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Neuntes Kapitel

Fetischismus

Krafft-Ebing hat schon in den Betrachtungen über die Psychologie des normalen Sexuallebens, die auch in diese Neubearbeitung übernommen wurden, dargetan, daß »noch innerhalb der Breite des Physiologischen die ausgesprochene Vorliebe, das besondere konzentrierte Interesse für einen bestimmten Körperteil am Leib der Personen des entgegengesetzten Geschlechts, insbesondere für eine bestimmte Form dieses Körperteils eine große psychosexuale Bedeutung gewinnen kann. Ja, es kann geradezu diese besondere Anziehungskraft bestimmter Formen und Eigenschaften auf viele, ja die meisten Menschen als das eigentliche Prinzip der Individualisierung in der Liebe angesehen werden«.

Diese Vorliebe für einzelne bestimmte physische Charaktere an Personen des entgegengesetzten Geschlechtes – neben der sich auch ebenso eine ausgesprochene Bevorzugung bestimmter psychischer Charaktere feststellen läßt – hat Krafft-Ebing in Anlehnung an Binet und Lombroso Fetischismus genannt, weil »tatsächlich das Schwärmen für und das Anbeten von einzelnen Körperteilen (oder selbst Kleidungsstücken) auf Grund sexueller Dränge vielfach an die Verehrung von Reliquien, geweihten Gegenständen usw. in religiösen Kulten erinnert.

Es gibt jedoch auf psychosexualem Gebiet neben diesem physiologischen noch einen unzweifelhaft pathologischen erotischen Fetischismus, der sich nicht allein auf bestimmte Körperteile bezieht, sondern selbst auf leblose Gegenstände, welche jedoch fast immer Teile der weiblichen Kleidung sind und damit in naher Beziehung zum Körper des Weibes stehen. Dieser pathologische Fetischismus schließt sich in allmählichen Übergängen an den physiologischen an, so daß es (wenigstens für den Körperteilfetischismus) beinahe unmöglich ist, eine scharfe Grenze zu ziehen, wo die Perversion beginnt.«

Sind wir bis hierher Krafft-Ebing wortwörtlich gefolgt, so glauben wir nun genötigt zu sein, all den Erfahrungen Rechnung zu tragen, die seither gerade auf diesem Gebiete gemacht wurden, und die theoretischen Grundlagen des Fetischismus in mancher Beziehung anders darzustellen, als es der Schöpfer dieses Begriffes getan hat.

Das müssen wir aber deshalb tun, weil wir die Einteilung in einen physiologischen und einen pathologischen Fetischismus oder die Aufstellung von vier Gruppen – Teile des weiblichen Körpers, Stücke der weiblichen Kleidung, bestimmte Stoffe, Tiere – dadurch ersetzen, daß wir bloß zwei Unterteilungen annehmen, den Partialfetischismus und den Fetischismus im engeren Sinn (im folgenden kurz als Fetischismus bezeichnet).

Der Partialfetischismus deckt sich einerseits mit dem physiologischen Fetischismus, anderseits mit der ersten der vier Gruppen Krafft-Ebings, während der Fetischismus im engeren Sinn dem pathologischen Fetischismus entspricht, ferner den drei andern Gruppen Krafft-Ebings und schließlich noch recht zahlreichen andern durch Perversitäten fetischistischer Natur gekennzeichneten Formen.

Es ist klar, daß wir einer solchen Einteilung nicht mehr als heuristischen Wert beimessen, aber wir halten es für durchaus geboten, auch auf diese Weise die mit so großen Schwierigkeiten verbundene Erkenntnis des Fetischismus zu erleichtern, jener Perversion, die unstreitig unter allen Triebabweichungen die sonderbarste, mannigfaltigste und seltsamste ist. Das hat zweifelsohne auch Krafft-Ebing empfunden, und eben deshalb hat er, was sonst wohl kaum zu verstehen wäre, einen Teil des Fetischismus, also einer Perversion, als physiologisch bezeichnet und beschrieben. Wir sind überzeugt, daß die Bildung des neuen Begriffes: Partialfetischismus von erheblicher praktischer Bedeutung und zudem geeignet ist, den inneren Widerspruch einer »physiologischen Perversion« aus dem Wege zu schaffen. Ferner ist es notwendig, die bei Krafft-Ebing herrschende Ansicht, daß der Fetisch stets heterosexuell sei oder mit einer Person des andern Geschlechtes im Zusammenhang stehe, unter Berücksichtigung des seither zustande gekommenen Tatsachenmaterials richtigzustellen.

Wir haben an verschiedenen Stellen dieses Buches betont, daß auf dem Gebiet der Triebabweichungen stets fließende Übergänge zwischen dem Normalen und dem Pathologischen bestehen, und daß diese Tatsache imstande ist, das Verständnis mancher auf den ersten Blick unerklärlicher Abwegigkeiten zu erleichtern.

Wir beginnen demgemäß die Besprechung des Partialfetischismus mit der Feststellung, daß bei jeder Wahl eines Sexualobjektes gewisse fetischistische Momente mitspielen. Das geht schon daraus hervor, daß jedes Individuum im Zustande der Verliebtheit anzugeben vermag, auf welche Einzelheiten der geliebten Person dieser Zustand zurückzuführen sei. Dieser Vorgang ist sogar bereits statistisch erforscht worden. Es braucht nicht gesagt zu werden, daß er durchaus normal ist; seine Erklärung aber stößt insofern auf beträchtliche Schwierigkeiten, als hier ästhetische Momente und somit komplexe psychophysische Zusammenhänge mitspielen. Der entscheidende Übergang zum Partialfetischismus beruht nun darauf, ob ein Einzelteil des Körpers der geliebten Person als einziger Reiz wirkt, bzw. ob um dieses Reizes willen die gesamte Person geliebt, also sexuell begehrt wird. Schon Krafft-Ebing hat bemerkt, daß nicht das, was auf den Fetischisten als Reiz wirkt, im allgemeinen abnorm ist, sondern eher das, was nicht als Reiz wirkt, kurz, die für ihn eingetretene Einschränkung des Gebietes sexuellen Interesses. Und sehr mit Recht sagt der Autor weiter, daß dieses eingeengte sexuelle Interesse auf dem beschränkten Gebiet mit um so größerer, mit ganz abnormer Intensität aufzutreten pflegt. Nun, das gilt für die schwereren Fälle, mit denen wir uns vorläufig nicht zu beschäftigen haben.

Entscheidend für die Frage, ob in einem bestimmten Falle von Partialfetischismus gesprochen werden kann, ist die Stellung der betreffenden Person zum normalen Geschlechtsverkehr, zum Koitus. Denn es gehört absolut zum Wesen des Fetischismus, daß die Ejakulation, der Orgasmus, nicht durch den normalen Sexualakt herbeigeführt wird, sondern entweder durch Masturbation, bei der nicht so selten auch höchst merkwürdige Friktionsmechanismen angewendet werden, oder – seltener – ohne fühlbare Reizung, auf psychischem Wege. Dem widerspricht anscheinend, daß zahlreiche Fetischisten erklären, auch den normalen Koitus zu vollziehen, allerdings unter Zuhilfenahme entsprechender, an den Fetisch geknüpfter Vorstellungen. In Wirklichkeit handelt es sich da aber nicht um den normalen Geschlechtsakt, sondern um Masturbation unter Zuhilfenahme des Sexualpartners! Man muß also unterscheiden, ob dort, wo z. B. ein Mann eine Frau um ihrer schönen Hände willen liebt, diese der für den Orgasmus entscheidende Faktor sind, sei es, daß der Höhepunkt nur dann eintritt, wenn die Masturbation durch diese Hände erfolgt, sei es, daß Erektion und Koitus nur dann möglich sind, wenn diese Hände angeschaut, berührt, geküßt werden, oder wenn sie den wesentlichsten Vorstellungsinhalt während des Aktes bilden, oder ob die Hände zwar für das Zustandekommen der Liebesbeziehung seinerzeit entscheidend waren, während nunmehr der normale Geschlechtsakt in normaler Weise ohne Vorwiegen von mit den Händen verknüpften Vorstellungen stattfindet.

Erinnern wir uns nun der früher erwähnten erogenen Zonen. Sie spielen beim Partialfetischismus eine wichtige Rolle, da sie besonders oft Gegenstand dieser Triebabweichung sind. Unter ihnen gibt es sozusagen eine Rangordnung: Gesäß (Nates) und Brüste (Mammae) stehen hier an erster Stelle, und dementsprechend ist auch die Zahl der ausgeprägten Nates- und Mammafetischisten recht erheblich. Wir werden später noch zu zeigen haben, daß gerade einzelne Formen des Partialfetischismus die Grundlage gewisser komplexer Perversionen bilden, die an und für sich bereits zur zweiten großen Abteilung, also zum Fetischismus im engeren Sinne gehören. Das bezeichnendste Beispiel dieser Art ist die Flagellomanie.

Zu der Feststellung, daß der Partialfetischismus erogene Zonen bei der Objektwahl bevorzugt, gehört auch die sehr große Rolle, die der männliche Phallus im Sexualleben der Frauen spielt Das hat auch Goethe gewußt und ausgesprochen (Faust I. Teil, Blocksberg)..

Es ist das zugleich ein schönes Beispiel für die sich immer wieder ergebenden Übergänge zwischen Normalem und Pathologischem, da die sexuelle Erregung auch durchaus normaler Frauen durch die beim Partner sicht- oder spürbare Erektion herbeigeführt oder gesteigert wird. Der Priapuskult der Antike, die in Indien noch so überaus verbreitete Verehrung des Lingam Phallus des Gottes Schiwa, symbolhaft in Form einer senkrechten zapfenförmigen Steinsäule dargestellt. sind gleichfalls in dieser Hinsicht beweisend. Von neueren Psychologen hat besonders Weininger (Geschlecht und Charakter) sich mit diesem Problem beschäftigt. Es heißt dort:

»Man hat es entweder nicht sehen oder sagen wollen, man hat sich aber auch kaum eine richtige Vorstellung davon gemacht, was das Zeugungsglied des Mannes für das Weib, als Frau wie schon als Jungfrau, psychologisch bedeutet, wie es das ganze Leben der Frau, wenn auch oft völlig im Unbewußtsein, beherrscht. Ich meine keineswegs, daß die Frau den Geschlechtsteil des Mannes schön oder auch nur hübsch findet. Sie empfindet ihn vielmehr ähnlich wie der Mensch das Medusenhaupt, der Vogel die Schlange: er übt auf sie eine hypnotisierende, bannende, faszinierende Wirkung aus.«

Aber nicht nur Psychologen, sondern auch Ästheten, wie Georg Hirth, und naturphilosophische Biologen, wie Bölsche, haben den erotisierenden Einfluß des Phallus hervorgehoben. Von wirklichem Partialfetischismus kann man da zwar nicht sprechen, aber diese ganze so außerordentlich verbreitete und bedeutsame Einstellung kann wohl als eine Art Übergang zu dieser Triebabweichung angesehen werden.

Schwieriger ist es, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und inwieweit das weibliche Genitale für den Mann zum Fetisch werden kann. Von vornherein scheint zwar die außerordentliche Verbreitung des Cunnilinguus die Frage zu bejahen. Dem steht aber entgegen, daß bei dieser Perversität teils masochistische Tendenzen, teils die Potenzangst des Mannes die überwiegende Rolle spielen. Eine als echte Triebabweichung anzusprechende Fixierung an das weibliche Genitale wurde bisher kaum beschrieben, so daß die sexuellen Empfindungen, die durch diese Region beim Manne ausgelöst werden, wohl dem Gebiet der Vorlust zuzurechnen sind.

Hier mögen zwei interessante Mitteilungen Iwan Blochs Platz finden:

Beobachtung 35. X., 30 Jahre alt, Naturwissenschafter, bereits im Alter von 4 Jahren die ersten sexuellen Erregungen, die sich später gegen die Pubertätszeit stets an die Vorstellungen eines männlichen Gliedes, besonders der Vorhaut anknüpften. Vor eigentlichem geschlechtlichem Verkehr mit Männern bestand stets Widerwillen. X. fühlte sich durchaus zu Frauen hingezogen. Jedoch tritt von Zeit zu Zeit die Vorstellung des Gliedes wie eine Art Zwangsvorstellung auf, im Anschluß an welche X. masturbiert, wobei er nicht selten die Umrisse eines Gliedes aufzeichnet ( Iwan Bloch).

Ebenso selten wie interessant ist die nächste Beobachtung:

Beobachtung 36. X., Offizier, fahndet überall nach zwitterhaften Bildungen an den Genitalien (Hermaphroditismus). Er ist nach dieser Richtung in den Kreisen der Berliner Prostituierten ziemlich bekannt, die seine Neigung weidlich durch Nachweis angeblicher Zwitter ausnützen. Er hat auch glücklich mehrere wirkliche Zwitter entdeckt, hat aber trotz aller Anerbietungen nie Gegenliebe gefunden ( Iwan Bloch).

Wie schon im ersten Kapitel des Buches erwähnt, ist keine erotische Bindung frei von gewissen fetischistischen Momenten, und jeder Teil des Körpers der geliebten Person kann in dieser Hinsicht verwertet werden. Das gilt besonders für ästhetisch bedeutsame Teile, wie Augen, Nase oder Mund. Daß z. B. die Nase oder die Nasenlöcher zum echten Fetisch werden können, zeigt ein Fall von Binet:

Beobachtung 37. X., 34 Jahre alt, Gymnasiallehrer, hat in der Kindheit an Konvulsionen gelitten. Mit 10 Jahren begann er zu onanieren, unter wollüstigen Empfindungen, die sich an sehr sonderbare Vorstellungen knüpften. Er schwärmte eigentlich für die Augen des Weibes; da er aber durchaus sich auf irgendeine Art den Koitus vorstellen wollte und in sexualibus gänzlich unwissend war, so kam er auf die Idee, um sich so wenig wie möglich von den Augen zu entfernen, den Sitz der weiblichen Geschlechtsorgane in die Nasenlöcher zu verlegen. Um diese Vorstellung dreht sich von jetzt ab seine sehr lebhafte sexuelle Begierde. Er entwirft Zeichnungen, welche korrekte griechische Profile von Frauenköpfen darstellen, aber mit so weiten Nasenlöchern, daß die Immissio penis möglich wird.

Eines Tages sieht er im Omnibus ein Mädchen, in welchen er sein Ideal zu erkennen glaubt. Er verfolgt es in dessen Wohnung, hält augenblicklich um dessen Hand an. Hinausgewiesen, dringt er immer wieder ein, bis er verhaftet wird.

X. hat niemals geschlechtlichen Umgang gehabt ( Binet).

Hierher gehört auch ein Gedicht, das Krafft-Ebing aus England zugesandt erhielt:

»O sweet and pretty little nose, so charming unto me;
O were I but the sweetest rose,
I'd give my scent to thee.
O make it full with honey sweet,
That I may suck it all; 't would be for me the greatest treat,
A real festival.

How sweet and how nutritious your darling nose does seem. It would be more delicious, Than strawberries and cream ...«

Zu den häufigsten Formen des Partialfetischismus gehört, wie bereits erwähnt, der Natesfetischismus, also jene Triebabweichung, bei der die Nates, die Gesäßpartien, Gegenstand des Geschlechtstriebes sind. Beim Weibe gehört dieser Teil des Körpers zu den sekundären Geschlechtsmerkmalen, gleichzeitig ist er eine der erogenen Zonen, und er spielt somit auch im normalen Sexualleben eine wesentliche Rolle. Aktiv wie passiv, im Sinne der Betastung wie der Betrachtung, ist er für die Vorlust zweifellos wichtig. Es wird auch niemandem einfallen, etwa die Venus Kallipygos mit dem Fetischismus in Verbindung zu bringen, und das gleiche gilt für jene Figürchen aus der frühesten Zeit menschlicher Geschichte, bei denen wie bei der Venus von Willendorf die Gesäßpartien in auffälliger Übertreibung geformt sind.

Etwas anders liegen die Dinge schon dort, wo durch die Kleidung diese Partie besonders betont wird. Die Beliebtheit, der sich gegen das Ende des 19. Jahrhunderts die sogenannten Hosenrollen auf dem Theater erfreuten, läßt sowohl auf einen – gewöhnlich allerdings latenten – Partialfetischismus dieser Art wie auf ein gewisses Maß von Homosexualität bei einer immerhin beträchtlichen Anzahl von Zuschauern schließen.

Gerade der Natesfetischismus ist sehr häufig mit einer andern Perversion verbunden, mit dem Sadismus, und ergibt dann die Flagellomanie. Hierher gehören ferner die keineswegs seltenen Fälle, in denen bei jeder möglichen Gelegenheit eine – für die betroffene Person oft auch schmerzhafte – Berührung der Gesäßpartie erfolgt.

Nun ist es aber gerade für die Gesäßgegend eigentümlich, daß sie nicht nur anziehend – erotisierend – wirkt, sondern auch abstoßend, wofür man ja nur das genugsam bekannte Götz-Zitat als Beispiel anzuführen braucht. Begreiflich also, daß der Natesfetischismus sich auch mit masochistischen Regungen verbinden kann, und daß dann dieser Körperteil, gewöhnlich in Verbindung mit der Analöffnung, in den Tagträumen und manchmal auch in den Tathandlungen fetischistisch-masochistischer Personen eine beträchtliche Rolle spielt.

Bei den Natesfetischisten ist eine Handlungsweise nicht selten, die wir bereits in der Beobachtung Blochs (35) gefunden haben, und die bei allen möglichen Formen des Fetischismus sehr häufig ist. Es ist das das Zeichnen und Abbilden des Fetischs. In ausgeprägten Fällen legen sich solche Menschen ganze Bildersammlungen an, die dann als Behelfe zur Masturbation benützt werden. Auch Bilder und Photographien aus Zeitschriften, Magazinen und dergleichen werden dazu als Unterlagen verwendet und oft in obszönster Art und Weise umgezeichnet. Personen, die im öffentlichen Leben stehen (Bühne, Film usw.), natürlich besonders Frauen, werden überraschend oft mit der Zusendung solcher fetischistisch entstellter Bilder belästigt.

Schließlich steht in gewissem Zusammenhang mit dem Natesfetischismus noch eine andere besonders schwere Triebabweichung, die erst im weiteren Verlaufe zu besprechen sein wird und hier bloß erwähnt sein möge: die Koprolagnie.

Der Busen- oder Mammafetischismus erscheint heute als eine viel deutlichere Triebabweichung, als dies früher, etwa in der Makartzeit, der Fall war, weil ja heute ein voll- oder sogar überentwickelter Busen ästhetisch wie erotisch nicht eben hoch bewertet wird, so daß also Personen, die eine besondere Vorliebe für große und üppige Frauenbrüste aufweisen, bereits deshalb von der Norm abzuweichen scheinen. Von einem richtigen Partialfetischismus wird man aber natürlich nur dort sprechen können, wo nicht mehr die Frau, der die Brüste angehören, Gegenstand des Geschlechtstriebes ist, sondern nur diese selbst. Daß die weiblichen Brüste, die sowohl sekundäres Geschlechtsmerkmal wie erogene Zone sind, auch in der normalen Erotik und Sexualität eine beträchtliche Rolle spielen, ist ebenso bekannt wie ihre ästhetische Bedeutung, und die weibliche Kleidung hat zu allen Zeiten und bei allen Völkern dieser Tatsache stets Rechnung getragen.

Der echte Mammafetischismus ist deutlich seltener als der Natesfetischismus, schon deshalb, weil hier kaum je eine Verbindung zu Sadismus oder Masochismus besteht. Wohl aber kann es von hier aus zur Ausbildung einer andern fetischistischen Perversion kommen, als deren Beispiel nachfolgender Brief angeführt sei (der, nebenbei bemerkt, an eine – Ammenvermittlerin gerichtet ist):

Sehr geehrte Frau Y.

Gestatten Sie, daß ich mich in einer sehr diskreten Angelegenheit vertrauensvoll an Sie wende und Sie freundlichst um Ihren Rat und Unterstützung bitte.

Schon seit langem werde ich von einem ungeheuren Verlangen nach dem, das Sie aus nachstehendem ersehen werden, geplagt, daß ich mich entschlossen habe, zu versuchen, ob es nicht möglich ist, diesem unwiderstehlichen Drange, dessen geheimnisvolle Herkunft ich mir nicht erklären kann, Folge zu leisten. Es hat sich dies bei mir zu einer derartigen Leidenschaft ausgebildet, daß ich nicht mehr imstande bin, davon abzulassen, obgleich ich mir täglich unzählige Male das Absonderliche dieser Handlung vorgehalten und wieder und immer wieder, leider vergeblich, dagegen anzukämpfen versucht habe.

Um mich also kurz zu fassen: ich möchte nämlich gern einmal die Milch einer jungen Frau trinken, und wollte Sie nun fragen, ob Sie nicht etwa in Ihrem Bekanntenkreis eine junge Frau wüßten, die bereit wäre, mir einmal gegen gutes Honorar ihre Milch zu überlassen, allerdings unter der Bedingung, daß ich sie direkt aus der Brust trinken könnte!

Sie werden dies sehr sonderbar von mir finden, aber, wie gesagt, je öfter ich versucht habe, mich hiervon frei zu machen, desto dringender und leidenschaftlicher wird das Verlangen darnach. Ich gebe auch selbst zu, daß dies wohl für einen jungen Mann nicht schicklich ist, doch ist es aber auch anderseits nichts gerade Unsittliches, und es könnte auch wohl niemand hierin eine strafbare Handlung erblicken. Ich versichere Ihnen ausdrücklich, daß mir alles Unehrenhafte durchaus fern liegt, sondern es mir nur darum zu tun ist, jener unbeschreiblichen Leidenschaft einmal nachzugeben ...

Ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar dafür und möchte noch hinzufügen, daß ich besonderen Wert darauflege, daß die betreffende Frau eine volle Büste mit üppigen, großen Brüsten besitzt; vielleicht beachten Sie auch dies, bitte ... ( Wiener Institut für Sexualforschung).

Wenn wir nun zu andern Körperteilen übergehen, so müssen wir uns zunächst mit der Frage beschäftigen, ob die außerordentlich hohe Wertschätzung, die fast von der gesamten zivilisierten Männerwelt den Beinen der Frau gezollt wird, ästhetischer oder normal-erotischer Natur ist, oder ob wir hierin bereits einen Partialfetischismus zu erblicken haben. Schon die außerordentliche Verbreitung dieser Einstellung spricht gegen einen Fetischismus, was natürlich nicht heißen soll, daß nicht auch, bei prädisponierten Personen, fetischistische Momente mitspielen können. Dafür, daß hier im allgemeinen eine normale erotische Wertung vorliegt, ist auch die Tatsache verwendbar, daß früher, wo die Beine der Frau von der Kleidung sorgsam verhüllt waren, sie trotzdem nicht oft zum Objekt fetischistischer Einstellung wurden. Der Reiz, der für die meisten Männer von schönen Frauenbeinen ausgeht, und der von Bühne, Revue, Film so weitgehend verwertet wird, hat kaum perversen Charakter. Mit rein ästhetischen Momenten hat er freilich auch wenig zu tun; die Betrachtung, allenfalls Berührung schöner Frauenbeine gehört wohl zweifelsohne zur sexuellen Vorlust.

Auch Hand- und Fußfetischismus sind verhältnismäßig selten. Nämlich als reine Formen, d. h. als Fetischismus, der ausschließlich diesen Körperteilen gilt, während deren Bekleidungsstücke, Handschuhe und Schuhe, geradezu die beliebtesten und verbreitetsten Fetische sind.

Als Beispiel für den einfachen noch unkomplizierten Handfetischismus sei folgender Fall angeführt:

Beobachtung 38. B., aus neuropathischer Familie, sehr sinnlich, geistig intakt, gerät beim Anblick einer jungen schönen Damenhand jeweils in Entzücken und verspürt sexuelle Erregung bis zur Erektion. Küssen und Drücken der Hand ist ihm Seligkeit. Solange sie mit dem Handschuh bedeckt ist, fühlt er sich unglücklich. Unter dem Vorwand wahrzusagen, sucht er zum Anblick solcher Hände zu gelangen. Der Fuß ist ihm gleichgültig. Sind die schönen Hände mit Ringen geziert, so erhöht dies seine Lust. Nur die lebende, nicht die nachgebildete Hand macht ihm diese wollüstige Erregung. Nur wenn er durch häufigen Koitus sexuell erschöpft ist, verliert die Hand ihren sexuellen Reiz. Anfangs störte ihn das Erinnerungsbild von weiblichen Händen selbst in der Arbeit ( Binet).

Beobachtung 39. P. L., 28 Jahre, Kaufmann in Westfalen.

Abgesehen davon, daß der Vater des Patienten ein auffallend mißgestimmter und etwas heftiger Mann ist, läßt sich in der Familie nichts erblich Belastendes nachweisen.

Patient war in der Schule nicht sehr fleißig; er war niemals imstande, seine Aufmerksamkeit längere Zeit auf einen Gegenstand zu konzentrieren; hingegen hatte er von Kindheit an große Neigung zur Musik. Sein Temperament war von jeher etwas nervös.

Er kam im August 1890 zu mir und klagte über Kopf- und Unterleibsschmerzen, die einen durchaus neurasthenischen Eindruck machten. Patient gibt ferner an, daß er sehr energielos sei.

Über sein sexuelles Leben macht Patient erst auf genaue dahin zielende Fragen folgende Angaben: Die ersten Anfänge geschlechtlicher Erregungen stellten sich bei ihm, soweit ihm in Erinnerung ist, bereits im 7. Lebensjahr ein. Si pueri eiusdem fere aetatis mingentis membrum adspexit, valde libidinibus excitatus est. L. behauptet mit Sicherheit, daß diese Aufregung mit deutlichen Erektionen verbunden war. Verführt durch einen andern Knaben, wurde L. im Alter von 7 oder 8 Jahren zur Onanie veranlaßt. »Als sehr leicht erregbare Natur«, sagt L., »gab ich mich sehr häufig der Onanie bis zum 18. Lebensjahr hin, ohne daß mir über die schädlichen Folgen oder überhaupt über die Bedeutung des Vorganges eine klare Vorstellung gekommen wäre.« Besonders liebte er es, cum nonnullis commilitonibus mutuam masturbationem tractare, keineswegs aber war es ihm gleichgültig, wer der andere Knabe war, vielmehr konnten ihm nur wenige Altersgenossen nach dieser Richtung hin genügen. Auf die Frage, was ihn besonders veranlaßte, diesen oder jenen Knaben vorzuziehen, antwortete L., daß ihn bei seinen Schulkameraden besonders eine weiße, schön geformte Hand verlockte, mit ihnen gegenseitige Masturbation zu treiben. L. erinnert sich ferner daran, daß er häufig beim Beginn der Turnstunde sich ganz allein auf einem entfernt stehenden Barren mit Turnen beschäftigte; er tat dies in der Absicht, ut quam maxime excitaretur idque tantopere assecutus est, ut membro manu non tacto, sine ejaculatione – puerili aetate erat –, voluptatem clare senserit. Interessant ist noch ein Vorgang, dessen sich der Patient aus seiner früheren Lebenszeit erinnert. Der eine Lieblingskamerad N., mit dem L. mutuelle Masturbation trieb, machte ihm eines Tages folgenden Vorschlag: ut L. membrum N... i apprehendere conaretur, er, N., wolle sich möglichst sträuben und den L. daran zu verhindern suchen. L. ging auf den Vorschlag ein. Es war somit die Onanie direkt mit einem Kampfe der beiden Beteiligten verbunden, wobei N. stets besiegt wurde.

Der Kampf endete nämlich regelmäßig damit, ut N. tandem coactus sit membrum masturbare. L. versichert mir, daß diese Art der Masturbation ihm sowohl wie dem N. ein ganz besonders großes Vergnügen bereitet hätte. In dieser Weise setzte nun L. bis zum 18. Lebensjahre sehr oft die Onanie fort. Von einem Freunde belehrt, bemühte er sich nun, mit allem Aufwand von Energie gegen seine üble Angewohnheit anzukämpfen. Es gelang ihm dies auch nach und nach immer mehr, bis er endlich, nach Ausführung des ersten Koitus, gänzlich von der Onanie abstand. Dies geschah aber erst im Alter von 21½ Jahren. Unbegreiflich erscheint es jetzt dem Patienten, und es erfüllt ihn angeblich mit Ekel, daß er jemals daran Gefallen finden konnte, mit Knaben Onanie zu treiben. Keine Macht könnte ihn heute dazu zwingen, eines andern Mannes Glied zu berühren, dessen Anblick ihm schon unangenehm ist. Es hat sich jede Neigung zu Männern verloren, und Patient fühlt sich durchaus zum Weibe hingezogen.

Es sei aber erwähnt, daß, obwohl L. entschiedene Neigung zum Weibe hat, doch eine abnorme Erscheinung bei ihm besteht.

Was ihn nämlich bei dem weiblichen Geschlecht wesentlich aufregt, ist der Anblick einer schönen Hand; bei weitem mehr reizt es den L., wenn er eine weibliche schöne Hand berührt, quam si eandam feminam plane nudatam adspiceret.

Wie weit die Vorliebe des L. für die schöne Hand eines weiblichen Wesens geht, erhellt aus folgendem Vorgang.

L. kannte eine schöne junge Dame, der alle Reize zur Verfügung standen; aber ihre Hand war ziemlich groß und hatte keine schöne Form, war vielleicht auch manchmal nicht so rein, wie L. beanspruchte. Es war dem L. infolgedessen nicht nur unmöglich, ein tieferes Interesse für die Dame zu fassen, sondern er war nicht einmal imstande, die Dame zu berühren. L. meint, daß es im allgemeinen nichts Ekelhafteres für ihn gebe als unsaubere Fingernägel; diese allein machten es ihm unmöglich, eine sonst noch so schöne Dame zu berühren. Übrigens hat L. häufig den Koitus in früheren Jahren dadurch ersetzt, ut puellam usque ad eiaculationem effectam membrum suum manu tractare iusserit ( Moll).

Über den Fußfetischismus liegen gleichfalls nur spärliche Beobachtungen vor. Dafür aber spielen die Füße in der Vita sexualis der Masochisten eine gewaltige Rolle (siehe Masochismus).

Als Beispiele für den Fußfetischismus bringen wir nachstehende Beobachtungen:

Beobachtung 40 (stark gekürzt). X., 30jährig, unabhängiger Privatier, dem Berufe nach Privatgelehrter, geht gerne zur Donau, wo es zeitweise Männer gibt, welche die Schuhe ausziehen, die Füße von schmutzigen Lappen befreien, sie in der Sonne wärmen oder im Donauwasser kühlen. X. lockt nicht der zierliche, schöne Frauenfuß. Es reizen ihn auch nicht wohlgeformte Frauenwaden oder feines Schuhwerk, wie viele seiner Geschlechtsgenossen. Er sieht bei jedem Menschen – Mann oder Weib – zuerst auf den Fuß und beurteilt Leute nach dem Schuhwerk. Frauen als solche lassen ihn kalt. Der Fuß muß sehr enge im Schuhwerk sitzen. In der Vorstellung des Engen, Gedrückten liegt für ihn ein großer Reiz. Hühneraugen regen ihn geschlechtlich auf. Er beneidet jeden Hühneraugenoperateur. Er schwärmt nur für Männerfüße, und zwar für rote, schmutzige, womöglich schweißige, entzündete Männerfüße. Der Fuß der Reichen läßt ihn kalt. Der Fuß eines Mannes, der arbeitet, der womöglich unterdrückt ist, der ein Knecht ist, der sich in abhängiger Stellung befindet, der gezwungen wird, barfuß zu gehen, dessen Fuß einem großen Drucke ausgesetzt wird, bei dem der Fuß womöglich gepreßt wird, so daß man auf der Haut die Abdrücke des Schuhes sehen kann, nur dieser Fuß macht ihm einen großen Eindruck.

X. stellt sich vor, er sei der Arbeiter mit dem roten, geschwollenen schweißigen Fuße. Dadurch erzeugt er sich den größten Orgasmus ( Stekel).

