Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sechstes Kapitel

Sexuelle Paradoxie
a) Im Kindesalter auftretender Geschlechtstrieb

Jeder Nerven- und jeder Kinderarzt weiß, daß schon bei kleinen Kindern Regungen des Geschlechtslebens auftreten können. Man muß hier unterscheiden zwischen den zahlreichen Fällen, wo infolge von Phimose, Balanitis, Würmern im Anus oder der Vagina die Kinder Juckreiz an und in den Genitalien bekommen, an diesen herummanipulieren, dabei eine Art Wollust empfinden und so zur Masturbation gelangen, wo also keine Besonderheit des Geschlechtstriebes vorliegt – und jenen Fällen, wo beim Kinde ohne solchen äußeren Anlaß auf Grund zerebraler Vorgänge sexuelle Ahnungen und Dränge auftreten. Es ist klar, daß hier nur diese Formen zu besprechen sein werden.

Mit der Frage der kindlichen Sexualität haben sich bekanntlich Freud und seine Schüler im breitesten Ausmaß beschäftigt. Die Psychoanalyse steht durchaus auf dem Standpunkt, daß die Sexualität nicht plötzlich als fertiges Ganzes auftrete, etwa zur Zeit der Pubertät, sondern daß sie angeboren sei und deshalb schon in den frühesten Lebensstadien, ja im Säuglingsalter beobachtet werden könne. Diese Ansicht ist geradezu eine der Grundlagen der gesamten Psychoanalyse, die zahlreiche Neurosen auf den unerfüllbaren Wunsch zurückführt, die selige Befriedigung wiederzuerlangen, die in sexueller Beziehung im Säuglingsalter empfunden wurde.

Weiter gibt es Fälle, bei denen etwa zwischen dem 8. und 14. Lebensjahre sich schon deutlich Libido zeigt, und wo die verschiedensten Geschlechtsakte teils versucht, teils sogar ausgeführt werden. Es gibt ganz gesunde Kinder, bei denen man bereits im 8. oder 9. Lebensjahre von einer wirklichen Vita sexualis sprechen kann. Deren Feststellung allein genügt also nicht, um eine sexuelle Paradoxie anzunehmen. Die Sachlage wird aber noch dadurch kompliziert, daß das Kind polymorph (vielgestaltig) pervers ist ( Freud). Man findet bei Kindern Sadismus und Masochismus, Exhibitionismus und Voyeurtum, Homosexualität und besonders häufig Masturbation und gegenseitige Onanie, und das alles gar nicht selten als deutlich lustbetont. Die alte Anschauung von der Reinheit und Unschuld des Kindes läßt sich heute wirklich nicht mehr aufrechterhalten; freilich darf man nicht vergessen, daß weitaus die meisten dieser Tathandlungen naiv – und also doch »unschuldig« – erfolgen, weshalb wir es auch vorziehen, statt von » polymorph pervers« lieber von » sexuell undifferenziert« zu sprechen.

Innerhalb dieser ganzen Gruppe von Perversionen und Perversitäten kommt einem einzelnen Akt wegen seiner außerordentlichen Häufigkeit und Verbreitung besondere Bedeutung zu, nämlich der Masturbation. Sie wird uns später bei der Besprechung der Autosexualität, beim Fetischismus und an manchen andern Stellen noch beschäftigen, sie muß aber auch hier besprochen werden. Dies deshalb, weil nachdrücklich bemerkt werden muß, daß die Masturbation an sich nicht als Symptom sexueller Paradoxie und schon gar nicht als »Perversion« aufgefaßt werden darf. In den letzten Jahrzehnten hat die Bewertung der Masturbation eine außerordentliche Wandlung durchgemacht. Früher einmal hat man sie jedenfalls als Laster, häufig genug als Krankheit und gar nicht selten als Wurzel verschiedener späterer Leiden und Defekte aufgefaßt, wie der Neurasthenie, der Impotenz, selbst rein organisch bedingter Erkrankungen wie der Tabes, oder sogar gewisser Psychosen. Es ist klar, daß diese Anschauungen einer sachkundigen Kritik nicht standhalten konnten und in sich zerfielen, sobald diese eingesetzt hatte. Die dadurch angebahnte Reaktion ist aber vielleicht etwas zu heftig ausgefallen. Denn es ist zwar zweifellos vorteilhaft, daß auf dem jugendlichen Masturbanten nicht mehr der Fluch einer argen Schuld, eines schlimmen und von überaus schweren Folgen begleiteten Lasters haftet, aber es ist für den jugendlichen Organismus in sehr vielen Fällen nicht gleichgültig, wenn durch gehäufte masturbatorische Akte – und diese sind nach Wegfallen jenes Schuldgefühls nicht selten – eine Schwächung des Gesamtorganismus entsteht, die unbedingt vermieden werden sollte.

