienenden Literatur auch die verschiedensten Todesarten und Todesqualen.

Ganz ähnlich liegen die Dinge bei den verschiedensten Schmerzen und Qualen, denen sich die Masochisten unterziehen. Der Selbsterhaltungstrieb scheint es eben sehr weitgehend zu verhindern, daß die betreffenden Vorstellungen in die Wirklichkeit umgesetzt werden. »Sadistische« Prostituierte verfügen nicht selten über ein ganzes Arsenal an verschiedensten Peitschen und Folterinstrumenten, an Nagelbetten, wie sie die indischen Fakire benützen, Stachelhalsbändern usw., ohne daß jedoch diese Behelfe auch nur annähernd im Ernst gebraucht würden. In einem (selbst beobachteten) Falle teilte der Patient mit, daß er von seiner »Herrin« manchmal selbst 2000 Peitschenschläge aufgezählt erhalte. Aufgefordert, sofort nach einer solchen Flagellation sich zur Untersuchung einzufinden, bot er außer einer ganz leichten Rötung der Haut in der Gesäßgegend keinerlei Befund, so daß also ohne jeden Zweifel von wirklichen Schlägen nicht die Rede sein konnte.

Aber auch noch in anderer Beziehung ist der Selbsterhaltungstrieb stärker als die Perversion. Merkwürdigerweise wurde die doch sehr auffallende Tatsache bisher in der Literatur nicht gewürdigt, daß perverse Männer sich Prostituierten zwar zu den niedrigsten Dienstleistungen, auch häuslicher Art, anbieten und gebrauchen lassen, daß sie, worüber noch zu sprechen sein wird, auch ekelhafte Handlungen aller Art vornehmen, wie urinam bibere, faeces edere usw., daß sie aber in materieller Hinsicht die selbstgesteckten Grenzen niemals überschreiten. Versucht die Puella, einen solchen anscheinend grenzenlos unterworfenen Mann zu einer Erhöhung der vereinbarten Zahlung durch Äußerung eines solchen Wunsches oder durch einen direkten Befehl zu bewegen, so mißlingt dies durchaus. Der »Zauber« ist dann gebrochen, und nicht selten treten zugefügte Brutalitäten an die Stelle der erduldeten.

Als Beispiele für deutliche Algolagnie lassen sich folgende Fälle verwenden:

Beobachtung 147. X. ließ durch eine Vertrauensperson eine Wohnung für die Dauer seiner Anfälle mieten und das Personal (3 Prostituierte) genau instruieren, was mit ihm zu geschehen habe. Er erschien zeitweise, wurde entkleidet, masturbiert, flagelliert, wie es befohlen war. Er leistete anscheinend Widerstand, bat um Gnade, dann gab man ihm befohlenermaßen zu essen, ließ ihn schlafen, behielt ihn aber trotz Protest da, schlug ihn, wenn er sich nicht fügte. So ging es einige Tage. Mit Lösung des Anfalls wurde er entlassen und kehrte zu Frau und Kindern zurück, die von seiner Krankheit keine Ahnung hatten. Der Anfall wiederholte sich 1-2mal jährlich ( Tarnowsky).

Beobachtung 148. Ein den höheren Ständen angehöriger, 28 Jahre alter Herr erscheint alle 3-4 Wochen im Lupanar, wo er sich vorher mit einem Brief folgenden Inhalts ankündigt: »Liebes Gretchen! Ich komme morgen abend zwischen 8 und 9 Uhr. Knute und Peitsche! Herzlich grüßend ...«

X. erscheint zur bestimmten Zeit mit Lederriemen, Reitpeitsche und Knute. Er zieht sich aus, läßt sich mit den mitgebrachten Riemen an Händen und Füßen fesseln und dann von der Puella mit den betreffenden Instrumenten so lange auf Fußsohlen, Waden, Podex Streiche versetzen, bis die Ejakulation erfolgt. Irgendeinen andern Wunsch äußert er nie.

Daß diesem Mann die Flagellation nur Mittel zum Zweck der Befriedigung masochistischer Gelüste ist und nicht ein Kunstgriff zur Herstellung seiner Potenz, geht u. a. daraus hervor, daß er sich fesseln läßt und den Koitus verschmäht.

In seinem masochistischen Ideenkreis genügt die von ihm bestellte Unterwerfungssituation, um, als Äquivalent eines normalen Geschlechtsaktes, mit Hilfe der Phantasie den Orgasmus zu erzielen, wobei die Flagellation als stärkstes Ausdrucksmittel für die Situation des Unterworfenseins unter den Willen einer andern Person offenbar die Hauptrolle spielt. Immerhin läßt sich vermuten, daß die Flagellation durch reflektorische Reizung des spinalen Ejakulationszentrums zum Enderfolg des den Koitus vertretenden Aktes etwas beiträgt ( Krafft-Ebing).

Man wird durch solche Berichte an den bereits erwähnten »materiellen Selbsterhaltungstrieb« der Masochisten erinnert und kann nur über die Phantasie dieser Perversen staunen, die es ihnen möglich macht, einerseits das gewünschte Arrangement bis in alle Einzelheiten selbst anzuordnen, also zu befehlen, und anderseits die solcherart befohlenen Demütigungen und Qualen zu erdulden. Und so wie dort eine von der Puella eigenmächtig erhobene Geldforderung der masochistischen Situation augenblicklich ein Ende macht, so bewirkt hier jedes Abweichen von der »Bestellung« sofort die Rückkehr zum Normalen.

Der Unterwerfungswunsch tritt häufig auch in der Weise zutage, daß sich der Perverse, in einer eigenartigen Verflechtung von Vorstellungen und praktischem Arrangement, in die Rolle eines Tieres, und zwar hauptsächlich eines Pferdes, versetzt, was in der Literatur mit dem Fachausdruck: equus eroticus bezeichnet wird. Es ist das geradezu ein Lieblingsgedanke vieler Masochisten. Schon in der indischen Literatur, z. B. im Pantschatandra, in buddhistischen Erzählungen, in der Antike – Phyllis reitet auf Aristoteles – findet man immer wieder diese Wunschvorstellung. Der junge Goethe hat in »Lilys Park« die angenehme Empfindung geschildert, wie er sich, als Bär, von Lily schlagen und treten läßt, wobei er sich »vor Wonne neugeboren« fühlt. Im neueren Schrifttum hat sich Zola mit diesem Problem beschäftigt. Auch in die Rolle des Hundes denken sich manche Masochisten gerne hinein, lassen sich auf allen vieren am Halsband im Zimmer herumführen usw. Sehr bezeichnend ist folgender Fall:

Beobachtung 149. X., Beamter, groß, muskulös, gesund, stammt angeblich von gesunden Eltern, jedoch war der Vater bei der Zeugung 30 Jahre älter als die Mutter. Eine Schwester, 2 Jahre älter als X., leidet an Verfolgungswahn. X. bietet in seinem Äußeren nichts Auffälliges. Skelett durchaus männlich, starker Bart, jedoch Rumpf gänzlich unbehaart. Er bezeichnet sich als ausgeprägten Gemütsmenschen, der niemand etwas abschlagen kann, gleichwohl jähzornig, aufbrausend, dabei augenblicklich bereuend.

X. hat angeblich nie onaniert. Von Jugend auf nächtliche Pollutionen, bei denen nie der sexuelle Akt, immer aber das Weib eine Rolle spielte. Es träumte ihm z. B., eine ihm sympathische Frau lehne sich kräftig an ihn an, oder er lag schlummernd im Grase, und sie stieg scherzweise auf seinen Rücken. Vor Koitus mit einem Weibe hatte X. von jeher Abscheu. Dieser Akt kam ihm tierisch vor. Trotzdem drängte es ihn zum Weibe. Nur in Gesellschaft von hübschen Frauen und Mädchen fühlte er sich wohl und an seinem Platze. Er war sehr galant, ohne je zudringlich zu sein.