Beobachtung 41. X., 23 Jahre alt, stammt aus belasteter Familie. Schwester war gemütskrank. Bruder litt an Hysteria virilis. Patient seit Kindesbeinen sonderbar, hat häufig hypochondrische Verstimmungen, Lebensüberdruß, fühlt sich zurückgesetzt. Bei einer Konsultation wegen »Gemütsleiden« finde ich einen höchst verschrobenen, belasteten Menschen mit neurasthenischen und hypochondrischen Symptomen. Der Verdacht auf Masturbation bestätigt sich. Patient gibt interessante Enthüllungen bezüglich seiner Vita sexualis. Im Alter von 10 Jahren fühlte er sich mächtig vom Fuß eines Kameraden angezogen. Mit 12 Jahren habe er für Damenfüße zu schwärmen begonnen. Es war ihm ein wonniges Gefühl, in ihrem Anblick zu schwelgen. Mit 14 Jahren begann er zu masturbieren, indem er sich dabei einen hübschen Damenfuß dachte. Von nun an begeisterte er sich für die Füße seiner drei Jahre älteren Schwester. Auch die Füße anderer Damen, sofern sie ihm sympathisch waren, wirkten sexuell erregend. Am Weibe interessierte ihn nur der Fuß. Der Gedanke an sexuellen Verkehr mit einem Weibe erweckte ihm Ekel. Noch niemals hatte er Koitus versucht. Vom 12. Jahre ab empfand er nie mehr ein Interesse für den Fuß männlicher Individuen. Die Art der Bekleidung des weiblichen Fußes ist ihm gleichgültig, entscheidend ist, daß die Persönlichkeit ihm sympathisch erscheint. Der Gedanke, mit Hilfe der Füße Prostituierter zu genießen, sei ihm ekelhaft. Seit Jahren ist er verliebt in die Füße seiner Schwester. Wenn er nur der Schuhe dieser gewahr werde, errege dieser Anblick mächtig die Sinnlichkeit. Ein Kuß, eine Umarmung der Schwester habe nicht diese Wirkung. Sein Höchstes sei, den Fuß eines sympathischen Weibes zu umfassen, zu küssen. Dann komme es sofort, unter lebhaftem Wollustgefühl, zur Ejakulation. Oft trieb es ihn, mit einem Schuh der Schwester seine Genitalien zu berühren, jedoch vermochte er bisher diesen Drang zu beherrschen, zumal da er seit zwei Jahren (infolge vorgeschrittener reizbarer genitaler Schwäche) schon beim bloßen Anblick des Fußes ejakulierte. Von den Angehörigen erfährt man, daß Patient eine »lächerliche Bewunderung« für die Füße seiner Schwester habe, daß diese ihm aus dem Wege gehe und sich bemühe, ihre Füße vor dem Patienten zu verbergen. Patient empfindet seinen perversen sexuellen Drang als krankhaft und ist peinlich davon berührt, daß seine schmutzigen Phantasien gerade den Fuß der Schwester zum Gegenstand haben. Er weiche der Gelegenheit aus, wie er nur könne, suche sich durch Masturbation zu helfen, wobei ihm, gleich wie bei Traumpollutionen, Damenfüße in der Phantasie vorschweben. Werde aber der Drang zu mächtig, so könne er nicht widerstehen, des Anblicks des Fußes der Schwester teilhaftig zu werden. Gleich nach der Ejakulation empfinde er lebhaften Ärger, wieder schwach gewesen zu sein. Seine Neigung zum Fuß der Schwester habe ihn unzählige schlaflose Nächte gekostet. Er wundere sich oft, daß er seine Schwester noch gern haben könne. Obwohl es ihm recht sei, daß diese ihre Füße vor ihm verberge, sei er oft sehr irritiert darüber, daß er dadurch um seine Pollution komme. Patient betont, daß er sonst sittlich sei, was auch seine Angehörigen bestätigen ( Krafft-Ebing).

Man darf den Begriff des Partialfetischismus nicht zu eng fassen und muß ihn auch auf jene Fälle ausdehnen, in denen eine bestimmte Form der gesamten Gestalt zum Fetisch wird. Verwertbar in dieser Hinsicht sind natürlich nur jene Fälle, bei denen die sexuellen Wünsche in auffälligem Gegensatz zu den üblichen ästhetischen Ansprüchen stehen. Diese Auffälligkeit ist entscheidend; denn es geht nicht an, Männer, die heute, wo die schlanke, ephebenhafte, durchtrainierte Frauengestalt besonders geschätzt wird, üppigere Gestalten bevorzugen, deshalb zu Fetischisten zu stempeln. Wenn aber jemand – und dies ist durchaus nicht selten – nur mit überfetten Frauen zu verkehren wünscht und zu verkehren imstande ist, dann wird man sicherlich von Fetischismus sprechen können. Einen Fall dieser Art hat schon Krafft-Ebing mitgeteilt.

Beobachtung 42. Ein sehr belasteter Herr konsultierte mich wegen ihn fast zur Verzweiflung treibender Impotenz.

Sein Fetisch waren, solange er Junggeselle war, Weiber von üppigen Formen. Er heiratete eine Dame von entsprechendem Umfang, war mit ihr ganz potent und glücklich. Nach einigen Monaten erkrankte die Dame schwer und magerte stark ab. Als er eines Tages wieder seiner ehelichen Pflicht nachkommen wollte, war er gänzlich impotent und blieb es. Versuchte er dagegen Koitus mit üppigen Weibern, so war er völlig potent ( Krafft-Ebing).

In Anbetracht der heute vorherrschenden ästhetischen und erotischen Einstellung wird man dort, wo nur überschlanke und überzarte weibliche Personen Gegenstand des Geschlechtstriebes sind, kaum von Fetischismus sprechen können; höchstens wäre daran zu denken, ob hier nicht eine – latente – Paedophilie oder Homosexualität vorliegt, wenn nämlich das betreffende Sexualobjekt deutlich infantile, bzw. männliche Züge aufweist.

Eine sehr interessante Art des Partialfetischismus ist die, bei der die Körper haut den Fetisch bildet. Es mag strittig sein, ob die merkwürdige Vorliebe gewisser, wahrscheinlich degenerierter Personen, in Menschenhaut eingebundene Bücher zu besitzen, bereits hierher gehört. Und es ist sogar sicher, daß die Haut der Geliebten in vielen erotischen und sexuellen Beziehungen und Bindungen eine große Rolle spielt, ohne daß da von Fetischismus die Rede sein kann. Hingegen ist nachfolgender Fall ein deutliches Beispiel für Hautfetischismus.

Beobachtung 43. L., Taglöhner, wurde verhaftet, weil er in einer öffentlichen Anlage sich ein großes Stück Haut vom linken Vorderarm mit einer Schere abschnitt.

Er gesteht, daß er seit langer Zeit den Drang habe, ein Stück von der feinen weißen Haut eines jungen Mädchens zu essen, daß er zu diesem Zweck mit dazu bereit gehaltener Schere ein solches Opfer verfolgt habe, aber bei der Aussichtslosigkeit dieses Vorhabens davon abgestanden sei und als Ersatz sich selbst geschnitten habe.

L. stammt von epileptischem Vater. Eine Schwester ist geistesschwach.

L. hatte bis zum 17. Jahr an Bettnässen gelitten, war allgemein gefürchtet wegen seines rohen, reizbaren Wesens, aus der Schule wegen seiner Undisziplinierbarkeit und Bösartigkeit weggeschickt worden.

Sehr früh ergab er sich der Onanie. Er las mit Vorliebe fromme Bücher, bot Züge von Aberglauben, Hang zum Mystischen und auffällige Devotion in seinem Charakter.

Im 13. Jahre regte sich beim Anblick junger hübscher Mädchen mit weißer feiner Haut der wollüstig betonte Drang, einem solchen Mädchen ein Stück Haut herauszubeißen und dasselbe zu verzehren. Dieser Drang beherrschte sein ganzes Dichten und Trachten. Sonst reizte ihn am Weibe nichts. Er trug nie Verlangen, irgendwie mit einem solchen sexuell zu verkehren, und machte nie einen bezüglichen Versuch.

Da er leichter mit Scheren zum Ziel zu gelangen hoffte als mit den Zähnen, hatte er seit Jahren immer Scheren bei sich. Wiederholt war er nahe daran, sein abnormes Gelüste zu befriedigen. Seit einem Jahr, kaum mehr fähig, dessen Nichtbefriedigung zu ertragen, war er auf einen Ersatz verfallen, indem er jeweils nach fruchtloser Verfolgung eines Mädchens sich selbst vom Arm, Schenkel oder Bauch ein Stück Haut abschnitt und verzehrte. Unter Zuhilfenahme der Phantasievorstellung, es sei Haut von jenem verfolgten Mädchen, gelangte er während des Verzehrens des Stückes der eigenen Haut zu Orgasmus und Ejakulation.

Am Körper des L. finden sich zahlreiche, zum Teil ausgedehnte und tiefgehende Wunden oder Narben in der Haut.

Während seiner Selbstverstümmelungen und lange Zeit darnach hatte er heftige Schmerzen, aber sie wurden überkompensiert durch die Wollust, welche er beim Genießen der Hautstücke empfand, namentlich, wenn es recht blutete und ihm die Illusion, es sei cutis virginis, einigermaßen gelang. Schon der Anblick von Messer und Schere genügt ihm, um seinen perversen Drang hervorzurufen. Er bekommt dann einen eigentümlichen Zustand von Angst mit Schweißausbruch, Schwindel, Herzklopfen, Gier nach cutis feminae, muß ihm sympathischen Frauenzimmern, mit der Schere in der Hand, nachgehen, verliert aber nicht das Bewußtsein und behält einen Rest von Selbstkontrolle, indem er auf der Höhe der Krise von sich selbst nimmt, was ihm vom Körper eines Mädchens versagt bleibt. Während dieser ganzen Krise besteht Erektion und Orgasmus; im Moment, wo er seine Haut zwischen den Zähnen kaut, tritt die Ejakulation ein. Darnach fühlt er große Befriedigung und Erleichterung. Seine Genitalien sind normal.

L. ist sich des Pathologischen seines Zustandes vollkommen bewußt. Selbstverständlich kam dieser gemeingefährliche Degenerierte in eine Irrenanstalt. Dort machte er einen Selbstmordversuch ( Magnan).

Dieser Fall ist, abgesehen von seiner stark sadistischen Komponente, auch dadurch von besonderem Interesse, daß wir bei ihm noch deutlicher als bei Beobachtung 40 einer Erscheinung begegnen, die noch näher zu besprechen sein wird, nämlich der Übertragung vom Sexualobjekt auf das Sexualsubjekt oder der Identifikation zwischen Subjekt und Objekt.

Ein überaus merkwürdiges Beispiel von kombiniertem Partialfetischismus verdanken wir dem Wiener Institut für Sexualforschung:

Beobachtung 44. X., 38 Jahre, Mechaniker. Seit dem 6. Jahr Onanie. Seine Libido ist von da ab stets auf gleichaltrige Mitschüler gerichtet, wobei aber immer der Hauptwunsch vorwaltete, ihnen die Unterarme zu küssen und zu lecken. Mutuelle Onanie oder Paedicatio fand niemals statt. X. hat wiederholt Koitus versucht, der aber stets mißlang, weil die Erektion ausblieb. Derzeit gelten seine sexuellen Wünsche ausschließlich Knaben von 10-14 Jahren. Es gelingt X., auf die Verwirklichung seiner Phantasien zu verzichten; dafür aber hat er sich eine Sammlung von Knabenphotographien angelegt, unter denen verschiedene deutsche Prinzen entsprechenden Alters die Hauptrolle spielen. Damit ist eine rege dichterische Tätigkeit verbunden, in der er seinen eigenartigen sexuellen Wünschen Ausdruck gibt. Als Beispiel seien aus einem seiner poetischen Produkte, das durch das Bild eines deutschen Prinzen veranlaßt wurde, einige Strophen angeführt:

Prinz A.

Welch eine riesige Gestalt,
Welch ungeheure Glieder;
Ich fühl' die sinnliche Gewalt,
Sie zwingt mich völlig nieder.

Die Riesenglieder sind so dick,
Von stämmigstrunder Fülle;
So ausgemästet zur Genüg',
Wie wird mir, ach, so schwüle!

Aus jedem dunklen Ärmelsaum
Da leuchten meinen Blicken
Zwei Arme wie ein Wonnetraum,
Die mich zuhöchst entzücken.

Die Arme strotzen speckigst dick
Voll stämmigstrunder Fülle.
Verheißend locken sie den Blick
In ihre dunkle Hülle.

So geht es in unendlicher Wiederholung weiter; das beigefügte Bild zeigt übrigens einen durchaus normal entwickelten Knaben, der weder »Riesenglieder« noch »üppige Fülle« aufweist.

X. ist also homosexuell und fetischistisch. Bei letzterer Perversion finden wir Partialfetischismus – Unterarme, Haut, Körperformen (fett, üppig, prall) – und echten Fetischismus vereinigt, da für X. am wichtigsten die »aus den dunklen Ärmeln weiß hervortretenden Unterarme« sind. Als echter Fetischist erweist sich X. auch durch seinen Sammeltrieb – Photos, Bilder, Gedichte –, durch seine erstaunlich, wenn natürlich auch ganz einseitig entwickelte Phantasie und durch sein Verharren bei der Masturbation.

Dem Hautfetischismus scheinen jene nicht seltenen Fälle nahe zu stehen, in denen die Nägel den Fetisch bilden. Freilich besteht hier in der Regel eine stark masochistische Komponente: die Nägel werden nicht nur als Fetisch betrachtet, sondern auch als das die lustvollen Schmerzen zufügende Instrument.

Mit dem Hautfetischismus dürften auch jene Fälle im Zusammenhang stehen, bei denen eine bestimmte Hautfarbe eine Bedingung für das Zustandekommen einer sexuellen Beziehung bildet. Es ist bekannt, daß degenerierte und überzivilisierte Personen Angehörige möglichst fremder Rassen als Sexualpartner bevorzugen. Aber auch einfacher organisierte Menschen scheinen nicht so selten Opfer einer geradezu zauberhaften Anziehung zu werden, wenn sie mit Angehörigen farbiger Rassen in Berührung kommen. Die Vorkommnisse, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts bei den »Ausstellungen« besonders von Negerstämmen sich in Europa ergaben, sprechen dafür, und es ist Tatsache, daß so manche hochstehende weiße Frau in Afrika oder Asien sich hemmungslos dem Geschlechtsverkehr mit Eingeborenen ergeben hat.

Hier ist aber die Haut nur ein Teilfetisch, und zur perversen Bindung tragen noch andere Faktoren gleicher Art bei. Für die Frau wohl wiederum der Phallus, der besonders bei Negern oft übernormal entwickelt ist, und bei beiden Geschlechtern der Geruch, der im Partialfetischismus eine sehr wichtige Rolle spielt. Schon der Satz »ich kann den (oder die) nicht riechen«, als Ausdruck einer Ablehnung oder Antipathie, zeigt, von welcher Bedeutung der Geruch einer Person für das Zustandekommen einer sexuellen Bindung ist. Es ist ein Verdienst Krafft-Ebings, diese Tatsache unterstrichen zu haben, und wir können in diesem Zusammenhang auf das verweisen, was im 1. und 2. Kapitel dieses Buches über die sexuelle Bedeutung der Gerüche gesagt wurde. Nachzutragen wäre bloß die in bezug auf den Fetischismus wesentliche Analogie zwischen dem Nates und dem Genitalgeruch. Dieser wird nämlich, so wie die Gesäßregion gewissermaßen als verächtlich empfunden wird, im allgemeinen durchaus nicht geschätzt, sondern eher verabscheut. Es ist nun bemerkenswert, daß eine ganze Reihe bekannter Parfüms den Genitalgeruch der Frau, aber auch des Mannes, natürlich nur sehr abgeschwächt, nachahmen und ihre Verbreitung eben diesem Umstände verdanken.

Sehr interessant ist eine weitere Gruppe des Fetischismus, bei der es bereits zweifelhaft ist, ob sie noch zum Partialfetischismus gehört, oder ob nicht schon ein Fetischismus im engeren Sinne vorliegt. Es sind das jene Fälle, bei denen der Gegenstand des Geschlechtstriebes nicht ein Körperteil, sondern ein Körper fehler ist. Eigentümlicherweise scheint das Hinken in dieser Beziehung besonderen Reiz zu bieten; wenigstens in der Literatur sind zahlreiche Beobachtungen dieser Art enthalten. Daß hier bereits schwerere Veränderungen der Sexualpsyche vorliegen, zeigt sich daraus, daß in solchen Fällen auch andere fetischistische Tendenzen bestehen. So weist Beobachtung 45 Züge von Transvestismus auf, und dort sowie in Beobachtung 46 erkennt man auch die bereits erwähnte Identifikation mit dem Sexualobjekt.

Beobachtung 45. X., 28 Jahre, stammt aus schwer belasteter Familie. Er ist neurasthenisch, klagt über mangelndes Selbstvertrauen und häufige Verstimmung mit Anwandlungen zu Selbstmord, deren sich zu erwehren er oft Mühe habe. Bei geringster Widerwärtigkeit sei er ganz fassungslos und verzweifelt. Patient ist Ingenieur, von kräftigem Körperbau, ohne Degenerationszeichen. Er klagt über eine seltsame »Manie«, die ihn oft daran zweifeln lasse, ob er denn ein geistig gesunder Mensch sei. Seit dem 17. Jahr werde er sexuell ausschließlich erregt durch den Anblick von weiblichen Gebrechen, ganz speziell von Weibern, die hinken und krumme Füße haben. Der ursprünglich assoziativen Verknüpfung seiner Libido mit derartigen Schönheitsfehlern ist sich Patient in keiner Weise bewußt.

Seit der Pubertät sei er im Bann dieses ihm selbst peinlichen Fetischismus. Das normale Weib habe für ihn nicht den geringsten Reiz, nur das krumme, hinkende, mit Gebrechen an den Füßen behaftete. Habe ein Weib ein solches Gebrechen, so übe es auf ihn einen mächtigen sinnlichen Reiz, gleichgültig, ob dieses Weib schön oder häßlich sei.

In Pollutionsträumen schweben ihm ausschließlich solche hinkende Frauengestalten vor. Ab und zu könne er dem Antrieb nicht widerstehen, ein solches hinkendes Weib nachzuahmen. In dieser Situation bekomme er heftigen Orgasmus und eine von lebhaftem Wollustgefühl begleitete Ejakulation. Patient versichert, sehr libidinös zu sein und unter der Nichtbefriedigung seiner Triebe sehr zu leiden. Gleichwohl habe er erst mit 22 Jahren und seither nur etwa fünfmal koitiert. Er habe dabei, trotz Potenz, nicht die geringste Befriedigung empfunden. Wenn er das Glück hätte, einmal mit einem hinkenden Frauenzimmer zu koitieren, würde dies gewiß anders sein. Jedenfalls könne er sich nur entschließen, ein hinkendes Mädchen zu heiraten.

Seit dem 20. Jahr zeigt Patient auch Kleidungsfetischismus. Es genügt ihm oft, weibliche Strümpfe, Schuhe, Hosen anzuziehen. Er kaufe sich ab und zu derlei Kleidungsstücke, ziehe sie heimlich an, werde davon wollüstig erregt und bekomme Ejakulation. Von Weibern bereits getragene Kleidungsstücke haben für ihn nicht den geringsten Reiz. Am liebsten würde er anläßlich sinnlicher Erregungen Weiberkleider anziehen, aber er hat dies aus Furcht vor Entdeckung noch nicht zu tun gewagt.

Seine Vita sexualis beschränkt sich auf die erwähnten Praktiken. Patient versichert bestimmt und glaubhaft, daß er nie der Masturbation ergeben war. In neuerer Zeit ist er, unter Zunahme seiner neurasthenischen Beschwerden, sehr von Pollutionen geplagt ( Krafft-Ebing).

Beobachtung 46. V., 30 Jahre, Beamter, stammt von sehr neuropathischen Eltern. Vom 7. Jahr ab war durch Jahre hindurch seine Gespielin ein gleichaltriges hinkendes Mädchen.

Vom 12. Jahr ab gelangte der jedenfalls nervöse und hypersexuell veranlagte Knabe ohne Verführung zur Masturbation. Um dieselbe Zeit erfolgte die Pubertätsentwicklung, und es ist wohl zweifellos, daß die ersten sexuellen Regungen des V. dem andern Geschlecht gegenüber mit dem Anblick des hinkenden Mädchens zusammenfielen.

Von nun ab erregten seine Sinnlichkeit nur hinkende Frauenzimmer. Sein Fetisch wurde eine hübsche Dame, die (gleich wie die Jugendgespielin) mit dem linken Fuße hinkt.

Der ausschließlich heterosexuale und dabei abnorm sexuell bedürftige V. versuchte früh mit dem andern Geschlecht in Beziehung zu treten, war aber absolut impotent nichthinkenden Weibern gegenüber. Am größten war seine Potenz und Befriedigung, wenn die Puella mit dem linken Fuß hinkte; doch verkehrte er auch erfolgreich mit rechts Hinkenden. Da er nur ausnahmsweise seinem Fetischismus gemäß koitieren konnte, half er sich mit Masturbation, die ihm aber als elender Ersatz und ekelhaft erschien. Über seine sexuelle Situation war er oft sehr unglücklich und dem Selbstmord nahe, von dem ihn nur die Rücksicht auf seine Eltern abhielt.

Sein moralisches Leiden gipfelte darin, daß er sich als Ziel seiner Wünsche die Ehe mit einer sympathischen hinkenden Dame dachte, aber er fühlte, daß er an einer solchen Gattin nur das Hinken, nicht die Seele lieben könnte, was er als eine Profanation der Ehe, als eine unerträgliche, unwürdige Existenz empfand. Oft hatte er schon deswegen an Verzicht und Kastration gedacht.

Die Untersuchung des V., als er sich um Hilfe an mich wandte, ergab ein völlig negatives Resultat hinsichtlich Degenerationszeichen, Nervenkrankheit usw.

Ich klärte Patient darüber auf, daß es ärztlicher Kunst schwer, wenn nicht unmöglich sein werde, einen durch so festgefügte Assoziationen begründeten Fetischismus zu zerstören, und sprach die Hoffnung aus, daß er, indem er ein hinkendes Mädchen durch Ehe glücklich mache, selbst glücklich werden möge ( Krafft-Ebing).

Auch andere Körperfehler können zum Fetisch dienen. Den Übergang zum Normalen scheinen etwa jene Fälle herzustellen, in denen schielende Frauen bevorzugt werden. Denn daß das an und für sich nicht pathologisch ist, erhellt schon daraus, daß die Griechen Aphrodite, die Göttin der Schönheit, leicht schielend dargestellt haben.

Die letzte Gruppe des Partialfetischismus bildet der Haar- und Zopffetischismus; denn hier begegnen wir bereits einigen Symptomen, die für den echten Fetischismus (im engeren Sinn) durchaus kennzeichnend sind. Schon Krafft-Ebing hat bemerkt, daß hier ein fließender Übergang vom physiologischen Bewundern des Frauenhaares zum pathologischen Fetischismus besteht. »Als Anfangsglied der pathologischen Reihe erscheinen Fälle, in denen nur das Haar des Weibes sinnlichen Eindruck macht und zum Geschlechtsverkehr anregt, des weiteren solche, wo Potenz nur einem Weibe gegenüber besteht, das im Besitz des individuellen Fetischzaubers sich befindet. Möglicherweise sind bei diesem Haarfetischismus verschiedene Sinne (Auge, Geruch, Gehör, wegen des knisternden Geräusches, jedenfalls auch Tastsinn) beteiligt, indem sie wollüstig betonte Regungen empfangen.

Den Schluß der Reihe würden solche Degenerierte bilden, denen das Haar des Weibes selbst, losgelöst von dessen Körper, also sozusagen nicht mehr Teil eines lebenden Körpers, sondern bloßer Stoff, selbst Ware, zur Erregung der Libido und zur Befriedigung mittels physischer oder psychischer Onanie, allenfalls unter Berührung der Genitalien mit dem Fetisch, genügt.«

Wir haben dem bloß hinzuzufügen, daß beim Zopffetischismus unbedingt eine stark sadistische Tendenz besteht. Denn aus zahlreichen Krankengeschichten geht hervor, daß das Abschneiden der Zöpfe manchmal genau so wichtig und genau so lustbringend ist wie ihr Besitz und wie das Hantieren mit ihnen. Es ist klar, daß die Gruppe der Zopfabschneider auch forensisch von Bedeutung ist.

Ein sehr bezeichnendes Beispiel für den Haarfetischismus hat schon Archenholtz 1785 mitgeteilt:

»Ich habe einen Engländer gekannt, der ein rechtschaffener, liebenswürdiger Mann war, allein einen höchst bizarren Geschmack hatte, der, wie er mir versicherte, tief in seiner Seele lag. Das größte Vergnügen, das nur allein seine Sinne berauschen konnte, war, die Haare eines schönen Weibes zu kämmen. Er unterhielt eine reizende Mätresse bloß zu diesem Zweck. Liebe und Frau kamen hierbei in keine Betrachtung. Er hatte bloß mit ihren Haaren zu tun, die sie in den ihm gefälligen Stunden entnadeln mußte, damit er darin mit seinen Händen wühlen konnte. Diese Operation verschaffte ihm einen höchstmöglichen Grad körperlicher Wollust.«

Es ist übrigens sehr interessant, daß heutzutage, wo die Haartracht der Frauen den Zopffetischismus fast unmöglich gemacht hat, auch der Haarfetischismus sehr abgenommen hat. Betont sei, daß es natürlich nicht angeht, Männer, die gegen die herrschende Mode Frauen mit langen Haaren bevorzugen, deshalb gleich für Haarfetischisten zu erklären, denn diese Tatsache läßt sich durch ästhetische Momente, Kindheitseindrücke und dergleichen zur Genüge begründen.

Außer den Zöpfen und überhaupt den Kopfhaaren können auch die Gesichtsbehaarung (Schnurrbart) und die Körperhaare, besonders die Schamhaare, zum Fetisch werden.

Es sei auch darauf hingewiesen, daß der Kult, den – früher häufiger als heute – so manche Personen, besonders Frauen, mit den Locken verschiedener Berühmtheiten der Kunst und des Theaters treiben, ebenso im Zusammenhang mit dem Haarfetischismus stehen dürfte, wie die Verwendung von Haarbüscheln, die von Körper- und Genitalhaaren stammen, als Liebeszauber. Kurzum, fließende Übergänge lassen sich durchaus nachweisen.

Wir beginnen mit einigen Beobachtungen über den Schamhaarfetischismus.

Beobachtung 47. X. ist Kaufmann, in den 50er Jahren und ausgesprochener Liebhaber rothaariger Frauen. Er begnügt sich aber nicht mit dem Genuß des Augenblicks, sondern er sorgt für eine Wiederauffrischung dieses Genusses in seiner Erinnerung dadurch, daß er von jeder dieser Rothaarigen, mit denen er geschlechtlich verkehrt hat, eine Schamhaarlocke abschneidet. Diese formt er zierlich, schmückt sie mit einem schwarzen Seidenfaden und klebt sie in das Buch seiner Erinnerungen ein, mit Namen und Datum versehen, so daß er imstande ist, beim Durchblättern dieser fetischistischen Reminiszenzen nochmals seine Befriedigung zu finden ( Merzbach).

Beobachtung 48. X. interessierte sich nur für die Haare des mons Veneris fetischistisch, und sein größter Genuß war es, sie mit den Zähnen auszureißen. Er sammelte sie, und indem er sie wiederum zerbiß, hatte er neuerliche sexuelle Befriedigung. Er bestach Hotelbedienstete, damit sie ihn auf die Suche nach solchen Haaren in Betten, in denen Damen übernachtet hatten, gehen ließen. Bei solchem Suchen geriet er in heftige Erregung und war überglücklich, wenn er Erfolg hatte ( Garnier).

Beobachtung 49. X. hat schon mit 13 Jahren statt nach dem Geschlechtsteil der Frau nach ihren Schamhaaren verlangt. »Damals sagte ich unserem Dienstmädchen, sie solle mir ihre Haare geben, aber nicht vom Kopf, sondern zwischen den Beinen müsse sie mir sie herausschneiden, und diese haben mich dann riesig gereizt und kolossales Wohlgefühl in mir erweckt. Ich habe eine ganze Sammlung solcher Haare angelegt, von jeder Geliebten ein Büschel abgeschnitten und es fein säuberlich mit einem Bändchen umwunden, auf das ich den Namen der Besitzerin schrieb« ( Sadger).

Beobachtung 50. X. hat mit 8 oder 9 Jahren, als er selber noch gar keine Schamhaare hatte, sich schon auf die ausgegangenen Haare im Kamm seiner Schwester gestürzt und band sie um sein Glied herum. »Wenn ich jetzt bei meiner Freundin ein Haar sehe, das ihr beim Kämmen ausgegangen ist, bin ich schon furchtbar aufgeregt, ebenso wenn ich einem Weibe durch das Kopfhaar fahre oder beim Anblick ihrer Achselhaare. Als Kind wühlte und zog ich gerne an den Schamhaaren meiner – schlafenden – Mutter. Auch mit meinen eigenen Schamhaaren zu spielen bereitet mir besonderes Wollustgefühl. Ich rieche auch sehr gerne an den Schamhaaren und rege mich bei ihrem Geruch auf« ( Sadger).

Als Beispiel für Schnurrbartfetischismus mag folgende Beobachtung dienen:

Beobachtung 51. X., 20 Jahre, konträrsexual, liebt nur Männer mit großem und starkem Schnurrbart. Eines Tages trifft X. einen Mann, der seinem Ideal entspricht. Er nimmt ihn mit nach Hause, ist aber schwer enttäuscht, als dieser den (künstlichen) Schnurrbart abnimmt. Erst als derselbe ihn wieder anlegt, gewinnt er Reiz für X., der damit in den vollen Besitz seiner Potenz zurückgelangt ( Thoinot-Magnan)

Die nunmehr folgenden Fälle von Zopffetischismus gehen wohl schon deutlich über den Partialfetischismus hinaus Hier begegnen wir auch zum erstenmal dem für den echten Fetischisten so überaus bezeichnenden Sammeltrieb, der noch ausführlich besprochen werden wird..

Beobachtung 52. P., 40 Jahre, Kunstschlosser, ledig, stammt von einem Vater, der temporär irrsinnig war, und von einer sehr nervösen Mutter. Er entwickelt sich gut, war intelligent, aber früh mit Tics und Zwangsvorstellungen behaftet gewesen. Er hatte nie masturbiert, liebte platonisch, trug sich öfters mit Heiratsplänen, koitierte nur selten mit Freudenmädchen, fühlte sich aber vom Verkehr mit solchen nie befriedigt, eher angewidert. Vor etwa drei Jahren trafen ihn schwere Schicksalsschläge (finanzieller Ruin), und er machte überdies eine fieberhafte Krankheit und Delir durch. Diese Umstände schädigten schwer sein Zentralnervensystem. Eines Abends wurde P. in Paris in flagranti verhaftet, als er im Gedränge einem jungen Mädchen den Zopf abgeschnitten hatte. Man verhaftete ihn mit dem Zopfe in der Hand, eine Schere in der Tasche. Er entschuldigte sich mit momentaner Sinnesverwirrung, unseliger, unbezwinglicher Leidenschaft, gab zu, daß er schon zehnmal Zöpfe abgeschnitten habe, die er daheim in wonnigem Entzücken verwahre.

P. gibt an, daß er seit drei Jahren, wenn abends allein im Zimmer, sich unwohl, ängstlich, erregt und schwindlig fühlte und dann vom Drang heimgesucht wurde, Frauenhaar zu betasten. Als er gelegentlich den Zopf eines jungen Mädchens wirklich in der Hand halten konnte, libidine valde excitatus est neque amplius puella tacta erectio et eiaculatio evenit. Heimgekehrt schämte er sich des Vorfalls, aber der Wunsch, Zöpfe zu besitzen, ungemein wollüstig betont, wurde immer mächtiger in ihm. Er wunderte sich sehr darüber, da er doch früher beim intimsten Verkehr mit Weibern nie etwas derart empfunden hatte. Eines Abends konnte er dem Drange nicht widerstehen, einem Mädchen den Zopf abzuschneiden. Daheim, mit dem Zopf in der Hand, wiederholte sich der wollüstige Vorgang. Es zwang ihn, mit dem Zopf über seinen Körper zu fahren, seine Genitalien darein zu wickeln. Endlich ganz erschöpft, schämte er sich, getraute sich während einiger Tage gar nicht auszugehen. Nach Monaten der Ruhe trieb es ihn wieder, Frauenhaar, gleichgültig wem gehörig, unter die Hände zu bekommen. Gelangte er zum Ziel, so fühlte er sich besessen von einer übernatürlichen Gewalt, außerstande, seine Beute loszulassen. Konnte er den Gegenstand seiner Begierde nicht erreichen, so wurde er tief verstimmt, geriet dabei in mächtigen Orgasmus und befriedigte sich durch Masturbation. Zöpfe in den Auslegekästen der Friseure ließen ihn ganz kalt. Es mußten vom Kopf einer Frauensperson herabhängende Zöpfe sein.

Auf der Höhe seiner Zopfattentate will er jeweils in solcher Erregung gewesen sein, daß er nur unvollkommen Apperzeption und demgemäß Erinnerung hatte von dem, was um ihn her vorging. Sobald er mit der Schere den Zopf berührte, kam es zur Erektion und im Moment des Abschneidens zur Ejakulation.

Seit seinen Schicksalsschlägen vor etwa drei Jahren will er gedächtnisschwach, geistig rasch erschöpft, von Schlaflosigkeit und nächtlichem Aufschrecken heimgesucht sein. P. bereut tief seine Streiche.