Kehren wir nach dieser Erörterung wieder zur sexuellen Paradoxie zurück. Wir müssen für ihre Feststellung andere Symptome fordern. Als solche kommen in Betracht: Übersexualität, starke Erotik (Kontrektationstrieb), sexuelle Bindungen, sei es an Personen des gleichen, sei es an Personen des andern Geschlechtes, schließlich Auftreten anderer krankhafter Zeichen zerebraler oder endokriner Natur.

Aus dem reichen Material Molls seien hier nachfolgende Beispiele angeführt:

Beobachtung 13. Die 6jährige X., nach den Angaben der Mutter erblich nicht belastet, macht in ihrem ganzen Wesen einen nervösen Eindruck; sie leidet an Tics (Zucken an Mundwinkeln, Augenlidern, Hals), ist auffällig frühreif. Vorgeschichte ohne verwertbare Besonderheiten; die Mutter glaubt, eine Verführung durch andere Personen nicht annehmen zu dürfen. Seit über zwei Jahren bemerkte die Mutter, daß sich das Kind mit Vorliebe so an Möbelstücke heranstellte, daß die Geschlechtsteile an schmälere Leisten oder auch an Kanten angedrückt wurden, z. B. an Stuhllehnen, noch häufiger an einen kleinen Aktenständer. Das Kind hat dies anfangs ganz offen getan. Seitdem ihm die Mutter seine Handlungsweise mehrfach verboten und der Vater es mehrfach geschlagen hat, macht es die Sache heimlich, doch ist es von der Mutter öfters dabei beobachtet worden. Auch im Bett spielt die X. mit ihren Händen an den Geschlechtsteilen. Es tritt deutlicher Orgasmus auf; spastische Zuckungen im ganzen Körper, glänzende Augen, veränderter Atemtypus, veränderter Rhythmus bei der künstlichen Reizung der Geschlechtsorgane zeigen mit Sicherheit, daß es sich hier nicht nur um einen Tic handelt, sondern daß es bis zur Wollustakme kommt. Der Prozeß beschränkt sich im übrigen auf die genitalen Erscheinungen. Irgendwelche besondere Zärtlichkeiten andern Personen gegenüber konnten trotz genauer Beobachtung nicht festgestellt werden (nach Moll).

Beobachtung 14. Die 8jährige Y. hat bereits mit 1½ Jahren einigemal die Schenkel so übereinander gelegt und gerieben, daß man schon damals an onanistische Reize dachte. Man hat dann jahrelang nichts weiter beobachtet, bis es auffiel, daß das Kind sowohl nachts mit den Händen im Bett masturbierte als auch beim Gehen die Beine auffallend nach einwärts drehte, so daß man hierbei an eine ähnliche Reizung dachte. Es wurde ferner zweimal beobachtet, daß die Y., auf einer Bank sitzend, mit den Beinen derartig hin und her rieb und scheuerte, daß man auch hierbei an Onanie dachte. Zur Rede gestellt, erklärte das Mädchen, daß es dabei so angenehme Empfindungen unten hätte und es aus diesem Grunde täte. Man hat dann noch einige Male mit der Y. gesprochen, wobei sie vor Verlegenheit rot wurde. Das Wichtigste aber ist, daß man seit mehreren Monaten sowohl des Nachts wie am Tage Flecken im Hemde beobachtete, die zweifellos nur einer onanistischen Reizung zuzuschreiben sind. Das Kind bestreitet diese auch nicht.

Eine örtliche Entzündung konnte ausgeschlossen werden.

Im übrigen ist beobachtet worden, daß sich bei dem Kinde, auch wenn es nachts zugebunden ist, oft Flecken zeigen, wobei offenbar durch Aneinanderreiben der Beine oder auf ähnliche Weise der Akt ausgeführt wird.

Man hat weiter beobachtet, daß das Kind auffallend zärtlich ist; zum Kinderfräulein ist die Y. derart zudringlich, daß sie mitunter, wenn sich das Fräulein anzieht, auf es zustürzt und ihm den ganzen Rücken bis herunter an die Nates leckt und abküßt. Auch mit ihrem 9jährigen Bruder macht sie geschlechtliche Unarten und zeigt sich ihm gegenüber bedenklich zärtlich. Weiter ist festgestellt worden, daß sie in zwei Fällen bereits die Aufmerksamkeit von Männern durch Zuwinken zu erwecken suchte (nach Moll).

Beobachtung 15. Bei dem jetzt 8½ Jahre alten Knaben X. hatte man vom 2. Lebensjahre an onanistische Reizungen bemerkt, wobei schon damals Erektionen aufgetreten waren. Die Onanie nahm in der folgenden Zeit zu, so daß man den Knaben, als er 4 Jahre alt war, möglichst von seinen Geschwistern abgesondert hielt, damit diese nicht durch ihn verdorben würden. Aber das nützte nichts, und schon im Alter von 5 Jahren fing er an, seine etwa ein Jahr ältere Schwester zu attackieren. Er wußte es so einzurichten, daß er mit ihr besonders auch dann zusammenkam, wenn die Aufsicht, die die Trennung der Kinder bezweckte, fehlte.