Eine üppige Frau mit schönen Formen, namentlich hübschem Fuß, konnte ihn, wenn sie saß, in höchste Erregung versetzen. Es drängte ihn, sich ihr als Stuhl anzubieten, um »so viel Herrlichkeit tragen zu dürfen«. Ein Tritt, eine Ohrfeige von ihr wäre ihm Seligkeit gewesen. Vor dem Gedanken, mit ihr zu koitieren, hatte er Angst. Er fühlte das Bedürfnis, dem Weibe zu dienen. Es kam ihm vor, daß Damen gerne reiten. Er schwelgte in dem Gedanken, wie herrlich es sein müßte, sich unter der Last eines schönen Weibes abzuquälen, um ihm Vergnügen zu bereiten. Er malte sich die Situation nach jeder Richtung aus, dachte sich den schönen Fuß mit Sporen, die herrlichen Waden, die weichen vollen Schenkel. Jede schön gewachsene Dame, jeder hübsche Damenfuß regte seine Phantasie immer mächtig an, aber niemals verriet er seine absonderlichen, ihm selbst abnorm erscheinenden Empfindungen und wußte sich zu beherrschen. Er fühlte aber auch kein Bedürfnis, dagegen anzukämpfen – im Gegenteil, es hätte ihm leid getan, seine ihm so liebgewordenen Gefühle preisgeben zu müssen.

32 Jahre alt, machte X. zufällig die Bekanntschaft einer ihm sympathischen, vom Manne geschiedenen und in Notlage befindlichen 27 Jahre alten Frau. Er nahm sich um sie an, arbeitete für sie, ohne irgendwelche eigennützige Absicht, monatelang. Eines Abends verlangte sie ungestüm von ihm geschlechtliche Befriedigung, tat ihm beinahe Gewalt an. Der Koitus hatte Folgen. X. nahm die Frau zu sich, lebte mit ihr, koitierte mäßig, empfand den Koitus mehr als eine Last denn als einen Genuß, wurde erektionsschwach, konnte die Frau nicht mehr recht befriedigen, bis sie endlich erklärte, sie wolle keinen Verkehr mehr mit ihm, da er sie nur reize, aber nicht befriedige. Obwohl er die Frau unendlich liebte, konnte er doch seinen eigenartigen Phantasien nicht entsagen. Er lebte nun mit der Frau nur mehr in freundschaftlichem Verkehr und beklagte es tief, daß er ihr in seiner Weise nicht dienen konnte.

Furcht, wie sie bezügliche Vorschläge aufnehmen möchte, und Schamgefühl hielten ihn davon ab, sich ihr zu entdecken. Er fand Ersatz dafür in seinen Träumen. So träumte ihm z. B., er sei ein edles feuriges Pferd und werde von einer schönen Dame geritten. Er fühlte ihr Gewicht, den Zügel, dem er gehorchen mußte, den Schenkeldruck in der Flanke, er hörte ihre wohlklingende fröhliche Stimme. Die Anstrengung trieb ihm den Schweiß aus, das Empfinden des Sporns tat das übrige und bewirkte jeweils das Eintreten einer Pollution unter großem Wollustgefühl.

Unter dem Einfluß solcher Träume überwand X. vor 7 Jahren seine Scheu, um derlei auch in der Wirklichkeit erleben zu können.

Es gelang ihm, »passende« Gelegenheiten aufzutreiben. Er berichtet darüber folgendes: »Ich wußte es immer so anzustellen, daß bei irgendeiner Gelegenheit sie sich von selbst auf meinen Rücken setzte. Nun trachtete ich, ihr diese Situation so angenehm als möglich zu machen, und erreichte es leicht, daß sie bei nächster Gelegenheit aus eigenem Antrieb sagte: ›Komm, laß mich ein bißchen reiten!‹ Groß gewachsen und beide Hände auf einen Stuhl gestützt, brachte ich meinen Rücken in horizontale Lage, auf den sie sich dann rittlings, nach Männerart reitend, setzte. Ich machte dann so viel als möglich alle Bewegungen eines Pferdes und liebte es, wenn auch sie mich nur als Pferd behandelte, ganz ohne Rücksicht. Sie konnte mich schlagen, stechen, schelten, liebkosen, ganz nach Laune. Personen von 60 bis 80 Kilo konnte ich so ½ bis ¾ Stunden ununterbrochen auf dem Rücken haben. Nach dieser Zeit bat ich gewöhnlich um eine Ruhepause, während welcher der Verkehr zwischen mir und der Herrin ein ganz harmloser und von dem vorhergegangenen nicht die Rede war. Nach einer Viertelstunde war ich jeweils wieder vollkommen erholt und stellte mich der Herrin bereitwillig wieder zur Verfügung. Ich machte dies, wenn es Zeit und Umstände erlaubten, 3- bis 4mal hintereinander. Es kam vor, daß ich vor- und nachmittags mich hingab. Ich fühlte nachträglich keine Ermüdung oder sonst ein unbehagliches Gefühl, nur hatte ich an solchen Tagen sehr wenig Eßlust. Wenn es anging, war es mir am liebsten, wenn ich den Oberkörper entblößen konnte, um die Reitgerte empfindlicher zu fühlen. Die Herrin mußte dezent sein. Am liebsten war sie mir mit schönen Schuhen, Strümpfen, kurzer, bis zu den Knien reichender geschlossener Hose, Oberkörper vollkommen bekleidet, mit Hut und Handschuhen.«

Herr X. berichtet weiter, daß er seit 7 Jahren Koitus nicht mehr vollzogen hat, sich jedoch für potent hält. Das Damenreiten entschädige ihn vollkommen für jenen »tierischen Akt«, auch dann, wenn es nicht gerade zur Ejakulation kam.

Seit 8 Monaten hat sich X. gelobt, von seinem masochistischen Sport abzulassen, und dieses Gelübde auch gehalten. Gleichwohl meint er, wenn ein auch nur halbwegs hübsches Mädchen ihn ohne Umschweife anreden würde: »komm, ich will dich reiten«, daß er nicht die Kraft hätte, dieser Versuchung zu widerstehen. X. bittet um Aufklärung, ob seine Abnormität heilbar sei, ob er verabscheuungswürdig sei als lasterhafter Mensch, oder ein Kranker, der Mitleid verdiene« ( Krafft-Ebing).

In engem Zusammenhang mit der Wunschvorstellung, als Pferd betrachtet, also zum Tragen benützt zu werden, steht auch der beim Masochisten sehr häufige Wunsch, getreten zu werden, und zwar in einer Weise, daß die Last der tretenden Person empfunden wird. Ein sehr bezeichnendes Beispiel dieser Art wurde bereits nach Havelock Ellis beim Fetischismus mitgeteilt.

Ein anderes ist:

Beobachtung 150. X., Muster eines Ehemannes, streng sittlich, Vater mehrerer Kinder, hat Zeiten, in welchen er ins Bordell geht, sich 2 bis 3 der größten Mädchen auswählt und mit ihnen sich einschließt. Corporis superiorem partem nudavit humi iacens manus supra ventrem ponens oculus claudit et puellas trans pectus suum nudatum et Collum et os vadere iubet et poscit, ut transgredientes summa vi calcibus carnem premerent. Gelegentlich verlangt er eine noch schwerere Dirne oder einige andere Kunstgriffe, die jene Prozedur noch grausamer gestalten. Nach 2 bis 3 Stunden hat er genug, entlohnt die Mädchen mit Wein und Geld, reibt sich seine blauen Flecke, kleidet sich an, zahlt seine Rechnung und geht in sein Geschäft, um nach einer Woche etwa dieses sonderbare Vergnügen sich neuerdings zu verschaffen.

Gelegentlich kommt es vor, daß er eines dieser Mädchen sich auf seine Brust stellen läßt, während die andern sie im Kreise herumdrehen müssen, bis seine Haut unter dem Drehen der Schuhabsätze blutrünstig geworden ist.

Häufig muß eines der Mädchen so auf ihn sich stellen, daß ein Schuh quer über den Augen steht und der Absatz auf den einen Augapfel drückt, während der andere Schuh quer über seinem Halse ruht. In dieser Stellung hält er den Druck der etwa 75 kg schweren Person etwa 4 bis 5 Minuten lang aus ( Hammond-Cox).