Man fand bei ihm nicht bloß 65 Zöpfe und Haarflechten, sortiert, in Paketen vor, sondern auch eine Menge von Haarnadeln, Bändern und andere weibliche Toilettengegenstände, die er sich hatte schenken lassen. Er hatte von jeher eine wahre Manie gehabt, derlei zu sammeln, nicht minder Zeitungen, Holzstückchen und andern ganz wertlosen Kram, von dem er nie hatte lassen wollen. Auch hatte er eine sonderbare, ihm ganz unerklärliche Scheu, eine gewisse Straße zu passieren; machte er einmal den Versuch dazu, so wurde ihm ganz unwohl ( Voisin, Socquet, Motet)

Beobachtung 53. X., Mitte der Dreißiger, aus höherer Gesellschaftsklasse, ledig, aus angeblich nicht belasteter Familie, jedoch von Kindesbeinen auf nervös, unstet, eigenartig, will seit etwa dem 8. Jahr sich mächtig durch Frauenhaar angezogen gefühlt haben. Ganz besonders war dies seitens junger Mädchen der Fall. Als er 9 Jahre alt war, trieb ein 13 Jahre altes Mädchen mit ihm Unzucht. Er hatte kein Verständnis dafür und blieb dabei ganz unerregt. Auch die zwölfjährige Schwester dieses Mädchens machte sich mit ihm zu schaffen, küßte ihn ab und preßte ihn an sich. Er ließ sich das ruhig gefallen, weil das Haar dieses Mädchens ihm so gut gefiel. Etwa 18 Jahre alt, begann er wollüstige Empfindungen beim Anblick von ihm zusagendem Frauenhaar zu verspüren. Allmählich kamen jene auch spontan, und sofort gesellten sich Erinnerungsbilder an Mädchenhaar hinzu. Im 11. Jahr wurde er von Mitschülern zur Masturbation verführt. Die assoziative Knüpfung sexueller Gefühle und einer fetischistischen Vorstellung war damals schon festgeschlossen und trat jeweils hervor, wenn Patient mit seinen Kameraden Unzucht trieb. Mit den Jahren wurde der Fetisch immer mächtiger. Selbst falsche Zöpfe begannen ihn zu erregen, jedoch waren ihm lebende immer lieber. Wenn er solche berühren oder gar küssen konnte, war er ganz selig. Er verfaßte Aufsätze und machte Gedichte über die Schönheit des Frauenhaars, zeichnete Zöpfe und masturbierte dazu. Vom 14. Jahr ab wurde er von seinem Fetisch so mächtig erregt, daß er heftige Erektionen bekam. Entgegen seinem früheren Geschmack als Knabe reizten ihn nur mehr Zöpfe, ganz besonders üppige, schwarze, dicht geflochtene. Er empfand lebhaften Drang, solche Zöpfe zu küssen oder an ihnen zu saugen. Das Betasten solchen Haares machte ihm wenig Befriedigung, viel mehr der Anblick, namentlich aber das Küssen und Saugen.

War ihm dies unmöglich, so war er unglücklich bis zum Lebensüberdruß. Er versuchte sich dann schadlos zu halten, indem er sich »Haarabenteuer« ausmalte und dazu masturbierte.

Nicht selten, auf der Straße und im Gedränge, konnte er sich nicht zurückhalten, Damen einen Kuß auf den Kopf zu drücken. Er eilte dann heim, um zu masturbieren. Zuweilen konnte er jenem Impuls Widerstand leisten, aber er mußte unter lebhaften Angstgefühlen schleunigst die Flucht ergreifen, um aus dem Bannkreis seines Fetischs zu gelangen. Nur einmal im Gedränge trieb es ihn, einem Mädchen den Zopf abzuschneiden. Er hatte dabei heftig Angst, hatte mit einem Taschenmesser Mißerfolg und entging mit Mühe durch die Flucht der Gefahr, erwischt zu werden.

Erwachsen, versuchte er durch Koitus mit Puellis sich zu befriedigen. Er gelangte zu mächtiger Erektion durch Küssen der Zöpfe, brachte es aber zu keiner Ejakulation. Deshalb war er vom Koitus unbefriedigt. Gleichwohl war seine liebste Vorstellung: Koitus mit Haarküssen. Dieses allein genügte ihm nicht, da er dadurch noch nicht zur Ejakulation gelangte. Einmal stahl er einer Dame ihr ausgekämmtes Haar, steckte es in den Mund und masturbierte dazu, indem er sich die Eigentümerin vorstellte. Im Dunkeln hatte er kein Interesse am Weib, weil er dessen Zöpfe nicht sah. Auch aufgelöstes Kopfhaar hatte für ihn keinen Reiz, ebensowenig Schamhaare. Seine erotischen Träume drehten sich nur um Zöpfe. In der letzten Zeit war Patient sexuell so erregt worden, daß er in eine Art Satyriasis geriet. Er wurde unfähig zum Beruf, fühlte sich so unglücklich, daß er sich in Alkohol zu betäuben suchte. Er trank sehr große Mengen, bekam ein Alkoholdelir, einen Anfall von Alkoholepilepsie, wurde spitalsbedürftig. Nach Beseitigung der Intoxikation schwand ziemlich rasch die sexuelle Erregung unter geeigneter Behandlung, und als Patient entlassen wurde, war er von seiner nur noch in Träumen ab und zu sich geltend machenden Fetischvorstellung befreit.

Der körperliche Befund ergab normale Genitalien, wie überhaupt keine Degenerationszeichen ( Krafft-Ebing).

Und nun ein wohl schon nicht mehr partialfetischistischer Fall:

Beobachtung 54. Eine Dame erzählte Dr. Gemy, daß in der Brautnacht und der folgenden Nacht ihr Gatte sich damit begnügt hatte, sie zu küssen, in ihrem nicht reichlichen Haar zu wühlen und sich dann schlafen zu legen. In der dritten Nacht brachte Herr X. eine überaus reich mit langen Haaren geschmückte Perücke zum Vorschein und bat seine Frau, dieselbe aufzusetzen. Kaum war dies geschehen, so holte der Mann reichlich die versäumte eheliche Pflicht nach. Am folgenden Morgen begann X. wieder zärtlich zu werden, indem er zunächst die Perücke liebkoste. Kaum hatte Frau X. die ihr lästig gewordene Perücke abgelegt, so hatte sie jeden Reiz für ihren Mann verloren. Frau X. erkannte nun, daß hier eine Marotte vorliege, fügte sich den Wünschen des von ihr geliebten Gatten, dessen Libido und wohl auch Potenz von der Perücke abhängig war. Auffallenderweise war eine solche immer nur 15 bis 20 Tage wirksam. Dieselbe mußte üppig an Haar sein, die Farbe war gleichgültig.

Das Ergebnis dieser Ehe nach fünf Jahren waren zwei Kinder und eine Perückensammlung von 72 Stück ( Gemy).

Damit sind wir zur nächsten großen und praktisch besonders wichtigen Gruppe des Fetischismus gelangt. Schon Krafft-Ebing hat von ihr gesagt, daß sie einen weit höheren Grad des Pathologischen darstelle, bei weitem am häufigsten zur Beobachtung komme und auch forensisch am wichtigsten sei. Sie besteht darin, daß es gar nicht mehr das Weib selbst ist, welches, wenn auch bekleidet oder auf eine bestimmte Art gekleidet, in erster Linie sexuell reizend wirkt, sondern daß das sexuelle Interesse so sehr sich auf ein bestimmtes Stück der weiblichen Kleidung konzentriert, daß die lustbetonte Vorstellung dieses Kleidungsstückes sich gänzlich von der Gesamtvorstellung des Weibes loslöst und so selbständigen Wert gewinnt. Dies ist das eigentliche Gebiet des Kleidungsfetischismus, wo eine unbelebte Sache, ein isoliertes Stück der Kleidung für sich allein zur Erregung und Befriedigung des Geschlechtstriebes benützt und verwendet wird.

Krafft-Ebing hat bei der Darstellung jener Formen des Fetischismus, bei denen ein Stück der weiblichen Kleidung der Fetisch ist, einleitend jene Fälle besprochen, bei denen der Geschlechtsverkehr nur mit bekleideten Frauen erstrebt wird, was seiner Ansicht nach darauf hinweist, daß solche Männer psychopathisch oder zumindest hyperästhetisch seien. Wir glauben indessen, daß sich diese Einstellung bereits aus ästhetischen Gründen hinreichend erklären läßt, und daß man keineswegs abnormal sein muß, um die Bekleidung und vor allem die spärliche Bekleidung (Dessous) der völligen Hüllenlosigkeit vorzuziehen.

Während sich also die sexuelle Einstellung, den Geschlechtsakt nur mit bekleideten Frauen zu vollziehen, kaum als Übergang zum Perversen verwenden läßt, ist hierzu der von Krafft-Ebing beschriebene Kostümfetischismus wohl geeignet. Er besteht darin, daß nur Frauen in gewissen Kostümen oder Trachten als Sexualobjekte in Frage kommen. Daß diese Triebabweichung keine Seltenheit ist, erhellt schon aus den zahlreichen einschlägigen Angaben, die in den verschiedenen Werken über Prostitution und Bordellwesen in dieser Beziehung erbracht wurden. Es gibt sogar bestimmte Typen, die in besonderem Maße bevorzugt werden, wie das Brautkleid, das Nonnenhabit, das »Herrinnen«kostüm und die Ammentracht Bei der Brauttracht und beim Nonnenhabit dürften sadistische, beim »Herrinnen«kostüm masochistische Strebungen stark mitbeteiligt sein.. Nach Coffignon gibt es in nicht wenigen Bordellen zu diesem Zwecke richtige Maskengarderoben.

Hierher gehören folgende Beobachtungen:

Beobachtung 55. X., Sohn eines Generals, wurde auf dem Lande aufgezogen. Im Alter von 14 Jahren wurde er von einer jungen Dame in die Freuden der Liebe eingeweiht. Diese Dame war eine Blondine, die ihr Haar in gewundenen Locken trug und, um nicht entdeckt zu werden, mit ihrem jungen Liebhaber nur in ihrer gewöhnlichen Kleidung, mit Gamaschen, Korsett und ihrem Seidenkleide, geschlechtlich verkehrte.

Als er nach Beendigung seiner Studien zur Garnison gesandt wurde und hier nun seine Freiheit genießen wollte, fand er, daß sein Sexualtrieb nur unter ganz bestimmten Bedingungen angeregt wurde. So konnte eine Brünette ihn nicht im mindesten reizen, und ein Weib im Nachtkostüm war imstande, jede Liebesbegeisterung in ihm ganz zu ersticken. Eine Frau, die seine Begierden wecken sollte, mußte eine Blondine sein, mit Gamaschen gehen, ein Korsett und ein seidenes Kleid tragen, kurz, ganz so gekleidet sein wie die Dame, die zuerst in ihm den Geschlechtstrieb erregt hatte. Er war immer den Bemühungen, ihn zu verheiraten, ausgewichen, da er wußte, daß er seine Gattenpflichten gegen ein Weib im Schlafkostüm nicht werde ausüben können ( Roubaud).

Hammond berichtet noch einen Fall, wo der Coitus maritalis nur durch ein bestimmtes Kostüm erzielt werden konnte, und Moll erwähnt mehrere derartige Fälle bei Hetero- und Homosexuellen. Als veranlassende Ursache ist eine frühere Assoziation oft nachzuweisen und stets anzunehmen. Nur so wird es erklärlich, daß auf solche Individuen ein bestimmtes Kostüm unwiderstehlich wirkt, gleichgültig welche Person immer den Fetisch trägt.

Binet erzählt den Fall eines Richters, der ausschließlich in die Italienerinnen, die als Malermodelle nach Paris kommen, und in ihr bestimmtes Kostüm verliebt war. Die veranlassende Ursache war hier nachweisbar ein Eindruck beim Erwachen des Geschlechtstriebs.

Beobachtung 56. P., 33 Jahre, Geschäftsmann, Sohn einer Mutter, die an Melancholie gelitten und durch Selbstmord geendigt hatte, mit mehrfachen anatomischen Degenerationszeichen behaftet, galt in seiner Straße für ein Original und hatte den Spitznamen »l'amoureux des nourrices et des bonnes d'enfants«.

Da er solchen durch sein aufdringliches Benehmen an öffentlichen Orten lästig fiel und mit einer solchen Person, welche seinen Fetisch an sich trug, einmal in Streit geriet, wurde er verhaftet.

Von jeher will er entzückt vom Anblick von Ammen und Kindermädchen gewesen sein, aber ihn interessierte nie das betreffende Weib, sondern nur das Kostüm, und zwar nicht Teile desselben, sondern nur das ganze. In Gesellschaft solcher Personen zu sein, war seine höchste Wonne. Heimgekehrt, brauchte er nur die genossenen Eindrücke wachzurufen, um zum Orgasmus zu gelangen. Nie war es ihm eingefallen, sich den Koitus mit einer solchen Person zu verschaffen ( Hammond).

Eine analoge Beobachtung von Kostümfetischismus verdankt man Motet. Es handelte sich um einen jungen Mann aus guter Familie, der ausschließlich sexuell erregt wurde durch den Anblick einer Frau in Brauttoilette. Wer diese Toilette trug, war ihm gleichgültig. Er verbrachte, um seine fetischistischen Gelüste zu befriedigen, einen guten Teil seiner Zeit im Bois de Boulogne, vor der Türe von Restaurants, in welchen der Hochzeitsschmaus abgehalten zu werden pflegt ( Garnier).

Wenn wir jetzt zum eigentlichen Gegenstandsfetischismus gelangen, so sind unter all diesen seltsamen, abwegigen, oft grotesken Formen jene verhältnismäßig am begreiflichsten, in denen ein Stück der weiblichen Wäsche, also der dem Körper nächsten Bekleidung, den Fetisch bildet. Schon im Faust heißt es ja bekanntlich: »Schaff mir ein Tuch von ihrer Brust, ein Strumpfband meiner Liebeslust« Goethes reiches und urkräftiges Geschlechtsleben ist keineswegs frei von fetischistischen Zügen. So hat er (1772) von Kestner einen Kamm Lottes erbeten. »Ich schreib auch keine Zeile, bis ich den Kamm habe. Denn wir sind arme sinnliche Menschen, ich möchte gern wieder was von ihr in Händen haben, ein sinnliches Zeichen ...« Als Frau von Stein für ihn eine Weste gearbeitet hatte, bedauert er, sie nicht bitten zu dürfen, sie möge diese Weste erst einmal selbst eine Nacht lang tragen. Und noch mit 54 Jahren schreibt er, nach 15jähriger Ehe, seiner Frau: »Schicke mir mit nächster Gelegenheit Deine letzten neuen schon durchgetanzten Schuhe, von denen Du mir schriebst, daß ich nur wieder etwas von Dir habe und an mein Herz drücken kann.«. Das ist noch normal. Ins Pathologische führen aber sogleich jene Fälle, in denen das betreffende Kleidungsstück zwar allenfalls noch von einer bestimmten Person stammen muß, aber nicht mehr direkt, also benützt, in die Hände des Fetischisten zu gelangen braucht, sondern aus dem Wäscheschrank. Und noch weiter ab vom Normalen stehen natürlich jene Fälle, in denen es den Perversen genügt, den Fetisch in einem beliebigen Geschäft zu kaufen Den so häufigen, forensisch sehr wichtigen Trieb, den Fetisch zu stehlen, nicht zu vergessen..

Es ist sexualpsychologisch sicher nicht ohne Bedeutung, daß gerade in unserer Zeit die weibliche Leibwäsche einen bisher ungekannten Grad von Luxus erreicht hat, und es ist klar, daß dieser nicht nur durch die Wünsche der Frauen zustande gekommen ist, sondern – vermutlich noch weit mehr – durch die Wünsche der Männer. Man kann in Großstädten leicht beobachten, daß unter den Personen, die die Schaufenster der einschlägigen Geschäfte betrachten, das männliche Element überwiegt.

Es mögen zunächst einige Beispiele für diese Triebabweichung folgen:

Beobachtung 57. K., 45 Jahre alt, Schuhmacher, angeblich erblich nicht belastet, von eigentümlichem Wesen, geistig wenig begabt, von männlichem Habitus, ohne Degenerationszeichen, sonst tadellos in seinem Benehmen, wurde ertappt, als er abends aus einem Versteck gestohlene Frauenwäsche abholte. Es fanden sich bei ihm etwa 300 Toilettengegenstände von Frauen vor, darunter, neben Frauenhemden und Beinkleidern, auch Nachthauben, Strumpfbänder, sogar eine weibliche Puppe. Als er verhaftet wurde, hatte er gerade ein Frauenhemd auf dem Leibe. Schon seit 13 Jahren hatte er seinem Drang, Frauenwäsche zu stehlen, gefrönt, war, das erstemal bestraft, vorsichtig geworden und hatte in der Folge mit Raffinement und Glück gestohlen. Wenn dieser Drang über ihn kam, sei ihm ängstlich, der Kopf ganz schwer geworden. Er habe dann nicht widerstehen können, koste es, was es wolle. Es sei ihm ganz gleich gewesen, wem er die Sachen wegnehme.

Die gestohlenen Sachen habe er nachts im Bett angezogen, dabei sich schöne Weiber vorgestellt und wollüstige Gefühle und Samenabgang verspürt.

Dies war offenbar das Motiv seiner Diebstähle; jedenfalls hatte er sich nie eines der gestohlenen Gegenstände entäußert, vielmehr dieselben da und dort versteckt.

Er gab an, daß er in früheren Zeiten mit Weibern normal geschlechtlich verkehrt habe. Onanie, Päderastie und andere sexuelle Akte stellte er in Abrede. Mit 25 Jahren will er verlobt gewesen sein, jedoch sei diese Verlobung ohne seine Schuld zurückgegangen. Das Krankhafte seines Zustandes und das Unrechte seiner Handlungen vermochte er nicht einzusehen ( Passow-Krauß).

Beobachtung 58. J., ein junger Fleischer, wurde eines Tages festgenommen. Unter seinem Paletot trug er ein Mieder, ein Leibchen, ein Oberleibchen, eine Jacke, einen Halskragen, ein Trikot- und ein Weiberhemd; überdies hatte er feine Strümpfe und Strumpfbänder an.

Seit dem 11. Jahr plagte ihn ein Drang, ein Hemd seiner älteren Schwester anzuziehen. Sooft er dies unbemerkt tun konnte, verschaffte er sich diesen Genuß, und seit der Pubertät kam es, wenn er ein solches Hemd anlegte, zur Ejakulation. Selbständig geworden, kaufte er sich Weiberhemden und andere obengenannte Toilettengegenstände. Man fand bei ihm eine förmliche Damengarderobe. Das Anziehen solcher Kleidungsstücke war das Um und Auf seines sexuellen Fühlens und Strebens. Er hatte sich geradezu finanziell ruiniert durch seinen Fetischismus. Im Spital flehte er den Arzt an, er möge ihm gestatten, Weiberkleider zu tragen. Konträre Sexualempfindung besteht bei J. nicht ( Garnier).

Beobachtung 59. Z., 36 Jahre, Gelehrter, hat sich bisher nur für die Hülle des Weibes, niemals aber für das Weib selbst interessiert und bisher niemals mit einem solchen sexuell verkehrt. Neben der Eleganz, dem Chic einer weiblichen Toilette im allgemeinen, bilden seinen Fetisch im besonderen Unterkleider und Batisthemden mit Spitzen garniert, Atlaskorsett, feingestickte seidene Unterröcke, seidene Strümpfe. Es war ihm eine Wollust, in Konfektionsläden derlei weibliche Kleidungsstücke zu besehen oder zu betasten. Sein Ideal war irgendeine Dame im Badekostüm, mit seidenen Strümpfen, Mieder, darüber ein Morgenkleid mit Schleppe.

Er studierte die Kostüme der Straßendirnen, fand sie aber geschmacklos, geradezu widerlich. Mehr Genuß hatte er beim Mustern der Auslagefenster, aber die Auslagen wurden zu selten erneuert. Er fand teilweise Befriedigung im Halten und Studieren von Modejournalen, im Ankauf einzelner besonders schöner Fetischstücke. Sein höchstes Glück wäre ihm, wenn ihm die Toilettenkünste des Boudoirs oder des Konfektionsladens zugänglich wären, oder wenn er Kammerzofe einer eleganten Weltdame sein und ihr die Toiletten richten könnte. Z. ist eine durchaus männliche Erscheinung ( Garnier).

Hier möchten wir eine bereits früher (siehe z. B. Beobachtungen 52 und 54) erwähnte Tatsache besprechen, die für diese ganze Gruppe von Fetischisten überaus kennzeichnend ist; es ist das der Sammeltrieb.

Jeder richtige Fetischist dieser Art hat seinen eigenen Harem, und es ist oft überaus interessant zu sehen, wie Zöpfe, Taschentücher, Wäschestücke oder Handschuhe zeitweise Favoritinnenrollen spielen, dann durch andere Gegenstände gleicher Art verdrängt werden, wieder zu Gnaden kommen usw. – mit oft erstaunlicher Erlebnisstärke und Phantasiekraft.

Auch beim typischen Sammler scheint übrigens ein gewisser Grad von Fetischismus vorzuliegen, besonders dann, wenn nicht materielle oder wissenschaftliche Gründe die Sammeltätigkeit zu erklären vermögen. Sehr wahrscheinlich handelt es sich in solchen Fällen um eine latente Perversion. Als Beispiel dieser Art sei nachfolgende Beobachtung angeführt:

Beobachtung 60. Herr N. K. sammelt Wurstscheiben aus aller Herren Länder. Er hat ein ganzes Museum von Wurstscheiben, die in Formalinspiritus konserviert werden. Jedes Scheibchen steht in einer Vitrine, die eine Aufschrift trägt, welche über Ort und Erwerbung Kenntnis gibt. Es werden weite Reisen unternommen, um das Museum um interessante Stücke zu bereichern ( Stekel).

Im nachfolgenden Fall liegt der Fetischismus bereits klar zutage:

Beobachtung 61. Ein etwa 45jähriger Mann, kinderlos, impotent und deshalb von seiner Frau getrennt, hatte sich eine Sammlung von bunten Mützen, Studenten- und Seminaristenmützen, zugelegt. Er machte den Eindruck eines geistig nicht normalen Menschen, war verschlossen, in sich selbst zurückgezogen, lebte aber sonst korrekt. Unter einer schwindelhaften Vorspiegelung hatte er seine Sammlung um sechs neue Mützen bereichert. Er wurde deshalb wegen Betrugs angeklagt. Da Bedenken hinsichtlich seiner Zurechnungsfähigkeit auftauchten, wurde er gerichtsärztlich untersucht. Es ergab sich, daß ein Fall von Fetischismus vorlag. Nach der Trennung von seiner Frau hatte er angefangen, bunte Mützen zu sammeln. Wenn er bunte Mützen sah, hatte er den Trieb, sie zu besitzen. Wenn er seine Mützensammlung musterte, wurde er geschlechtlich erregt; er bekam Erektion, und es erfolgte Samenerguß ( Keferstein).

Ein Kleidungsstück, welches zwar nicht eigentlich intimen Charakter hat, aber durch Stoff und Farbe an Leibwäsche erinnern kann, auch wohl durch die Stelle, an welcher es getragen wird, sexuelle Beziehungen erhält, ist die Schürze. (Vgl. auch die Begriffsverwendung des Wortes »Schürze« neben »Unterrock« im Sprachgebrauch: »Jeder Schürze nachlaufen« usw.) Dies bietet eine Handhabe zum Verständnis der folgenden Fälle:

Beobachtung 62. C., 37 Jahre alt, aus schwer belasteter Familie, geistig schwach begabt, bemerkte mit 15 Jahren eine zum Trocknen aufgehängte Schürze. Er band sie sich um und onanierte hinter einer Hecke. Seither konnte er keine Schürze sehen, ohne den Akt damit zu wiederholen. Sah er jemand, gleichgültig ob Frau oder Mann, mit einer Schürze angetan daherkommen, so mußte er nachlaufen. Um ihn von seinen endlosen Schürzendiebstählen zu befreien, tat man ihn im 16. Jahre zur Marine. Dort gab es keine Schürzen und vorläufig Ruhe. Mit 19 Jahren heimgekehrt, mußte er wieder Schürzen stehlen, kam dadurch in fatale Verwicklungen, wurde mehrmals eingesperrt, versuchte durch mehrjährigen Aufenthalt in einem Trappistenkloster von seinem Gelüste frei zu werden. Ausgetreten ging es ihm wie früher.

Anläßlich eines neuen Diebstahls wurde er gerichtsärztlich untersucht und der Irrenanstalt übergeben. Nie stahl er etwas anderes als Schürzen. Es war ihm ein Genuß, in dem Erinnerungsbild der ersten gestohlenen Schürze zu schwelgen. Seine Träume drehten sich um Schürzen. In der Folge benützte er ihre Erinnerungsbilder, um gelegentlich Koitus zustande zu bringen oder um zu masturbieren ( Charcot-Magnan).

Beobachtung 63. X., Journalist, 36 Jahre alt, verheiratet, ohne jedoch jemals mit seiner Frau geschlechtlich verkehrt zu haben, hat eine ihm unerklärliche Neigung zu Schürzen und Waschkleidern, und zwar schon von Jugend an.

Die Schürzen müssen aus Waschstoff sein, auch müssen sie gewisse Farben und Muster zeigen. Am liebsten sind ihm Schürzen und Kleider, die getragen sind, ja schmutzig sein können; er duldet z. B. nicht, daß seine Sachen gewaschen werden. Der Gedanke, daß seine »lieben Schürzchen« nicht sorgfältig behandelt, ja durch Waschen mißhandelt werden, bereitet ihm einen fast körperlichen Schmerz. Überhaupt ist es ihm peinlich, Schürzen und Kleider, die seinem Geschmacke entsprechen, von Fremden getragen zu sehen, weil er dabei immer den Gedanken hat, man gehe nicht ordentlich und zärtlich mit den Sachen um. Deshalb, und weil eben seine Leidenschaft für solche Gegenstände durch den Anblick erregt wird, ist er häufig den Trägerinnen nachgegangen und hat die fraglichen Kleidungsstücke zu kaufen gesucht, obgleich er ganze Schränke und Körbe voll im Laufe der Zeit angesammelt hatte.

Der Besitz und der Anblick seiner Schürzen und Waschkleider sowie der Verkehr mit diesen gewährten ihm ein Gefühl des Wohlseins und der Befriedigung. Zu einer sexuellen Erregung kommt es dabei nie, ebenso benützt er sie nicht zu onanistischen Zwecken. Er findet seine Befriedigung darin, daß er sie ansieht, wenn sie von Frau und Kind getragen werden. Ferner umgibt er sich nachts mit Schürzen und Kleidern, und die ihm gerade liebste Schürze nimmt er auch ins Bett, immer ohne sie zu onanistischen Zwecken zu benützen. Am Tage hängt er sie im Zimmer auf und streichelt sie, küßt sie und redet mit ihnen »wie mit Frau und Kind«.

X. führt seit vielen Jahren Tagebücher, worin er sich über Erwerb, Aussehen und Schicksal seiner Schürzen ausläßt. Ein Beispiel aus diesen sei angeführt:

»Dunkelblaue Schürze mit blaugestreiftem Rand. Band die Schürze wieder früh, nachdem sie angezogen war, um, auf meine Bitte. Heute aber erst, nachdem sie auch Marga gewaschen und angezogen hatte, so daß mir das Furchtbare erspart blieb, zu sehen, wie sie in der süßen Schürze Marga wäscht. Frühstückte darin und trug ihr das Geschirr in die Küche. Wusch Margas Haar in ihr mit Bayrum ein. Zog in ihr Marga die Gamaschen der Gummischuhe an, berührte dabei mit ihren Armen die herabhängende Schürze, die dadurch wieder ganz zusammengebogen und geknutscht wurde usw. Schürzidel hängt zu meinem furchtbarsten Schmerz ganz zerknutscht und zusammengebogen herunter, ist voller Knutschfalten, die sich von oben bis unten hinziehen, auch der blaugestreifte Rand ist auf beiden Seiten voll direkter Knutschfalten, und der süße, blaugestreifte Stoff ist oben rechts und links ganz zusammengebogen und zerknüllt. Ich bin tief traurig, daß das süße Schürzidel durch das Umbiegen so furchtbar mitgenommen usw.« ( Walther).

Auch die Röcke der Frau können zum Fetisch werden:

Beobachtung 64. X., 30jähriger, kräftiger Landarbeiter, hatte trotz mannigfaltiger Gelegenheit nie mit einem Weibe verkehrt. Mit 17 Jahren hatte er begonnen, die Unterröcke der Mutter und Schwester zwischen die Beine zu nehmen und zu onanieren. Vorher begann er schon mit einer Zudecke zu onanieren. X. sagte: »Die Zudecke und später der Frauenrock sind für mich ein Mädchen« ( Senf).

Beobachtung 65. Y., 35 Jahre alt, Beamter, stammt als einziges Kind von einer nervösen Mutter und gesundem Vater ab. Er war von Kindesbeinen an »nervös«, erschien bei der Konsultation auffällig durch neuropathisches Auge, zarten, schmächtigen Körper, feine Züge, sehr dünne Stimme, spärlichen Bartwuchs. Bis auf Erscheinungen leichter Neurasthenie ist an Patient nichts Krankhaftes nachzuweisen. Genitalien normal, desgleichen die sexuellen Funktionen. Patient will nur 4-5mal, und zwar als kleiner Junge, masturbiert haben.

Schon mit 13 Jahren wurde Patient durch den Anblick von nassen Weiberkleidern mächtig sexuell erregt, während solche Kleider in trockenem Zustande ihn gar nicht erregten. Sein größter Genuß war es, wenn es regnete, nach durchnäßten Frauenkleidern auszuschauen. Traf er auf ein solches und hatte das betreffende Weib zudem ein sympathisches Gesicht, so hatte er intensive Wollustgefühle, mächtige Erektion und fühlte sich zum Koitus getrieben.

Gelüste, sich nasse Weiberröcke zu verschaffen oder ein Frauenzimmer mit Wasser zu bespritzen, will er nie gehabt haben.

Es ist möglich, daß der Geschlechtstrieb in diesem Falle beim Anblick eines Weibes zum erstenmal aufgetaucht ist, welches bei Regenwetter die nassen Röcke aufhob und Reize sehen ließ. Der seines Objektes noch nicht bewußte dunkle Trieb wurde dann auf die nassen Röcke übertragen ( Krafft-Ebing).

Häufig und auch forensisch wichtig sind die Liebhaber weiblicher Taschentücher. – Zur Häufigkeit des Taschentuchfetischismus mag beitragen, daß das Taschentuch dasjenige Wäschestück ist, welches am häufigsten auch im nicht intimen Verkehr gesehen und angeeignet werden kann.

Beobachtung 66. X., ein bisher unbescholtener, 32 Jahre alter lediger Bäckergehilfe, wurde ertappt, als er einer Dame ein Taschentuch stahl. Er gestand mit aufrichtiger Reue, daß er bereits 80 bis 90 derartige Sacktücher entwendet habe. Er hatte es nur auf solche abgesehen, und zwar ausschließlich bei jüngeren und ihm zusagenden Frauenzimmern.

Mit tiefer Reue und in schwachsinniger Weise gestand nun X., daß er vor einem halben Jahre im Menschengedränge beim Anblick eines jungen, hübschen Mädchens sich heftig geschlechtlich erregt fühlte, sich an dasselbe drängen mußte und den Drang empfand, durch Wegnahme des Taschentuches sich für eine ausgiebigere Befriedigung seiner geschlechtlichen Erregung zu entschädigen.

In der Folge wurde er, sobald er ein ihm zusagendes Frauenzimmer gewahrte, unter heftiger geschlechtlicher Erregung, Herzklopfen, Erektion und Impetus coeundi vom Drang erfaßt, sich an die betreffende Person zu drängen und ihr das Taschentuch zu entwenden. Obwohl ihn keinen Moment das Bewußtsein der Strafbarkeit seiner Handlung verließ, konnte er seinem Drange nicht Widerstand leisten. Dabei fühlte er Angst, die teils durch den zwangsmäßigen geschlechtlichen Trieb, teils durch die Furcht vor Entdeckung bedingt war. – Bei einer Hausdurchsuchung fand man 446 Stück Damentaschentücher vor. Überdies will er zwei Bündel solcher Beweisstücke verbrannt haben. Ferner ergab sich im Laufe der Untersuchung, daß X. schon zweimal wegen Diebstahls von Sacktüchern bestraft war.

X. hatte geheiratet und ein selbständiges Geschäft angefangen. Doch begehrte seine Frau, die sich mit ihm nicht vertragen konnte, und der er angeblich seine eheliche Pflicht nicht leistete (von X. bestritten), die Ehescheidung.

Seinen unglücklichen Drang nach Taschentüchern von Damen beklagt er tief, aber wenn er in die bezügliche Situation komme, vermöge er sich leider nicht zu beherrschen. Er verspüre dabei ein Wonnegefühl, und es sei ihm, wie wenn jemand ihn dazu dränge. Zuweilen vermöge er sich zurückzuhalten, aber wenn die Dame ihm sympathisch sei, erliege er im ersten Antrieb. Er sei dabei ganz naß von Schweiß, teils aus Angst vor Entdeckung, teils infolge des Triebes zur Ausführung der Tat. Schon seit den Pubertätsjähren will er sinnliche Erregungen beim Anblick von weiblichen Taschentüchern empfunden haben. Der näheren Umstände, unter welchen diese fetischistische Assoziation sich knüpfte, vermag er sich nicht zu erinnern. Die sinnliche Erregung beim Anblick von Damen mit aus der Tasche hervorstehendem Taschentuch habe sich immer mehr gesteigert. Wiederholt sei es dabei zu Erektionen gekommen, nie aber zu Ejakulation.