War den Eltern die Onanie des Knaben bereits seit Jahren bekannt, so wurden doch seine Beziehungen zur Schwester erst spät entdeckt. Es stellte sich dabei heraus, daß X. mit ihr Jahre hindurch sexuelle Unarten getrieben und insbesondere mit seinen Händen vielfach an ihren Genitalien gespielt hatte, so daß durch die manuellen Reizungen Abschürfungen der Haut und örtliche Entzündungen entstanden waren.

Der Knabe X. hatte zudem verschiedentlich versucht, sich auch andern kleinen Mädchen in gleicher Weise zu nähern, was aber, wenn überhaupt, nur vorübergehend von Erfolg begleitet war (nach Moll).

Albert Moll hat sich ja ganz besonders mit dem Sexualleben des Kindes beschäftigt. Nach seinem Vorgang gliedern auch wir das Kindesalter in zwei Abschnitte, nämlich in die ersten und in die zweiten sieben Lebensjahre. Man muß aber da gleich die Einschränkung machen, daß diese Einteilung nur für Europa und die Europäer gilt, denn im Tropenklima und bei farbigen Rassen verschieben sich diese Zahlen ganz bedeutend nach unten, und auch die Pubertät tritt bei beiden Geschlechtern ganz wesentlich früher ein.

Ohne zu den Anschauungen der Psychoanalyse Stellung zu nehmen, kann man jedenfalls sagen, daß in jenen Fällen, in denen sexuelle Regungen oder Akte während der ersten sieben Lebensjahre offenbar werden, stets der Verdacht auf krankhafte Veranlagung besteht. Die Endokrinologie hat gelehrt, daß einer solchen Frühsexualität verhältnismäßig häufig gewisse krankhafte Prozesse an den Blutdrüsen zugrunde liegen, besonders dann, wenn sich gleichzeitig verschiedene sekundäre Sexualcharaktere einstellen (Haarwuchs, Stimmbruch, Überentwicklung der Genitalien). Wohl möglich, daß auch dort, wo zerebrale Vorgänge durchaus im Vordergrund stehen, der gesamte Zustand doch innersekretorisch bedingt ist.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die sexuelle Paradoxie in der Form des im Kindesalter mit übergroßer Heftigkeit oder in pathologischer Weise auftretenden Geschlechtstriebs verhältnismäßig selten vorkommt, dann gewöhnlich auf degenerativen Ursachen beruht und durch Störungen im endokrinen Drüsensystem bedingt ist.

b) Im Greisenalter wiedererwachender Geschlechtstrieb

Praktisch von viel größerer Bedeutung sind jene Fälle, bei denen im Greisenalter der Geschlechtstrieb wieder erwacht. Denn die Libido kann bis ins hohe Alter hinein in normaler Stärke, wenn auch in der Regel abgeschwächt, fortbestehen »Senectus non quidem annis sed viribus magis aestimatur« Zittmann)., und es wäre natürlich durchaus falsch, hierin etwas Krankhaftes zu sehen.

An der Grenze des Pathologischen stehen jene Fälle, in denen im hohen Alter besonders heftige Liebesgefühle auftreten. Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Neigung des 74jährigen Goethe zu Ulrike von Levetzow. Auch Gerhart Hauptmann hat in seinem Drama »Vor Sonnenuntergang« die an Konflikten reiche Situation gestaltet, die sich leider in den meisten Fällen an ein solches Ereignis anschließt. Der sogenannte Johannistrieb des Mannes ist durchaus keine Seltenheit, und in letzter Zeit, in der die verschiedenen Hemmungen auf sexuellem Gebiet sich ja wesentlich verringert haben, sind ähnliche Erscheinungen auch bei älteren Frauen häufig genug zu beobachten. Ein tragischer Fall dieser Art betraf vor wenigen Jahren eine deutsche Prinzessin. Ein solcher jäher Verlust des seelischen Gleichgewichtes, eine solche oft rapide Änderung der gesamten Persönlichkeit ist keineswegs leicht zu nehmen, einerseits wegen der gesundheitlichen und sozialen Folgen für die betroffenen Personen, anderseits deshalb, weil sich so manchesmal eine herannahende Psychose zuerst in dieser Weise geltend machen kann.

Es ist, wie gesagt, oft sehr schwer zu entscheiden, ob die Stärke der sexuellen und erotischen Bindung sowie die sich aus ihr ergebenden oft bedenkenlos ertragenen sozialen Schwierigkeiten, Schädigungen und Gefahren noch im Bereiche des Normalen liegen. Ohne tieferes Eingehen in die Persönlichkeit und ohne genaue Beobachtung des betroffenen Individuums wird sich ein Endurteil nicht fällen lassen.