Wir sind damit bei den sehr zahlreichen Fällen angelangt, in denen Fuß und Schuh das eigentliche und wesentliche Symbol und Werkzeug der Demütigung sind. Es ist begreiflicherweise oft sehr schwer, ja unmöglich, zu entscheiden, ob hier Masochismus, genauer: Doulolagnie vorliegt oder Fetischismus, wie denn auch bei der Besprechung der letzteren Triebabweichung analoge Beobachtungen bereits mitgeteilt wurden. Der in den nachstehenden Fällen niemals fehlende Unterwerfungswunsch war für ihre Einreihung an dieser Stelle maßgebend.

Beobachtung 151. X., Amerikaner, aus guter Familie, physisch und moralisch in Ordnung, war von der Zeit der erwachenden Pubertät an sexuell nur erregbar durch den Schuh des Weibes. Dessen Körper oder auch der nackte oder mit dem Strumpf bekleidete Fuß machte ihm keinen Eindruck, aber der mit dem Schuh bekleidete Fuß oder auch der Schuh allein machte ihm Erektion, selbst Ejakulation. Es genügte ihm der bloße Anblick, falls ihm elegante Stiefel zur Verfügung standen, d.h. solche aus schwarzem Leder, auf der Seite zum Knöpfen und mit möglichst hohen Absätzen. Sein genitaler Trieb wird mächtig erregt, indem er solche Stiefel berührt, küßt, anzieht. Sein Genuß wird erhöht, indem er die Sohlen durchdringende Nägel einschlägt, so daß die Spitzen der Nägel beim Gehen in sein Fleisch eindringen. Er empfindet davon furchtbare Schmerzen, aber zugleich wahre Wollust. Sein höchster Genuß ist es, vor schönen, elegant bekleideten Damenfüßen niederzuknien, sich von ihnen treten zu lassen. Ist die Trägerin der Schuhe eine häßliche Frau, so wirken sie nicht, und seine Phantasie erkaltet. Hat Patient bloß Schuhe zur Verfügung, so schafft seine Phantasie eine schöne Frau hinzu, und die Ejakulation erfolgt. Seine nächtlichen Träume drehen sich um die Stiefeletten schöner Frauen. Anblick von Damenschuhen in Schaufenstern kommt demselben unmoralisch vor, während das Sprechen über die Natur des Weibes ihm harmlos und geschmacklos erscheint. Verschiedene Male versuchte X. Koitus, aber erfolglos. Es kam nie zu einer Ejakulation ( Mantegazza).

Der Masochismus – Schmerzen erleiden, knien, getreten werden – steht im Vordergrund, der Fetischismus tritt dahinter zurück.

Beobachtung 152. X., 28 Jahre, Beamter, stammt von neuropathischer Mutter. X. war von Kindheit auf nervös, leicht zu beeinflussen, gelangte ohne Verführung früh zur Masturbation, wurde von der Pubertät ab neurasthenisch, unterließ eine Zeitlang Onanie, bekam massenhaft Pollutionen, erholte sich etwas in einer Kaltwasserheilanstalt, fühlte lebhafte Libido dem Weibe gegenüber, gelangte aber, teils aus Mißtrauen in seine Potenz, teils aus Furcht vor Ansteckung, bisher nicht zum Koitus, wovon er sehr peinlich berührt ist, zumal da er wieder in sein geheimes Laster verfällt.

X. zeigte sich bei eingehender Besprechung seiner Vita sexualis als Fetischist und zugleich Masochist und bietet interessante Beziehungen zwischen diesen beiden Anomalien der Vita sexualis. Er versichert, daß er seit seinem 9. Lebensjahre eine Schwäche für den Frauenschuh habe.

Er führt diesen Fetischismus darauf zurück, daß er damals einer Dame ansichtig wurde, als sie zu Pferd stieg und ein Diener ihr den Steigbügel hielt. Dieser Anblick habe ihn mächtig erregt, sich beständig in seiner Phantasie reproduziert und sei immer mehr mit wollüstigen Gefühlen betont worden. Seine Pollutionsgefühle drehten sich später um mit Schuhen bekleidete Weiber. Er schwärmt für Schnürstiefel mit hohen Absätzen. Dazu gesellte sich früh die wollüstig betonte Vorstellung, sich von einem Weibe mit dem Absatz treten zu lassen und in kniender Stellung des Weibes Schuh zu küssen. Am Weibe interessiert ihn nur der Schuh. Geruchsvorstellungen sind dabei nicht im Spiel. Der Schuh als solcher genügt ihm nicht, er muß angelegt sein. Wird X. einer Dame mit solchen Schuhen ansichtig, so wird er so erregt, daß er masturbieren muß. Er glaubt nur einem Weibe gegenüber potent zu sein, das dergestalt beschuht ist.

Als Ersatz hat er sich einen solchen Schuh gezeichnet und schwelgt im Anblick dieser Zeichnung, während er masturbiert ( Krafft-Ebing).

Der stark hervortretende Wunsch, durch Knien der Doulolagnie zu genügen, ist hier entscheidend.

Beobachtung 153. X., junger kräftiger Mann, 26 Jahre alt. Am schönen Geschlecht reizt ihn sinnlich absolut nichts als elegante Stiefel am Fuß einer feschen Dame, besonders wenn sie von schwarzem Leder und mit hohen Absätzen versehen sind. Es genügt ihm der Stiefel ohne Besitzerin. Es gewährt ihm höchste Wollust, ihn zu sehen, zu betasten, zu küssen. Der nackte oder bloß bestrumpfte Damenfuß läßt ihn ganz kalt. Seit der Kindheit habe er eine Vorliebe für elegante Damenstiefel.

X. ist potent; beim sexuellen Akt muß die Person elegant gekleidet sein und vor allem schöne Stiefel anhaben. Auf der Höhe wollüstiger Erregung gesellen sich grausame Gedanken zur Bewunderung der Stiefel. Er muß mit Wonne der Todesqualen des Tieres gedenken, von dem das Leder zu den Stiefeln stammt. Zeitweise zwingt es ihn, Hühner und andere lebende Tiere zur Puella mitzunehmen, damit diese zu seiner größten Wollust mit ihren eleganten Stiefeln auf den Tieren herumtrete. Er nennt dies »zu den Füßen der Venus opfern«. Andere Male muß das Weib auf ihm mit den gestiefelten Füßen herumtreten, je ärger um so lieber.

Bis vor einem Jahre begnügte er sich, da er am Weibe nicht den geringsten Reiz fand, mit Liebkosen von Damenstiefeln seines Geschmacks, wobei es zur Ejakulation und vollen Befriedigung kam ( Lombroso).

Anscheinend ein Beispiel für »Sado-Masochismus«. In Wirklichkeit wohl eine Verbindung von Fetischismus und Masochismus, mit starker Neigung und Fähigkeit zur Identifikation (das Opfer »zu den Füßen der Venus« ist er selbst).

Beobachtung 154. X., Kaufmann, bekam von Zeit zu Zeit, besonders bei schlechter Witterung, folgendes Gelüste: Er redete eine beliebige Prostituierte an und ersuchte sie, mit ihm zu einem Schuster zu gehen, wo er ihr das schönste Paar Lackschuhe kaufte, unter der Bedingung, daß sie dieselben sofort anziehe. Nachdem dies geschehen, mußte die Betreffende auf der Straße möglichst in Kot und Pfützen treten, um die Schuhe recht zu beschmutzen. War dies geschehen, so führte X. die Person in ein Hotel und, kaum mit ihr in einem Zimmer, stürzte er auf ihre Füße los und empfand ein außerordentliches Vergnügen dabei, an diesen seine Lippen zu wetzen. Nachdem die Schuhe auf diese Weise gereinigt waren, gab er ein Geldgeschenk und ging seiner Wege ( Pascal).

Hier zeigt sich die fetischistische Komponente vor allem in dem komplizierten Arrangement. Die recht deutliche Überwindung der normalen Ekelgefühle spielt bei der sehr auffälligen Triebabweichung eine besonders große Rolle, etwa wie wir sie beim Fetischismus als Koprolagnie kennengelernt haben. Schon dort wurde darauf hingewiesen, daß solche Perverse starke masochistische Züge aufweisen; und es ist manches Mal schwer, wenn nicht unmöglich, festzustellen, ob in einem bestimmten Fall Fetischismus oder Masochismus (Doulolagnie) vorliegt. Gewöhnlich aber legen bei der Koprolagnie die Seltsamkeit der – sei es auch nur zum Zweck der Selbsterniedrigung – verwendeten Objekte und die eigenartig komplizierte Situation die Einreihung unter den Fetischismus nahe.