Vom 21. Jahr ab will er einige Male Anwandlungen zu normaler Geschlechtsbefriedigung gehabt und ohne Taschentuchvorstellungen anstandslos koitiert haben. Mit überhandnehmendem Fetischismus sei die Aneignung von Taschentüchern für ihn eine viel größere Befriedigung geworden als der Koitus. Die Aneignung eines Taschentuches einer sympathischen Dame sei ihm so viel wert gewesen, als ob er mit der betreffenden Dame sexuell verkehrt hätte. Er fühlte dabei wahren Orgasmus.

Konnte er nicht in den Besitz eines begehrten Taschentuches gelangen, so fühlte er quälende Aufregung, Zittern, Schweiß am ganzen Körper.

Taschentücher von ihm besonders sympathischen Frauen bewahrte er gesondert auf, weidete sich an ihrem Anblick und fühlte dabei großes Wohlbehagen. Auch der Geruch derselben machte ihm eine wonnige Empfindung, jedoch behauptete er, es sei wesentlich der eigentümliche Wäschegeruch, nicht der etwaigen Parfüms gewesen, der ihn sinnlich erregte. Masturbiert will er nur höchst selten haben ( Zippe-Frisch).

Beobachtung 67. X. fing mit 12 Jahren an zu masturbieren und konnte von da ab kein Weibertaschentuch sehen, ohne in Orgasmus und Erektion zu geraten. Es zwang ihn förmlich, in deren Besitz zu gelangen. Er war damals Kirchenchorknabe und benutzte die gestohlenen Tücher, um im nahen Glockenturm damit zu masturbieren. Nur schwarz- und weißkarierte, violette oder gestreifte Taschentücher übten auf ihn solche faszinierende Wirkung. Vom 15. Jahr ab Koitus. Später Ehe. Er war meist nur dann potent, wenn er seine Genitalien mit einem solchen Tuch umwickelte. Oft zog er coitum inter femora feminae, wo er ein Taschentuch placiert hatte, dem normalen Akt vor. Nirgends war ein solches vor ihm sicher. Er trug immer deren mehrere in der Tasche und eines um die Genitalien gewickelt ( Rayneau).

Zeigt dieses Beispiel deutlich, in welche Einzelheiten sich der fetischistische Trieb erstreckt, so beweist die nächste Beobachtung, die Krafft-Ebing nach einem Falle Molls mitgeteilt hat, daß die gleiche Triebabweichung auch bei Homosexuellen vorkommt:

Beobachtung 68. K., 38 Jahre alt, Handwerker, ein kräftig gebauter Mann, klagt über zahlreiche Beschwerden, Schwäche in den Beinen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Mangel an Arbeitslust usw. Die Klagen machen den ausgesprochenen Eindruck von Neurasthenie, mit Neigung zu Hypochondrie. Erst mehrere Monate, nachdem Patient in Behandlung gewesen, gibt er an, daß er auch sexuell abnorm sei.

K. hat niemals irgendwelchen Trieb zum Weibe gehabt; schöne Männer hingegen übten von jeher einen ganz besonderen Reiz auf ihn aus. Patient hat von Jugend auf viel onaniert. Gegenseitige Onanie oder Päderastie hat K. niemals getrieben. Er glaubt auch nicht, daß er hierin eine Befriedigung gefunden hätte, da trotz seiner Vorliebe für Männer ein weißes Wäschestück von ihnen den Hauptreiz auf K. ausübte, wobei aber die Schönheit des Besitzers eine Rolle spielte; besonders sind es Taschentücher von schönen Männern, durch die K. sexuell erregt wird. Seine höchste Wollust besteht darin, daß er in die Taschentücher von Männern masturbiert. Er nahm aus diesem Grunde öfters seinen Freunden Taschentücher weg. Um sich vor Entdeckung zu schützen, ließ Patient stets eines seiner eigenen Taschentücher bei seinen Freunden zurück, als Ersatz des jeweilig gestohlenen. K. wollte auf diese Weise dem Verdacht des Diebstahls entgehen und den Schein einer Verwechslung erregen. Auch andere Wäsche von Männern erregte den K. sexuell, aber nicht in dem Grade wie Taschentücher ( Moll).

Auch andere Wäschestücke können zum Fetisch werden, wobei sich die Distanz vom normalen Sexualobjekt, von der Frau, wiederum vergrößert:

Beobachtung 69 (stark gekürzt). X., Tischler, bei der Entwendung von Kinderbettzeug entdeckt, wurde deshalb verhaftet, wobei es sich herausstellte, daß er bereits mehrfach wegen des gleichen Deliktes vorbestraft war. Mit dem 12. Jahre sei ihm ein sexuell sehr aufregendes Buch in die Hände gefallen, und gerade damals sei seine hochschwangere Schwester nach Hause gekommen und habe die Bettchen und das sonstige Kinderzeug für das zu erwartende Kind zurecht gemacht. Das Zusammentreffen jener Lektüre mit dem Anblick der schwangeren Schwester und der Kinderwäsche hätten einen außerordentlich starken Eindruck auf ihn gemacht und lebhafte Erektion hervorgerufen. Seitdem onanierte er fast täglich und benützte dazu möglichst immer die Steckbettchen der Schwester.

Von da an sei er bei der Befriedigung seines sexuellen Triebes immer an den Gebrauch von Steckbettchen, bzw. von Kinderwäsche gebunden geblieben. Nur Steckbettchen aus rotem oder allenfalls rot-weiß gestreiftem Inlet mit geblümtem Überzug und Spitzenbesatz reizten ihn geschlechtlich, so daß er bei ihrem Anblick schon Erektionen bekam und keinen andern weiteren Gedanken mehr hatte, als sich an ihnen zu befriedigen. Um sich solche Gegenstände zu verschaffen, habe X. oft auf kompliziertem Wege, durch Einsteigen in fremde Wohnungen und dergleichen die verschiedenen Diebstähle ausgeführt.

Ein richtiges Verhältnis habe X. nie gehabt. Koitus sei – in Bordellen – manchmal gelungen, doch habe er es immer nur mühsam zur Erektion und Ejakulation gebracht, und zwar so, daß er sich Steckbettchen vorstellte und die Spitze am Kopfkissen ins Auge faßte. Wirkliche Befriedigung habe er dabei aber niemals gefunden. Meist habe er den sexuellen Trieb nach dem Koitus noch durch Masturbation befriedigt ( Halm).

Noch seltsamer ist folgender Fall:

Beobachtung 70. X., 37 Jahre alt, Handelsangestellter, aus sehr belasteter Familie, bekam mit 5 Jahren die erste Erektion, als er seinen Schlafkameraden, einen älteren Verwandten, eine Nachtmütze aufsetzen sah. Die gleiche Wirkung trat ein, als er später einmal die alte Hausmagd eine Nachthaube aufsetzen sah. Später genügte zur Erektion die bloße Vorstellung eines alten, häßlichen, mit einer Nachthaube bedeckten Frauenkopfes. Der bloße Anblick einer Haube, der einer nackten Frauengestalt oder eines nackten Mannes ließ ihn kalt, aber die Berührung einer Nachtmütze rief Erektion, zuweilen selbst Ejakulation hervor. X. war nicht Masturbant, hatte auch bis zum 32. Jahre, wo er ein schönes und geliebtes Mädchen heiratete, sexuell nie verkehrt.

In der Hochzeitsnacht blieb er unerregbar, bis er in seiner Not das Erinnerungsbild des alten häßlichen Weiberkopfes mit der Nachtmütze zu Hilfe nahm. Sofort gelang der Koitus, und auch später mußte er stets zu diesem Mittel greifen ( Charcot-Magnan).

Nicht mehr Kleidungsstück, sondern bloß Attribut einer Person ist der Fetisch in folgenden seltsamen Fällen.

Beobachtung 71. X., 30 Jahre alt, Jurist, ist homosexuell. Seine Genitalien und sein Äußeres sind dabei durchaus männlich. Er liebt zwar keinen männlichen Sport, fühlt aber nicht gerade weiblich, auch nicht Männern gegenüber. Sein Verkehr mit ihnen bestand bisher nur in Umarmungen und Küssen, wobei er in der Regel zu Orgasmus und Ejakulation gelangte. Coitus cum femina wurde nie versucht, es bestand geradezu Horror feminae.

X. hatte einen sonderbaren Fetischismus: ein Trauerflor, am Hut und Arm getragen, besonders an einem jungen Mann oder an einem Offizier, macht auf ihn einen geradezu faszinierenden Eindruck und läßt ihn wollüstig erbeben. Sexuell erregen ihn, jedoch in minderem Grade, auch Warzen, Sommersprossen, Geschwüre, Ausschläge an andern Männern.

Merkwürdigerweise ist X. von seiner Vita sexualis nicht unbefriedigt und suchte auch nicht ihretwegen den Arzt auf, sondern wegen neurasthenischer Beschwerden, die auf Masturbation beruhen dürften ( Krafft-Ebing).

Beobachtung 72. X., 19 Jahre alt, Student, neurasthenisch, versichert, nie masturbiert zu haben und bis zur Ehe keusch bleiben zu wollen. Im 11. Jahre erwachte bei ihm ein ihm noch heute unerklärliches Interesse für Ringe, und zwar ausschließlich für breite, massive Goldringe. Er empfand einen wahren und geradezu lästigen Zwang, solcher Ringe ansichtig zu werden; dieses Verlangen war zunächst sexuell ganz unbetont, und es war ihm auch gleich, ob er solche Ringe an einer Frauen- oder an einer Männerhand erblickte. Mit 12 Jahren fühlte er sich beim Anblick eines Ringes an der Hand eines Offiziers so erregt, daß er sich kaum enthalten konnte, einen Kuß darauf zu drücken. Vom 15. Jahre an Verbindung von sexueller Erregung mit dem Anblick solcher Ringe; von nun an interessieren ihn nur noch breite Goldringe an Frauenhand. Gelegentlich zieht er seiner Schwester einen derartigen Ring vom Finger, steckt ihn an und schwelgt in wonnigen Gefühlen. Als Ersatz macht er sich solche Ringe aus Blech, was ihm aber nur schwache Befriedigung gewährt. Mit 16 Jahren verliebt sich X. in ein Mädchen. In seiner Phantasie stellt er sich die Geliebte mit Ringen vor; der beiderseitige Besitz von Ringen sei eine Vorbedingung für die Liebe und für den Geschlechtsverkehr. Mit 17 Jahren kann er dem Verlangen nicht widerstehen, einen Goldring aus der Auslage eines Juweliers zu kaufen. Nachdem er ihn angesteckt hat, wird er halb bewußtlos vor nervöser Erregung und Wollust. Er bekommt Erektion, Ejakulation, gleich darauf Reue und verkauft den für ihn viel zu kostspieligen Ring an den Juwelier zurück. Sein Fetisch beherrscht ihn ganz, so daß er sich versucht fühlt, durch Bitten, Demütigungen, ja selbst durch Diebstahl und Mord solche Ringe zu erlangen. Durch das Ankämpfen gegen solche Gedanken und durch häufige Pollutionen wird X. neurasthenisch.

Ersatz sind ihm Blechringe, die aber nur hochgradige sexuelle Erregung, nicht Ejakulation bewirken, ferner Zeichnungen von Ringen. Er wird so erregbar, daß schon das Sehen solcher auf Gemälden, das Lesen, Hören des Wortes »Ring« ihn mächtig erregen. Es stellen sich förmliche Anfälle ein, in denen ihn der Fetisch ganz beherrscht und er an nichts anderes denken kann. Da seine Mittel ihm nicht erlauben, einen Goldring zu kaufen, so entlehnt er gelegentlich einen solchen oder verschafft sich diesen Genuß, indem er sich Ringe in einem Juwelierladen vorlegen läßt.

Beim Anstecken eines geeigneten Ringes durchzuckt es ihn »elektrisch«, und er ejakuliert dabei. Damit hat er vorläufig Ruhe vor seinem Fetisch. Zeitweilig hat er wollüstige Träume des Inhalts, daß ihm jemand einen großen goldenen Ring auf den Penis stecke, und daß ein anderer diesen Ring durchsäge. In diesem Augenblick kommt es zur Pollution. Silberne Ringe sind ihm ein Gegenstand des Abscheus, ebenso wenn jemand den Ring anders als am Zeigefinger trägt. Dieser Anblick verursacht ihm Brechreiz. Seine fetischistischen Anwandlungen kommen anfallweise, ziemlich periodisch; dazwischen wochenlange Ruhe. Zeitweise hat X. Gelüste, seine Genitalien mit Ringen zu berühren, doch hat er das nie ausgeführt ( Krafft-Ebing).

Hierher gehört auch ein Fall, den Krafft-Ebing nach Moll mitteilt:

Beobachtung 73. X., 30 Jahre, angeblich unbelastet, eine feinfühlige, empfindsame Persönlichkeit, von jeher Blumenfreund bis zum Küssen von Blumen, aber ohne jegliche sexuelle Beziehung oder Erregung dabei, eher natura frigida, früher nie der Onanie ergeben, auch in der Folge nur ganz episodisch, lernte mit 21 Jahren eine junge Dame kennen, die an ihrer Jacke einige große Rosen befestigt hatte. Seither spielte die Rose in seinen sexuellen Gefühlen eine große Rolle. Wo er konnte, kaufte er Rosen, küßte sie, wobei es sogar zu Erektionen kam, nahm sie auch wohl ins Bett, ohne sie jedoch mit seinen Genitalien in Kontakt zu bringen. Seine Pollutionen waren von nun an von Rosenträumen begleitet. Indem er vom Duft einer Rose träumte und eine solche ihm in märchenhafter Pracht erschien, trat dann die Ejakulation ein.

X. verlobte sich insgeheim mit der Rosendame, aber die immer nur platonisch gebliebenen Beziehungen erkalteten. Nach Auflösung der Verlobung war der Rosenfetischismus plötzlich und dauernd geschwunden, selbst als der eine Zeitlang an Melancholie erkrankt Gewesene sich neuerdings verlobte ( Moll).

Hier ist auch eine gleichfalls seltene Triebabweichung zu erwähnen, die man als Pygmalionismus oder als Venus statuaria bezeichnet, und die im Sexualverkehr mit Statuen und andern Nachbildungen der menschlichen Personen besteht. Bekannt ist in dieser Beziehung aus der Antike der Fall des Klisyphos zu Samos, der die Statue einer Göttin schändete, nachdem er zuvor an entsprechender Stelle ein Stück Fleisch angebracht hatte, und aus neuerer Zeit (1877) jener Gärtner, der Koitusversuche an der Statue der Venus von Milo machte. In Bordellen wird, so wie wir das bei der Nekrophilie zu erwähnen haben werden, auch dieser seltsamen Perversion Rechnung getragen, indem Prostituierte Statuen nachahmen, um sich dann freilich, wenn die »Andacht« vorüber ist, zu beleben. Zum Pygmalionismus dürften auch jene Fälle gehören, bei denen vor Schaufenstern exhibitionistische, bzw. onanistische Akte bei dem Anblick von Frisurköpfen, Kleiderpuppen usw. vollzogen werden. Theoretisch ist der Pygmalionismus durch seine innige Verflechtung von Sexualtrieben mit ästhetischen und manchmal sogar auch religiösen Strebungen zwar sehr interessant, seine praktische Bedeutung ist aber gering.

Anhangsweise möchten wir noch die Sexualakte besprechen, die mit Nachbildungen des menschlichen Körpers und besonders der menschlichen Genitalien ausgeführt werden. Es gibt geradezu eine pornographische Technik, von erstaunlich vollkommenen Nachbildungen dieser Art bis hinunter zu verschiedenen Notbehelfen, wie sie in Gefangenenlagern, Zuchthäusern usw. angefertigt werden. Als eigentliche Perversion wird man aber solche Scheußlichkeiten selten zu betrachten haben; in der Regel handelt es sich um Folgezustände sexueller Not. Es ist übrigens bemerkenswert, daß auch Naturvölker solche Praktiken kennen; die Korjäken Sibiriens gebrauchen neben ihren Weibern noch sogenannte Kéelgi, das sind männliche Geliebte aus Stein mit Fell überzogen.

Wir verlassen jetzt – aus Gründen, die später zu erörtern sein werden – diese Arten des Gegenstandsfetischismus und wenden uns einer andern Gruppe zu, für die es vor allem bezeichnend ist, daß Tastreize für die Wahl des Fetischs bestimmend sind. Krafft-Ebing, der diese Formen des Fetischismus zu einer eigenen Gruppe zusammengefaßt hat, weist schon darauf hin, daß nicht mehr die Tatsache, daß eine Person oder eine bestimmte Person mit dem betreffenden Stoff bekleidet ist, wichtig ist, sondern daß der Stoff an sich sexuelle Empfindungen wecken oder steigern kann. Solche Stoffe sind vor allem Pelz, Samt und Seide. In das Verständnis der Bedeutung von Tastreizen für die Fetischwahl führt indessen folgender interessanter Fall wohl am besten ein:

Beobachtung 74. X., ein junger Mediziner, hatte auf seinem Krankensaal eine Greisin mit chronischem Rheumatismus, mit beträchtlichen Deformationen an Händen und Füßen, also eine Frau, die wohl bei niemandem ästhetische Gefühle auslösen konnte. Diese Frau hatte eine Atrophie der Haut, die besonders die Bedeckung der Hände außerordentlich weich machte und ihr eine samtartige. Beschaffenheit gab, die bei Kranken dieser Art nicht so selten ist. Die einfache Berührung dieser Hände rief bei dem jungen Mann Erektionen hervor; er hatte verschiedene Male zu seiner eigenen Verwunderung diese Erfahrung gemacht. Als X. beim Zahnausziehen die Hände dieser Patientin zu halten hatte, trat unter dem Einfluß der intimen Berührung eine Ejakulation mit voller Erregung ein ( Féré).

Und nun Fälle von Stoff-Fetischismus; zuerst einmal ist Pelz der Fetisch.

Beobachtung 75. X., 37 Jahre alt, aus neuropathischer Familie stammend, selbst von neuropathischer Konstitution, gibt an:

Von frühester Jugend ist mir eine tiefgewurzelte Schwärmerei für Pelzwerk und Samt eigen in dem Sinne, daß diese Stoffe bei mir geschlechtliche Erregung bewirken, ihr Anblick und ihre Berührung mir ein wollüstiges Vergnügen bereiten. An irgendein Ereignis, welches diese seltsame Neigung veranlaßt hätte (etwa gleichzeitiges Eintreten der ersten sexuellen Regung mit dem Eindruck dieser Stoffe, bzw. erste Erregung durch ein so gekleidetes Weib), überhaupt an den ersten Anfang dieser Schwärmerei vermag ich mich nicht zu erinnern.

Ich weiß nur, daß ich schon als kleines Kind lebhaft darnach trachtete, Pelzwerk zu sehen und zu streicheln, und dabei eine dunkle wollüstige Empfindung hatte. Mit dem ersten Auftreten bestimmter sexueller Vorstellungen, d.h. der Richtung geschlechtlicher Gedanken auf das Weib, war auch schon die besondere Vorliebe für das Weib, das gerade mit diesen Stoffen bekleidet ist, vorhanden.

So ist es seither bis in mein reifes Mannesalter geblieben. Ein Weib, welches Pelz oder Samt oder gar beides trägt, erregt mich viel rascher und viel mächtiger als eines ohne dieses Beiwerk. Die genannten Stoffe sind zwar nicht unbedingt die Voraussetzung der Erregung, die Begierde tritt auch ohne sie auf die gewöhnlichen Reize ein; aber der Anblick und namentlich die Berührung dieser Fetischstoffe bilden für mich ein mächtiges Unterstützungsmittel anderer normaler Reize und eine Erhöhung des erotischen Genusses. Oft bringt mich der bloße Anblick eines nur leidlich hübschen Frauenzimmers, welches aber in diese Stoffe gekleidet ist, in lebhafte Erregung und reißt mich völlig hin. Schon der Anblick meiner Fetischstoffe gewährt mir Genuß, viel größeren die Berührung. Der penetrante Geruch des Pelzwerks ist mir dabei gleichgültig, eher unangenehm, nur wegen der Assoziation mit angenehmen Gesichts- und Tastempfindungen leidlich. Ich sehne mich mächtig darnach, diese Stoffe am Körper eines Weibes zu betasten, zu streicheln, zu küssen, mein Gesicht darein zu vergraben. Der höchste Genuß ist mir, inter actum meinen Fetisch auf der Schulter eines Weibes zu sehen und zu fühlen.

Sowohl Pelzwerk allein als Samt allein übt die geschilderte Wirkung auf mich aus, ersteres viel stärker als letzterer. Am stärksten wirkt die Kombination beider Stoffe. Auch weibliche Kleidungsstücke aus Samt und Pelzwerk, allein, ohne die Trägerin, gesehen und befühlt, wirken sexuell erregend auf mich ein, ja ebenso – wenn auch in geringerem Grade – Pelzwerk zu Decken verarbeitet, die nicht zur weiblichen Kleidung gehören, auch Samt und Plüsch an Möbeln und Draperien. Die bloßen Abbildungen von Pelz und Samttoiletten sind für mich Gegenstand erotischen Interesses, ja das bloße Wort »Pelz« hat für mich magische Eigenschaft und ruft sofort erotische Vorstellungen hervor.

Pelzwerk übt aber auf mich die geschilderte Wirkung nur dann aus, wenn es recht dichte, feine, glatte, ziemlich lange, in die Höhe stehende sogenannte Grannenhaare hat. Von diesen hängt, wie ich deutlich bemerkt habe, die Wirkung ab. Ganz gleichgültig sind für mich nicht nur die allgemein für ordinär geltenden grobhaarigen zottigen Pelzsorten, sondern ebenso unter den für schön und edel geltenden diejenigen, bei welchen das Grannenhaar ganz entfernt wird (Seehund, Biber) oder von Natur kurz ist (Hermelin) oder überlang und liegend (Affe, Bär). Die spezifische Wirkung haben nur die stehenden Grannenhaare bei Zobel, Marder, Skunks u.dgl. Nun besteht aber auch Samt aus dichten, feinen, in die Höhe stehenden Haaren (Fasern), worauf die gleiche Wirkung beruhen dürfte. Die Wirkung scheint eben von einem ganz bestimmten Eindruck dichter feiner Haarspitzen auf die Endorgane der sensiblen Nerven abzuhängen.

Dieselbe erotische Fetischwirkung wie Pelzwerk und Samt haben für mich Federn auf Frauenhüten, an Fächern usw. (ähnliche Berührungsempfindung des leicht Spielenden, eigentümlich Kitzelnden). Endlich kommt die Fetischwirkung in sehr abgeschwächtem Grade auch noch andern glatten Stoffen, Atlas, Seide, zu, während rauhe Stoffe, rauhes Tuch, Flanell geradezu abstoßend wirken ( Krafft-Ebing).

Beobachtung 76. X. fühlte schon als Knabe von 12 Jahren mächtige geschlechtliche Erregung, als er zufällig sich mit einem Fuchspelz zudeckte. Von nun an Masturbation unter Benützung von Pelzwerk oder Mitnahme eines zottigen Hündchens ins Bett, wobei Ejakulation erfolgte, zuweilen gefolgt von einem hysterischen Anfall. Seine nächtlichen Pollutionen waren dadurch bedingt, daß er träumte, er liege nackt auf weichem Pelz und sei von diesem ganz eingehüllt. Durch die Reize von Frauen oder Männern war er ganz unerregbar.

Er wurde neurasthenisch, litt an Beobachtungswahn, meinte, jedermann bemerke seine sexuelle Anomalie, fühlte deshalb Lebensüberdruß und wurde schließlich irrsinnig.

Er war schwer belastet, hatte unregelmäßig gebildete Genitalien und sonstige anatomische Degenerationszeichen ( Tarnowsky).

Beobachtung 77. X., 31 Jahre. Er hatte seit dem 10. Jahr eine Vorliebe für wollige und flaumige Stoffe gehabt und allmählich schon bei deren Anblick, besonders aber wenn er sie betastete, Orgasmus, selbst Ejakulation bekommen. Ganz besonders hatte bei ihm diese Wirkung Pelzwerk, einigermaßen auch Atlas. So erklärte es sich, daß auch abgeschnittene Atlasbänder sich in seiner Sammlung vorfanden.

Daheim verschaffte er sich wollüstige Erregung, indem er die erbeuteten Stoffabschnitte sich auf die Haut legte. Gelangte er nicht spontan zur Ejakulation, so half er mit Masturbation nach. Das Weib als solches und der sexuelle Umgang mit einem solchen hatte für ihn nicht den geringsten Reiz ( Garnier-Vallon).

Nun Fälle von Samtfetischismus:

Beobachtung 78. X. ist ein besonderer Liebhaber des Samts. X. wird durch schöne Weiber in normaler Weise angezogen, ganz besonders aber erregt es ihn, wenn er die Person, mit der er sexuell verkehrt, in Samtkleidung antrifft. Hier ist nun besonders auffallend, daß nicht sowohl das Sehen, als das Berühren des Samts die Erregung verursacht. X. sagte mir, daß das Streichen über die Samtjacke einer weiblichen Person ihn so sehr sexuell errege, wie es auf andere Weise kaum erfolgen könne ( Moll).

Beobachtung 79. X., 25jährige Frau, seit fünf Jahren verheiratet und Mutter von drei Kindern.

Das Erwachen des Geschlechtstriebes datiert die Patientin vom 18. Lebensjahre an, wo bei ihr die ersten Menses auftraten, also zu einem auffallend späten Termin. Bald darauf ergab sie sich der Masturbation, wobei sie sich zuerst des Fingers bediente. Irgendwelche körperliche Schädigungen verspürte die Patientin dabei nicht. Eines Tages entdeckte sie ihre eigentümliche Vorliebe für Samtstoffe. Sie empfand, wie sie sich ausdrückte, eine große Freude und geriet in Versuchung beim Hantieren mit Samt. Sie bedauerte teils, teils war sie glücklich, nicht im Samtlager des Warenhauses, bei dem sie tätig war, beschäftigt zu sein. Sie meinte, sie hätte, wenn sie daselbst tätig gewesen wäre. Samt stehlen müssen, wobei ihre Perversion ans Tageslicht gekommen wäre.

Damen ihrer Kundschaft, die in Samt gekleidet kamen, fuhr sie über die Kleider und verspürte dabei wollüstige Gefühle. Eines Tages ging ihr der Gedanke durch den Kopf, wie schön es wäre, mit Hilfe von Samt zu masturbieren. Sie schützte daher wenige Tage vor dem Einsetzen der Periode ein Unwohlsein vor, legte sich ins Bett und masturbierte unter Zuhilfenahme von Samt.

All diese Vorgänge spielten sich in ihrem 18. Lebensjahre ab, und seitdem hat der Trieb nur noch zugenommen. Besonders vor der Periode wird sie davon beherrscht, ohne daß ihre Angehörigen ihr jemals dabei auf die Spur gekommen wären. Sie empfindet dabei ein intensives Juckgefühl an den Genitalien und ein ausgesprochenes Hitzegefühl, die sie immer und immer wieder zur Masturbation veranlassen. Für den normalen Koitus empfindet sie nichts, dagegen malt sie sich die Ehe als ein Mittel zur Erlangung ihrer sexuellen Wünsche in bezug auf den Kauf von Samtkleidern aus.

Die Heirat ging sie auf Wunsch ihrer Eltern ein. Der normale Koitus gewährte ihr keine Befriedigung, sie gab vielmehr auf Drängen ihres Mannes nach. Bei der Beschaffung der Möbeleinrichtung wußte sie es so einzurichten, daß das Schlafzimmer in Samt gehalten wurde. Auch der Bettüberzug wurde auf ihren Wunsch aus Samt hergestellt. Man machte sich über diesen bizarren Geschmack keine weiteren Gedanken, sondern willfahrte den Wünschen der jungen Frau. Für diese bedeutete es das höchste Vergnügen, sich in diesem Samtmilieu allein zu bergen und der Masturbation zu frönen. Die Samtüberzüge nahm sie dabei nicht zu Hilfe, aus Furcht, dieselben bei ihren masturbatorischen Akten zu beschmutzen. Auch legte sie jetzt ständig Samtkleidung an. Eines Tages hatte sie einen wollüstigen Traum, in dem sie sich ganz nackt in Samt gehüllt wähnte. In ihren Gedanken ist ein derartiger Traum nicht wiedergekehrt. Im Anschluß daran trat sie mit dem Geständnis hervor, ihr Mann würde sie weit eher sexuell anziehen, wenn er Samtkleidung anlegen würde, und wäre es z. B. auch nur die Tracht der Zimmerleute. Sie gibt an, daß die Vorstellung ihres Mannes in Samtkleidung ihre sexuelle Erregung beim normalen Koitus steigern würde. Sie ist der Überzeugung, dabei mehr Wollust zu verspüren als bei der Masturbation mit Samt. Die ausdrückliche Frage, ob sie sich zu Frauen sexuell hingezogen fühle, verneinte sie; ebenso die Frage, ob die Samtmasturbation sie an einen Mann erinnere. Sie gab dazu allerdings ergänzend an, sie würde einen besonderen Genuß dabei empfinden, wenn der Samt die Geschlechtsteile ihres Mannes berührt hätte. Die Patientin zeigte die geschilderte Vorliebe nur für Samt, dagegen nicht für Seide, Pelz oder andere Stoffe. Eine gewisse Bedeutung hat die Wahl der Farbe. Am meisten schätzt die Patientin schwarzen Samt ( Langlois).

Es folgen zwei Fälle von Seidenfetischismus:

Beobachtung 80. Patientin führt ihre Vorliebe für Samt und Leinwand bis ins 6. Lebensjahr zurück; später ging sie zur Seide über, wobei sie Seidenabfälle ihrer schneidernden Schwester benützte. Sie fühlte sich dabei vollkommen elend. Dies hörte erst auf, als sie normalen Geschlechtsverkehr unterhielt. Seide kann sie heute nicht mehr tragen, trotzdem es keinen größeren sexuellen Genuß gibt als die körperliche Berührung mit Seidenstoffen. Samt übt keine so große Wirkung auf sie aus. Aus Liebe zur Seide hat sie sich zu wiederholten Malen des Seidendiebstahles schuldig gemacht. Das letzte Mal entwendete sie ein im Schaufenster eines Korsettgeschäftes ausgestelltes seidenes Korsett. Gegen die Versuchung, Seide zu stehlen, vermag sie nicht anzukämpfen. Von besonderem Reiz für sie sind seidene Bänder, Stücke, Röcke und Korsette. Wenn sie das Rauschen der Seide verspürt, fühlt sie ein eigenartiges Kribbeln in den Nagelspitzen. Sie kann dann nicht widerstehen. Kämpft sie doch dagegen an, so muß sie weinen und fühlt sich erschöpft. Nimmt sie die Seide an sich, so reibt sie sie hin und her, wobei sie ein eigenartiges wohltuendes Gefühl in der Magengegend hat. Sie empfindet dann eine Art Wollust, die ihr den Atem anhält. Sie begibt sich darauf an einen einsamen Ort, um mit der Seide allerhand Manipulationen vorzunehmen. Wenn der Sinnenrausch verschwunden ist, fühlt sich die Patientin niedergeschlagen, alle Glieder sind matt ( de Clérambault).

Beobachtung 81. X. wurde auf einer Straße von Paris verhaftet, indem er sich an Damen in seidenen Kleidern in einer Weise zu schaffen machte, daß man ihn für einen Taschendieb halten mußte. Er war anfangs ganz vernichtet und kam erst allmählich und unter Umschweifen zum Geständnis seiner »Manie«. Er ist Verkäufer in einer Buchhandlung, 29 Jahre alt, stammt von einem Vater, der Trinker ist, und einer religiös überspannten, charakterologisch abnormen Mutter. Diese wollte aus ihm einen Geistlichen machen. Seit seiner frühesten Jugend hat er einen nach seiner Meinung angeborenen instinktiven Drang, Seide zu befühlen. Als er mit 12 Jahren als Chorknabe eine Seidenschärpe tragen durfte, konnte er sie nicht genug betasten. Das Gefühl, das er dabei empfand, vermöge er nicht zu beschreiben. Etwas später lernte er ein zehnjähriges Mädchen kennen, dem er kindlich zugetan war. Wenn aber dieses Kind am Sonntag im seidenen Festgewand daherkam, hatte er ein ganz anderes Gefühl. Er mußte es brünstig umarmen und dabei dessen Kleid berühren. Später war es seine Wonne, im Laden einer Putzmacherin die herrlichen Seidenkleider zu beschauen und zu befühlen. Bekam er Abfälle von Seidenstoff geschenkt, so beeilte er sich, sie auf den bloßen Leib zu legen, worauf dann sofort Erektion, Orgasmus und oft sogar Ejakulation eintrat. Beunruhigt durch diese Gelüste, an seinem Beruf als künftiger Geistlicher zweifelnd, erzwang er seinen Austritt aus dem Seminar. Er war damals schwer neurasthenisch infolge von Masturbation. Sein Seidenfetischismus beherrschte ihn nach wie vor. Nur wenn ein Weib ein seidenes Kleid trug, gewann es Reiz für ihn.