Pathologische Bedingungen muß man aber unbedingt annehmen, wenn bereits Altersschwäche besteht, wenn das Geschlechtsleben der betroffenen Person schon längst erloschen war, wenn sich der Trieb bei einem vielleicht früher sexuell nicht einmal sehr bedürftigen Menschen plötzlich mit großer Stärke geltend macht, und vor allem, wenn ohne Rücksicht, ohne Scham die sexuelle Befriedigung in Perversionen und durch perverse Akte erstrebt wird. Die Wissenschaft kennt die Tatsache, daß ein solcher Trieb auf krankhaften Veränderungen im Gehirn beruht, die in erster Linie der senilen Demenz (Altersblödsinn) zugehören und sich bereits einstellen, ehe es zu andern erkennbaren Erscheinungen intellektueller Schwäche kommt. Es bilden also die in solchen Fällen stets zu findende Charakterverschlechterung und die Abschwächung des moralischen Sinnes gewissermaßen die Vorboten (Prodrome) jenes Leidens. Die Libido solcher Personen äußert sich zunächst in schlüpfrigen Reden und Gesten, wobei das nächste Angriffsobjekt solcher der psychischen Degeneration verfallener Greise Kinder sind. Das scheint darin begründet zu sein, daß es leichter ist, sich an sie heranzumachen, und außerdem spielt hierfür wohl auch das Gefühl mangelhafter Potenz eine Rolle.

Es ist klar, daß damit die Bedingungen für eine ganze Gruppe von Perversionen, bzw. von perversen Akten gegeben sind. In Betracht kommen Exhibitionismus, Sadismus (Flagellation), Betastung der kindlichen Genitalien, gegenseitige Onanie, Cunnilinguus, Verbalerotik (unzüchtige Reden). Häufig handelt es sich da darum, den unmöglich gewordenen Geschlechtsakt zu ersetzen, was durch den Verlust moralischer Hemmungen begünstigt wird. Denn der moralische Sinn ist häufig auch dann schon zu tief gesunken, um die sittliche Bedeutung des Aktes zu ermessen und dem Trieb zu widerstehen, wenn die Intelligenz selbst noch intakt genug ist, um die Öffentlichkeit und die Entdeckung zu meiden.

In weiterer Folge, vor allem dann, wenn die senile Demenz tatsächlich eingetreten ist, werden die Handlungen immer schamloser. Die sexuelle Objektwahl richtet sich nun auch auf Erwachsene, und da der Koitus nun ganz unmöglich geworden ist, so kommt es zu Perversionen aller Art. Besonders die Unzucht mit Tieren (Sodomie) tritt hinzu, nicht selten in Verbindung mit schweren sadistischen Akten, indem das benützte Tier während des Mißbrauchs getötet wird.

Im Verlauf des Leidens kann es zu manischen Episoden oder auch ohne solche zu erotischem Delir und zu wahrer Satyriasis kommen, wie folgender Fall zeigt:

Beobachtung 16. I. R., von jeher sinnlichen und sexuellen Genüssen ergeben, aber das Dekorum wahrend, hatte seit seinem 76. Lebensjahr eine fortschreitende Abnahme der Intelligenz und zunehmende Perversionen des moralischen Sinnes gezeigt. Früher geizig, äußerst sittsam, consumpsit bona sua cum meretricibus, lupanaria frequentabat, ab omni femina in via occurrente, ut uxor fiat sua voluit, aut ut coitum concederet, und verletzte so sehr den öffentlichen Anstand, daß man ihn in eine Irrenanstalt bringen mußte. Dort steigerte sich die geschlechtliche Erregung zu einem Zustand wahrer Satyriasis, die bis zum Tode andauerte. Semper masturbavit vel aliis praesentibus, delirium eius plenum erat abscoenis imaginibus, viros qui circa eum erant, mulieres eos esse ratus, sordidis postulationibus vexavit ( Legrand du Saulle).

Nicht selten findet man bei solchen Zuständen auch homosexuelle Akte. Das ist wiederum durch die Potenzschwäche oder Impotenz der Patienten begründet, manchmal auch dadurch, daß Männer in höheren Lebensjahren verhältnismäßig leicht Gelegenheit haben, jüngere Personen, die ihnen untergeordnet sind, zu homosexuellen Akten zu mißbrauchen. Ein Beispiel dieser Art hat Krafft-Ebing mitgeteilt.

Beobachtung 17. Herr X., 80 Jahre alt, von hohem Stand, aus belasteter Familie, von jeher sexuell sehr bedürftig und zynisch, jähzornig, zog nach eigener Angabe schon als junger Mensch Masturbation dem Koitus vor, bot aber nie Erscheinungen von Homosexualität, hatte Mätressen, zeugte mit einer von ihnen ein Kind. Mit 48 Jahren Neigungsehe, aus der sechs Kinder hervorgingen; Herr X. gab während der Ehe seiner Gattin nie zu Klagen Anlaß.

Seit Jahren hat sich der eigenartige jähzornige Charakter des Patienten immer mehr entwickelt. Er ist äußerst mißtrauisch geworden und gerät schon bei geringfügigem Widerspruch in Affekt, selbst in Wutanfälle, in denen er sogar seine Gattin tätlich bedroht.