Bei den nachstehenden Beobachtungen ist wiederum vor allem das Arrangement bemerkenswert:

Beobachtung 155. Ein Herr in Paris begab sich an bestimmten Abenden in eine Wohnung, deren Besitzerin zur Befriedigung seiner seltsamen Neigung willfährig war. Er erschien in Gala im Salon der Dame, welche in Balltoilette sein und ihn mit strenger Miene empfangen mußte. Er redete sie als Marquise an, sie mußte ihn mit den Worten »lieber Graf« begrüßen. Darauf sprach er von dem Glück, sie allein zu treffen, von seiner Liebe zu ihr und einer Schäferstunde. Nun mußte die Dame die Beleidigte spielen. Der Pseudograf ereiferte sich immer mehr und verlangte, der Pseudomarquise einen Kuß auf die Schulter drücken zu dürfen. – Große Entrüstungsszene, die Klingel wird gezogen, ein eigens dazu gemieteter Diener erscheint und wirft den »Grafen« hinaus, welcher sehr befriedigt abzieht und die Personen der Komödie reichlich belohnt ( Pascal).

Beobachtung 156. X., 38 Jahre alt, Ingenieur, verheiratet, Vater von drei Kindern, obwohl in guter Ehe lebend, vermag dem Antrieb nicht zu widerstehen, von Zeit zu Zeit bei einer von ihm instruierten Prostituierten vorzusprechen und als Einleitung eines Koitus folgende Komödie aufzuführen. Sobald er bei der Puella eingetreten ist, muß diese ihn bei den Ohren nehmen, ihn an denselben durch die Zimmer zerren, scheltend: »Was tust du da, weißt du nicht, daß du in die Schule gehörst; warum gehst du nicht in die Schule?« Dabei gibt sie ihm Ohrfeigen und schlägt zu, bis er hinkniet und um Verzeihung bittet. Nun händigt sie ihm ein Körbchen mit Brot und Obst ein, wie man es Kindern in die Schule mitgibt, zieht ihn an den Ohren in die Höhe und wiederholt ihre Ermahnungen, zur Schule zu gehen. X. spielt so lange den Widerspenstigen, bis, unter dem Reiz des Ohrenzerrens, Schlagens und Scheltens der Puella, er zur Erektion gelangt. In diesem Moment ruft er: »Ich gehe, ich gehe», und vollzieht den Koitus. Daß diese masochistische Komödie damit zusammenhängen mag, daß anläßlich solcher Züchtigungen in der Schulzeit die ersten sexuellen Erregungen entstanden sind, ist wahrscheinlich, aber nicht erwiesen ( Carrara).

Beobachtung 157. Alle drei Monate erschien bei einer Prostituierten ein etwa 45 Jahre alter Mann und bezahlte sie für folgenden Vorgang: Die Puella mußte ihn entkleiden, ihm Hände und Füße zusammenbinden, ihm die Augen verbinden und überdies die Fenster verdunkeln. Dann mußte er sich niedersetzen und in seinem hilflosen Zustand allein bleiben. Nach einer halben Stunde hatte das Mädchen wiederzukommen und die Bande zu lösen. Darauf zahlte der Mann und ging ganz befriedigt von dannen ( Pascal).

Wir können den deutlich symbolhaften Vorgang, von dem diese Beobachtung berichtet, als Übergang benützen, wenn wir uns jetzt einer Unterart des Masochismus zuwenden, die schon um ihrer außerordentlich weiten Verbreitung willen von großem Interesse ist. Krafft-Ebing hat sie als ideellen Masochismus, manchmal auch als symbolischen Masochismus bezeichnet. Das Wesentliche dieser Triebabweichung oder richtiger dieser perversen Einstellung besteht darin, daß es sich bei ihr ausschließlich um Phantasien und Vorstellungen handelt, während perverse Akte ganz oder fast zur Gänze fehlen.

Kennzeichnend ist ein reiches Vorstellungsleben, das (auch trotz eventueller gegenteiliger Behauptungen) mit Liebe und Sorgfalt gehegt und gepflegt wird. Dafür spricht schon der Umstand, daß sich solche Perverse mit Reden und auch mit Schreiben über ihre Triebabweichung und über ihre Einstellung gar nicht genug tun können. Sie analysieren ihren eigenen Zustand, sie suchen nach Schicksalsgenossen, sie führen mit Prostituierten – und auch mit Ärzten! – lange Gespräche über das Thema, kurzum, man könnte geradezu sagen, daß der Masochismus im Denken eines (natürlich entsprechend eingestellten) Menschen einen um so breiteren Raum einnimmt, je weniger masochistische Akte bei ihm vorkommen.

Beobachtung 158. Herr X., Techniker, 26 Jahre alt, stammt von nervöser, mit Migräne behafteter Mutter. In der väterlichen Aszendenz ist ein Fall von Rückenmarkskrankheit und ein solcher von Psychose vorgekommen.

Ein Bruder ist »nervös«.

Herr X. hat unerhebliche Kinderkrankheiten überstanden, studierte leicht, entwickelte sich normal. Er ist eine durchaus männliche Erscheinung, jedoch etwas schwächlich und unter mittelgroß. Der Descensus des rechten Hodens blieb unvollkommen, indem dieser im Leistenkanal fühlbar ist. Penis normal gebildet, jedoch etwas klein.

Mit 5 Jahren entdeckte X. wollüstige Gefühle, als er mit übereinandergeschlagenen Beinen Schwingungen an einem kleinen Barren machte. Er wiederholte diese Prozedur einige Male, vergaß dann diese Wirkung, und als er sich als reifer Knabe daran erinnerte und jene Prozedur wiederholte, trat der erwartete Erfolg nicht mehr ein. – Mit 7 Jahren wohnte X. einer Knabenprügelei auf dem Schulhof bei, wobei schließlich die Sieger sich rittlings auf die mit dem Rücken auf dem Boden liegenden Besiegten setzten.

Das machte auf X. Eindruck.

Er dachte sich die Position des Unterliegenden als eine angenehme, versetzte sich in Gedanken an ihre Stelle und malte sich aus, wie er durch scheinbare Versuche, sich aufzurichten, es dahin brachte, daß der Gegner rittlings seinem Gesichte immer näher komme, schließlich darauf sitze und ihn so nötige, die Exhalation seiner Genitalien zu empfinden. Solche Situationen tauchten in der Folge bei ihm öfter auf, von Lustgefühlen betont, jedoch empfand er nie dabei eine eigentliche Wollust, hielt solche Gedanken für schlecht und sündhaft und versuchte sie zurückzudrängen. Von sexuellen Dingen will er damals noch keine Ahnung gehabt haben. Bemerkenswert ist, daß Patient bis zum 20. Jahre ab und zu noch an Enuresis nocturna litt.

Bis zur Pubertät hatten die zeitweise wiederkehrenden masochistischen Phantasien, sich unter den Schenkeln eines andern zu befinden, sowohl Knaben als Mädchen zum Gegenstand. Von da ab überwogen weibliche Individuen, und nach beendigter Pubertät waren es ausschließlich solche. Allmählich gewannen diese Situationen auch andern Inhalt. Sie gipfelten nunmehr in dem Bewußtsein, vollkommen dem Willen und der Willkür eines erwachsenen Mädchens unterworfen zu sein, mit entsprechenden demütigenden Handlungen und Situationen.

Als Beispiele solcher führt X. an:

»Ich liege am Boden mit dem Rücken nach unten. Mir zu Häupten steht die Herrin und hat einen Fuß auf meine Brust gesetzt, oder sie hat meinen Kopf zwischen ihren Füßen, so daß mein Gesicht sich direkt unterhalb ihrer Pubes befindet. Oder sie sitzt rittlings auf meiner Brust oder auf meinem Gesicht, ißt und benützt meinen Körper als Tisch. Wenn ich einen Befehl nicht zur Zufriedenheit vollzogen habe oder es meiner Herrin sonst beliebt, so werde ich auf einem dunklen Abort eingesperrt, während sie ausgeht und Vergnügungen aufsucht. Sie zeigt mich als ihren Sklaven den Freundinnen, verleiht mich als solchen ihnen.