Schon in den Träumen seiner Kindheit haben angeblich Damen mit Seidenkleidern eine dominierende Rolle gespielt, und später waren diese Träume von Pollutionen begleitet. Bei seiner Schüchternheit gelangte er erst spät zur Kohabitation. Dieselbe war nur möglich mit einem Weib in seidenem Kleid. Er zog es vor, im Volksgedränge Damen im Seidenkleid zu berühren, wobei er, unter mächtigem Orgasmus und großem Wollustgefühl, zur Ejakulation gelangte. Sein größtes Glück war es, abends einen seidenen Unterrock beim Zubettgehen anzulegen. Das befriedigte ihn mehr als das schönste Weib ( Garnier).

Manchmal ist entweder der Wunsch nach einem solchen Fetisch so stark, oder der Fetischismus ist so eng mit sadistischen Regungen verflochten, daß der Pervertierte nicht davor zurückschreckt, sich auf kürzestem Wege des begehrten Stoffstücks zu bemächtigen, was manchmal dazu führt, daß solche Tathandlungen – fälschlich – als sadistisch bezeichnet werden. Bezeichnend in dieser Hinsicht ist folgender Fall:

Beobachtung 82. Eines Abends bemerkte Ingenieur D., der mit seiner Frau in einem Lesesaal saß, ein Individuum herumschleichen. Beim Fortgehen bemerkte Frau D., daß ihr Oberkleid abgeschnitten war. Die gleiche Entdeckung machte eine andere Dame an ihrem Kleide. Der Herumschleicher wurde verhaftet. Man fand bei ihm eine Schere, 7 Ausschnitte von Damenkleidern, bei der Haussuchung zahllose Stücke Band, Stoff, Pelz, die offenbar aus Damentoiletten herausgeschnitten waren.

X. leugnete, obwohl die in seinen Taschen gefundenen Stoffstücke in die Defekte der Damentoiletten paßten ( Krafft-Ebing).

Daß eine andere Sinnesqualität, nämlich der Geruch, bei einer entsprechenden Einstellung zu fetischistischen Neigungen und auch zu echtem Fetischismus führen kann, wurde u. a. bereits im ersten Kapitel dieses Buches erwähnt. Und in der Tat sind Fälle wie die nachfolgende Beobachtung keineswegs selten, ja zweifellos viel häufiger, als aus der einschlägigen Literatur hervorgeht; denn solche Personen brauchen in der Regel keine ärztliche Hilfe.

Beobachtung 83. Es zeigte mir einmal eine Dame ein kleines Stück Juchtenleder, das sie an einem Bande befestigt unter ihrer Bluse trug. In starken Superlativen schildert sie die Bedeutung, welche der Geruch des Leders für sie besitze. Die erotische Neigung zu ihrem Mann, der von auffallender Häßlichkeit gewesen wäre – sie war früh verwitwet –, sei ganz von Gerüchen beherrscht gewesen, vor allem von einem »mit Mannesgeruch vermischten Tabaks- und Juchtengeruch«. Sie berausche sich noch oft an den Kleidern des Mannes, denen immer noch ziemlich viel von diesem »süßen Aroma« anhafte. Es würde von ihr große Beherrschung erfordern, einem Manne Widerstand zu leisten, der sich ihr gegenüber dieses Lockmittels bedienen würde ( Hirschfeld).

Wir gelangen jetzt zu einer großen und wichtigen Gruppe des Gegenstandsfetischismus, für die es ganz besonders bezeichnend ist, daß sie – wie kaum eine andere – mit einer andern Triebabweichung verbunden ist. Der Schuhfetischismus ist ohne masochistische Komponente fast undenkbar. Es geht das so weit, daß man oft schwer entscheiden kann, welche der beiden Perversionen die Hauptrolle spielt, bzw. welcher von beiden der betreffende Fall zuzuschreiben ist. Wir werden demgemäß später noch zu erwähnen haben, daß gerade der Schuhfetischismus es ermöglichen würde, den Masochismus überhaupt oder doch eine große Zahl seiner Formen dem Fetischismus einzuverleiben. Jedenfalls ist die übergroße Mehrzahl aller Masochisten gleichzeitig schuhfetischistisch eingestellt, was ja ohne weiteres begreiflich ist, da der mit dem Schuh oder Stiefel bekleidete Fuß das Hauptsymbol der Erniedrigung, der Demütigung usw. bildet.

Bei den nachstehend mitgeteilten Fällen kann man indessen wohl sicher von Schuhfetischismus sprechen (und nicht von Masochismus), und zwar wegen gewisser Anhaltspunkte. Denn einerseits ist es – für den Fetischisten – von Bedeutung, daß die Form des Schuhes ihn zum Masturbationsbehelf geeignet erscheinen läßt. Und dann spricht es natürlich für eine fetischistische Einstellung, wenn der Schuh allein, also ohne daß ihn eine bestimmte Frau oder überhaupt eine Frau trägt, das Sexualobjekt bildet.

Wie verbreitet und wie bedeutsam der Schuhfetischismus ist, geht auch schon daraus hervor, daß der bekannte Sexualforscher Iwan Bloch ihm einen eigenen Namen gegeben hat. In Analogie zum Sadismus (nach Marquis de Sade) und dem Masochismus (nach Sacher-Masoch) hat er für den Schuhfetischismus nach dem französischen Schriftsteller Rétif de la Bretonne den Namen Retifismus vorgeschlagen, als derjenigen Perversion, die im Leben dieses Mannes am meisten hervorgetreten und von ihm literarisch zuerst dargestellt worden ist. In seiner Autobiographie erzählt Rétif, daß er schon im Alter von zehn Jahren diese Neigung empfunden habe. Er zitterte vor Lust beim Anblick von Frauenschuhen und errötete vor ihnen, als wenn sie die Mädchen selbst wären.

Beobachtung 84. Es handelt sich um eine Generalstochter, die von Jugend auf eine besondere Leidenschaft für die glänzenden Reiter stiefel ihres Vaters zeigte. »Ein Mann zu Pferd mit den hohen Stiefeln ist eigentlich erst ein echter Mann.« Sie wies verschiedene Bewerbungen zurück und verlobte sich mit einem um 30 Jahre älteren Oberstleutnant. Sie wies alle Vorstellungen der Familie mit Hinweis auf seine entzückenden Füße (Reiterstiefel) zurück. Der Bräutigam starb vor der Hochzeit, und sie heiratete einen auffallend häßlichen Oberst wegen seiner hohen Reiterstiefel. Sie ist sterblich verliebt in seine entzückenden Reiterstiefel. Ein Zivilist mit niedrigen »verhatschten« Schuhen ist für sie gar kein Mann. »Vor Reiterstiefeln kann man zittern und sie zugleich lieben.« Natürlich fällt die Ehe unglücklich aus. Wahrscheinlich ist sie anästhetisch. Sie rät einer Freundin, nicht zu heiraten, weil nackte Füße schrecklich seien. »Ein Mann mit nackten Füßen ist ein Scheusal. Wenn ich mir nur die große Zehe vorstelle, graust es mir schon. Und die Nägel, die immer verkrüppelt sind, und die kleine Zehe, die nicht wachsen kann, das ist ein greulicher Anblick.« Sie selbst trug gerne möglichst hoch hinaufreichende Stiefeletten, wegen des strammen Aussehens und des angenehmen Gefühls des Eingeschnürtseins. Hohe Stiefel sind entzückend dezent, weil sie die Formen der Wade verhüllen, während Ledergamaschen und Wadenstutzen sie unanständig scharf hervortreten lassen.

Als Kind wünschte sie sich hohe Reiterstiefel und war glücklich, als ihr der Vater an dem Geburtstage hohe Reiterstiefel schenkte ( Hug-Hellmuth).

Zu den berühmtesten Fällen der einschlägigen Literatur zählt die sehr eingehende Krankheitsgeschichte, die Havelock Ellis veröffentlicht hat, und die auch Stekel W. Stekel, Der Fetischismus. Urban & Schwarzenberg 1923. bringt:

Beobachtung 85. C. P., 38 Jahre alt, Vererbung günstig. Vom 9. oder 10. Jahre bis zum 14. masturbierte er gelegentlich aus physischem Bedürfnis, worauf er von selbst gekommen war. Im übrigen war er ganz unwissend über die sexuellen Dinge und hatte weder von andern Kindern noch von Dienstboten je etwas darüber erfahren.

»Begegne ich einer Frau, die mir sehr reizvoll erscheint«, schreibt er, »so ist mein Wunsch nicht, daß ich geschlechtliche Verbindung mit ihr im gewöhnlichen Sinne haben möchte, sondern daß ich auf dem Fußboden auf dem Rücken liegen und von ihr mit Füßen getreten werden möge. Dieser merkwürdige Wunsch tritt selten auf, nur wenn der Gegenstand meiner Bewunderung eine wirkliche Dame und schön gebaut ist. Sie muß elegant gekleidet sein, am liebsten in einen Abendmantel, ziemlich hohe Absätze und niedrige Schuhe haben, die entweder offen, so daß der Spann sichtbar wird, oder nur durch einen einzigen Riemen oder ein Band geschlossen sind. Die Rockränder müssen genügend gehoben sein, um mir den Anblick der Füße und eines nicht zu geringen Anteils der Knöchelgegend zu gestatten, aber durchaus nicht etwa bis zum Knie oder darüber, denn dann wird die Wirkung sehr gering. Wenn ich auch oft eine geistvolle oder schöne Frau bewundere, so üben doch sexuell keine andern Teile eine wirkliche Anziehung auf mich aus als ihr Bein vom Knie abwärts und der Fuß; ferner muß sie sehr sorgfältig gekleidet sein. Unter dieser Bedingung steigt mein Wunsch nach sexueller Befriedigung durch Berührung mit dem Teile, der mich an dem Weib interessiert. Verhältnismäßig wenige Frauen haben ein Bein oder einen Fuß, der schön genug ist, um mich ernsthaft und nachhaltig zu erregen; wenn dies indes der Fall ist, oder wenn ich das mutmaße, so scheue ich keinen Zeitverlust und keine Anstrengung, unter ihren Fuß zu kommen, und ich erwarte dann mit ängstlicher Spannung, mit der größten Energie getreten zu werden.«

»Das Treten muß einige Minuten lang geschehen, und zwar auf Brust, Abdomen, Inguinalgegend, zuletzt auf den Penis, der in heftiger Erektion längs des Abdomens zu konsistent ist, um durch die Kompression Schaden zu erleiden. Ich habe übrigens auch Genuß daran, wenn mir durch einen Frauenfuß die Kehle zugedrückt wird.«

»Preßt die Dame schließlich mit dem Gesicht mir zugewendet mit dem Hausschuh des einen Fußes meinen Penis, so daß der hohe Absatz ungefähr auf das Skrotalende des Penis fällt, während die Sohle den größten Teil des Restes bedeckt, und mit dem andern das Abdomen, in das ich das Eindringen des Fußes sehen und fühlen kann, wenn sie ihr Gewicht von dem einen Fuß auf den andern verschiebt, so erfolgt fast unmittelbar Ejakulation. Diese ist unter den geschilderten Umständen für mich ein Sturm des Entzückens, während dessen das ganze Gewicht der Dame durchaus auf dem Penis ruhen muß.«

»Eine Ursache für meinen besonderen Genuß durch diese Art des Kontaktes scheint zu sein, daß zuerst der Absatz und dann die Sohle des tretenden Schuhs den Durchtritt des Spermas und deshalb die wollüstige Erregung beträchtlich verlängern. Auch eine merkwürdige psychische Erscheinung ist bei der Angelegenheit zu beachten. Ich stelle mir gern vor, daß die Dame, die mich tritt, meine Herrin, ich ihr Sklave sei, und daß sie es tut, um mich für einen gemachten Fehler zu bestrafen oder sich selbst (nicht mir) Genuß zu verschaffen.«

»Es folgt daraus, daß je größer die Mißachtung und Strenge, mit der ich ›bestraft‹ werde, um so größer mein Genuß wird. Die Vorstellung von ›Bestrafung‹ oder ›Sklaverei‹ tritt selten auf, wenn ich große Schwierigkeiten habe, meinen Wunsch zu realisieren, und wenn die tretende Person mehr als gewöhnlich hübsch und schwer und das Treten schonungslos ist. Ich bin manchmal so lange und so unbarmherzig getreten worden, daß ich jedesmal, wenn der Schuh auf meinen schmerzenden Körper aufgesetzt wurde, auszuweichen versuchte und tagelang braun und blau aussah. Ich bin eifrig bestrebt, Frauen zu diesem Verfahren zu veranlassen, wenn ich glaube, daß ich sie nicht beleidige, und habe damit erstaunlich viel Glück gehabt. Ich muß unter den Füßen von mindestens hundert Frauen gelegen haben, von denen viele aus der guten Gesellschaft waren, die niemals daran denken würden, den gewöhnlichen Sexualverkehr zu gestatten, die aber durch die Vorstellung, ihn in dieser Weise zu vollziehen, derart gereizt oder belustigt worden sind, daß sie es oft und wiederholt getan haben. Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß bei Herbeiführung des Orgasmus in dieser Weise weder meine noch die Kleider der Dame verschoben und in Unordnung gebracht werden. Nach langen und verschiedenfachen Erfahrungen kann ich sagen, daß mein Lieblingsgewicht etwa 65 kg beträgt, und daß schwarze Schuhe mit sehr hohen Absätzen und braunseidene Strümpfe mir anscheinend den größten Genuß verschaffen und in mir die stärksten Wünsche erregen.«

»Stiefel oder Straßenschuhe verleiten mich nicht entfernt so stark, obwohl ich bei einigen Gelegenheiten ziemlich großen Genuß durch ihre Anwendung empfunden habe. Nackte Frauen stoßen mich zurück; ich finde auch kein Vergnügen, Weiber in Hosen zu sehen. Ich mißachte den normalen Sexualverkehr nicht und übe ihn gelegentlich aus. Doch ist für mich der Genuß viel geringer als der, getreten zu werden. Ich habe auch viel Vergnügen – und gewöhnlich starke Erektion –, wenn ich ein Weib sehe, welches, wie ich oben beschrieben habe, gekleidet sein muß, und welches auf irgend etwas unter seinen Füßen Befindliches tritt – etwa in einer Kutsche auf das Fußkissen, in einem Lehnstuhl auf den Fußschemel usw. Ich bin oft hinter ein paar hübschen Damen hergeschlendert bei einem Picknick oder einem Gartenfest, nur um zu sehen, wie das Gras, auf das sie getreten hatten, sich langsam wieder aufrichtete, nachdem ihr Fuß es niedergedrückt hatte. Ich sehe sogar mit Vergnügen einen Wagenauftritt unter einer Dame – als etwas, das den Druck des Fußes verlangt. Ich will jetzt erklären, wie meine Empfindungen diese Richtung genommen haben.«

»Als ich ein Knabe von ungefähr 14 Jahren war, befand ich mich einmal lange zu Besuch einiger Bekannter meiner Eltern. Die Tochter des Hauses – das einzige Kind –, ein hübsches kräftiges Mädchen, das ungefähr sechs Jahre älter war als ich, war mein hauptsächlichster Spielgefährte. Dieses Mädchen war immer hübsch gekleidet, besaß zierliche Füße und Knöchel und wußte dies natürlich. Wenn angängig, so kleidete sie sich so, daß ihre Vorzüge am besten zur Geltung kamen – also mit kurzen Röcken und gewöhnlich mit kleinen Halbschuhen, die hohe Absätze hatten –, und sie war nicht abgeneigt, diese in sehr unterhaltender koketter Manier zur Schau zu stellen. Sie schien eine gewisse Vorliebe zu haben, auf Dinge zu treten, die unter ihren Füßen nachgaben und zusammenfielen, z. B. Blumen, kleines Fallobst, Eicheln, Heuhaufen, Stroh und frisches Heu. Bei unseren Spaziergängen durch den Garten, bei denen wir uns völlig überlassen blieben, hatte ich mir angewöhnt, ihr bei diesem Manöver zuzusehen und schalt sie deshalb gewöhnlich. Nun war es mir damals ein besonderes Vergnügen – und ich tue es jetzt noch gern –, ausgestreckt auf einem dicken Kaminteppich vor einem tüchtigen Kaminfeuer zu liegen. Eines Abends befand ich mich wieder in dieser Stellung, wir waren allein, und sie ging durchs Zimmer, um etwas vom Kaminsims zu holen. Statt über mich weg den Arm auszustrecken, trat sie in neckischer Weise auf mich, wobei sie meinte, sie wolle mir zeigen, wie sie das mit dem Stroh und Heu täte. Naturgemäß ging ich auf den Scherz ein und lachte. Nachdem sie einige Momente auf mir gestanden hatte, hob sie ihren Rocksaum leicht und streckte, indem sie sich am Kaminsims festhielt, einen ihrer zierlichen Füße im braunseidenen Strumpfe und Stöckelschuh in den Lichtschein des Kaminfeuers, um ihn zu wärmen, wobei sie auf mich herabblickte und über mein erhitztes Gesicht lachte. Sie war ein ganz unbefangenes, sehr reizvolles Mädchen, und ich bin ziemlich sicher, daß sie, wiewohl ihr sichtlich meine Erregung und die Berührung meines Körpers unter ihrem Fuße behagte, bei dieser ersten Gelegenheit meinen Zustand nicht klar erkannte. Ich erinnere mich auch nicht, daß, obwohl mich das Verlangen nach sexueller Befriedigung fast außer mich brachte, bei ihr ein entsprechendes Gefühl durchgebrochen ist. Ich faßte den erhobenen Fuß und küßte ihn und führte ihn in absolut unwiderstehlichem Zwange an meinen erigierten Penis. Fast im Augenblick, als ihr Gewicht auf diesen fiel, entstand zum erstenmal in meinem Leben ein vollständiger wirklicher Orgasmus. Keine Schilderung kann einen Begriff von meinen Gefühlen geben – ich weiß nur, daß von dem Augenblick an mein verschobener sexueller Brennpunkt für immer fixiert war. Unzählige Male nach diesem Abend fühlte ich das Gewicht ihres zierlichen Pantoffels, und nichts wird jemals dem Andenken an den Genuß gleichkommen, den ich damals bei ihr erfuhr. Ich weiß, daß sie mich mit ebensolchem Vergnügen trat, als ich selbst daran hatte, getreten zu werden. Sie konnte sich ziemlich viel Toilettenausgaben gestatten, und da sie bemerkte, daß sie mir Vergnügen machte, so kaufte sie immerfort hübsche Strümpfe und zierliche Schuhe mit so hohen und spitzen Absätzen, als sie finden konnte, und demonstrierte sie mir dann mit dem größten Behagen, indem sie darauf bestand, ich müsse mich niederlegen und sie auf mir ausprobieren lassen. Sie gab zu, daß sie sie gerne in meinen Körper einsinken sehe, wenn sie darauf trete, und freute sich über das Knacken der Muskeln unter dem Absatz, wenn sie diesen bewegte. Nach einigen Minuten führte ich immer ihren Schuh an meinen Penis, und sie trat behutsam, aber mit ihrem ganzen Gewicht, ungefähr 55 kg, auf mich und betrachtete mich mit glänzenden Augen, geröteten Wangen, zitternden Lippen, wenn sie, was deutlich der Fall gewesen sein muß, das Pochen des Penis unter dem Fuß spürte, wenn die Ejakulation erfolgte. Ich habe nicht den geringsten Zweifel, daß sie gleichzeitig Orgasmus hatte, obgleich wir niemals offen davon sprachen. Dies geschah mehrere Jahre hindurch fast bei jeder günstigen Gelegenheit, die wir hatten, und nach einem oder zwei Monaten der Trennung vier- oder fünfmal an jedem Tage. Einige Male masturbierte ich in ihrer Abwesenheit, indem ich mit ihrem Schuh, so stark ich konnte, meinen Penis drückte und mir dabei vorstellte, sie träte mich. Der Genuß war dabei natürlich viel schwächer. Niemals war zwischen uns die Rede von normalem Sexualverkehr, und wir waren beide sehr zufrieden und ließen die Dinge so gehen. Als ich etwas über 20 Jahre alt war, ging ich auf Reisen; nach meiner Wiederkehr, drei Jahre später, fand ich sie verheiratet. Obwohl wir uns häufig sahen, wurde doch nie auf den Gegenstand angespielt, wir blieben aber gute Freunde. Ich gestehe, ich habe dann oft, wenn es nicht beachtet werden konnte, nach ihrem Fuß gesehen und würde gerne das Vergnügen akzeptiert haben, das sie mir durch gelegentliche Wiederaufnahme unserer merkwürdigen Praktik hätte gewähren können. Aber es kam nie dazu.«

»Ich ging dann wiederum auf Reisen. Jetzt sind sie und ihr Mann tot. Von Zeit zu Zeit hatte ich gelegentlich Beziehungen zu Prostituierten, stets in der gedachten Weise; ich ziehe gleichwohl eine Dame aus meiner gesellschaftlichen Klasse oder darüber vor, die das Treten an mir ausüben will. Das hat aber merkwürdige Schwierigkeiten.«

»Von den etwa 100 Weibern (die meiner Schätzung nach in der Heimat und in der Fremde auf meinem Körper gestanden haben) kann ich sagen, daß 80-85 Prozent keine Prostituierten waren. Höchstens 10-12 empfanden dabei sexuelle Erregung, aber wenn sie auch offenbar Erregung zeigten, so wurden sie doch nicht befriedigt. Soviel ich weiß, hatte nur jenes junge Mädchen davon vollständiges sexuelles Genügen. Ich habe nie eine Frau mit vielen Worten aufgefordert, mich zu treten, um mich sexuell zu befriedigen (Prostituierte ausgenommen), sondern immer versucht, dies in scherzhafter oder neckender Weise herbeizuführen, und es ist sehr zweifelhaft, ob mehr als einige wenige verheiratete Frauen wirklich gewußt haben, selbst wenn sie mir den äußersten Genuß gegeben hatten, daß sie es getan hatten, da meine Aufregung und meine Bewegungen unter ihren Füßen ebensogut den Tritten zugerechnet werden konnten, mit denen sie mich bedachten. Gewiß haben viele verstanden, nachdem sie es einmal getan hatten (und die meisten taten es nur einmal), um was es sich handelte, und obwohl weder sie noch ich je davon sprachen, so waren sie doch nicht abgeneigt, mich so viel zu treten, als ich verlangte. Ich glaube nicht, daß sie selbst dabei ein sexuelles Vergnügen hatten, obwohl sie offen sehen konnten, daß ich es hatte, und sie weigerten sich nicht, es mir zu gewähren. Ich habe bei mancher Frau mehr als ein Jahr gebraucht, um meinem Wunsche immer näher zu kommen – und habe oft zuletzt erreicht, was ich wollte, noch öfter ist es mir aber mißglückt. Ich riskiere es nie, bis ich sicher bin, daß ich mit meinem Verlangen Glück haben werde, und ich habe nie eine ernste Zurückweisung erlebt. In sehr vielen Fällen, kann ich sagen, ist die Gewährung meines Ansinnens von dem betreffenden Weib als Nachgeben auf eine einfältige, vielleicht spaßhafte Grille betrachtet worden, an welcher ihr außer der Neuheit des Reizes, einen Mann zu treten, nicht viel gelegen war. Ganz wie bei der normalen Verführung ist der Versuch, das Weib dazu zu bestimmen, was ich will, ohne ihren Widerstand zu erregen, ein großer Teil des Reizes für mich, und je höher die Gesellschaftsklasse ist, der es angehört, um so schwerer wird dies, und um so anziehender. Ich habe gefunden, daß drei Prostituierte andern Männern denselben Dienst erwiesen hatten und alles Nötige darüber wußten. Es ist nicht uninteressant, daß diese drei Weiber sämtlich von schönem starkem Körperbau waren – das eine davon 180 Zentimeter groß und fast 85 kg schwer –, aber eigentlich nichtssagende Gesichter hatten. Das Gewicht, der Körperbau und die Kleidung erregen mich gleichzeitig ebenfalls sehr stark. Ich finde, daß ein plötzlicher Stoß im äußersten Moment des sexuellen Genusses diesen zu erhöhen und zu verlängern imstande ist. Mein psychisches Vergnügen geht auf den Umstand zurück, daß wenn die Frau mit ihrem ganzen Gewicht auf meinem Penis steht, welcher zwischen ihrem Fuß und der nachgiebigen Unterlage meines eigenen Abdomens liegt, in welchen er tief eindringt, die Ejakulationszeit und der Orgasmus außerordentlich lange währen. Deshalb habe ich auch die große Vorliebe für Halbschuhe mit hohen Absätzen. Das Sperma muß durch zwei verschiedene Hindernisse hindurchgepreßt werden – einmal durch den Druck des Absatzes dicht an der Peniswurzel und zweitens durch den Druck des Fußballens, der die obere Hälfte zusammenschnürt; zwischen diesen bleibt nur das Stück unter der gewölbten Sohle des Schuhes frei. Der Genuß ist durch die Urinretention sehr erhöht, und ich suche deshalb immer soviel Urin wie möglich zurückzuhalten. Gewicht, Körperbau und Kleidung tragen sehr zu dem Wunsche bei, gerade von dem bestimmten Weibe, das man liebt, getreten zu werden« ( Havelock Ellis).

Beobachtung 86. X., Kleriker, 50 Jahre alt. Derselbe erscheint zeitweise in Bordellen unter dem Vorwand, ein Zimmer im Hause zu mieten, läßt sich in ein Gespräch mit einer Puella ein, wirft lüsterne Blicke nach ihren Schuhen, zieht ihr einen aus, osculatur et mordet caligam libidine captus; ad genitalia denique caligam premit, eiaculat semen semineque eiaculato axillas pectusque terit, kommt aus seiner wollüstigen Ekstase zu sich, bittet die Besitzerin des Schuhs um die Gnade, ihn einige Tage behalten zu dürfen, und bringt ihn dann, höflich dankend, nach der bedungenen Zeit zurück ( Cantarano).

An Beobachtung 66 erinnert der nachstehende Fall, bei dem zweifelsohne der Schuhfetischismus im Vordergrund des ganzen Zustandsbildes steht.

Beobachtung 87. X. in Newyork ist des Straßenraubes angeklagt. In der Aszendenz zahlreiche Fälle von Irresein, auch Vaters Bruder und Vaters Schwester sind geistig abnorm. Mit 7 Jahren zweimal heftige Gehirnerschütterung. Mit 13 Jahren Sturz von einem Balkon. Im 14. Jahre bekam X. heftige Anfälle von Kopfweh. Zugleich mit diesen Anfällen oder unmittelbar darauf sonderbarer Antrieb, die Schuhe weiblicher Familienglieder, meist nur einen, zu entwenden und in irgendeinem Winkel zu verbergen. Zur Rede gestellt, leugnet er jeweils oder behauptet, sich der Sache nicht zu erinnern. Das Gelüste nach Schuhen war unbesiegbar, kehrte alle 3-4 Monate wieder. Einmal machte er einen Versuch, einen Schuh vom Fuß eines Dienstmädchens zu entwenden, ein andermal hatte er seiner Schwester einen Schuh aus dem Schlafzimmer entwendet. Im Frühjahr wurden zwei Damen auf offener Straße die Schuhe von den Füßen gerissen. Im August verließ X. in der Frühe sein Haus, um an sein Geschäft als Buchdrucker zu gehen. Einen Augenblick darauf entriß er einem Mädchen auf der Straße einen Schuh, entfloh, lief in seine Druckerei, wurde dort wegen Straßenraubs verhaftet. Er behauptet, von seiner Tat nicht viel zu wissen, es sei wie ein Blitz beim Anblick des Schuhs in ihn gefahren, daß er dessen bedürfe, wozu, wisse er nicht. Er habe in einem Zustand von Unbesinnlichkeit gehandelt. Der Schuh befand sich, wie richtig angegeben, in seinem Rocke. In der Haft war er geistig so erregt, daß man Ausbruch von Irrsinn befürchtete. Entlassen, stahl er seiner Frau, während sie schlief, wieder Schuhe. Sein moralischer Charakter, seine Lebensweise waren untadelhaft. Er war ein intelligenter Arbeiter; nur schnell folgende unregelmäßige Beschäftigung machte ihn verwirrt und unfähig zur Arbeit. Freisprechung ( Nichols, Beck).

Aber auch Teile des Schuhs können zum Fetisch werden, so im nachfolgenden Fall die Schuh nägel:

Beobachtung 88. X. bemüht sich, die Nägel in Frauenstiefeln zu sehen, sorgfältig prüft er deren Spur im Schnee und im feuchten Erdreich, er lauscht auf das Geräusch, welches sie auf dem Straßenpflaster hervorrufen, er findet ein namenloses Vergnügen daran, Worte zu wiederholen, welche bestimmt sind, ihm das Bild dieser Dinge vor Augen zu stellen, kurz, er faßt seine ganze Seligkeit in dem Ausdruck zusammen: »Eine Frau zu beschlagen«.

Schon im Alter von 6 oder 7 Jahren trieb diesen Patienten ein unwiderstehlicher, instinktiver Drang, Frauenfüße zu betrachten, um zu sehen, ob sich in den Schuhen Nägel befänden. Nahm er dann solche Nägel wahr, so bereitete ihm dies ein unaussprechliches Glück. Zwei junge Mädchen, Verwandte von ihm, wohnten bei seiner Familie. Er begab sich an den Ort, wo ihr Schuhzeug stand, bemächtigte sich unter Fieberschauern desselben, berührte die Nägel, zählte sie und konnte seine Blicke nicht von ihnen abwenden. Abends, im Bett, richtete er abwechselnd seine Gedanken auf eines der jungen Mädchen, die er in seinen Vorstellungen eine phantastische Rolle spielen ließ. So sah er ihre Mutter sie zum Schuhmacher führen und hörte, wie sie Auftrag gab, der Schuster solle die Stiefel ihrer Töchter mit Nägeln versehen. Dann sah er den Schuster, wie er die Nägel befestigte und die Stiefel dem Mädchen übergab. Dann wieder suchte er sich auszumalen, welche Gefühle das junge Mädchen haben müßte, wenn sie mit diesen nägelbeschlagenen Schuhen ginge. Schließlich ging er in seiner Phantasie so weit, dem jungen Mädchen die grausamsten Martern aufzulegen, indem er ihr Hufeisen unter die Füße nagelte oder ihr gar die Füße abschnitt (Steigerung zu sadistischen Vorstellungen). Gleichzeitig befriedigte er sich durch Masturbation, die er aber nicht nur ausübte, um sich diesen Genuß zu verschaffen, sondern der er sich vielmehr hingab, um sie als Begleitakt für seine eingebildete phantastische Geschichte zu benützen.

War er dann wieder mit den jungen Mädchen zusammen, so suchte er immer ihrer Schuhnägel ansichtig zu werden. Die eine von ihnen, die dies bemerkt hatte, berührte immer, ohne daß er ihr etwas gesagt hatte, besonders wenn sie neue Schuhe trug, mit ihrem Fuß den seinigen, um ihn die Nägel fühlen zu lassen. Eine solche Berührung führte augenblicklich Orgasmus bei ihm herbei, nicht durch den Eindruck, den das Mädchen, sondern durch den, welchen die Nägel hervorriefen. Häufig passierte es ihm, daß er die Stiefel der jungen Mädchen von dem Orte, wo sie standen, fortnahm, den Eichelteil seines Penis auf die Nägel derselben legte, wobei, ohne jegliche Unterstützung der Hände, sofort die Ejakulation eintrat ( Charcot-Magnan).

Beobachtung 89. X., 34 Jahre alt, verheiratet, von neuropathischen Eltern, als Kind schwer an Krämpfen leidend, geistig auffallend früh (konnte schon mit 3 Jahren lesen!), aber einseitig entwickelt, nervös von Kindesbeinen an, bekam mit 7 Jahren den Drang, sich mit den Schuhen, bzw. den Schuhnägeln von Weibern zu beschäftigen. Ihr Anblick, noch mehr das Betasten der Schuhnägel und ihr Zählen machte ihm unbeschreiblichen Genuß.

Nachts mußte er sich vergegenwärtigen, wie seine Kusinen sich Schuhe anmessen lassen, wie er einer derselben Hufeisen anschmiedete oder die Füße abschnitt.

Mit der Zeit überwältigten ihn die Schuhszenen auch bei Tage, und ohne sein Zutun führten sie zu Erektion und Ejakulation. Öfters nahm er Schuhe von weiblichen Hausgenossen, und wenn er sie nur mit dem Penis berührte, hatte er Ejakulation. Eine Zeitlang vermochte er als Student diese Ideen und Gelüste zu beherrschen. Dann kam eine Zeit, wo er dem Geräusch weiblicher Fußtritte auf dem Straßenpflaster lauschen mußte, was ihm, gleich wie der Anblick des Nägeleinschlagens in Damenschuhe oder der Anblick solcher in Verkaufsauslagen, jeweils ein wollüstiges Erbeben machte. Er heiratete und war in den ersten Monaten der Ehe frei von diesen Impulsen. Allmählich wurde er hysteropathisch und neurasthenisch.

In diesem Stadium bekam er hysterische Anfälle, sobald der Schuster ihm von Nägeln an Damenschuhen oder vom Frauenschuhbeschlagen sprach. Noch größer war die Reaktion, wenn er einer hübschen Dame mit stark beschlagenen Schuhen ansichtig wurde. Um Ejakulation zu bekommen, brauchte er nur Damensohlen aus Karton auszuschneiden und mit Nägeln zu belegen, oder aber er kaufte Damenschuhe, ließ sie im Laden beschlagen, machte sie daheim auf dem Boden scharren und berührte endlich damit die Spitze seines Penis. Aber auch spontan kamen wollüstige Schuhsituationen, in welchen er sich durch Masturbation befriedigte.