Seit einem Jahre deutliche Zeichen einer beginnenden senilen Demenz. Patient ist vergeßlich geworden, ist in Vergangenheit und Gegenwart fehlerhaft orientiert. Seit 14 Monaten ist wahre Verliebtheit in einzelne männliche Dienstboten zu bemerken, namentlich in einen Gärtnerburschen. Sonst schroff und zurückhaltend gegen Untergebene, überhäuft er ihn mit Gunstbezeugungen und Geschenken und befiehlt seiner Familie und seinen Hausangehörigen, ihm mit größter Achtung zu begegnen. Mit wahrer Brunst erwartet er die Stunden des Stelldicheins. Er schickt seine Familie fort, um ungestört mit dem Geliebten zu sein, hält sich stundenlang mit ihm eingeschlossen und wird, wenn sich die Türen wieder öffnen, ganz erschöpft auf dem Ruhebett gefunden. Neben diesem einen hat Patient noch gelegentlich Verkehr mit andern Dienern. Hoc constat amatos eum ad se trahere, ab iis oscula concupiscere, genitalia sua tangi iubere itaque masturbationem mutuam fieri. Die Familie ist machtlos; jede Gegenvorstellung ruft Zornanfälle hervor. Patient ist für seine perversen Handlungen vollkommen einsichtslos, so daß Entmündigung und Internierung als einziger Ausweg übrigbleiben.

Irgendwelche Sexualerregung durch das weibliche Geschlecht ist nicht zu beobachten ( Krafft-Ebing).

Bei Frauen war früher ein jähes Wiedererwachen des Geschlechtstriebes oder seine abnorme Steigerung im höheren Lebensalter eigentlich nur in Fällen bekannt, die wegen anderweitiger Psychopathie behandelt oder interniert waren. Das hat sich in unserer Zeit geändert, offenbar in Verbindung mit der bekannten starken Abnahme moralischer und sittlicher Hemmungen. An gewissen Luxusorten zählen die alten Frauen, die sich junge Männer, meist fremder Nationalität, als bezahlte Liebhaber halten, geradezu zu den alltäglichen Erscheinungen. Als wirklich pathologisch wird man ein solches Verhalten erst dann betrachten können, wenn es zu schwerer sozialer Schädigung, zu Konflikten mit den Behörden führt, oder wenn gleichzeitig ein deutlich hypersexuelles Zustandsbild besteht.

Im gesamten Bereich dieser Art der sexuellen Paradoxien bleibt noch so manches zu erforschen, und es ist wohl möglich, daß sich mit der Zeit herausstellen wird, daß weniger zerebrale Veränderungen der ganzen Triebabweichungen zugrunde liegen als innersekretorische Vorgänge. Die neueren Arbeiten Steinachs über die Verjüngung sprechen dafür und ebenso die letzten Ergebnisse, die bei der Erforschung der Hypophyse erreicht wurden.

c) Paedophilia erotica

Es mag zuerst befremdend erscheinen, daß die Paedophilie hier besprochen und den sexuellen Paradoxien eingereiht wird, denn Krafft-Ebing hat sie seinerzeit dort behandelt, wo er im gerichtlichen Teil seines Werkes die Unzucht mit Individuen unter 14 Jahren bespricht, in der speziellen Pathologie, kurz dort, wo jene schwersten Triebverirrungen dargestellt werden, die die Pervertierten in Konflikt mit Gesetz und Obrigkeit bringen. Indes auch Krafft-Ebing hat bereits die Paedophilen von jenen Unholden abgesondert, die sich des Verbrechens der Schändung schuldig machen.

Auch die Paedophilie kann bei weitem nicht so genau umrissen werden, wie dies in der einschlägigen Literatur bisher gewöhnlich versucht wurde. Man muß bloß daran denken, daß gar nicht so selten paedophile Akte auch von Menschen begangen werden, die sonst ein normales oder höchstens nach der Richtung der Hypersexualität hin leicht abweichendes Geschlechtsleben aufweisen. Es können ferner paedophile Neigungen bestehen, die auch bei ziemlicher Stärke sich nicht zu Tathandlungen zu verdichten brauchen. Es ist klar, daß es daneben auch schwere und schwerste Formen gibt, die ganz selbstverständlich als pathologisch und also auch als echte Triebabweichung aufgefaßt werden müssen. Aber alles in allem halten wir uns für berechtigt, nicht nur wegen der Analogie zum frühzeitig erwachenden und zum im Greisenalter wieder auftretenden Geschlechtstrieb, die Paedophilie – und die Gerontophilie – unter die sexuellen Paradoxien einzureihen.

Bei der Beurteilung der Paedophilie muß man daran festhalten, daß der paedophil Pervertierte zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes unbedingt des Sexualverkehrs mit Kindern bedarf, und daß er, was schon Krafft-Ebing hervorgehoben hat, durch sexuelle Reize erwachsener Personen unerregbar ist.