Ich werde von ihr zu den niedrigsten Dienstleistungen benutzt, muß sie bedienen, während sie aufsteht, beim Baden, bei der Mictio. Zu letzterer Verrichtung bedient sie sich gelegentlich auch meines Gesichtes und zwingt mich, von ihrem Lotium zu trinken.«

Zur Ausführung will X. diese Ideen nie gebracht haben, da er zugleich die dumpfe Empfindung hatte, daß ihre Verwirklichung ihm das erhoffte Vergnügen nicht bringen würde.

Nur einmal habe er sich in die Kammer eines hübschen Dienstmädchens geschlichen, veranlaßt durch solche Vorstellungen, ut urinam puellae bibat. Er sei aber vor Ekel davon abgestanden.

Vergebens will X. gegen diese masochistischen Vorstellungskreise, als ihm peinlich und ekelhaft, angekämpft haben. Sie bestehen nach wie vor mächtig fort. Er macht aufmerksam, daß die Demütigung dabei die Hauptrolle spielt und nie der Wunsch einer Schmerzzufügung unterläuft.

Die »Herrin« denkt er sich mit Vorliebe in Gestalt zartgebauter Jungfrauen von etwa 20 Jahren, mit zartem schönem Gesicht und womöglich kurzen hellen Kleidern.

An der gewöhnlichen Art, sich jungen Damen zu nähern, an Tanz und Gesellschaft, will X. bis jetzt nie Gefallen gefunden haben. Von der Pubertät ab zeigten sich mit den betreffenden masochistischen Phantasien ab und zu Pollutionen unter schwachem Wollustgefühl.

Als Patient einmal Friktionen der Glans unternahm, gelang ihm weder Erektion noch Ejakulation, und statt eines wollüstigen Gefühls stellte sich jeweils ein unangenehmes, geradezu schmerzartiges ein. Dadurch blieb X. vor der Masturbation bewahrt. Dafür stellte sich vom 20. Jahre ab beim Turnen am Reck, beim Klettern an Tauen und Stangen häufig eine mit starkem Wollustgefühl verbundene Ejakulation ein. Sehnsucht nach sexuellem Verkehr mit Weibern (konträr sexuale Empfindungen hat Patient nie gehabt) trat bisher nie auf. Als ihn, 26 Jahre alt, ein Freund zum Koitus drängte, zeigten sich »angstvolle Unruhe und entschiedener Widerwille« schon auf dem Wege nach dem Lupanar, und vor Aufregung, Zittern an allen Gliedern und Schweißausbruch kam es zu keiner Erektion. Bei mehrfacher Wiederholung des Versuches dasselbe Versagen, nur waren die seelischen und körperlichen Erregungserscheinungen nicht so heftig wie das erstemal.

Richtige Libido war nie vorhanden. Masochistische Phantasien zum Gelingen des Aktes zu verwerten, gelang Patient nicht, weil seine geistigen Fähigkeiten in solcher Situation »wie gelähmt seien und er die zu einer Erektion nötigen intensiven Vorstellungen« nicht zustande bringe. So gab er, teils aus mangelnder Libido, teils aus mangelhaftem Vertrauen ins Gelingen, weitere Koitusversuche auf. Nur gelegentlich befriedigte er in der Folge seine schwache Libido anläßlich Turnübungen. Gelegentlich von spontanen oder veranlaßten masochistischen Phantasien (im wachen Zustand) kam es wohl zu Erektion, nie mehr aber zu Ejakulationen.

Pollutionen erfolgten alle 6 Wochen.

Patient ist eine intellektuell hochstehende, feinfühlige, etwas neurasthenische Persönlichkeit. Er klagt, daß er in Gesellschaft meist das Gefühl habe, aufzufallen, beobachtet zu werden, bis zu Angstzuständen, obwohl er sich bewußt sei, daß er sich derlei nur einbilde. Aus diesem Grunde liebe er die Einsamkeit, zumal da er befürchten müsse, daß man auf seine sexuelle Abnormität komme.

Seine Impotenz sei ihm nicht peinlich, da seine Libido fast Null sei, gleichwohl würde er eine Sanierung seiner Vita sexualis für das größte Glück halten, da davon im sozialen Leben so viel abhänge und er sich dann gewiß sicherer und männlicher in der Gesellschaft bewegen würde.

Seine jetzige Existenz sei ihm eine Qual, ein solches Leben eine Last ( Krafft-Ebing).

Beobachtung 159. X., 32 Jahre, Bildhauer, erblich belastet, mit Degenerationszeichen, konstitutionell neuropathisch, neurasthenisch, schwächlich, zart in der Jugend, erfuhr die ersten Regungen seiner Sexualität erst mit 17 Jahren. Sie entwickelte sich nie mächtig, gestaltete sich ausschließlich heterosexual, aber in masochistischer Weise:

Er sehnte sich nach Flagellation durch schöne Frauenhand, jedoch entstand kein Handfetischismus. Auch schwärmte er für stolz und herrisch auftretende Frauengestalten. Seine masochistischen Gelüste suchte er niemals zu verwirklichen. Zu erklären vermochte er sie nicht.

Viermal versuchte er erfolglos Koitus, sonst trieb er Masturbation. In Folge von dadurch und durch Ausschweifung entstandener schwerer Neurasthenie mit Phobien wandte er sich an den Arzt ( Krafft-Ebing).

Beobachtung 160. X., 27 Jahre, Künstler, kräftig gebaut, von angenehmem Äußern, angeblich nicht belastet, in der Jugend gesund, ist seit seinem 23. Jahre nervös und zu hypochondrischer Verstimmung geneigt. In sexueller Beziehung neigt er zu Renommage, ist aber gleichwohl nicht sehr leistungsfähig. Trotz Entgegenkommens seitens des weiblichen Geschlechts beschränken sich des Patienten Beziehungen zu demselben auf unschuldige Zärtlichkeiten. Hierbei ist sein Hang bemerkenswert, Frauen zu begehren, die sich ihm gegenüber spröde benehmen. Seit seinem 25. Jahre machte er die Beobachtung, daß er durch Frauenzimmer, mögen sie auch noch so häßlich sein, jeweils sexuell erregt wird, sobald er in ihrem Wesen einen herrischen Zug entdeckt. Ein zorniges Wort aus dem Munde einer solchen Frauensperson genügt, um die heftigsten Erektionen bei ihm hervorzurufen. So saß er z. B. eines Tages in einem Kaffee und hörte, wie die (häßliche) Kassiererin den Kellner mit energischer Stimme auszankte. Er kam durch diesen Auftritt in die höchste sexuelle Erregung, die in kurzer Zeit zur Ejakulation führte. X. verlangt von Frauen, mit denen er sexuell verkehren soll, daß sie ihn zurückstoßen, ihn auf allerhand Weise quälen usw. Er meint, es könne ihn nur ein Weib reizen, das den Heldinnen in den Romanen von Sacher-Masoch gleiche ( Krafft-Ebing).

Beobachtung 161. Z., 28 Jahre, hereditär und konstitutionell neuropathisch, behauptet, schon mit 11 Jahren eine Pollution gehabt zu haben. Um jene Zeit erfuhr er eine Züchtigung durch die Mutter ad podicem, welche damals nur schmerzhaft empfunden wurde, in der Erinnerung aber sich mit wollüstigen Gefühlen verband. Um dieser willen reproduzierte er jenes Erinnerungsbild immer häufiger und versetzte sich dabei selbst verbera ad podicem. Etwa mit 13 Jahren bekam er eine Schwäche für elegante Damenstiefel mit hohen Absätzen. Indem er solche inter femora preßte, gelangte er zur Ejakulation. Allmählich genügte dazu schon der bloße Gedanke. Diesen Stiefelphantasien gesellte sich aber bald ein ihn noch viel mehr befriedigender masochistischer Vorstellungskreis hinzu. Er schwelgte in Gedanken, zu Füßen einer jungen Dame zu liegen und von ihr mit ihren schönen Stiefeln getreten zu werden. Dabei trat Ejakulation ein. So trieb er es bis zum 21. Jahre, ohne jemals ein Gelüste nach Koitus oder ein Interesse für weibliche Genitalien zu empfinden. Vom 21. bis 25. Jahr während schwerer Tuberkulose Zurücktreten der masochistischen Neigungen. Genesen, hatte Z. eine erstmalige Begegnung mit einer Puella. Das fiel unglücklich aus, da, als er sie denudata erblickte, jegliche Libido schwand und Erektion nicht zu erzielen war. Er zog sich nun auf sein masochistisch-fetischistisches Gebiet zurück. Seine Hoffnung bleibt, daß er einmal das Ideal seiner masochistischen Phantasien – ein sadistisches Weib – finde und mit dessen Hilfe zum normalen Geschlechtsverkehr gelange ( Krafft-Ebing).