X. ist sonst intelligent, tüchtig im Beruf, aber gegen seine perversen Gelüste kämpft er vergebens an. Phimose; Penis kurz, an der Wand bauchig, nicht vollkommen erektionsfähig. Eines Tages ließ sich Patient bei dem Anblick einer genagelten Damensohle vor dem Laden eines Schusters zur Masturbation hinreißen und wurde dadurch kriminell ( Blanche).

Weit seltener ist der Handschuhfetischismus. Daß es sich dabei aber doch um keine Einzelfälle handelt, beweist am besten die Tatsache, daß es eigene Firmen gibt (in Paris), die – für Fetischisten und zu wahnsinnig hohen Preisen – nebst der Triebabweichung speziell angepaßten Schuhen auch Handschuhe bis zur Schulter, mit 40 und 60 Knöpfen usw. herstellen.

Beobachtung 90. X., 33 Jahre, Fabrikant, aus Amerika, seit 8 Jahren in glücklicher, mit Kindern gesegneter Ehe lebend, konsultierte mich wegen eines sonderbaren Handschuhfetischismus, der ihn quäle, wegen dessen er sich verachten müsse, und der ihn noch zur Verzweiflung und zum Wahnsinn bringen könne. X. ist ein angeblich aus ganz gesunder Familie stammender, aber von Kindesbeinen auf neuropathischer, leicht erregbarer Mann. Er bezeichnet sich selber als eine sehr sinnliche Natur, während seine Frau eher eine natura frigida sei. Mit etwa 9 Jahren gelangte X. durch Kameraden, welche ihn verführten, zur Masturbation. Er fand daran großes Gefallen und ergab sich ihr leidenschaftlich. Eines Tages, während er wollüstig erregt war, fand er ein kleines Säckchen von Sämischleder. Er zog dasselbe über sein Membrum und hatte dabei eine überaus angenehme Empfindung. Er benutzte es nun zu onanistischen Manipulationen, legte es auch ums Scrotum und trug es Tag und Nacht bei sich. Von da an erwachte in ihm ein großes Interesse für Leder überhaupt, ganz besonders aber für Glacéhandschuhe. Von der Pubertät ab waren es nur mehr lederne Damenhandschuhe, aber diese machten geradzu einen faszinierenden Eindruck auf ihn, führten zu Erektion, und wenn er in der Lage war, seinen Penis damit zu berühren, erfolgte gar Ejakulation. Herrenhandschuhe hatten nicht den geringsten Reiz für ihn, jedoch am eigenen Körper trug er sie gern. Am Weib interessierte ihn in der Folge nur mehr der Handschuh. Er wurde sein Fetisch, und zwar Glacé, möglichst lang, mit vielen Knöpfen, besonders aber wenn schmutzig, fettglänzend, mit schweißigen Flecken an den Fingerspitzen. Derart adjustierte Frauen, selbst wenn häßlich und alt, entbehrten für ihn nicht eines gewissen Reizes. Damen mit Stoff- oder seidenen Handschuhen ließen ihn ganz kalt. Seit der Pubertät war er gewohnt, Damen zuerst auf die Hände zu schauen. Im übrigen waren sie ihm ziemlich gleichgültig. Durfte er einer Dame mit Glacéhandschuhen die Hand drücken, so gelangte er unter dem Gefühl des »warmen sanften« Leders zu Erektion und Orgasmus. Konnte er in den Besitz eines solchen Damenhandschuhs kommen, so ging er damit auf den Abort, hüllte damit seine Genitalien ein, zog ihn dann wieder aus und masturbierte. Später, im Bordell, nahm er dahin lange Handschuhe mit, bat die Prostituierte, dieselben anzuziehen, und wurde dabei so erregt, daß oft jetzt schon die Ejakulation erfolgte. X. wurde ein Sammler von weiblichen Glacéhandschuhen. Da und dort versteckt hatte er immer Hunderte von Paaren. In Mußestunden zählte und bewunderte er sie »wie ein Geizhals seine Goldstücke«, legte sie über seine Genitalien, begrub sein Gesicht in Haufen von Handschuhen, zog dann einen über die Hand und masturbierte, wobei er mehr Genuß verspürte als beim Koitus. Er machte sich Penisfutterale, Suspensorien, am liebsten aus schwarzem weichem Leder, und trug sie tagelang. Ferner befestigte er an einem Bruchband Damenhandschuhe so, daß sie schürzenartig seine Genitalien bedeckten. Nachdem er eine Ehe eingegangen war, wurde sein Handschuhfetischismus eher noch ärger. Gewöhnlich war er nur potent, wenn er beim maritalen Akt ein paar Handschuhe seiner Frau neben ihrem Kopf liegen hatte, so daß er sie küssen konnte. Ganz glücklich machte ihn seine Frau, wenn sie sich bestimmen ließ, zum Koitus Handschuhe anzuziehen und präliminar damit seine Genitalien zu berühren. X. fühlte sich gleichwohl recht unglücklich über seinen Fetischismus und machte häufige, aber immer vergebliche Anstrengungen, sich aus dem »Bann des Handschuhs« zu befreien. Traf er auf das Wort oder Bild des Handschuhes in Romanen, Modejournalen, Zeitungen usw., so machte es jeweils einen geradezu faszinierenden Eindruck auf ihn. Im Theater war sein Blick an die Hände der Schauspielerinnen gefesselt. Von den Schaufenstern der Handschuhläden war er kaum wegzubringen. Oft fühlte er sich getrieben, lange Handschuhe mit Wolle u. dgl. auszustopfen, daß sie bekleideten Armen glichen. Dann machte er tritus membri inter brachia talia artificialia, bis er seinen Zweck erreicht hatte. Zu seinen Gewohnheiten gehört es, weibliche Glacéhandschuhe mit sich herumzutragen, nachts mit solchen die Genitalien einzuwickeln, bis er den Penis wie einen großen ledernen Priap zwischen den Beinen fühlt. In großen Städten kauft er in Handschuhwäschereien nicht abgeholte, d. h. herrenlos gewordene Damenhandschuhe, am allerliebsten recht abgetragene. Zweimal, gesteht der sonst höchst korrekte Fabrikant X., habe er dem Verlangen nicht widerstehen können, solche zu stehlen. Im Menschengewühl kann er nicht widerstehen, Damen die Hände zu streifen; in seinem Büro benutzt er jede Gelegenheit, um Damen die Hand zu geben, damit er eine Sekunde das »warme sanfte« Leder fühlen kann. Seine Frau bittet er, doch wo immer möglich Handschuhe von Glacé- oder Gemsleder zu tragen. Auch versieht er sie reichlich mit solcher Ware. In seinem Büro hat X. immer Damenhandschuhe liegen. Es vergeht keine Stunde, daß er sie nicht berühren und streicheln muß. Wenn besonders sinnlich erregt, steckt er einen solchen Handschuh in den Mund und kaut daran. Andere Objekte der weiblichen Toilette, gleich wie andere Teile des weiblichen Körpers als die Hand, haben nicht den geringsten Reiz für ihn. X. ist oft sehr deprimiert über seine Anomalie. Er schäme sich vor den unschuldigen Augen seiner Kinder und bitte Gott, daß sie niemals werden mögen wie ihr Vater ( Krafft-Ebing).

Wir haben nun einige besonders interessante Fälle von Fetischismus zu besprechen, die – auf den ersten Blick – auch noch zum Gegenstandsfetischismus gehören, bei denen aber in Wirklichkeit nicht mehr der eine oder der andere Gegenstand das Sexualobjekt bildet, sondern eine Tathandlung. Dabei werden zwar Gegenstände, sowohl am eigenen Körper, wie am fremden Menschen, verwendet, aber es kommt vor allem auf eine bestimmte Situation, auf ein bestimmtes Arrangement an. Es ist dabei sehr eigenartig, daß es sich in erster Linie gewöhnlich darum handelt, einen Zwang herzustellen, sei es, daß man diesen selbst empfinden will, sei es, daß man ihn andern Personen zu bereiten wünscht. Die Verbindung mit masochistischen oder sadistischen Strebungen hegt dabei auf der Hand.

Diese Gruppe bildet gleichzeitig einen Übergang zu einer Anzahl höchst merkwürdiger Formen des Fetischismus, die zum Teil zum Absonderlichsten und auch zum Grauenhaftesten gehören, was im Bereich sexueller Triebabweichungen möglich und denkbar ist.

Daß der Zwang den Fetisch bildet, ist beim ersten Fall ( Sigg) vielleicht noch etwas weniger deutlich erkennbar, doch ist die dort angeführte Vorliebe für Handschuhe weniger wichtig als die Neigung nach » engem Kontakt mit dem Leder«. Beim zweiten Fall ( Hammond) ist sicherlich der Zwang der eigentliche Fetisch, und es wäre verfehlt, hier einen – etwa auf Transvestitismus hinweisenden – Korsettfetischismus anzunehmen, denn es handelt sich dem Perversen offensichtlich bloß darum, mit einem leicht und unauffällig erreichbaren Werkzeug den das wahre Sexualobjekt bildenden Zwang herbeizuführen. Und sehr deutlich zeigt sich der Zwangsfetischismus, schon durch die Verschiedenheit der verwendeten Behelfe, im dritten Fall ( Löwenfeld).

Vorerst eine Mitteilung Stekels, aus der hervorgeht, in welchem frühen Lebensalter schon eine so seltsame Einstellung vorkommen kann, die hier natürlich noch vielfach Spielcharakter trägt.

Beobachtung 91. Eine Mutter teilt mir folgende Beobachtung mit: »Mein kleiner sechsjähriger Sohn pflegt schon seit seiner frühesten Kindheit sich mit Vorliebe die Füße unterhalb der Knie zusammenzubinden. Er versucht dann zu gehen, was natürlich kaum möglich ist, ihm aber ungeheuren Spaß bereitet. Er spielt sehr gerne mit Gürteln, die er sich in allen möglichen Formen um den Leib legt. Mich bittet er immer, ich möge ihn doch binden! Er verkleidet sich furchtbar gerne, zieht dann von mir Kleidungsstücke an, die ihm erreichbar sind. Das Hauptvergnügen für ihn dabei ist, sich das Gesicht einzupudern. Sein Ideal wäre aber, wenn ich ihn einmal als Baby verkleiden würde. Er bettelt mich immer an, ich soll ihn doch einbinden wie einen Säugling, in eine Decke wickeln und dann herumtragen. Eines seiner Lieblingsspiele war es auch, sich die Vorhangschnur als Schlinge um den Hals zu legen, wobei er sie fest anzog. Dann rief er: ›Schau, Mama, ich erwürge mich!‹« ( Stekel).

Und nun zu den eigentlichen Krankengeschichten:

Beobachtung 92. X., 30 Jahre, körperlich gesund, intelligent, mit 7 Jahren bereits gegenseitige Onanie, mit 9 Jahren der erste fetischistische Akt, indem X. die braunen Lederhandschuhe der Mutter fest zwischen Anus und Scrotum gegen den Damm preßte, sie dann anzog und damit onanierte.

Später verfiel er darauf, dazu Gummischläuche von Irrigatoren zu verwenden, die er sich um den Penis wickelte.

Nach seinem 12. Jahre bekamen die Handschuhe noch ausgesprochenere sexuelle Bedeutung. Sein Hauptinteresse galt schwarzen oder braunen Handschuhen; seidene oder gar weiße machten keinerlei Eindruck auf ihn.

Seine Vorliebe für Gummigegenstände nahm immer weiter zu. Er benützte zu Hause gefundene Gummisonden, um eine Urethra bis in die Blase zu sondieren, und machte sich Rektumeinläufe. Ein Schaufenster eines Sanitätsgeschäftes war für ihn einer der größten Genüsse.

Trotz dieses starken Gummifetischismus hatte er ein sexuelles Normalverhältnis, mit dem er etliche Male in der Woche normal koitierte. Schließlich verheiratete er sich und hatte mit seiner Frau 3 Kinder, doch war die Ehe schlecht, weil die Frau bald seinen Fetischismus erkannte. Auch interessierten ihn die Handschuhe mehr als je.

In der Straßenbahn nahm er mit Vorliebe einen Platz ein, wo er alle Damen übersehen konnte. Auch im Theater und in Konzerten schaute er nach den Handschuhen aus. Sah er neue braune oder schwarze Damenhandschuhe, so stieg gleich der Wunsch in ihm auf, sie in seine Hand zu nehmen, das Leder zu berühren. Er meinte, daß er nicht zu andern Frauen gegangen wäre, wenn seine Frau die ihr oft zurechtgelegten Handschuhe zum Spazierengehen angezogen hätte. Er drohte ihr daher oft, wenn sie sich weigere, gehe er zu solchen Frauen, von denen er wisse, daß sie seinem Wunsche willfahren würden. Die Handschuhe hätten dermaßen auf ihn gewirkt, daß er immer erst die Augen habe reiben müssen, um den Blick von ihnen abwenden zu können. Gleichzeitig habe er gewünscht, mit solchen Handschuhen onanieren oder sexuellen Verkehr mit deren Trägerinnen pflegen zu können. Sie müssen ganz straff anliegen, es darf keine Falte geben, sie müssen absolut sauber sein; defekte kann er nicht sehen. Auch gewöhnliche Handschuhe aus Hirschleder interessieren ihn keineswegs. Verschenkte Handschuhe, die er wieder zurückverlangte und sie gegen andere austauschte, trug er mit Vorliebe in der Tasche bei sich. Er schloß sie in das Innere seiner Hand, drückte, rieb beständig daran herum und war dabei befriedigt. Er konnte lange Zeit Damen mit neuen schwarzen Handschuhen nachgehen und seine beruflichen Obliegenheiten ganz vergessen. Immer aber drückte ihn das beängstigende Gefühl, dabei von Bekannten erwischt zu werden. So hatte er im Theater beständig Angst vor seinen Blicken auf Handschuhe. Er zog sich zu Hause selber Handschuhe an, onanierte damit, aber nur, wenn er sich sicher fühlte, oder im Bett, wo er auf raffinierte Weise seine Frau zu täuschen wußte.

Ging er auf Reisen, so schickte er im verborgenen immer seine Fetischsammlung voraus und freute sich kindlich auf die Nacht, wo er ungestört mit sich selber leben konnte. Es war eine große Kartonschachtel mit Magensonden, Irrigatorenschläuchen, Gummiflaschen, langen schwarzen Strümpfen, Badehauben, Eisbeuteln, Präservativen und einigen Dutzend Ansätzen zu Pravazspritzen; ferner fanden sich da Lederschürzen, ein mit Leder gefüttertes Korsett selbst angefertigt), Ledergamaschen, eine Ledermaske über den Kopf mit Öffnungen für Augen, Nase, Mund, Lederärmel, die von der Schulter bis zu den Fingern reichten, und schwarze Lederhandschuhe, sowie eine Menge gesammelter Handschuhe und kleiner Gummiartikel, die er sich auch unter das Kissen legte. Patient sagt selber, er habe immer einen möglichst engen Kontakt mit dem Leder gesucht, und zwar habe alles möglichst fest auf der Hand aufsitzen müssen.

Patient hatte stets masochistische Tendenzen aufgewiesen, die nun durch den Verkehr mit einer sadistischen Frau sehr unterstützt wurden. Er ließ sich fast blutig schlagen und ließ sich in Kreuzstellung mit nach oben gewendetem Rücken ans Bett schnallen. Patient geißelte sich auch selbst, wozu er seine Magensonden verwendete. Seiner Frau gegenüber wurde er vollkommen impotent ( Sigg).

Beobachtung 93. Der Patient ist ein feingebildeter, hochachtbarer Herr und Vater von 4 gesunden Kindern, die aus einer äußerst glücklichen Ehe stammen. » Früh schon«, sagte er, »lange vor meiner Pubertät, besaß ich eine Vorliebe für häusliche Beschäftigungen, weibliche Spiele und selbst Kleidung, obwohl ich es hinsichtlich der letzteren nur bis zum Tragen von Mädchenschuhen brachte. Ich bewunderte auch bei Damen enge Taillen und versuchte im Alter von 14 Jahren, mir selbst ein Korsett zu verschaffen. Als ich älter wurde, wuchs meine Vorliebe für weibliche Kleidung, aber da ich keine Schwestern hatte, so bestand meine ganze Befriedigung darin, daß ich Romane las, die von einer Frau handelten, usw. Ich verfaßte mehrere Erzählungen unter dem Titel: ›Abenteuer in der Krinoline‹ und schrieb noch andere Novellen ähnlichen Inhaltes. Sie wurden gedruckt und reißend abgesetzt. Auch heute noch lasse ich selten eine Gelegenheit vorübergehen, wenn ich Frauenrollen von Männern auf der Bühne dargestellt sehen kann.«

Mit 21 Jahren trug er selbst Korsette, die er über alles liebte, und obwohl er sich mehrere Jahre sehr eng schnürte, schien er doch in seiner Gesundheit keine Beeinträchtigung erlitten zu haben. Er gab zu, daß er immer eine gewisse sinnliche Befriedigung dadurch erlangt habe. Zuerst zwar stellten sich Schmerzempfindungen in der Regio pubica und Erektionen ein. Bald aber fand er heraus, wenn er sein Korsett ganz fest anzog, daß die Erektionen aufhörten und Kopulation sowie Masturbation ganz unmöglich wurden.

Aus Furcht vor Impotenz und andern nachteiligen Wirkungen, die infolge der Onanie eintreten könnten, vermied er ängstlich jede willkürliche Samenentleerung und hielt sich bis zu seiner Verheiratung völlig abstinent. Er erinnerte sich indessen, daß er dreimal willkürliche Samenentleerungen am Tage gehabt habe. Das erstemal passierte dies während des Reitens, was ihn veranlaßte, diese sonst heilsame Übung aufzugeben. Die andern Pollutionen traten ein, während er ein Paar ganz enge Schuhe (Damenschuhe mit französischen Absätzen) anzog und zuknöpfte.

Nach seiner Verheiratung trug er kein Korsett und auch sonst keine Frauenkleidung (mit seltenen Ausnahmen), bis 2 Kinder ihn von seiner Potenz überzeugten.

Zu dieser Zeit begann unser Patient den Versuchungen, die ihn überall verfolgten, nachzugeben und verfiel wieder in das alte Laster. Aber ich will ihn selbst reden lassen: »Ich kaufte mir«, sagte er, »ein Paar sehr elegante, hohe Damenschuhe mit französischen Absätzen, die mir anfangs so eng saßen, daß ich hinken mußte.« Diese Stiefel trug er bei schönem Wetter offen auf der Promenade, indem er die Beinkleider hochhob, um die Absätze zeigen zu können. Bei schlechtem Wetter pflegte er jene Stiefel einmal in der Woche anzuziehen und sie vor einem großen Spiegel zuzuknöpfen. Dies brachte fast immer eine Erektion und sogar eine Samenentleerung hervor.

Als dies den Reiz der Neuheit verloren hatte, kaufte er sich wieder ein Korsett. So oft er es nun unbemerkt tun konnte, trug er dasselbe und schnürte es manchmal so fest, daß er fast ohnmächtig wurde. Diese beiden Gegenstände, Knöpfelschuhe und Korsette, schienen einen ganz besonderen Einfluß auf ihn auszuüben. Oft hatte er in der Pferdebahn, wenn eine Dame mit schmaler Taille und zierlichem Fuß ihm gegenübersaß, eine Art idealen Beischlafs oder, wie er es nannte, ein Ausströmen seiner Gefühle zur Geliebten hin. Roubaud erwähnt einen ganz ähnlichen Fall, in dem ein junger Mann nur bei Blondinen, wenn sie ein Korsett, hohe Stiefel und ein seidenes Kleid trugen, nicht impotent war Siehe Beobachtung 55.. Die letzten drei Gegenstände hatten auch auf unseren Patienten einen großen Einfluß, mochte der Träger derselben ein Mann oder eine Frau sein.

Bald gab er sich seinem Hange immer mehr hin, indem er neben verschiedenen andern weiblichen Kleidungsstücken sich schließlich ein schwarzseidenes Kleid kaufte, das ihm ganz eng saß und auf das er sehr stolz war. Locken und Reifen, falsches Haar, Ohrringe und Busennadeln, alles mußte seine Leidenschaften schüren. Ja, er konnte stundenlang eng geschnürt sitzen, während ein Friseur seine Haare nach Frauenart kräuselte und frisierte. Zuletzt trug er sein neues schwarzseidenes Kleid sogar, wenn er spazieren oder in die Kirche ging, und hob es auf der einen Seite auf, um die weiße, gefaltete Rockborte und die Stiefel mit den hohen französischen Absätzen zu zeigen. Mit stark ausgepolsterter Brust, eng geschnürter Taille und enormem Cul de Paris, mit phantastisch geformtem Haar, Ohrringen und äußerst engen und unbequemen Stiefeln konnte er zu seiner größten Freude meilenweit gehen und stundenlang tanzen. Es schien wirklich der körperliche Schmerz für seine Glückseligkeit nötig zu sein, und er weidete sich förmlich daran, wofern der Schmerz nur durch ein weibliches Kleidungsstück verursacht wurde. Wenn er auch die Manieren und Gewohnheiten von Frauen nachahmte, so mißbrauchte er seine Verkleidung doch niemals zu unlauteren Zwecken, abgesehen davon, daß er gelegentlich eine Ejakulation hervorrief.

Wie bereits erwähnt, empfahl er das enge Schnüren aufs wärmste; er hatte viel über diese Materie gelesen und die ganze Literatur gesammelt, die für oder gegen diesen Gegenstand geschrieben war. Er versuchte öfters, sich so eng zu schnüren, daß er ohnmächtig werden würde, jedoch gelang ihm dies nicht. Er überredete auch seine Frau, sich zu schnüren, und zog ihr Korsett täglich enger, bis er ihre Taille um fast 15 Zentimeter im Umfang verkleinert hatte, was ihm ebenfalls eine sinnliche Befriedigung gab ( Hammond).

Beobachtung 94. Die erste Spur einer perversen Neigung merkte ich an mir schon in meinen Kinder- und Knabenjahren; damals empfand ich schon eine wollüstige Empfindung, wenn ich an andern Knaben Rohrstiefel mit steifen Schäften sah, besonders solche mit Lackleder. Ich muß hier vor allem einschalten, daß mein Vater von Beruf Schuhmacher war, ich also ein großes Feld für meine Leidenschaft hatte. Deutlich erinnerte ich mich noch, in den ersten Schuljahren öfters einem Knaben nachgeschlichen zu sein, der solche Stiefel trug. Die Neigung nahm aber bald einen größeren Umfang an und richtete sich auch auf Mädchen, die weiße Strümpfe und Schuhe mit Spangen trugen, wie man dies früher oft sehen konnte.

Auch trieb ich damals schon Onanie. Ich konnte mich im Bette in eine gewisse wollüstige Stellung bringen, mich meinen Gedanken an Schuhe hingeben und ein gewisses Höchstgefühl von Wollust haben. Mein Hang für Schuhe vermehrte sich nun und dehnte sich auch auf Knopfstiefel aus. Ich wurde im Geschmack förmlich raffiniert, vor allem verehrte ich solche Stiefel und Schuhe, die Mädchen und Frauen gehörten, die nur wenig oder gar keinen Fußschweiß hatten. Die Schuhe von solchen verglich ich im Geiste nur mit einem »engelreinen Kelche«. Es reizten mich auch vor allem solche Knopfstiefel, die mit weißem Flanell gefüttert waren, der Duft eines solchen Stiefels konnte mich förmlich berauschen.

Ich mochte vielleicht 10 bis 12 Jahre zählen, als ich anfing, solche Knaben und Mädchen mit Interesse zu beobachten, die steife Kragen trugen. Zu jener Zeit waren gewisse breite Leinenchemisetten für Knaben und Mädchen im Gebrauch, und es machte mir ein Wollustgefühl, an diesen steifen Kragen zu kratzen. Ich erinnere mich an einen kleinen Verwandten, damals einen hübschen Jungen, der ein solches Ding am Halse hatte; er sagte zu mir, es sei ihm zu eng, und zeigte mir eine wunde Stelle am Halse, die ihm der Kragen verursacht hatte; damals empfand ich eine heftige geschlechtliche Erregung. Seit jener Zeit war ich wie von einem höllischen Zauber umstrickt; die Gedanken an steife weiße Kragen gewannen immer mehr Raum, insbesondere konnte mich der Anblick eines solchen Kragens an einem hübschen Mädchen ganz rasend machen. Ich bekam jedesmal heftiges Herzklopfen und geschlechtliche Erregung; wenn der Kragen zu hoch war, ein förmliches Gefühl von Schwindel. Dazwischen kamen auch noch die Neigungen für Schuhe, Knopfstiefel usw.

Wenn ich z. B. eine (am besten schwarzgekleidete) Dame sah, die einen hohen, engen Kragen trug, so ging ich ihr oft so lange nach, bis sie mit der Hand eine Bewegung am Kragen machte, als ob der hohe Kragen ihr eine Unbequemlichkeit verursache – in diesem Momente fühlte ich immer einen Schlag, einen Druck am Herzen, den ich am besten mit einer Blutwelle vergleichen möchte.

Ich kaufte einem Mädchen damals einen hohen Leinenkragen, ein paar Manschetten und freute mich wahnsinnig, einen genußreichen Abend zu haben. Sie zeigte auch hierfür viel Sinn, ich konnte mich nicht sattsehen jenen Abend an ihr, buchstäblich gesprochen, sie mußte mir unzählige Male immer wieder den Kragen, den sie sich auf mein glühendes Bitten recht eng gerichtet hatte, mit den Fingern lockern, und als ich bemerkte, daß an ihrem Hals eine aufgescheuerte Stelle entstand, verspürte ich die Sinneslust, wie sie ein Sadist vielleicht empfindet. So oft sie die Hand an den Kragen legte, gingen mir die sinnlichen Wellen durch den Körper. Ähnliches könnte ich schildern, als sie einst neue Knopfstiefel trug; als ich die neuen Stiefel sah, stand mir schon wieder der Genuß vor Augen, den mir das Anziehen geben würde.

Ich darf hier nicht vergessen, eine neue Liebhaberei zu erwähnen, die sich bei mir schon seit geraumer Zeit gebildet hatte: die Liebhaberei für enge Ärmel. Dem Mädchen nun wußte ich hierfür Interesse einzuflößen. Sie war von etwas voller Figur, und es machte mir Genuß, ihr unter den Arm zu greifen und den Schweiß spüren zu können, wenn sie eine anschließende Taille getragen hatte ( Löwenfeld).

Der Zwang, der, wie wir bereits ausgeführt haben, hier den eigentlichen Fetisch bildet, kann aber noch weit stärker ausgeprägt auftreten. Zur Einführung in diese Verhältnisse sei zunächst ein sehr interessanter Fall von Seitz mitgeteilt:

Beobachtung 95. Am 5. April 1913 wurde der Kanonier K. in der Wohnung seiner Mutter erhängt aufgefunden. Der Körper hing am Hals in einer Schlinge aus breitem, leinenem Gurt, die an einem Bettpfosten befestigt war. Auf dem Kopf trug der Mann eine Perücke mit langen Werghaaren, über Stirn und Kinn waren Teilstücke eines Fußballs aus rotem Gummi nach Art einer Maske mit Augen- und Nasenausschnitten versehen gezogen und mit Schnüren am Hinterkopf befestigt. Die Mitte des Gesichts war mit einer einfachen schwarzen Samtmaske bedeckt. Penis und Hodensack staken in einem Lederbeutel, waren mit einem Riemen und unterhalb dieses der Penis allein noch einmal mit einer Lederleine abgeschnürt, der übrige Körper, vollständig nackt, lag in zusammengekauerter Stellung zwischen Bett und Wand.

An der Leiche fanden sich: am rechten Oberschenkel deutliche Spuren einer Geißelung, an der einen Seite des linken Oberarms eine etwa zehnpfennigstückgroße Brandwunde, offenbar von einer Zigarre herrührend, am linken Handgelenk eine undeutliche Quetschung, anscheinend von einer Fesselung verursacht.

Der Lederbeutel zeigte im Innern Flecke, die zum Teil noch naß waren, Samenflüssigkeit befand sich nicht darin. Auf dem Bett des K. fanden sich eine neunschwänzige Geißel und ein Buch über die spanische Inquisition, worin die angewendeten Foltern ausführlich geschildert und teilweise bildlich dargestellt waren. Aufgeschlagen war ein Bild, wie an einem jungen Mädchen die Wasserfolter von mehreren maskierten Henkern vollzogen wird. Dieses Bild klärte den Fall; außerdem wurde mitgeteilt, daß K. leidenschaftlich Schauerromane, Hexen- und Inquisitionsprozesse mit ihren Foltern las. Es fand sich eine Kiste, die K. stets sorgfältig unter Verschluß gehalten hatte. Sie war angefüllt mit Schellen für Hand- und Fußgelenke, Eisenstangen usw., alles nach aus Büchern stammenden Zeichnungen ausgeführt ( Seitz).

Dieser Fall steht nicht vereinzelt da; so wurde in Berlin ein Offizier, eng in ein Korsett eingeschnürt, tot aufgefunden, in Graz ein Priester, den in einer höchst komplizierten Selbstfesselung mit Ketten aller Art der Tod ereilt hatte usw. Man hat bei der Deutung solcher Befunde geschwankt, ob hier ein reiner Fetischismus vorliege, oder ob es sich um eine Wechselbeziehung zwischen Sadismus und Masochismus handle. Wir brauchen nur an den Fall Seitz zu erinnern, bei dem der Perverse sich an sadistischen Vorstellungen berauschte und gleichzeitig sich selbst als Masochisten behandelte, um zu verstehen, warum eine solche Wechselbeziehung in den Kreis der Erwägungen gezogen wurde. Und es sei gleichzeitig hier vorweggenommen, daß solche Befunde zu der Konstruktion eines Sado-Masochismus beigetragen haben.

Wir glauben indes, daß es sich hier um einen gänzlich andern Vorgang handelt, den wir bereits früher als Identifikation, bzw. Übertragung erwähnt haben, und den Moll als Einfühlung bezeichnet. Es gibt eben Menschen, in denen der Wunsch, bestimmte Handlungen vorzunehmen, so übermächtig ist, daß es ihnen gar nicht mehr auf das Objekt ankommt. Wenn es nun in Anbetracht der sehr komplizierten Tathandlungen, die unter allen Umständen durchgeführt werden sollen, besonders schwierig ist, ein geeignetes Objekt zu finden, oder wenn die Tathandlung an sich mit den Gesetzen in Konflikt bringen würde, dann begnügen sich solche Menschen damit, sie an sich selbst auszuführen. Ein bezeichnendes Beispiel dieser Art ist etwa Beobachtung 43, wo der Perverse sich selbst Hautstücke abschnitt und diese verzehrte (Identifikation). Für die Übertragung beweisend ist u. a. die Beobachtung 40, wo sich der Patient vorstellt, er sei der Arbeiter mit den roten, geschwollenen, schweißigen Füßen – worauf der größte Orgasmus eintritt. Auch der Fußfetischist Krafft-Ebings (Beobachtung 41) ersetzt sein Ideal, den Anblick von Männern mit bloßen Füßen, dadurch, daß er selbst barfuß geht. Fetischisten, deren Sexualobjekt Körperfehler (Hinken) bilden, ahmen diesen Defekt fast immer nach (Beobachtung 45). Auch jene Wäschefetischisten, die den Fetisch (weibliche Unterwäsche, Schürzen usw.) selbst anziehen, dürften weniger transvestitisch eingestellt sein, als eben das naheliegendste Objekt, die eigene Person wählen.

Wenn wir nun zu jenen Tathandlungen zurückkehren, die mit dem Tode der Perversen endeten, so können wir sie jetzt also dahin deuten, daß es sich bei ihnen um einen sadistisch gefärbten Fesselungsfetischismus, also um eine Unterart des Zwangsfetischismus gehandelt hat. Sie beweisen denn auch nichts für die Existenz eines Sado-Masochismus.

Letzten Endes ist der Zwangsfetischismus auch dann und dort, wo er nach außen hin in leichteren Formen erscheint, wie als Korsettfetischismus und dergleichen, sehr wahrscheinlich innerhalb des gesamten Fetischismus jene Art, die am weitesten vom Normalen entfernt ist. Und zwar wegen der engen Verwandtschaft, in der er mit den aus der Psychiatrie bekannten Zwangsneurosen steht, die sich ja eigentlich von ihm nur durch das Fehlen bewußter Sexuallust unterscheiden. Es ist das von einer gewissen praktischen Bedeutung; denn die moderne Tiefenpsychologie hat sich gerade mit den Zwangsneurosen vielfach beschäftigt und auch so manche von ihnen geheilt. Es erscheint also möglich, von hier aus die Wege zu finden, auf denen auch jene Fetischisten von ihrer Einstellung erlöst und befreit werden können.