So wie für andere Triebabweichungen wird man auch für die Paedophilie nicht eine einzige Entstehungsursache anzunehmen haben, sondern mehrere. Eine wichtige Rolle spielt hier wiederum die Impotenz oder die Potenzangst des Mannes, die ihm begreiflicherweise nahelegt, seine Sexualbefriedigung nicht bei der Frau zu suchen, sondern dem normalen Geschlechtsakt dadurch zu entgehen, daß er Kinder als Sexualobjekte wählt, bei denen dieser wegfällt. Ähnlich wirken manchmal äußere Momente wie grobe Schönheitsfehler und körperliche Gebrechen; in Betracht kommt ferner die soziale Stellung. Es ist bekannt, daß Personen, die viel mit Kindern zu tun haben, Lehrer und Lehrerinnen, leicht zu Paedophilen werden, wobei aber doch zu bedenken ist, ob nicht diese Perversion hier latent schon vorhanden und somit für die Berufswahl mitbestimmend war.

Es liegt im Wesen der Paedophilie, daß sie mit andern Perversionen verbunden auftritt, da es ja jedenfalls zu ihrer Betätigung perverser Akte bedarf. Solche Triebabweichungen sind vor allem der Sadismus, schon deshalb, weil die Erlangung des Sexualobjektes, hier also des Kindes, oft eines mehr oder weniger gewaltsamen Vorgehens bedarf, und dann wegen der an Kindern oft weit leichter zu betätigenden Flagellationslust. Sehr häufig ist ferner bei Paedophilen der Exhibitionismus. Weiter kommen Partial- und Totalfetischismus in Betracht. Homosexualität ist stark verbreitet. Gerade der Paedophile kennt anscheinend überhaupt keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, so daß manchmal die Entscheidung gar nicht leicht ist, ob die Paedophilie oder ob die Homosexualität als die ursprüngliche Triebabweichung anzusehen ist.

Die Frage nach der Häufigkeit und Verbreitung der Paedophilie ist nicht leicht zu beantworten, hauptsächlich deshalb, weil sich diese ganze Triebabweichung schwer umgrenzen läßt. Rechnet man ihr nur jene Fälle zu, bei denen einzig und allein sexueller Kontakt mit Kindern zur Befriedigung des Geschlechtstriebes führt und wo also das ganze Sexualleben nur nach dieser einen Richtung hin orientiert ist, so wird man dem Zustand nur verhältnismäßig selten begegnen. Zieht man den Kreis etwas weiter, und erstreckt man den Begriff auch auf jene Fälle, wo im Banne einer andern Triebabweichung (Fetischismus, Sadismus, Homosexualität) auch Kinder als geeignete Sexualobjekte empfunden werden, so steigt die Zahl bereits bedeutend. Das gleiche gilt dort, wo der Geschlechtsverkehr mit Kindern durch äußere Umstände besonders begünstigt wird, also bei Lehrern und Lehrerinnen, bei Erziehern, Gouvernanten, Kindermädchen und überhaupt beim Dienstpersonal. Und schließlich ist es ein in den niederen Bevölkerungsschichten geradezu überraschend häufiges Vorkommnis, daß gelegentlich auch Kinder zur Befriedigung des Geschlechtstriebes verwendet werden – was natürlich nicht mehr als Paedophilie bezeichnet werden kann.

Die sexuelle Betätigung ist bei dieser Triebabweichung sehr mannigfaltig und sehr verschieden. Der Beginn besteht fast ausnahmslos in Betastungen der Kinder, die gewöhnlich die Beine, manchmal auch die Brüste betreffen und sich dann häufig auf die Geschlechtsorgane erstrecken. Der weitere Verlauf hängt wohl gewöhnlich von der Potenz des Perversen ab. Sind noch Erektionen möglich, so werden diese dadurch herbeigeführt, daß der Paedophile das Kind an sich preßt und drückt, so daß seine Genitalien in innigen Kontakt mit dem kindlichen Körper kommen. Versuche, das Kind zu masturbatorischen Manipulationen zu veranlassen, sind gleichfalls nicht selten, während ein anderer Teil solcher Perverser sich während der Betastung durch Onanie selbst befriedigt. Paedophile Frauen verleiten die mißbrauchten Knaben, seltener auch Mädchen, zum Cunnilinguus, und es ist keineswegs als Ausnahme anzusehen, daß schon 8-10jährige Knaben zur Ausführung des normalen Geschlechtsaktes veranlaßt werden. Die Jugenderinnerungen zahlreicher Neurotiker beweisen dieses Vorkommnis, ebenso wie seine später so unheilvollen Folgen.

Wenn sich auch die Paedophilie mit der Schändung oder mit der groben Unzucht an jugendlichen Personen nicht ohne weiteres vergleichen läßt, so gehört sie doch unzweifelhaft zu jenen Triebabweichungen, die in sozialer Beziehung durchaus zu verurteilen sind. Mag man noch so weitherzig das Recht bemessen, das jedem Individuum am eigenen Körper zusteht, so wird man doch eine Verhaltensweise und eine Einstellung durchaus ablehnen, deren Betätigung wehr- und schutzlose Personen – Kinder – aufs schwerste zu schädigen geeignet ist. Es ist sehr beklagenswert, daß gerade hochkultivierte Personen in reiferen Lebensjahren nicht selten ihre paedophilen Neigungen nicht zu hemmen vermögen. Freilich darf man nicht in jedem Falle den Aussagen der betroffenen Kinder Glauben schenken; man wird also öfter die paedophile Perversion anzunehmen haben, statt die die Kinder eigentlich gefährdenden paedophilen Perversitäten.