Wir können uns mit diesen Beispielen für den Masochismus – Algolagnie und Doulolagnie – des Mannes begnügen, weil bei dieser Perversion wie kaum bei einer andern eine weitgehende Typisierung besteht, die wohl auch darauf beruht, daß solche Perverse ihre Wunschträume und Vorstellungen auf der gleichfalls stereotypen und überhaupt eintönigen Literatur dieser Art aufbauen. Die Ideenarmut des Masochismus steht mit seiner komplizierten psychischen Struktur in deutlichem Widerspruch.

Wenn auch wir, so wie Krafft-Ebing, den Masochismus der Frau gesondert besprechen, so beruht dies darauf, daß beim weiblichen Geschlecht die Unterordnung unter das männliche eine fast normale Erscheinung ist. Gerade beim seelisch und körperlich voll gesunden Weib lassen sich, bei entsprechend eingestellter Erforschung der Vita sexualis, in der Regel zumindest an Masochismus erinnernde Züge und Einzeltatsachen finden. Und es ist klar, daß diese Sachlage auf dem Boden der Hysterie eine ganz gewaltige Steigerung erfahren kann, wofür u. a. die als Wollust empfundenen Schmerzen sprechen, von denen die großen Ekstatikerinnen und Mystikerinnen aller Zeiten zu berichten wissen.

Das, was wir beim Manne als Doulolagnie bezeichnet und als Triebabweichung oder zumindest als perverse Einstellung betrachtet haben, hat bei der Frau eine ganz andere Bedeutung und liegt gewöhnlich noch völlig innerhalb der Grenzen des Normalen. In Schillers Kabale und Liebe spricht die Lady Milfort die für unzählige Frauen bezeichnenden Worte: »Die höchste Wonne der Gewalt ist doch nur ein elender Behelf, wenn uns die größere Wonne versagt wird, Sklavin eines Mannes zu sein, den wir lieben.«

Es ist sehr bemerkenswert, daß dort, wo die doulolagnistische Einstellung der Männer stark genug ist, um die Frauen in die Herrinnenrolle zu zwingen (das beste Beispiel dafür ist Nordamerika), und wo also der starke weibliche Wunsch nach eigener Unterwerfung nicht befriedigt wird, sehr häufig oft ins Pathologische reichende Reaktionen auftreten. Analog dem Vorgang, daß hochgestellte Männer Geschlechtsverkehr mit Prostituierten, mit weiblichen Hausangestellten usw. ausführen, suchen dort Damen der Gesellschaft ihre Sexualpartner unter den niedrigsten Schichten, in der sogenannten Unterwelt und in den Kreisen fremdrassiger Elemente, so daß man geradezu von einer Notdoulolagnie sprechen könnte.

Es wurde übrigens bereits erwähnt, daß die sogenannten sadistischen Prostituierten dort, wo sie ihrer eigensten Einstellung gemäß sich ausleben können, sich masochistisch verhalten, was auch die geradezu typische Beziehung: Dirne – Zuhälter zeigt.

Für den Masochismus der Frau spricht ferner der Umstand, daß überall und jederzeit in sehr zahlreichen Fällen Sadisten geeignete Partnerinnen zu finden vermögen, die über das bloße ideelle Moment hinaus auch wirkliche körperliche Mißhandlungen zu erdulden bereit sind. Klinische Beobachtungen und Beispiele für den Masochismus der Frau sind verhältnismäßig selten, was nach dem bisher Gesagten ja ohne weiteres begreiflich ist. Der Wunsch, zu dienen und sich beherrschen, ja quälen zu lassen, wird eben von der Frau nicht als abwegig, nicht als pervers und auch nicht als sozial gefährdend empfunden, und die für den Mann gerade in diesem Zusammenhang so wichtige Frage der Potenz fällt bei ihr selbstverständlich weg. Bei der Frau wird also die Doulolagnie kaum je und auch die Algolagnie nur in vereinzelten Fällen Anlaß zu einer ärztlichen Beratung oder Behandlung geben. Weit häufiger findet der Arzt diese Einstellung, bzw. Triebabweichung als Nebenbefund. Andere Perversionen, vor allem Homosexualität und Fetischismus, weisen nämlich recht häufig eine masochistische Komponente auf, und auch in den nachstehenden Beobachtungen sind solche Züge erkenntlich.

Beobachtung 162. Fräulein X., 21 Jahre alt, stammt von einer Mutter, die Morphinistin war und vor einigen Jahren an einem Nervenleiden starb. Der Bruder dieser Frau ist gleichfalls Morphinist. Ein Bruder des Mädchens ist Neurastheniker, ein anderer Masochist (wünscht von vornehmen stolzen Damen mit einem Rohrstock Schläge zu bekommen). Fräulein X. war nie schwer krank, leidet nur an gelegentlichen Kopfschmerzen. Sie hält sich für körperlich gesund, zeitweise jedoch für toll, dann nämlich, wenn die im folgenden zu schildernden Phantasien auftauchen.

Seit ihrer frühesten Jugend stellt sie sich vor, sie werde gestraft, gezüchtigt. Sie schwelgt förmlich in solchen Ideen. Es ist dann ihr sehnlichster Wunsch, mit einem Rohrstock derb gezüchtigt zu werden.

Dieses Verlangen ist, wie sie meint, dadurch entstanden, daß ein Freund ihres Vaters sie, als sie 5 Jahre alt war, einmal scherzweise über seine Knie legte und schlug. Seither sehnte sie Gelegenheiten herbei, gezüchtigt zu werden; zu ihrem Bedauern erfüllte sich aber der Wunsch nie. In ihren Phantasien stellt sie sich hilflos vor, gebunden. Die Worte »Rohrstock«, »züchtigen« versetzen sie in mächtige Erregung. Erst seit etwa einem Jahr bringt sie ihre Ideen mit dem männlichen Geschlecht in Verbindung. Früher stellte sie sich eine strenge Lehrerin oder auch bloß eine Hand vor, die sie strafte.

Jetzt wünscht sie die Sklavin eines geliebten Mannes zu sein; sie will, wenn von ihm gezüchtigt, seinen Fuß küssen.

Daß diese Empfindungen sexueller Natur sind, weiß diese Dame nicht.

Einige Stellen aus Briefen derselben sind im Sinne einer masochistischen Auffassung des Falles charakteristisch:

»Früher dachte ich ernstlich daran, wenn diese Vorstellungen mich nicht verlassen sollten, in ein Irrenhaus zu gehen. Zu diesem Gedanken kam ich, als ich die Geschichte von dem Direktor einer Nervenheilanstalt las, der eine Dame, nachdem er sie an den Haaren aus dem Bett gezogen, mit Stock und Reitpeitsche gezüchtigt hatte. Ich hoffte, in solchen Anstalten ebenso behandelt zu werden, habe also doch unbewußt mir meine Phantasien mit Männern vorgestellt. Am liebsten malte ich mir aber aus, daß mich rohe ungebildete Wärterinnen unbarmherzig züchtigten.«

»Ich liege in Gedanken vor ihm, und er setzt mir einen Fuß auf den Nacken, während ich den andern küsse. Ich schwelge in dieser Idee, bei der er mich nicht schlägt, aber das wechselt so oft, und ich male mir ganz andere Szenen aus, bei denen er mich schlägt. Augenblicklich fasse ich die Schläge auch als Beweis der Liebe auf – er ist erst sehr gut und zärtlich zu mir, und dann schlägt er mich – im Übermaß der Liebe. Ich bilde mir ein, es wäre ihm die größte Lust, mich zu schlagen – aus lauter Liebe. Sehr oft habe ich schon geträumt, ich sei ein Sklave – merkwürdig! nie eine Sklavin. So z. B. habe ich mir ausgemalt, er sei Robinson und ich der Wilde, der ihm dient. Ich sehe mir oft das Bild an, auf welchem Robinson dem Wilden den Fuß auf den Nacken setzt. Jetzt finde ich eine Erklärung der oben erwähnten Vorstellung: Ich stelle mir das Weib im allgemeinen als niedrig vor, niedriger stehend als der Mann; nun bin ich aber sonst sehr stolz und lasse mich um keinen Preis beherrschen, daher kommt es, daß ich mich als Mann denke (der von Natur stolz und hochstehend ist), dadurch wird die Erniedrigung vor dem geliebten Mann um so größer. Ich stellte mir auch vor, daß ich seine Sklavin sei; das genügt mir aber nicht, das kann am Ende jedes Weib – seinem Manne als Sklavin dienen!« ( Krafft-Ebing).