Hier möchten wir nun die Besprechung einer – erfreulicherweise sehr seltenen – Perversion anschließen, der Nekrophilie. Dies deshalb, weil sie noch am ehesten zu verstehen ist, wenn man sie als Fetischismus mit sadistischem Einschlag auffaßt, da es sich hier ja im wesentlichen um ein Vergewaltigen, Inbesitznehmen eines absolut wehrlosen menschlichen Objekts, nämlich einer Leiche, handelt. Man darf ruhig annehmen, daß die Nekrophilen nicht mehr Sexualneurotiker sind, sondern bereits echte Psychopathen, wofür auch Krafft-Ebing eingetreten ist.

Beobachtung 96. X., 50 Jahre alt, benützt im Lupanar nur Puellae, die weißgekleidet, unbeweglich, eine Tote markierend, daliegen. Er hat die Leiche seiner eigenen Schwester geschändet, immissione mentulae in os mortuae usque ad ejaculationem. Er hat überdies fetischistische Anwandlungen zu den Schamhaaren der Puellae und Nagelabschnitzeln von Mädchen, da ihn der Genuß der Nägel sexuell mächtig erregt ( Neri).

Beobachtung 97. X., Prälat, erschien zeitweise in einem Pariser Bordell wo ihn über seine Bestellung eine Prostituierte als Leiche, weiß geschminkt, auf dem Paradebett liegend, erwartete. Hora destinata in cubiculum quasi funestum et lugubre factum vestimento sacerdotali exornatus intravit, ita se gessit, acsi mittam legeret, tum se in puellam coniecit, quae per totum tempus mortuam se esse simulare debuit ( Taxil).

Daß hier offenkundig Zusammenhänge mit dem bereits früher erwähnten Kostümfetischismus bestehen, ist klar, und Fälle dieser Art dürften keineswegs vereinzelt sein.

Bei der nächsten Beobachtung tritt hingegen das sadistische Moment mit grauenhafter Deutlichkeit in den Vordergrund, so daß sie geradezu ein Beispiel dafür ist, wie schwer sich oft entscheiden läßt, welcher Gruppe eine bestimmte Triebabweichung einzuordnen ist. Denn es läßt sich keineswegs mit Bestimmtheit sagen, ob man solche Greueltaten mit dem Lustmord in Verbindung bringen und also dem Sadismus zurechnen soll, oder ob man von der Wahl des Sexualobjektes, hier also der Leiche, auszugehen und sie als Fetischismus aufzufassen hat.

Beobachtung 98. X. war angeblich schon als Kind mit einem unerklärlichen Zerstörungsdrange behaftet, so daß er alles, was er gerade zur Hand hatte, zerbrach. Bereits in früher Kindheit kam er ohne jede Verführung zur Onanie, mit 9 Jahren begann er Neigung zu Personen andern Geschlechts zu verspüren. Mit 13 Jahren erwachte in ihm mächtig der Drang zur geschlechtlichen Befriedigung an Frauen; er onanierte nun sehr viel. Dabei stellte er sich in seiner Phantasie ein Zimmer voll von Frauen vor, er phantasierte dabei, daß er den Geschlechtsakt mit ihnen ausübe und sie dann martere. Darauf stellte er sie sich als Leichen vor, und wie er sie als Leichen befleckte. Gelegentlich kam es dabei auch zur Vorstellung, es mit männlichen Leichen zu tun zu haben, aber sie war mit Ekel betont.

Mit der Zeit empfand er den Drang, mit wirklichen Leichen derartige Situationen durchzumachen. Aus Mangel an menschlichen Leichen verschaffte er sich Tierkadaver, schlitzte ihnen den Leib auf, riß die Eingeweide heraus und masturbierte dabei. Er habe dabei einen unsäglichen Genuß empfunden. Später bekam er zum erstenmal das Gelüste, Menschenleichen zu benutzen. Er scheute sich anfangs davor; als er aber, etwa ein Jahr später, auf dem Kirchhof ein frisches Grab sah, kam dieser Drang unter Kopfweh und Herzklopfen mit solcher Macht, daß er trotz der Gefahr der Entdeckung die Leiche ausgrub. Da ein geeignetes Instrument, sie zu zerstückeln, fehlte, begnügte er sich, sie mit der Totengräberschaufel voll Wut zu hauen.

In den beiden folgenden Jahren stellte sich angeblich in Zwischenräumen von etwa 14 Tagen und unter heftigem Kopfweh der Drang ein, an Leichen Brutalitäten zu verüben. Unter den größten Gefahren und Schwierigkeiten genügte er etwa 15mal diesem Trieb. Er grub die Leichen mit den Händen aus und spürte vor Erregung gar nicht die Verletzungen, die er sich dabei zuzog. Dann schnitt er die Leichen mit einem Säbel oder einem Taschenmesser auf, riß die Eingeweide heraus und masturbierte in dieser Situation. Das Geschlecht der Toten war ihm angeblich ganz gleichgültig. Jedoch wurde festgestellt, daß dieser moderne Vampir mehr weibliche als männliche Leichen ausgegraben hatte. Während dieser Akte sei er in unbeschreiblicher geschlechtlicher Aufregung gewesen. Nachdem er sie zerschnitten hatte, grub er die Leichen wieder ein.

Nachdem er 1½ Jahre diese scheußlichen Akte verübt hatte, geriet er zufällig an die Leiche eines etwa 16jährigen Mädchens. Da erwachte zum erstenmal in ihm das Gelüste, an dem Kadaver den Koitus auszuüben: »Ich bedeckte ihn allenthalben mit Küssen, drückte ihn wie rasend an mein Herz. Alles, was man an einem lebendigen Weibe genießen kann, war nichts im Vergleich zu dem empfundenen Genuß. Nachdem ich diesen etwa eine Viertelstunde gekostet, zerstückelte ich wie gewöhnlich die Leiche und riß die Eingeweide heraus. Dann begrub ich den Kadaver wieder.« Erst von da an soll X. den Drang verspürt haben, Leichen vor der Zerstückelung geschlechtlich zu benutzen. Und er habe dies in der Folge bei etwa drei weiblichen Leichen getan. Das eigentliche Motiv des Leichenausgrabens sei aber nach wie vor das Zerstückeln gewesen, und der Genuß bei dieser Handlung war größer als beim Geschlechtsakt mit der Leiche. Denn dieser habe immer nur eine Episode gebildet und niemals seine Brunst gestillt, weshalb er immer nachher dieselbe oder eine andere Leiche zerstückelt habe ( Michéa- Lunier- Tardieu- Legrand).

Dieser Fall ist zweifelsohne den aus der Nachkriegszeit bekannten, nur ungenügend geklärten Fällen Haarmann und Großmann ähnlich.

Zum Schlusse noch der Fall eines ganz typischen Nekrophilen.

Beobachtung 99. X., ein junger Mann aus vornehmem Hause, hatte sich nach Bestechung der Leichenwärter zur Leiche eines 16jährigen Mädchens aus guter Familie eingeschlichen. Nachts hörte man im Totenzimmer ein Geräusch, wie wenn ein Möbelstück umfalle. Die Mutter des gestorbenen Mädchens drang ein und bemerkte einen Mann, der im Nachthemd vom Bett der Toten herabsprang. Man meinte zuerst, man habe es mit einem Diebe zu tun, erkannte aber bald die wahre Situation. Es stellte sich heraus, daß X. schon öfter die Leichen junger Frauen geschändet hatte ( Brierre de Boismont).

Mit der Nekrophilie haben wir gewissermaßen die Besprechung einer Reihe von perversen Akten eingeleitet, die zweifelsohne zum Fetischismus gehören. Freilich bildet bei ihnen nicht mehr ein Teil des Körpers oder ein bestimmter Gegenstand den Fetisch, sondern ungefähr so, wie wir das bei der Besprechung des Zwanges dargetan haben, eine bestimmte Tathandlung, die die Perversen herbeiführen oder erleiden oder bloß ansehen und miterleben wollen. Wir haben dann als Fetisch die Situation oder das Arrangement anzusehen. Gewisse Anklänge findet man bei allen Arten des Fetischismus, aber es gibt doch einige Formen, bei denen dieser seltsame Fetisch das eigentliche Wesen der ganzen Triebabweichung bildet.

Es ist nicht leicht, diese ganzen Tatsachen und Zusammenhänge darzustellen, schon deshalb, weil hierüber wenig klinisches Material vorliegt, oder weil so manche hierher gehörige Akte andern Triebabweichungen zugeordnet wurden, wie z. B. die aktive Flagellomanie zum Sadismus, die Koprolagnie zum Masochismus usw. Man könnte bei dieser Gruppe auch den Exhibitionismus einreihen; doch ist dieser eine so fest umrissene Triebabweichung und zudem praktisch so wichtig, daß seiner Besprechung ein eigener Abschnitt gewidmet ist.. Verschiedene Tathandlungen, z. B. auf dem Gebiet der Verbalerotik, werden entweder der Hypersexualität zugerechnet oder gar nicht als pervers betrachtet – zumal sie nicht so selten mit einem sonst durchaus normalen Geschlechtsleben verbunden sind.

Überhaupt lassen sich manche dieser perversen Akte auf einen gewissen sexuellen Spieltrieb zurückführen; man findet auf diesem Gebiet alle möglichen Übergänge, von sexuell undifferenzierten Personen bis zu schwer degenerierten Menschen. Auch bei den Tathandlungen selbst gibt es gewaltige Unterschiede: von solchen, die auf den ersten Blick noch ganz normal erscheinen, bis zu den seltsamsten und abwegigsten Verirrungen zieht sich eine weit gespannte Reihe, als deren einziges Kennzeichen eigentlich anzusehen ist, daß immer wieder die Befriedigung der Geschlechtslust durch inadäquate Mittel erstrebt wird. Es wäre irrig zu glauben, daß hier der normale Koitus, der bei den schweren Formen des Fetischismus ja gänzlich ausgeschaltet ist, nicht vorkomme. Denn einerseits gibt es natürlich genug Menschen, in deren Geschlechtsleben die Perversion bloß irgendwie hineinspielt, anderseits findet man immer wieder Personen, die nur über spärliche und schwache Hemmungen verfügen, und die also bei günstiger Gelegenheit oder unter dem Einfluß einer Verführung perverse Akte tätigen, ohne selbst pervers zu sein.

Diese ganze Gruppe ist klinisch von verhältnismäßig geringem Interesse, um so wichtiger ist sie sozial. Denn wenn wir auch vom ärztlichen Standpunkt aus moralische Wertungen zu vermeiden haben, so muß doch gesagt werden, daß Menschen dieser Art um ihrer inneren Haltlosigkeit und ihres Mangels an Hemmungen willen sozial unerfreuliche, ja schädliche Elemente darstellen. Die Tatsache, daß verschiedene perverse Akte gesetzlich geahndet werden, ist also zumindest im Hinblick auf diese Individuen durchaus zu vertreten, zumal der für sie kennzeichnende Mangel an sittlichem Ernst sich auch auf die Objektwahl erstreckt und somit auch Kinder und Jugendliche nicht selten gefährdet. Die Grenze zwischen sexuellem Spieltrieb und echtem Laster läßt sich ja niemals scharf ziehen.

Wir besprechen zunächst eine sehr seltsame Triebabweichung, die Krafft-Ebing noch dem Sadismus zugerechnet hat, obwohl er bereits selbst bemerkt, daß Garnier Fälle dieser Art auf den Fetischismus zurückgeführt hat; Krafft-Ebing spricht deshalb auch von Sadofetischisten. Es handelt sich um den Drang, andere Personen zu besudeln, sei es durch beschmutzende Flüssigkeiten und dergleichen, sei es durch Ausscheidungen des eigenen Körpers. Sehr bezeichnend sind folgende Fälle:

Beobachtung 100. Ein Mann hatte eine Geliebte. Seine einzigen Beziehungen zu dieser bestanden darin, daß sie sich mit Kohle oder Ruß die Hände von ihm schwärzen ließ, dann mußte sie sich vor einen Spiegel setzen, so daß er ihre Hände in diesem sehen konnte. Während einer oft längeren Unterhaltung mit der Geliebten schaute er unverwandt nach dem Spiegelbild ihrer Hände und empfahl sich dann nach einiger Zeit sehr befriedigt ( Wulffen).

Beobachtung 101. Ein 18jähriger Töpfergeselle hatte helle Kleider, Theater- und Abendmäntel mit Ruß beworfen. In nicht weniger als 25 Fällen hatte er die Garderobe promenierender Damen auf diese Weise beschädigt ( Wulffen).

Beobachtung 102. Ein Offizier war in einem Lupanar zu K. nur unter dem Namen »Öl« bekannt. »Öl« erzielte Erektion und Ejakulation einzig dadurch, daß er puellam publicam nudam in einen mit Öl gefüllten Bottich treten ließ und sie am ganzen Körper einölte ( Krafft-Ebing).

Die nachstehenden Fälle haben eine deutliche Beziehung zum Wäschefetischismus:

Beobachtung 103. Y., 29 Jahre, Kaufmann, verheiratet, schwer hereditär belastet, seit dem 16. Jahre Masturbant unter Benutzung eines Taschenelektrisierapparats, neurasthenisch, impotent mit 18 Jahren, eine Zeitlang Absinthtrinker nach unglücklicher, d. h. unerwiderter Liebe, trifft eines Tages auf der Straße eine Bonne mit weißer Schürze, wie sie das Mädchen seiner Liebe zu tragen pflegte. Er kann nicht widerstehen, die Schürze zu stehlen. Er trägt sie heim, masturbiert darin, verbrennt sie dann unter neuerlicher Masturbation. Er geht auf die Straße zurück, sieht ein Weib mit weißem Kleid, faßt den wollüstig betonten Gedanken, dasselbe mit Tinte zu besudeln, tut es unter wollüstiger Erregung und schwelgt, sich masturbierend, daheim in der Erinnerung an diese Situation. Ein andermal kommt ihm beim Anblick von Frauen auf der Straße der Kitzel, deren Kleider mit einem Federmesser zu beschädigen. In der Ausführung wird er als vermeintlicher Taschendieb verhaftet. Andere Male hatten ihm zufällig an den Kleidern einer Dame wahrgenommene Flecken genügt, um zu Orgasmus und zu Ejakulation zu gelangen.

Den gleichen Effekt erzielte er, wenn er mit seiner Zigarre in die Kleider von Passantinnen Löcher brannte ( Magnan- Thoinot- Garnier).

Beobachtung 104. Ein akademisch gebildeter, 31 Jahre alter Herr, erblich schwer belastet, aus blutsverwandter Ehe, von jeher scheu, zurückgezogen, tollte mit erwachender Vita sexualis im 17. Jahr viel mit den ungefähr 11jährigen Gespielinnen seiner Schwester herum, wurde im Anblick von deren weißen Kleidern Wäschefetischist, begann zu masturbieren, wobei er sich die Gegenwart eines weißgekleideten Mädchens dachte und auch mit hellen Kleidungsstücken weiblicher Angehöriger manipulierte.

Vom 23. Jahre ab Koitus, womöglich mit einem Mädchen bekleidet mit hellem Rock. Mit 25 Jahren, seitdem er gesehen, wie ein hellgekleidetes Mädchen in seiner Begleitung mit Straßenschmutz bespritzt wurde – was ihn sexuell mächtig erregte –, Drang, Kleidungsstücke weiblicher Personen zu besudeln, später sie auch zu zerknittern und zu zerreißen. Dieser Drang war schwankend in seiner Intensität, regelmäßig provoziert durch den Anblick weißer Frauenkleider, und zeitweise so mächtig, daß er ihm mit Liquor ferri sesquichlorati oder auch Tinte genügen mußte, wobei es zu Orgasmus und Ejakulation kam.

Zuweilen Träume von weißer Frauenwäsche, mit Pollution im Moment des Berührens oder Zerknitterns derselben. Keine Geisteskrankheit im engeren Sinne ( Moll – Krafft-Ebing).

Für deutliche Verwandtschaft mit dem Haar- und Zopffetischismus spricht nachstehende Beobachtung:

Beobachtung 105. Ein Mann ging an einem festgesetzten Tage einmal monatlich zu seiner Geliebten und schnitt ihr mit einer Schere die Haare ab, welche ihr über die Stirn herabhingen. Es gewährte ihm dies den stärksten Genuß. Sonst stellte er keine Ansprüche an das Mädchen ( Pascal).

Und wie sehr es solchen Fetischisten auf das Arrangement ankommt, ergibt folgender merkwürdiger Fall:

Beobachtung 106. Ein Mann in Wien besuchte regelmäßig mehrere Prostituierte, nur um ihnen das Gesicht einzuseifen und ihnen dann mit einem Rasiermesser so über das Gesicht zu fahren, als ob er ihnen einen Bart abscheren wollte. Nunquam puellas laedit, sed haec faciens valde excitatur libidine et sperma eiaculat ( Krafft-Ebing).

Das Gegenteil dazu bildet gewissermaßen

Beobachtung 107. X., aus feinem Hause, wurde als junges, unwissendes Mädchen mit einem etwa 30jährigen Manne verheiratet. In der ersten Nacht ihres Ehelebens zwang er ihr ein Waschnäpfchen mit Seife in die Hände und wünschte dringend, ohne jedwede Liebesbezeugung, von ihr um Kinn und Hals (wie zum Barbieren) eingeschäumt zu werden. Die völlig unerfahrene junge Frau tat es und war nicht wenig erstaunt, in den ersten Wochen ihres Ehelebens dessen Geheimnisse in absolut keiner andern Form kennenzulernen; der Mann erklärte ihr beständig, daß es ihm höchster Genuß sei, von ihr im Gesicht eingeschäumt zu werden. Nachdem sie später Freundinnen zu Rate gezogen, brachte sie ihren Mann zur Ausübung des Koitus und hat, wie sie bestimmt versichert, von ihm im Laufe der Jahre drei Kinder bekommen. Der Mann ist ein fleißiger und solider, aber kurz angebundener, mürrischer Mensch, seines Zeichens Kaufmann ( KörberKrafft-Ebing).

Ins Grauenhafte reicht die Triebabweichung bei nachfolgendem Fall:

Beobachtung 108. Ich kannte einen solchen Patienten, der ein mit einem dekolletierten Ballkleid geputztes Frauenzimmer, sich in einem hell erleuchteten Zimmer auf ein niedriges Sofa hinlegen ließ. Ipse apud ianum alius cubiculi obscurati constitit adspiciendo aliquantulum feminam, excitatus in eam insiluit et excrementa in sinus eius deposuit. Haec faciens eiaculationem quandam se sentire confessus est ( Tarnowsky).

Aus der Literatur über Bordellwesen und Prostitution geht hervor, daß solche perverse Akte keineswegs vereinzelt sind; es gibt sogar Männer, die excrementa sua in os puellae deponunt.

Das Gegenstück zu dieser schweren Verirrung bildet eine andere, seltsamerweise sogar recht verbreitete Perversion, bei der die Berührung, ja der Genuß der verschiedenen Körperausscheidungen anderer Personen den Fetisch bildet. Man bezeichnet diese Triebabweichung als Koprolagnie. Solche Personen werden von einem unwiderstehlichen Drange dazu getrieben, den Urin, die Faeces, das Sputum, auch den Nasenschleim und das Ohrenschmalz, den Schweiß, ja selbst das Menstrualblut zu betasten oder zu verschlingen, und es ist von höchstem Interesse, daß es sich da nicht bloß um schwer degenerierte psychopathische Individuen handelt, sondern auch um Menschen, die sonst durchaus normal sind und ihre gesellschaftliche Stellung zu bewahren vermögen. Zur Erklärung läßt sich vermutlich die Tatsache heranziehen, daß Cunnilinguus und Fellatio weit verbreitet sind und von einer beträchtlichen Zahl von Menschen kaum mehr als perverse Akte empfunden werden. Es ist verständlich, daß sich daraus eine weitgehende Abstumpfung der Ekelgefühle ergeben kann. Die Koprolagnie kommt sowohl vereinzelt vor, also ohne andere perverse Akte, als auch als Teilerscheinung des Masochismus, was ja ohne weiteres begreiflich ist, da ein solches Verhalten unbedingt auch den Charakter einer schweren Demütigung hat. Wir werden also auch bei der Besprechung des Masochismus Beobachtungen zu bringen haben, in denen die Koprolagnie eine gewisse Rolle spielt. Es ist begreiflich, daß sich bei ausgeprägten Fällen von Koprolagnie auch sehr verschiedene andere perverse Akte finden, aber bei näherer Betrachtung erweisen auch sie ihre fetischistische Natur.

Gerade für die Koprolagnie hat Krafft-Ebing beweisende Beobachtungen gesammelt.

Beobachtung 109. X., 31 Jahre, Beamter, stammt aus neuropathisch belasteter Familie, war von Kindesbeinen auf nervös, schwächlich, litt an nächtlichem Aufschrecken. Mit 16 Jahren hatte er die erste Pollution. Mit 17 Jahren verliebte er sich in eine 28 Jahre alte, nicht hübsche Französin. Ein besonderes Interesse hatten für ihn ihre Schuhe. Sobald er es unbemerkt tun konnte, bedeckte er dieselben mit Küssen und fühlte dabei ein wonniges Erbeben. Zu Ejakulation kam es bei derlei Schuhszenen nicht. X. versichert, damals vom Unterschied der Geschlechter noch gar nichts gewußt zu haben. Seine Schuhverehrung sei ihm selbst ganz rätselhaft vorgekommen. Vom 22. Jahre ab etwa einmal monatlich Koitus. X., obwohl libidinös, fühlte sich dabei jeweils seelisch ganz unbefriedigt. Eines Tages begegnete er einer Hetäre, die durch ihre stolze Haltung, ihr faszinierendes Auge, ihr herausforderndes Wesen einen eigentümlichen Eindruck auf ihn machte. Es war ihm, als müßte er vor diesem herrischen Geschöpf in den Staub sinken, ihm die Füße küssen und wie ein Hund oder Sklave ihm folgen. Ganz besonders imponierte ihm der »majestätische« Fuß mit dem Schuh und dessen Glanzlack. Der Gedanke, einem solchen Weib als Sklave zu dienen, machte ihn wollüstig erbeben. In der folgenden Nacht konnte er nicht schlafen vor solchen Gedanken, und während er, auf dem Leib liegend, in der Phantasie diesem Weibe die Füße küßte, kam es zu einer Ejakulation. Da X. von Natur schüchtern war, seiner Potenz nicht ganz traute, überdies Abscheu vor Dirnen hatte, benutzte er in der Folge seine Entdeckung psychischer Masturbation zu seiner Befriedigung und verzichtete ganz auf wirklichen Umgang mit dem Weibe. Er dachte sich bei dieser Befriedigung den herrlichen Fuß des herrischen Weibes, zu welchem optischen Erinnerungsbild sich mit der Zeit die Geruchsvorstellung eines Damenfußes oder -schuhes gesellte. In seinen nächtlichen erotischen Ekstasen bedeckte er das Phantasiebild des Frauenfußes mit unzähligen Küssen. In erotischen Träumen folgte er gebieterischen Frauen. Es regnete. Die Domina hob ziemlich ihr Kleid, er »sah den süßen Fuß, fühlte fast dessen elastische, weiche und doch feste, warme Form, sah ein Stück Wade in rotseidenem Strumpf«; dann kam es regelmäßig zur Pollution. Ein wahrer Genuß war es X., bei Regenwetter auf der Straße herumzustreifen und derlei Traumbilder in Wirklichkeit zu schauen; glückte ihm dies, so wurde die betreffende Persönlichkeit Gegenstand seiner Träume und Fetisch seiner psychisch masturbatorischen Akte. Um die Illusion bei letzteren zu potenzieren, kam er dazu, seinen eigenen, mit dem Sekret seiner Füße eingeriebenen Strumpf sich vor die Nase zu legen. Mit dieser Hilfe gewann sein Phantasiebild auf der Höhe der Ekstase fast Wirklichkeit – er war berauscht vom Duft des vorgestellten Damenfußes, den er in größter Wollust küßte, saugte und biß, wobei dann endlich Ejakulation erfolgte. Daneben fanden sich aber auch im Traum oder in der wollüstigen Ekstase rein masochistische Bilder ein, z. B. die herrliche Frauengestalt stand nur leicht verhüllt, mit einer Peitsche in der Hand, vor ihm, er als ihr Sklave vor ihr auf der Erde kniend. Sie hieb mit der Peitsche auf ihn los, setzte ihm den Fuß auf Hals, Gesicht, Mund, bis er sich dazu herbeiließ secretum inter digitos nudos pedis eius bene olens exsugere. Um die Täuschung zu vervollständigen, benutzte er propria secreta pedum, indem er sie an die Nase brachte. In dieser Ekstase empfand er einen köstlichen Wohlgeruch, während er sonst sudorem proprium non bene olentem fand. Längere Zeit wurden diese Fetischismen abgelöst durch Podexfetischismus, wobei X. als Hilfe für seine Illusion eine Mädchenunterhose und stercus proprium naribus appositum benutzte. Darauf kam eine Zeit, wo sein Fetisch der Cunnus feminae war und er ideellen Cunnilinguus trieb. Unterstützend dabei wirkten Berühren von Fetzen aus dem Axillarteil eines weiblichen Trikotleibchens, Strümpfe, Schuhe gleicher Herkunft. Nach 6 Jahren, mit zunehmender Neurasthenie und erlahmender Phantasie, verlor X. die Fähigkeit zur dergestalt betriebenen psychischen Onanie und wurde ein gewöhnlicher Masturbant. So ging es jahrelang weiter. Zunehmende Neurasthenie zwang zu einem Kurverfahren. In der Rekonvaleszenz lernte X. ein seiner masochistischen Gefühlsweise entsprechendes Mädchen kennen, erzielte endlich Koitus unter Zuhilfenahme masochistischer Situationen und fühlte sich befriedigt. Nun lebten aber die alten fetischistischen Faszinationen und masochistischen Gelüste wieder auf, und in ihrer Befriedigung empfand X. weitaus größeren Genuß als in dem nur honoris causa und als Episode jener Scheußlichkeiten geleisteten Koitus. Das Ende dieser sexualen zynischen Existenz war eine – Heirat, zu welcher sich X., nachdem ihm seine Mätresse davongelaufen war, entschloß. X., der bereits Familienvater ist, versichert, daß er mit seiner Ehefrau genau so verkehre wie mit jener, und daß sie beide befriedigt von dieser Art des ehelichen Umgangs seien ( Krafft-Ebing).

Trotz der stark masochistisch gefärbten Phantasien dieses Falles glauben wir ihn dem Fetischismus zurechnen zu sollen; denn die Beziehung zur Geruchssphäre überwiegt ganz deutlich.

Hierher gehören weiter Fälle Cantaranos (mictio, in einem andern Falle gar defaecatio puellae ad linguam viri ante actum), Genießen von nach Fäces riechendem Konfekt, um potent zu sein; ferner folgender, gleichfalls von einem Arzt mitgeteilter Fall:

Ein im höchsten Grade verlebter russischer Fürst ließ sich von seiner Mätresse, die sich über ihn, ihm den Rücken wendend, setzen mußte, auf die Brust defäzieren und regte nur auf diese Weise die Reste seiner Libido an.

Ein anderer erhält eine Mätresse in außergewöhnlich glänzender Weise mit der ihr auferlegten Verpflichtung, ausschließlich Marzipan zu essen. Ut libidinosus fiat et eiaculare possit excrementa feminae ore excipit. Ein brasilianischer Arzt berichtet über mehrere zu seiner Kenntnis gekommene Fälle von defaecatio feminae in os viri.

Derartige Fälle kommen überall vor, und durchaus nicht selten. Alle möglichen Sekrete, Speichel, Nasenschleim, selbst Ohrenschmalz werden in diesem Sinne benutzt, ja mit Begierde verschlungen.

Hierher gehört offenbar auch der scheußliche Fall von Cantarano, in welchem dem Koitus morsus et succio an den möglichst lange nicht gewaschenen Zehen der Puella vorausgehen.

Stefanowski kannte einen alten russischen Kaufmann, qui valde delectatus fuit bibendo ea quae puellae lupanarii iusso suo in vas spuerunt.

Beobachtung 110. X., 27 Jahre alter Arbeiter, schwer belastet, mit Tic im Gesicht, Angst- und Zwangsgefühlen (besonders Agoraphobie) und Alkoholismus behaftet. Summa ei fit voluptas, si meretrices in os eius faeces et urinas deponunt. Vinum supra corpus scortorum effusum defluens ore ad meretricis cunnum adposito excipit. Valde delectatur, si sanguinem menstrualem ex vagina effluentem sugere potest. Fetischist in Damenhandschuhen und Stiefeletten, osculatur calceos sororis, pedes cuius sudore madent. Libido eius tum demum maxime satiatur, si a puellis insultatur, immo vero verberatur, ut sanguis exeat. Dum verberatur, genibus nixus veniam et clementiam puellae expetit, deinde masturbare incipit ( Neri).

Beobachtung 111. X., 45 Jahre, belastet, war schon mit 8 Jahren der Masturbation ergeben. A decimo sexto anno libidines suas bibendo recentem feminarum urinam satiavit. Tanta erat voluptas urinam bibentis ut nee aliquid olfaceret nee saperet, haec faciens. Nach dem Trinken empfand er jedesmal Ekel, Übelbefinden und faßte die besten Vorsätze, derlei künftig bleiben zu lassen. – Ein einziges Mal hatte er gleichen Genuß beim Trinken des Urins von einem 9jährigen Knaben, mit dem er einmal Fellatio getrieben hatte. Patient leidet an epileptischer Geistesstörung ( Pelanda).

Also immer wieder enge Verbindungen zwischen masochistischen und fetischistischen Neigungen; zur Koprolagnie gesellen sich Schuh-, Handschuh-, auch Wäschefetischismus oder irgendein Partialfetischismus – bis zu den seltsamsten und abscheulichsten Handlungen und Situationen.

Eine seltene Abart der Koprolagnie bilden die sogenannten Renifleurs. Es sind dies jene Personen, deren Triebabweichung gleichfalls auf die menschlichen Ausscheidungen abzielt, ohne jedoch stark genug zu sein, um einen so innigen Kontakt wie bei den eben angeführten Fällen zu erzwingen. Es genügt ihnen also, den Geruch besagter Ausscheidungen einzuatmen, weshalb sie ihre Befriedigung in Bedürfnisanstalten suchen. Bemerkenswert ist, daß es sowohl homo- wie heterosexuelle Perverse dieser Art gibt.

Tardieu, der diese Renifleurs zuerst beschrieben hat, schildert sie »qui in secretos locos nimirum theatrorum posticos convenientes quo complures feminae ad micturiendum festinant, per nares urinali odore excitati, illico se invicem polluunt«.

Auch das Betrachten von Defäkations- (Stuhlentleerung) und ähnlichen Akten scheint auf manche Menschen als sexueller Reiz zu wirken, und man hat gar nicht so selten Gelegenheit, Perverse zu beobachten, die dort, wo die Toiletten von Kaffeehäusern und ähnlichen Lokalen dies ermöglichen, sich diesen höchst eigentümlichen Genuß verschaffen. Für die Verbreitung dieser Triebabweichung spricht, daß es auch Bücher gibt, die lediglich aus Abbildungen weiblicher Personen beim Defäkationsakt bestehen, und es ist bemerkenswert, daß solche Erzeugnisse sogar aus der Biedermeierzeit stammen. Taxil hat jene Menschen, die sich sowohl durch den Geruch der Faeces, wie durch das Ansehen der Defäkation sexuell erregen, mit dem Ausdruck »Stercoraires« bezeichnet. Auch diese Form des Fetischismus gehört zu jener großen und bisher in der einschlägigen Literatur eigentlich nur wenig berücksichtigten Gruppe, bei der das Ansehen, richtiger: das Miterleben einer Situation den Fetisch bildet. Freilich darf man eben diesen Ausdruck nicht zu eng fassen, denn nur selten hat man es hier mit Fetischisten im strengsten Sinne des Wortes zu tun, weit häufiger mit Menschen, die Akte solcher Art aus einem gewissen Abwechslungsbedürfnis, einem Spieltrieb, aber auch aus Lasterhaftigkeit mit dem normalen Geschlechtsverkehr verquicken. Es ist eine unleugbare Tatsache, daß bei einer gewissen Höhe der Kultur und der Zivilisation der gewöhnliche Sexualakt dem überfeinerten Bedürfnis der Sinne des öfteren nicht mehr genügt. Es ist nun sehr interessant, daß gerade die Monogamie, und zwar besonders dann, wenn sie aus äußeren Gründen aufrechterhalten wird, den eigentlichen Nährboden für das Entstehen solcher Einstellungen und Gelüste bildet. Um das zu begreifen, braucht man sich bloß zu vergegenwärtigen, daß bei häufigem Wechsel des Sexualpartners, wie er im modernen Großstadtleben auch verheirateten Personen verhältnismäßig leicht möglich ist, die Notwendigkeit, den Akt selbst abwechslungsreicher zu gestalten, wesentlich geringer ist.

Der Laie vermag gar nicht zu ermessen, was vor allem in kleineren Orten auf diesem Gebiete möglich ist und tatsächlich auch geschieht. Geschlechtliche Verirrungen und Sexualkatastrophen, die, in die Wirklichkeit umgesetzt, alles weit hinter sich lassen würden, was sich in den Orgien der Antike, der Renaissance und des Rokokos ereignete, bilden den Inhalt der Tagträume braver, sozial durchaus eingeordneter Bürger und Bürgerinnen.