Im übrigen gehört die Paedophilie zu den verhältnismäßig unkomplizierten Triebabweichungen, so daß wir uns mit der kurzen Wiedergabe einiger Fälle begnügen können.

Beobachtung 18. Erblich belasteter Mann; seit der Pubertät, die spät (mit 24 Jahren) auftrat, sinnliche Empfindungen für 5-10jährige Mädchen. Schon beim Anblick solcher Mädchen kann es zur Ejakulation kommen, während bei ihrer Berührung ein förmlicher Sexualaffekt mit bloß summarischer Erinnerung für dessen Dauer erlebt wird. Patient war vom ehelichen Geschlechtsverkehr leidlich befriedigt und vermochte seinen Drang zu kleinen Mädchen zu beherrschen, bis er mit überhandnehmender schwerer Neurasthenie kriminell wurde ( Krafft-Ebing).

Beobachtung 19. 29 Jahre alte, erblich belastete, mit Phobien und Zwangsvorstellungen behaftete Dame. Seit acht Jahren heftiges Bedürfnis nach geschlechtlicher Vereinigung mit einem ihrer Neffen. Ihr Verlangen richtete sich zunächst auf den ältesten, als er etwa 5 Jahre alt war, und übertrug sich jeweils auf den heranwachsenden jüngeren.

Der Anblick des betreffenden Kindes genügte, um Orgasmus hervorzurufen. Es gelang ihr jedoch, dem ihr ganz unerklärlichen Drang zu widerstehen. Für Erwachsene hatte sie keine Zuneigung ( Magnan).

Beobachtung 20. 32 Jahre alte Frau, Mutter zweier Kinder, wegen Brutalität des Mannes von ihm getrennt.

Sie hatte (zur Zeit der Beobachtung) seit Monaten ihre Kinder vernachlässigt, täglich eine befreundete Familie besucht, jeweils zur Zeit, wo der Sohn des Hauses aus der Schule kam. Sie hätschelte, küßte ihn, äußerte zuweilen, sie sei in den Knaben verliebt und wolle ihn heiraten. Eines Tages behauptete sie zu dessen Mutter, der Knabe sei krank und unglücklich, und sie wolle mit ihm kohabitieren, um ihn zu heilen. Sie belagerte das Haus des Geliebten und mußte schließlich, als sie Gewalt anwenden wollte, interniert werden ( Magnan).

d) Gerontophilie

Die Gerontophilie, die Liebe zu Personen im Greisenalter, ist ein verhältnismäßig noch wenig erforschtes Gebiet, über das nur spärliche Beobachtungen vorliegen. Man muß sich hier ganz besonders hüten, die Grenzen des Pathologischen zu weit zu ziehen; denn gerade in unserer Zeit ist es durchaus keine Seltenheit, daß vor allem bei Liebesgefühlen von Frauen für Männer ein Altersunterschied von etwa dreißig Jahren nicht das mindeste für eine Triebabweichung dieser Art besagt. Man könnte sogar die Auffassung vertreten, daß eine solche Fehlwahl des Sexualpartners durch jene Instinktunsicherheit, die aus der Überzivilisation des modernen Großstadtlebens hervorgeht, mitverursacht wird. Der Mann von 50 Jahren ist besonders dann, wenn sein Aussehen und sein Ruf auf eine besondere Erfahrung in Liebesdingen schließen lassen, ein begehrtes Ziel jüngerer und selbst ganz junger Mädchen geworden.

Es ist ferner verhältnismäßig häufig, daß hypästhetische und ebenso latent homosexuelle Frauen besonders bei der Gattenwahl Männer bevorzugen, bei denen ein auch nur einigermaßen intensiver, häufiger, normaler Geschlechtsverkehr nicht zu erwarten ist, da eben dieser nicht ersehnt, sondern gewissermaßen nur mit in Kauf genommen wird. Auch jene – selteneren – Fälle gehören hierher, wo von Kindheit an eine starke Bindung an den Vater besteht. Hier wie dort werden demgemäß ältere und selbst alte Männer bevorzugt.

Der umgekehrte Fall ist natürlich viel seltener. Hier hat es den Anschein, als ob früher, etwa gegen das Ende des 18. Jahrhunderts, ältere Frauen häufiger von jüngeren Männern begehrt wurden, was sich allerdings vermutlich auf soziale Momente zurückführen läßt, wie auf die größere Freizügigkeit reiferer Frauen und dergleichen mehr.