Beobachtung 163. Fräulein v. X., 35 Jahre alt, aus schwer belasteter Familie, befindet sich seit einigen Jahren im Initialstadium einer Paranoia persecutoria. Dieselbe ist hervorgegangen aus einer Neurasthenia cerebrospinalis, deren Ausgangspunkt in sexueller Überreizung zu finden ist. Patientin war seit ihrem 24. Jahre der Onanie ergeben. Durch nicht erfüllte Heiratserwartung und heftige sinnliche Erregung ist sie zur Masturbation und psychischen Onanie gelangt. Neigung zu Personen des eigenen Geschlechts kam niemals vor. Patientin gibt an: »Mit 6 bis 8 Jahren trat bei mir das Gelüste auf, gegeißelt zu werden. Da ich niemals Schläge bekommen hatte, auch nie dabei war, wie jemand gegeißelt wurde, kann ich mir nicht erklären, wie ich zu diesem sonderbaren Verlangen kam. Ich kann mir nur denken, daß es mir angeboren ist. Ich hatte ein wahres Wonnegefühl bei diesen Geißelvorstellungen und malte mir in meiner Phantasie aus, wie schön es wäre, wenn eine Freundin mich geißelte. Nie kam mir die Phantasie, mich von einem Manne geißeln zu lassen. Ich schwelgte in der Idee und versuchte es nie, zur wirklichen Ausführung meiner Phantasien zu gelangen. Vom 10. Jahre ab verloren sich diese. – Erst als ich mit 34 Jahren Rousseaus »Confessions« las, wurde mir klar, was meine Geißelgelüste zu bedeuten hätten, und daß es sich bei mir um dieselben krankhaften Vorstellungen handelte wie bei Rousseau. Nie habe ich seit meinem 10. Jahre mehr derartige Anwandlungen gehabt« ( Krafft-Ebing).

Unstreitig weisen diese beiden Fälle homosexuelle Tendenzen auf. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß der Masochismus (wie auch der Fetischismus) dort, wo die – natürlich unbewußt – als verboten und unheilvoll empfundene Homosexualität die Perversen zur Ablehnung des Geschlechtsverkehrs zwingt, auch als Mittel zum Zweck, als Scheingrund, bzw. Scheinziel Verwendung finden kann.

Wir möchten nun im Anschluß an diese Kasuistik noch einige Eigenheiten erwähnen, die sich beim Masochismus im allgemeinen, vor allem aber bei seiner ideellen Form so gut wie immer finden. Die Neigung solcher Perverser, sich mit ihrer Triebabweichung zu beschäftigen, wurde schon erwähnt und auch auf ihre Redseligkeit hingewiesen. Eine ganz besondere Rolle nimmt im Denken und Tun der Masochisten das Briefschreiben ein, das wir bereits seinerzeit bei der Verbalerotik besprochen haben. Die Zahl der Masochisten, die ihren Trieb nur auf diese Weise ausleben, ist erstaunlich groß, jede Gelegenheit wird benützt, um an eine »Herrin», die der Schreiber gewöhnlich gar nicht persönlich kennt, endlose Briefe zu schicken, in denen die typischen masochistischen Wunschträume in ewigem Einerlei wiederholt werden. Die von den Schreibern immer wieder betonte Bereitwilligkeit, die ausgesuchtesten Foltern und Qualen zu ertragen und die denkbar niedrigsten Dienstleistungen auszuführen, steht mit der Wirklichkeit in stärkstem Widerspruch, was schon daraus hervorgeht, daß solche Perverse dann, wenn es irgendwie möglich wird, eine ihrer Vorstellungen zu verwirklichen, schleunigst die Flucht ergreifen. Die – gleichfalls bereits erwähnten – Korrespondenzzirkel, bei denen es von vornherein ausgeschlossen ist, über das bloße Schreiben hinauszugelangen, kommen deshalb den Masochisten besonders gelegen. Viele dieser Briefe wirken mehr lächerlich als tragisch, zumal die »Herrin« nur selten Phantasie genug hat, um der Vorstellungswelt des Perversen neuen Stoff zu bieten, so daß in Form von Vorschlägen, Bestellungen usw. die Tagträume und Phantasien selbst ersonnen werden müssen.

Das nachfolgende Beispiel eines masochistischen Briefes stammt noch von Krafft-Ebing, ist aber durchaus verwendbar:

»Allergnädigste Madame! Herrin! Göttin! Der in tiefster Ehrfurcht und niedrigster Unterwürfigkeit sich Unterzeichnende ist ein Phantast à la Sacher-Masoch.

Als solcher wirft er sich Ihnen, als dem verkörperten Ideal der ›Venus im Pelz‹ zu Füßen, mit der demütigen Bitte, ihn eines Fußtrittes zu würdigen und die Sohle Ihrer Stiefelette mit seiner Zunge als Ihr Hund lecken zu dürfen. Und dann, o Madame, gewähren Sie ihm die Gnade, vor Ihnen im Staube liegend, Ihren kleinen Fuß auf seinem Nacken, Ihnen seine Geschichte in Kürze erzählen zu dürfen. Schon von Jugend auf lechzte mein Sinn danach, den Fuß eines schönen Weibes küssen zu dürfen, von diesem Fuß getreten, gestoßen zu werden, von dem Weibe, das meine Herrin, als Sklave behandelt, wie ein Hund dressiert zu werden.

Eine Tierbändigerin zu sehen war mein höchster Genuß, und wenn die Dompteuse mit dem Fuße, in eleganter Stiefelette mit hohem Absatz, auf den Körper des Löwen oder Tigers trat, geriet ich in Ekstase.

Später gelangte ich in den Besitz der ›Damen im Pelz‹. Besonders enthusiasmierte mich der ›Rote Edelhof‹, denn ich fand die Idee, als der Hund der Herrin deren Fußsohlen lecken zu müssen, entzückend.

Seit dieser Zeit ist dies der Höhepunkt meiner Schwärmerei. Und sollte es der Herrin nur ein Vergnügen sein, sich die Füße von ihrem Sklaven, ihrem Hunde lecken zu lassen? In meiner Phantasie befinden sich Bilder, wie eine Plantagenbesitzerin ihre Sklaven mißhandelt, wie sie Pferde reitet, wie sie Hunde dressiert. Oh, wenn Sie mich auch solche Wonnen kosten ließen!

Möge es Ihnen gefallen, wenigstens diesen Brief mit Ihren Füßen zu treten, damit ich ihn dann an meine Lippen drücken kann, als schönsten Lohn!