Kehren wir nach dieser – notwendigen – Abschweifung zum eigentlichen Thema zurück, so haben wir zunächst jene Fälle zu besprechen, in denen der starke Hang besteht, Geschlechtsakte zwischen andern Personen anzusehen, und die also eine gewisse Analogie zu den Fällen bilden, bei denen der Anblick des Ausscheidungsvorganges lustbetont empfunden wird. Man bezeichnet solche Perverse als Voyeurs. Es gibt da natürlich Unterarten, so z. B. solche, wo ein gleichgeschlechtlicher Sexualverkehr, besonders zwischen Frauen, anreizend wirkt, andere, wo in dieser Hinsicht pädophile Akte bevorzugt werden usw. Für solche Perverse ist es kennzeichnend, daß sie den normalen Geschlechtsverkehr nicht deshalb ablehnen, weil sie Fetischisten sind, sondern weil sie ihm überhaupt ausweichen wollen, und daß sich dann erst später, auf dieser Grundlage, diese Einstellung zum richtigen Fetischismus umwandelt. Es sind das also impotente oder potenzschwache Männer oder aber auch jüngere Personen – beiderlei Geschlechts –, die vor dem Sexualakt eine Art Angst empfinden. Die erste Gruppe ist aus der Literatur über Prostitution und Bordellwesen genugsam bekannt.

Die perverse Schaulust gilt aber, und das sogar sehr häufig, nicht nur dem Geschlechtsverkehr, sondern auch den Geschlechtsteilen anderer Personen, wobei aber gleich zu bemerken ist, daß es sich hier weniger um Fetischismus als um Sexualvorlust handelt. Keineswegs selten werden in die Türen oder Wände von Hotelzimmern oder Badeanstalten Löcher gebohrt, um auf diese Weise Personen, gewöhnlich des andern Geschlechts, bei der Entkleidung oder nackt sehen zu können. Pädophil orientierte Menschen halten sich auf Kinderspielplätzen auf, um die entblößten Genitalien kleiner Mädchen zu sehen.

In dieser Art ist bezeichnend:

Beobachtung 112. Der 33jährige verheiratete Fabrikarbeiter X. war zu wiederholten Malen tagsüber zum Teil mittels Erbrechens verschlossener Türen in den Keller eines direkt an der Straße liegenden Hauses eingedrungen und so in den Verdacht des Diebstahls gekommen. Schließlich kam die Wahrheit an den Tag. Über dem Kellerfenster fand sich ein von einem Eisenrost überdeckter Lichtschacht. X. hatte den Keller aufgesucht, um den über dem Eisenrost zur Besichtigung einer dort befindlichen Auslage verweilenden Personen weiblichen Geschlechts, insbesondere Schulmädchen, unter die Röcke sehen zu können ( Kersten).

Hierher gehört auch folgender Fall:

Beobachtung 113. X., 41 Jahre alt, Schutzmann, an sich wenig sinnlich, verheiratet, entschloß sich zur Vermeidung zu starker Familienvermehrung zum Coitus interruptus. Hierdurch und durch dienstliche Überanstrengung kam es zu neurasthenischen Beschwerden und in weiterer Folge zu einer Steigerung des Geschlechtstriebs, worauf sich bei ihm das bisher unbekannte Verlangen einstellte, in den Parkanlagen Liebespaare beim Geschlechtsverkehr zu beobachten. »An manchen Abenden – aber nur dann, wenn ich nicht vorher mit meiner Frau verkehrt hatte – kommt dann plötzlich der Drang über mich; seh ich dann solch ein Pärchen, so zieht es mich mit Gewalt zu einer Stelle, von der aus ich der Begattung zusehen kann. Ich vermag trotz aller guten Vorsätze dies dann nicht zu unterlassen. Es wird mir heiß im Kopfe, ich bekomme ein Fliehen und Zittern in allen Gliedern.«

X. sah den Beischlafvollziehungen in größter Erregung, mit erigiertem Gliede zu. Keine Masturbation, selten spontane Ejakulation, nachher starke Depression ( Horstmann).

Moll hat das Voyeurtum als Mixoskopie bezeichnet und dem Masochismus zugerechnet, in der Annahme, daß hier das Entbehren den Kernpunkt bilde.

Sexueller Spieltrieb und Laster führen auch zu einer andern ähnlichen Form geschlechtlicher Betätigung, bei der die betreffenden Personen dem Akt nicht bloß zusehen, sondern selbst an ihm teilnehmen. Man bezeichnet das als Triolismus (von Trio = Zusammenspiel dreier Personen) oder, wenn es sich gar um eine ganze Gruppe handelt, als Orgie. Es ist klar, daß es bei einer solchen Kombination nicht nur zu heterosexuellen, sondern auch zu homosexuellen Tathandlungen kommen kann; da es sich aber keineswegs ausschließlich um diese handeln muß, so besprechen wir den Triolismus hier und nicht bei der Homo- und Bisexualität. Man würde irren, wollte man den Triolismus für eine seltene Erscheinung halten, kommt er doch sogar in Volksschichten vor, in denen andere Perversionen, etwa mit Ausnahme der Hypersexualität oder des Sadismus, zu den Seltenheiten gehören. Dem widerspricht auch die Tatsache nicht, daß er in der ärztlichen Literatur so gut wie gar nicht und im forensischen Schrifttum bloß selten – gewöhnlich im Zusammenhange mit dem Verbrechen der Kuppelei – erwähnt wird. Man wird diese Perversion nur in Ausnahmefällen als echten Fetischismus aufzufassen haben, schon deshalb, weil bei ihr der Koitus eine sehr beträchtliche Rolle spielt. Sie ist hingegen in erster Linie ein Musterbeispiel für den sexuellen Spieltrieb, der dort, wo ihm nicht wesentliche Hemmungen entgegenstehen, anscheinend gerade den Triolenverkehr bevorzugt. Wenn dabei homosexuelle Akte vorkommen, so spielen sie sich fast ausnahmslos zwischen Frauen und nur höchst selten zwischen Männern ab, wie es auch weit häufiger ist, daß ein Mann gleichzeitig mit zwei Frauen, als daß eine Frau mit zwei Männern verkehrt.

Manchmal indes wird die Situation zu dritt oder die Vorbereitung eines solchen Aktes zum wahren Fetisch. Es gibt zweifelsohne Personen, die nur dann, wenn diese Vorbedingung erfüllt ist, Sexuallust erleben können; doch sind diese Fälle wesentlich seltener.

Es wurde bereits mehrfach erwähnt, daß verschiedene perverse Akte, die bisher stets und ausnahmslos andern Triebabweichungen zugerechnet wurden, eigentlich doch zum Fetischismus gehören, weil bei ihnen eine Situation, ein Arrangement den Fetisch bildet. So wie es zahlreiche Fälle von Koprolagnie gibt, in denen das masochistische Element so gut wie ganz hinter dem fetischistischen zurücktritt, so kann, ja muß man eigentlich auch die passive und die aktive Flagellomanie zum Fetischismus rechnen. Denn die durch die Flagellation erduldete oder zugefügte Demütigung, welche ja unstreitig den Hauptinhalt des Masochismus und des Sadismus bildet, tritt, vom Standpunkt des Lustgewinns aus, weit hinter der Situation, also hinter dem Schlagen, bzw. dem Geschlagenwerden zurück – womit dessen fetischistischer Charakter durchaus gegeben erscheint. Wenn wir trotzdem die Besprechung der passiven und der aktiven Flagellomanie gemeinsam mit dem Masochismus, bzw. dem Sadismus vornehmen, so sind dafür praktische Gründe maßgebend, wie wir ja auch darauf verzichtet haben, den Sadismus und den Masochismus als Untergruppen des Fetischismus darzustellen, was an und für sich ja unbedingt möglich wäre, uns aber als eine zu einschneidende Änderung des Krafft-Ebingschen Werkes erschiene.

Wir haben uns im vorstehenden mit verschiedenen Arten des Fetischismus beschäftigt, denen es gemeinsam ist, daß in ihrem Mittelpunkt stets eine Tathandlung, ein Akt steht. Wir werden später, bei der Besprechung des Masochismus, sehen, daß bei dieser Perversion verhältnismäßig oft der Gedanke die Tat ersetzt, in der Form eines Tagtraumes, einer Phantasie, manchmal auch eines echten Traumes usw. Auch beim Fetischismus findet sich eine ähnliche Erscheinung, die uns teilweise auch in das Gebiet der Sexualsymbolik hineinführt. Es gibt nämlich eine sehr große Anzahl von Menschen, die sich durch Wort, Schrift und Bild Sexuallust verschaffen, und es ist klar, daß man solche Bestrebungen und Einstellungen zum Fetischismus zu rechnen hat, schon deshalb, weil hier wiederum mit inadäquaten Mitteln eine Sexualbefriedigung erreicht oder doch zumindest angebahnt wird. Die Erkenntnis dieser Zusammenhänge wird allerdings dadurch erschwert, daß es hier so gut wie unmöglich ist, zwischen Vorlust und endgültigem Lustgewinn – Orgasmus – zu unterscheiden. Hier spielt alles ineinander, und allenthalben finden sich fließende Übergänge.

Dieses Gebiet ist fast zur Gänze sexualpsychologisches Neuland. Es gibt zwar verschiedene Einzelforschungen, und auch verschiedene psychiatrische Krankengeschichten lassen sich hier verwerten, aber über erste Versuche ist man noch kaum hinausgekommen.

Wenn wir unsere Besprechung mit der Verbalerotik beginnen, welcher nicht allzu glücklich gewählte Ausdruck die mehr oder weniger lustbetonte, über den Durchschnitt häufige Verwendung von Ausdrücken aus der Sexualsphäre Und auch aus der Abdominalsphäre. bezeichnet, so ist zuerst einmal zu erwähnen, daß die Verbalerotik sowohl an und für sich vorkommt, als auch als Teilerscheinung anderer Perversionen, vor allem des Sadismus, dann des Exhibitionismus. Daß die Zote, um das treffendste Wort zu gebrauchen, psychologisch interessant ist, ist ja nicht neu, bloß war ihre übliche Deutung als Reaktion auf eine aufgezwungene, dem betreffenden Individuum nicht gemäße Überfeinerung (Prüderie) unzulänglich, weil eben dabei die sexuelle Komponente der ganzen Erscheinung kaum berücksichtigt wurde. Wir glauben, daß man zur Erklärung der Freude an der Zote sowie an den zahllosen sexuell gefärbten Witzen, die beide einen so wesentlichen Inhalt unzähliger Männergespräche bilden, verschiedene Ergebnisse der neueren Tiefenpsychologie und Ethnologie heranziehen muß, vor allem das, was sich in dieser Beziehung über die Magie ergeben hat. Denn ungefähr so, wie der Primitive durch Aussprechen eines Namens – sei es der eines Mitmenschen oder der eines Gegenstandes – diesen zu beschwören, bzw. in seine Macht zu bekommen vermeint, scheint auch der Verbalerotiker, natürlich unbewußt, etwa durch Aussprechen der Bezeichnungen des Sexualaktes, der Genitalien usw. sich zu diesen in eine (unstreitig gleichfalls sexuelle) Beziehung setzen zu wollen. Man kann deutlich zwischen der – ja auf ganz andere Wurzeln zurückgehenden – Freude am Witz, an der Anekdote usw. und der Lust unterscheiden, die sich aus dem Gebrauch, weniger aus dem Anhören von Ausdrücken ergibt, die der Sexualsphäre entstammen. Besonders dort, wo eine lange Zeit bestehende und sorgfältig bewahrte Hemmung durch äußere Umstände, z. B. durch die Eheschließung, plötzlich beseitigt wurde, zeigt sich sehr häufig eine erstaunlich lebendige und sicherlich tiefe Lust verbalerotischer Natur. Man wird natürlich stets berücksichtigen müssen, inwieweit die Verwendung der betreffenden Ausdrücke einer bestimmten Person auf Grund ihrer Herkunft, ihrer Erziehung und ihrer gesellschaftlichen Stellung gemäß ist; um an eine Triebabweichung denken zu lassen, muß stets das Moment des Abwegigen oder zumindest Auffälligen vorhanden sein, dessen Bedeutung ja bereits mehrfach erwähnt wurde.

Mit der Sicherheit eines Experiments hat der Weltkrieg gezeigt, ein welch wichtiges Ventil zur Endladung sexueller Spannungen die Verbalerotik ist. Menschen, denen es sonst, bei geregeltem Geschlechtsverkehr, völlig ferne lag, sich Ausdrücke jener Art zu bedienen, haben damals von ihnen, in Zeiten sexuellen Hungers, reichlichsten Gebrauch gemacht. Auch bei psychotischen und hysterischen Personen kommt es in Anfällen und bei Bewußtseinstrübungen zu einem wahrhaft eruptionsartigen Wortschwall stärkster sexueller Färbung.

Gleichfalls viel zu wenig beachtet ist der Hang, sich beim Schreiben durch einerseits überreichliche und anderseits ganz oder teilweise unmotivierte Verwendung von Ausdrücken, die der Sexualsphäre entstammen, gewissermaßen auszuleben. Es gibt da verschiedene Arten. Allgemein bekannt sind ja jene Menschen, denen ein gewisser Bekritzelungsdrang innewohnt, der sich entweder in harmloser Weise durch Schreiben des eigenen Namens oder eines – gewöhnlich politischen – Sinnspruches betätigt, der aber auch dazu führt, daß eindeutig sexuelle Worte niedergeschrieben werden. Sehr häufig fühlen sich solche Menschen veranlaßt, Beschriftungen dieser Art in Bedürfnisanstalten anzubringen, und in einigen wissenschaftlichen Publikationen wurden Beispiele solcher »Abortliteratur« auch veröffentlicht. Wohl möglich, daß jener Drang durch die an solchen Orten stattfindende Entblößung der Genitalien eine Anregung erfährt.

Psychologisch ist dieses Verhalten wohl am ehesten als Symbolhandlung zu verstehen, wobei man sich wiederum an das zu erinnern hat, was die Anthropologie und die Ethnologie in dieser Beziehung über das Seelenleben der Primitiven zutage gefördert haben. Der Verbalerotiker oder richtiger der Schreiberotiker, der etwa die eine oder andere mundartliche Bezeichnung für den Koitus auf ein Löschblatt kritzelt oder an eine Tür schreibt, vollzieht durch diese Handlung symbolhaft selbst den Geschlechtsakt – was ihm natürlich ebensowenig bewußt ist wie etwa dem Primitiven eine entsprechende ähnliche Handlung. Es sind hier aber wohl auch noch andere Momente mitbeteiligt. So der Spieltrieb Auf den näher einzugehen wir uns hier versagen müssen. und, gar nicht selten, exhibitionistische Strebungen, also etwa der Wunsch, in jenen Personen, die das betreffende Wort lesen, gleichfalls Gefühle sexueller Natur zu erwecken.

In den Vordergrund tritt dieses Motiv bei der erotischen oder sexuellen Korrespondenz, Es gibt nämlich eine ganz erstaunlich große Zahl von Menschen, die erotische Briefe als Selbstzweck schreiben, eine Tatsache, der die verschiedenen Korrespondenzzirkel ihre Existenz verdanken. Was in dieser Beziehung geleistet wird, übersteigt jedes erdenkliche Maß, und selbst der Fachmann steht schaudernd vor diesen Äußerungen chaotischer Triebe. Der Partner, vielmehr der Empfänger solcher Briefe, tritt dabei so gut wie ganz in den Hintergrund, er ist in der Mehrzahl der Fälle überhaupt unbekannt. Es handelt sich gewöhnlich um verdichtete Tagträume, und manchmal werden aus solchen Verdichtungen richtige Dichtungen, selbst in gewählter Sprache, mit Versen und Reimen geschmückt. Die Umsetzung in die Realität wird ängstlich vermieden, ja gefürchtet. Kurzum, man hat es wiederum bloß mit Symbolhandlungen zu tun und (hier vielleicht in überwiegendem Maße) mit einer Verbindung von Fetischismus und Exhibitionismus.

In weiterer Folge ist der anonymen Briefe zu gedenken, die teils an allgemein bekannte Persönlichkeiten, teils an Personen aus dem engeren Bekanntenkreis gerichtet werden, und die in der Regel nebst verschiedenen Schmähungen auch Worte und Ausdrücke aus der Sexualsphäre enthalten. Es ist klar, daß an ihrem Entstehen sehr wesentlich sadistische Tendenzen mitbeteiligt sind.

An das Schreiben schließt sich das Zeichnen an, wobei man gleichfalls zwischen dem Kritzeln und dem Anfertigen von richtigen Zeichnungen, ja selbst Bildern zu unterscheiden hat. Das Zeichnen ist schon deshalb am stärksten gefühlsbetont, weil es mühsamer und zeitraubender ist als das Schreiben und gar als das Reden, und es geht also durchaus an, Personen, welche solche Zeichnungen anfertigen, schon deshalb als pervers anzusehen. Am häufigsten ist da die Hypersexualität, ferner verschiedene Arten des Partial- und Gegenstandsfetischismus.

Während man hierbei kaum von einer Symbolhandlung sprechen kann, ist als solche doch wohl die Anfertigung jener Kritzeleien zu betrachten, mit denen Aborte, aber auch Hauswände, Planken, Zäune, Plakate und dergleichen so häufig beschmiert werden. Es ist klar, daß dabei exhibitionistische Tendenzen eine bedeutende Rolle spielen. Eine genauere Erforschung dieses ganzen Gebietes wäre zweifelsohne von wissenschaftlichem Interesse. So wäre, um nur 143 ein Beispiel zu erwähnen, der Unterschied zwischen einer auf eine rein geometrische Figur zurückgeführten Darstellung des weiblichen Genitales und einer bis in die kleinsten Einzelheiten mit aller Sorgfalt ausgeführten Zeichnung psychologisch sehr aufschlußreich, wobei wiederum ethnologische Gedankengänge die Führung zu übernehmen hätten.

Von dem Schreiben und der Lektüre von Briefen rein sexueller Tendenz wie von der Anfertigung und dem Betrachten von Zeichnungen führen in klarer Weise zahlreiche Übergänge in ein Gebiet, das psychologisch, sozial und kulturhistorisch sehr beachtenswert ist. Es ist das die Pornographie. Es gibt kein Kulturvolk, in dessen bildender Kunst und in dessen Literatur sich nicht auch der Sexualtrieb durch Wort und Schrift eindeutig manifestiert. Gleichgültig, ob, wie in der Antike, ein solches Tun gang und gäbe und also gesetzlich geduldet war, oder ob es, wie seit sehr geraumer Zeit innerhalb der gesamten weißen Rasse, als schimpflich und verwerflich gilt und also verboten ist – in jedem Falle hat die Pornographie mit erstaunlicher Zähigkeit ihre Existenz zu behaupten gewußt. Und es ist bekannt, daß selbst große Dichter ( Goethe) und bildende Künstler (z. B. in der Renaissance) sich solcher Art betätigt haben, womit jedoch die Pornographie gewiß nicht verteidigt werden soll.

Kennzeichnend für die Pornographie sind Banalität, Armut an Einfällen, ewige Wiederholungssucht. In der bildenden Kunst hingegen haben Maler und vor allem Graphiker auf diesem Gebiete auch Kunstwerke geschaffen, und es braucht kaum erwähnt zu werden, daß der für den gesamten Fetischismus so charakteristische Sammeltrieb sich auch in dieser Beziehung betätigt.

Das vielfältige Erscheinungsbild des Fetischismus dürfte nun genugsam dargestellt sein, so daß auf dieser Grundlage eine Erklärung versucht werden kann.

Schon Krafft-Ebing hat dort, wo er sich theoretisch mit dem Fetischismus beschäftigt, hervorgehoben, daß diese Perversion nicht, so wie der Sadismus oder Masochismus, in ihrem Wesen ursprünglicher Natur, daß sie also nicht fertig angeboren ist, wie man das weit eher von diesen beiden Triebabweichungen annehmen kann. Beim Fetischismus begegnet man durchaus erworbenen Fällen.

»Abgesehen davon, daß beim Fetischismus die veranlassende Gelegenheit der Erwerbung oft nachweisbar ist, fehlen hier die physiologischen Tatsachen, die auf dem Gebiete des Sadismus und des Masochismus durch eine allgemeine sexuelle Hyperästhesie auf die Höhe einer Perversion gehoben werden und damit die Annahme originären Ursprungs rechtfertigen. Es bedarf im Gebiet des Fetischismus für jeden einzelnen Fall noch eines Geschehnisses, das den Stoff der Perversion liefert.

Es gehört allerdings – wie oben gesagt – zum physiologischen Geschlechtsleben, für dies und jenes an der Frau und um sie zu schwärmen; aber gerade die Konzentration des gesamten sexuellen Interesses auf einen solchen Teileindruck ist hier das Wesentliche, und diese Konzentration muß für jedes damit behaftete Individuum einen individuellen Erklärungsgrund haben.

Man kann sich daher der Ansicht Binets anschließen, daß im Leben eines jeden Fetischisten ein Ereignis anzunehmen ist, welches die Betonung gerade dieses einzigen Eindrucks mit Wollustgefühlen determiniert hat. Dieses Ereignis wird in die früheste Jugend zurückzuversetzen sein und in der Regel mit dem ersten Erwachen der Vita sexualis zusammenfallen. Die Gelegenheit, bei welcher die Assoziation entstanden ist, wird in der Regel vergessen. Nur das Resultat der Assoziation bleibt bewußt. Die auffällige Tatsache, daß Gegenstand des Fetischismus alle möglichen Objekte werden können, findet ihre Erklärung darin, daß der individuelle Fetisch durch zufällige äußere Eindrücke, die zeitlich eben mit einem sexuellen Erregungszustand zusammenfallen und mit diesem assoziativ verknüpft werden, determiniert wird. Daß aber eine solche Assoziation haftet, immer wieder reproduziert wird, ausschließlich die Vita sexualis beherrscht, keine weiteren bezüglichen Assoziationen aufkommen läßt, ist das Befremdende und an und für sich den Stempel des Pathologischen an sich Tragende. Eine solche Reaktions- und Wirkungsweise ist nur denkbar im Rahmen einer besonderen pathologischen Konstitution, die ätiologisch wieder ihre Begründung in einer psychischen Degeneration findet, die sexuelle Hyperästhesie und solche abnorme und dauernde Gedankenverbindungen vermittelt« ( Krafft-Ebing).

Mit Krafft-Ebing halten auch wir Binets Anschauung, daß jedem Fall von Fetischismus ausnahmslos ein »accident agissant«, also ein auslösendes Ereignis, zugrunde liegen müsse, für berechtigt, und so wie er sind auch wir der Ansicht, daß die Assoziationen, auf denen der Fetischismus beruht, nicht ganz zufällig sind.

Bevor wir nun weitergehen, müssen wir zwei Begriffe besprechen – die bereits im vorhergehenden verschiedentlich erwähnt wurden –, die Übertragung und die Identifikation. Diese ist, um mit ihr zu beginnen, ein, nebenbei bemerkt, sehr häufiger psychischer Vorgang, der darin besteht, daß man sich mit einer andern Person identifiziert, so daß man sozusagen in ihre Haut schlüpft, ihr Leben, ihre Schicksale, ihre Leiden und Freuden miterlebt. Auf der Identifikation beruht unter anderm ein großer Teil des Vergnügens, das man beim Lesen von Romanen, beim Anhören von Theaterstücken und dergleichen empfindet, indem man sich selbst an die Stelle des Helden oder der Heldin setzt. Ein geradezu klassisches Beispiel dafür sind die in der Ichform geschriebenen Abenteuerromane Karl Mays. Auch die Gefolgschaft, die in der Öffentlichkeit einem Führer oder im Privatleben einer hervorragenden Persönlichkeit geleistet wird, beruht zum großen Teil auf der Identifikation.

Sie spielt auch bei den Triebabweichungen eine bedeutende Rolle, besonders beim Fetischismus, indem sie dort einen einfachen Ausweg eröffnet, wo Schwierigkeiten bei der Objektwahl bestehen.

Die Übertragung, mit der sich die »Einfühlung« Molls ungefähr decken dürfte, ist eine Teilidentifikation, indem entweder ein Teil des eigenen Ichs mit einem Teil einer andern Person oder ein eigenes Teilerlebnis mit einem Teilerlebnis eines andern Individuums identifiziert wird.

Während die Identifikation auch auf der normalen Bewußtseinsebene gelingt, bedarf es anscheinend für die Übertragung einer Verschiebung derselben, etwa im Sinne einer Ekstase. Die Heiligenlegenden, die ja überhaupt für die sexuelle Pathologie, natürlich bei völliger Berücksichtigung der Unterschiede, aufschlußreiches Material zu liefern imstande sind, sind auch für das Verständnis der Übertragung (und der Identifikation) wohl verwertbar.

Um nun diese theoretischen Erörterungen durch Beispiele zu verdeutlichen, erinnern wir an die Beobachtung 40; hier handelt es sich zweifelsohne um eine Übertragung. Die Beobachtung 43 hingegen kann als typisch für eine Identifikation bezeichnet werden.

Identifikation und Übertragung sind zwar insofern für das Verständnis des Fetischismus von Bedeutung, als sie gewissermaßen einen wesentlichen Bestandteil seiner seelischen Technik bilden, sie haben aber nichts mit seinem Kernproblem zu tun, nämlich mit der Frage nach seiner Entstehung. Denn es geht heute wohl nicht mehr an, sich mit dem »auslösenden Ereignis« Binets allein zu begnügen.

Vor allem glauben wir nun wiederum zwischen dem Fetischismus im engeren Sinne (im weiteren kurz Fetischismus genannt) und dem Partialfetischismus unterscheiden zu müssen, der sich ja zum Großteil mit dem »physiologischen« Fetischismus Krafft-Ebings deckt. Für das Verständnis der ganzen Perversion ist es von entscheidender Bedeutung, ob – wie bereits früher erwähnt – bei ihr der Koitus, nämlich der lustbetonte, bewußt gewollte Koitus noch in Frage kommt oder nicht. In ersterem Falle gehören die fetischistischen Momente ins Gebiet der Vorlust und sind somit tatsächlich mehr oder weniger als »physiologisch« anzusehen. Zu ihrer Erklärung genügt dann Binets Anschauung in der – von uns im vorstehenden zitierten – Formulierung Krafft-Ebings.

Ganz anders aber verhält es sich mit jenen Fällen, bei denen der Koitus vollständig abgelehnt wird – womit wir gleichzeitig im Gebiet des echten Fetischismus angelangt sind. Auch hier muß zweifelsohne ein »accident agissant« vorliegen, aber man muß unbedingt annehmen, daß es infolge einer bestimmten Disposition pathologischer oder degenerativer Art von der Psyche weiterhin in einer ganz bestimmten Art und Weise verwendet und verwertet wurde. Wenn wir uns nun an die seinerzeit in unserem Schema dargestellten Kraftlinien erinnern, so wird es begreiflich erscheinen, daß wir jene »ganz bestimmte Art und Weise« in der Richtung zu erblicken haben, in der sich bei solchen Personen der Geschlechtstrieb bewegt. Sie ist für die Dynamik des Fetischismus entscheidend. In allgemeinster Formulierung könnte man sagen, daß die Fetischisten unter allen Umständen dem normalen adäquaten Sexualobjekt ausweichen, der Fetischist dem Weibe, die Fetischistin dem Manne, beide dem Menschen. Sehr merkwürdigerweise zeigt diese Perversion auch in schweren Fällen insofern noch eine gewisse Beziehung zum Normalen, als die Heterosexualität eine wesentliche Rolle spielt. Der Fetisch wird als geschlechtsspezifisch empfunden. Bei ganz ausgeprägten Formen von Schuhfetischismus bei Männern, in denen das Weib als Sexualobjekt völlig ausgeschaltet ist, muß der Fetisch doch von einer Frau stammen oder für eine Frau bestimmt sein, um den Lustgewinn zu ermöglichen. Daß es daneben natürlich auch homosexuelle Fetischisten gibt, ist selbstverständlich, ohne jedoch an der Tatsache der Geschlechtspezifität des Fetischs etwas zu ändern.

Man braucht sich nur an die zahlreichen Beobachtungen zu erinnern, die wir in diesem Kapitel mitgeteilt haben, um zu erkennen, daß auch abgesehen vom Partialfetischismus die Erklärung von Binet – Krafft-Ebing dazu führen muß, den Begriff Fetischismus sehr enge zu umgrenzen, enger jedenfalls, als wir es bei der Auswahl unserer Fälle getan haben. Gewiß, die schweren Formen des echten Fetischismus, die ja unstreitig psychopathische und degenerierte Menschen betreffen, entstehen bei eben dieser Disposition unter dem Einfluß jenes »auslösenden Ereignisses«, und es ist richtig, daß man dieses in das kindliche und sogar in das frühkindliche Alter zurückzuverlegen hat. Je mehr man sich indessen mit den ungleich zahlreicheren Fällen beschäftigt, in denen es alle möglichen Übergänge gibt, von leichten Absonderlichkeiten, die kaum oder selbst gar nicht als sexuell empfunden werden, bis zu sogar höchst merkwürdigen und ganz ausgeprägten Triebabweichungen fetischistischer Natur, um so deutlicher erkennt man, daß jene Erklärung hier nicht mehr genügen kann. Eines freilich bleibt immer bestehen: die Verkehrung der sexuellen Leitlinie, die Flucht vor dem normalen, adäquaten Sexualobjekt – die wir ja bereits hervorgehoben haben.

Das »accident agissant« soll damit natürlich nicht geleugnet werden, und seine Bedeutung für die Wahl des Sexualobjektes, also des Fetischs, bleibt bestehen – es ist aber nun nicht mehr nötig, in allen Fällen eine psychopathische Konstitution, eine Degeneration und ähnliche schwere Veränderungen der Gesamtpersönlichkeit als Ursache dafür anzusehen, daß sich ein Fetischismus entwickelt hat.

Diese Anschauung erfährt auch dadurch eine Stütze, daß man dann, wenn man den Entstehungsursachen der verschiedenen Triebabweichungen nachforscht, so überaus häufig auf zwei Motive stößt. Es sind das die beiden Begriffspaare: Spieltrieb – Laster und Potenzangst – Potenzschwäche. Diese Reihenfolge ist beabsichtigt. Denn gerade beim Fetischismus findet man immer wieder, daß die normale Leitlinie des Geschlechtstriebes mehr oder weniger naiv verlassen wird, daß also dem sexuellen Spieltrieb nachgegeben wird. Oder aber dies geschieht wiederum ohne »zwingenden« Grund, aber unvergleichlich bewußter; dann werden wir als Motiv das Laster anzunehmen haben, wobei in der Regel, aber nicht immer, gleichzeitig eine gewisse Degeneration vorliegt.

Noch einfacher und noch verständlicher ist die logische Verknüpfung dort, wo der Fetischismus auf Potenzangst, bzw. Potenzschwäche, beruht. Denn das sind Faktoren, die in erster Linie, ganz von selbst, die Flucht vor dem Weibe und somit vor dem normalen Geschlechtsverkehr nahelegen.

Erinnern wir uns an die – wörtlich wiedergegebenen – Ausführungen Krafft-Ebings, so sehen wir sogleich, daß mit ihnen die Heranziehung dieser beiden Begriffspaare zur Motivierung des Fetischismus keineswegs im Widerspruche steht, sondern sie lediglich ergänzt. Sie schließt insofern eine Lücke, als es beim Fetischismus geradeso wie bei andern Perversionen auch hinlänglich abortive Formen gibt und selbst Fälle, in denen die Perversion nur latent ist, bei denen also die Annahme einer psychopathischen Konstitution doch wohl wesentlich ferner liegt.

Einer Eigentümlichkeit des Fetischismus möge schließlich noch gedacht werden: Er ist unter allen Triebabweichungen jene, die unvergleichlich häufiger bei Männern als bei Frauen angetroffen wird. Denn diese Perversion verbraucht in hohem Maße psychische Energien, so daß der Fetischist nur mit ausgeprägten Fähigkeiten der Abstraktion und der Phantasie denkbar ist. Identifikation und Übertragung spielen ja in seiner »Technik« wichtige Rollen und ebenso die Kräfte, mit denen im Wege der Verdichtung und schließlich sogar der Dichtung das Sexualobjekt gestaltet wird. Der Fetisch wird geschaffen, nicht gefunden. Dazu kommt noch, daß Männer weit mehr als Frauen imstande sind, die normale sexuelle Leitlinie zu verlassen und in ihrem Geschlechtsleben die Distanz aufrechtzuerhalten, die den Fetisch vom normalen Sexualobjekt trennt.

Fassen wir das Ganze kurz zusammen, so haben wir den Fetischismus als die vielseitigste und seltsamste aller Triebabweichungen kennengelernt. Als sein Wesen betrachten wir das Verlassen der normalen sexuellen Leitlinie, die Flucht vor dem normalen Sexualobjekt. Gemeinsam mit Krafft-Ebing fassen wir den Fetischismus nicht als angeboren, sondern stets als erworben auf, wobei auch wir ein auslösendes Ereignis zugrunde legen, das zumindest die Wahl des Fetischs bestimmt. Zur Entstehung des Fetischismus ist in schweren Fällen eine – nicht selten echt pathologische – psychische Degeneration notwendig; daneben kommen als Ursachen noch Spieltrieb und Laster sowie Potenzangst und Potenzschwäche in Betracht.


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