In keinem Fall aber darf man für die erste Gruppe Marianne von Willemers Beziehung zu Goethe und für die zweite die Erfolge anführen, die Ninon de Lenclos noch im Matronenalter zu verzeichnen hatte; denn Ausnahmemenschen und ihre Schicksale sind weder vorbildlich noch beweiskräftig.

Nicht pathologisch sind ferner die in sexueller Hinsicht oft erstaunlich intensiven Beziehungen zwischen zwei Menschen, die gemeinsam, gewöhnlich in der Ehe, alt geworden sind. Das gleiche gilt dort, wo alte Menschen ständig im gleichen Milieu und in verhältnismäßig enger Gemeinschaft leben, wie in Altersheimen und ähnlichen Anstalten. Es ist bekannt, daß da erotische und sexuelle Bindungen genugsam vorkommen, die in positiver wie in negativer Beziehung (Eifersucht) so manchesmal überraschend kräftig sind.

Und schließlich scheiden auch jene Fälle aus, in denen deutlich hypersexuelle Personen eine starke geschlechtliche Anziehungskraft auch dann ausüben, wenn ihr Wert als Sexualpartner sonst durch hohes Alter und die dadurch bewirkte Verringerung ästhetischer Momente stark herabgesetzt ist.

Die echten Fälle von Gerontophilie stehen wohl stets in einer engen Verbindung mit dem Fetischismus, und man kann sagen, daß die Wahl gerade dieses Fetischs durch früh- oder spätinfantile Erlebnisse bei dazu prädisponierten Personen zu erklären ist. Auch wenn man den psychoanalytischen Anschauungen noch so zurückhaltend gegenübersteht, kann man sich bei gerontophilen Männern nicht der Einsicht verschließen, daß in der begehrten Matrone die Mutter geliebt wird. Daneben gibt es aber freilich auch Fälle, die einfacher zu erklären sind, etwa in der Weise, daß die erste Sexuallust beim Verkehr mit einer weit älteren Person empfunden wurde, die damals, etwa zu Beginn der Pubertät des Gerontophilen, noch keineswegs eine Matrone sein mußte, wohl aber um drei Jahrzehnte oder noch mehr älter war. Die Fixation jenes Erlebnisses führt dann zur Gerontophilie.

Ein sehr beweisendes Beispiel dieser Triebabweichung verdanken wir Wagner; es soll – stark gekürzt – in nachstehendem wiedergegeben werden:

Beobachtung 21. K. R., 29 J. alt, wurde sowohl wegen zweier Notzuchtsdelikte als auch wegen der Ermordung einer 64jährigen Frau, die nach einem vorhergegangenen Kampf erdrosselt aufgefunden wurde, verhaftet.

Beim ersten Unzuchtsakt hatte K., in leicht angetrunkenem Zustand und geschlechtlich ziemlich erregt, zuerst zwei Frauen angegriffen, die ihn aber energisch zurückwiesen, und dann das Armenhaus betreten, wo er sich im Hausflur zu einer 64jährigen Frau setzte. Er forderte sie zum Beischlaf auf und drückte sie, als sie sich wehrte und fortgehen wollte, zu Boden, legte sich auf sie, hob ihr die Röcke auf und wollte sie gebrauchen. Er ließ erst von ihr ab, als ihr eine Frau zu Hilfe kam.

Beim zweiten Unzuchtsakt ließ er sich mit einer 76 Jahre alten Frau in ein Gespräch ein und versuchte, sie unter Zusicherung einer Entlohnung zum Beischlaf zu bewegen. Da sie sich weigerte, stieß er sie zu Boden, legte sich auf sie, membrum denudavit, partes eae inferiores denudare conatus est. Die Frau wehrte sich, er schlug sie und ließ erst ab, als ein Mann zu Hilfe kam.

In einem dritten Fall machte er offensichtlich Versuche, einer 64jährigen Frau beizuwohnen. Als sie Widerstand leistete, begann er sie zu würgen und ließ erst von ihr ab, als Hilfe herbeikam. Auch im Mordfall wurde er durch das Beisammensein mit der 64jährigen Frau geschlechtlich erregt, warf sie dann, als sie sich weigerte, auf den Boden und erwürgte sie schließlich.

Im Laufe der psychiatrischen Untersuchung hat K. zugegeben, daß er in wiederholten Fällen den Geschlechtsverkehr mit alten Frauen angestrebt und erreicht habe. Er hat ferner die wichtige und aufklärende Tatsache mitgeteilt, daß er seines ersten im 17. Lebensjahre erfolgten Beischlafes durch Verführung seitens einer alten Frau teilhaftig wurde ( Wagner).

Die Notzuchtsversuche und schließlich der Mord, die dem ganzen Bild ein so düsteres Gepräge geben, sind deutlich von sekundärer Bedeutung; sie entspringen dem – hier zweifelsohne gerontophilen – überstarken Geschlechtstrieb, der vor allem den Geschlechtsakt selbst anstrebt, ohne sich erst bei der Werbung und überhaupt der Vorlust aufzuhalten.


 << zurück weiter >>