Ich sehe es im Geiste, wie beim Lesen dieser Zeilen Ihre Lippen sich spöttisch bewegen, wie ein mit Hohn gemischter Strahl der Wollust aus Ihren Augen aufleuchtet. Der kleine Fuß in eleganter Chaussure zuckt und tritt fester auf den Teppich nieder, die kleine Hand ballt sich und umklammert den Stiel einer Hundepeitsche, und zwischen den Zähnen tönt es hervor: Oh, ich verstehe dich, Sklave, ich begreife dein Winseln, Hund! Hätte ich dich nur hier unter meinem Fuße! Du würdest erkennen, daß dein Sehnen dich nicht trog; ich bin das Weib, das Herrin zu sein vermag. Ich verstehe deine Wollust, du Sklave, ich verstehe dein knechtisches Empfinden, du Hund, wie ich die Wollust als Herrscherin kenne, wie ich den Genuß der grausamen Despotie verstehe und schätze. Mit meinem Stiefelabsatz wollte ich dir dein rechtes Auge austreten, und du müßtest das Blut von meinem Stiefelabsatz lecken, Hund! Scharfe Sporen wollte ich an meine Stiefeletten schnallen und dich mit ihnen zerfleischen, und auch die müßtest du wieder blank lecken, und noch ganz andere Dinge müßte deine Zunge mir leisten! Mein Speichel sollte deine Nahrung sein, das Wasser deiner Herrin dein Getränk! Du solltest und wolltest dein Ideal in mir finden!

Ich bitte demütig um eine Antwort, liege zu Ihren Füßen, lecke die Absätze Ihrer Stiefeletten, Madame, und ich bin Ihr Sklave, Ihr Hund.«

Eine große Rolle spielen beim Masochismus die Zeitungsanzeigen. In allen Kulturstaaten gibt es Zeitungen, die, wenn auch nicht ganz eindeutige, so doch sehr durchsichtige Anzeigen masochistischer Art bringen, wobei die Worte wie »anpassungsfähig« oder »sensibel« immer wiederkehren, oder wo Chiffren wie »Domina«, »Imperatrix«, »Wanda«, »Severin« den eigentlichen Sinn enthüllen. Das Korrelat sind natürlich die Anzeigen der »sadistischen« Prostitution, die sich hinter Inseraten von Massagesalons, Schönheitsinstituten usw. verbergen. Nicht selten soll auch »Unterricht« in irgendeiner Form erteilt werden usw.

Auf der Schreiblust der Masochisten beruhen auch die verschiedenen Verträge, als deren bezeichnendstes Beispiel der wiedergegeben sei (nach Schlichtegroll), den der 33jährige Sacher-Masoch mit seiner damaligen Freundin Frau von Pistor abschloß:

Vertrag zwischen Frau Fanni von Pistor und Leopold von Sacher-Masoch:

Herr Leopold von Sacher-Masoch verpflichtet sich bei seinem Ehrenwort, der Sklave der Frau von Pistor zu sein, unbedingt jeden ihrer Wünsche und Befehle zu erfüllen und das sechs Monate hindurch.

Frau Fanni von Pistor dagegen darf nichts Unehrenhaftes von ihm verlangen (was ihn als Mensch und Bürger ehrlos macht). Ferner muß sie ihm täglich sechs Stunden für seine Arbeit einräumen, seine Briefe und Schriften niemals ansehen. Bei jedem Vergehen oder Versäumnis oder Majestätsverbrechen darf die Herrin (Fanni Pistor) ihren Sklaven (Leopold Sacher-Masoch) nach ihrem Sinn und Gutdünken strafen. Kurz, ihr Untertan Gregor hat seiner Herrin mit sklavischer Untertänigkeit zu begegnen, ihre Gunstbezeugungen als eine entzückende Gabe hinzunehmen, keine Anforderungen an ihre Liebe, kein Recht als ihr Geliebter geltend zu machen. Fanni Pistor hingegen verspricht, so oft als tunlich Pelze zu tragen, und besonders, wenn sie grausam ist.

Die sechs Monate müssen nicht in Reihenfolge sein, sie können große Unterbrechungen erleiden, enden und beginnen nach der Herrin Laune.

Zur Bekräftigung dieses Vertrages der Beteiligten Unterschrift: Kennzeichnend ist die läppische Verbindung von Unterwerfungswillen und bürgerlicher Ängstlichkeit. Einerseits wird unbegrenzte Hingabe geboten, anderseits Sicherheit der sozialen Existenz gefordert.

Schließlich sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt, daß auch beim Masochismus das Zeichnen, besonders die Anfertigung der sogenannten Ausdruckszeichnungen, ebenso vorkommt wie beim Fetischismus oder Sadismus.

In der masochistischen Literatur stehen immer noch die Werke Sacher-Masochs an erster Stelle, besonders die ›Venus im Pelz‹. Die darin geschilderten Situationen wurden seither in den einschlägigen Machwerken in unendlicher Wiederholung immer wieder beschrieben, wobei Einfallsmangel und Ideenarmut auffallen.

In deutlichem Abstand davon haben sich auch Dichter und ernste Schriftsteller mit dem Problem des Masochismus beschäftigt; in der Literatur aller Kulturvölker (Franzosen, Deutsche, Russen, Skandinavier usw.) findet man zahlreiche Figuren und Szenen dieser Art. Einige der schönsten Gedichte des französischen Lyrikers Verlaine zeigen masochistischen Charakter; auch der deutsche Lyriker Johannes Wedde hat zahlreiche ähnliche Gedichte geschrieben.

Das berühmteste Beispiel für diese Triebabweichung ist schließlich Rousseau, der in seinen Confessions (I. Teil, 1. Buch) erzählt, wie sehr ihm Fräulein Lambercier, 30 Jahre alt, imponierte als er, 8 Jahre alt, bei ihrem Bruder in Pension und Lehre war. Ihr Zorn, wenn er eine Frage nicht gleich zu beantworten wußte, die Drohung der Dame, ihm Rutenstreiche zu geben, wenn er nicht brav lerne, machten auf ihn den tiefsten Eindruck. Nachdem er eines Tages Schläge von der Hand des Fräuleins L. bekommen hatte, empfand er, neben Schmerz und Scham, ein wollüstig sinnliches Gefühl, das ihn mächtig erregte, neue Züchtigungen davonzutragen. Nur aus Furcht, die Dame damit zu betrüben, unterließ es Rousseau, weitere Gelegenheiten, sich diesen wollüstigen Schmerz zu verschaffen, herbeizuführen. Eines Tages zog er sich aber unbeabsichtigt eine neue Züchtigung von der Hand der L. zu. Sie war die letzte, denn Fräulein L. mußte von der eigenartigen Wirkung dieser Züchtigung etwas bemerkt haben und ließ von nun an den 8jährigen Knaben auch nicht mehr in ihrem Zimmer schlafen. Seither fühlte R. das Bedürfnis, sich von Damen, die ihm gefielen, nach Art der Lambercier züchtigen zu lassen, obwohl er versichert, bis zum Jünglingsalter von Beziehungen der beiden Geschlechter zueinander nichts gewußt zu haben. Bekanntlich wurde Rousseau erst mit 30 Jahren durch Madame de Warrens in die eigentlichen Mysterien der Liebe eingeweiht und seiner Unschuld verlustig. Bis dahin hatte er nur Gefühle und Dränge zu Frauen im Sinne passiver Flagellation und sonstiger masochistischer Vorstellungen gehabt.

Rousseau schildert ausführlich, wie sehr er bei seinem großen sexuellen Bedürfnis unter seiner eigenartigen, zweifellos durch die züchtigenden Rutenstreiche geweckten Sinnlichkeit litt, schmachtend in der Begierde und außerstande, sein Verlangen zu offenbaren. Es wäre aber irrig zu glauben, daß es Rousseau bloß um seine Flagellation zu tun gewesen wäre. Diese erweckte nur einen dem Masochismus zuzuzählenden Vorstellungskreis. Darin liegt jedenfalls der psychologische Kern der interessanten Selbstbeobachtung. Das Wesentliche bei Rousseau war das Unterwerfungsgefühl unter das Weib. Dies geht klar aus seinen »Confessions« hervor, in welchen er ausdrücklich hervorhebt:

»Etre aux genoux d'une maitresse impérieuse, obéir à ses ordres, avoir des pardons à lui demander, étaient pour moi de très douces jouissances.«

Diese Stelle beweist, daß das Bewußtsein der Unterwerfung, Demütigung vor dem Weibe die Hauptsache war.

Freilich war Rousseau selbst in einem Irrtum befangen, indem er annahm, daß dieser Drang, sich vor dem Weibe zu demütigen, allein durch Ideenassoziation aus der Vorstellung der Flagellation entstanden sei:

»N'osant jamais déclarer mon goût, je l'amusais du moins par des rapports qui m'en conservaient l'idée.«


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