Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Elftes Kapitel

Exhibitionismus

Lasègue hat 1877 als Exhibitionisten jene Personen bezeichnet, die ihre Genitalien aus einer gewissen Entfernung andern Personen zeigen, ohne weitere unzüchtige Manipulationen vorzunehmen, insbesondere ohne dabei den Versuch zum Geschlechtsverkehr zu machen. Krafft-Ebing hat diesen perversen Akt nur dort besprochen, wo er das krankhafte Sexualleben vor dem Kriminalforum behandelt hat, und zweifelsohne ist der Exhibitionismus vielleicht sogar in der Mehrzahl der Fälle ein Symptom einer anderweitigen geistigen Störung wie der Epilepsie, der Dipsomanie und dergleichen. Es ist Molls Verdienst, dargetan zu haben, daß der Exhibitionismus unter Umständen aber auch lediglich eine sexuelle Perversion ist. Wir glauben, den Exhibitionismus als Triebabweichung auffassen, ihn nicht so sehr dem Fetischismus als dem Sadismus anreihen Daß es eigentlich am richtigsten wäre, den Sadismus und den Masochismus (und natürlich auch den Exhibitionismus) als Untergruppen des Fetischismus aufzufassen und also auch zu beschreiben, wurde bereits erwähnt. und die exhibitionistischen Akte als Ersatzhandlungen sadistischer Art ansehen zu sollen.

Denn es ist für ihn durchaus wesentlich, daß die Exhibition jedenfalls ohne und zumeist gegen den Willen der Personen erfolgt, denen die Genitalien gezeigt werden. Der eigentliche Akt ist eine Attacke, eine Überrumpelung, in gewissem Sinne eine Vergewaltigung, lauter Momente, die vollkommen auf den Sadismus hinweisen.

So wie wir das schon früher besonders bei der Beschreibung der sexuellen Anästhesie und der Hypästhesie getan haben, werden wir vom Exhibitionismus nur dort sprechen, wo er sich als eine deutlich umgrenzte Triebabweichung darstellt, während wir ihn dann, wo er nichts anderes ist als ein Symptom einer psychischen Erkrankung, lediglich erwähnen und mit Beispielen belegen werden. Denn ähnlich dem im Greisenalter wiedererwachenden Geschlechtstrieb findet man den Exhibitionismus bei der senilen Demenz, während an die Hyperaesthesia sexualis die Fälle erinnern, in denen exhibitionistische Akte bei Epileptikern und bei Dipsomanen vorkommen.

Es muß da gleich eines Umstandes gedacht werden, der die Beantwortung der Frage, ob das Exhibitionieren in einem bestimmten Falle Zeichen einer seelischen Erkrankung oder echte Perversion ist, erschwert. Der Vorgang als solcher ist nämlich selbstverständlich kriminell (so daß mehr der Gerichtsmediziner als der Seelenarzt Fälle dieser Art zu beurteilen hat), und damit hängt es zusammen, daß auch dann Verwirrungs- und Dämmerzustände und Bewußtseinstrübungen behauptet werden, wenn solche ebensowenig vorliegen wie etwa beim Sadismus oder beim Fetischismus Das gilt besonders dann, wenn der ertappte Exhibitionist sein Vergehen auf überreichlichen Alkoholgenuß zurückzuführen trachtet.. Verwertbar für die Differentialdiagnose ist das Traumleben der Perversen, und man wird wohl annehmen dürfen, daß dann, wenn auch die Träume exhibitionistischen Charakter haben, eine wirkliche Triebabweichung vorliegt.

Die perversen Akte sind hier ganz typisch. Sie bestehen darin, daß die entblößten Genitalien (der Penis vorwiegend im Zustand der Erektion) weiblichen Personen, in erster Linie jungen Mädchen, gezeigt werden. In schweren Fällen von Exhibitionismus tragen die Perversen eine eigene Kleidung, die aus einem weiten Mantel besteht, unter dem die unteren Teile der ungefähr in Kniehöhe ausgeschnittenen Beinkleider hervorragen, so daß ein einfaches Öffnen des Mantels zum Zeigen der Genitalien genügt. Nicht selten wird der Akt durch Reden aus der Abdominal- und Sexualsphäre eingeleitet, die sich von der bloßen Verbalerotik durch ihre sadistische Färbung in der Regel unterscheiden.

Es ist allen Beobachtern aufgefallen, daß von den exhibitionistischen Attentaten in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle kleine Mädchen betroffen werden, und man hat das teils auf Pädophilie, teils auf Sadismus zurückgeführt. Vermutlich ist diese Objektwahl weitgehend darin begründet, daß die Perversen Kinder für ungefährlicher halten als erwachsene Mädchen oder Frauen, in der Annahme, daß eine Anzeige durch sie schwerer erfolgen und bei Gericht weniger bedeuten würde. Davon abgesehen spricht indes der Exhibitionismus vor Kindern durchaus für den Sadismus, denn es ist, wie wir dort gesehen haben, für den Sadisten die Verletzung der Schamhaftigkeit ein starker Reiz, so daß also die Rolle, die die kleinen Mädchen im Sexualleben des Exhibitionisten spielen, hauptsächlich auf diesen Umstand zurückzuführen ist. Wir glauben also, daß die Pädophilie beim Exhibitionismus nicht von wesentlicher Bedeutung und ungefähr der Hypersexualität gleichzustellen ist, die sich in nicht wenigen Fällen von Exhibitionismus nachweisen läßt.

Wie schon früher erwähnt, ist der Exhibitionismus eine schwere Triebabweichung, ohne daß jedoch die Übergänge zum Normalen völlig fehlen würden. Man braucht in diesem Zusammenhang nur daran zu erinnern, daß viele Männer den starken Reiz kennen, den der penis erectus auf die Frauen ausübt, was bereits beim Fetischismus erwähnt wurde. Dieser an sich noch durchaus normale Sachverhalt ist wohl geeignet, die Entstehung des Exhibitionismus zu erklären, etwa in der Weise, daß nur dieser eine Akt als wirklich lustbetont empfunden wurde, worauf sich dann in weiterer Folge das gesamte Sexualleben auf ihn allein konzentriert.

Es gibt weiters Neigungen exhibitionistischen Charakters, wie die Vorliebe, sich völlig nackt andern Personen zu zeigen, und es ist durchaus möglich, daß manche Menschen durch ihre Teilnahme an den Versammlungen von Nacktklubs, Sonnenanbetern und ähnlichen Gesellschaften einen (latenten) Exhibitionismus abzureagieren streben. Ähnlich dürfte es um die partielle Entblößung stehen, durch welche Frauen auf die Männer zu wirken trachten, besonders dann, wenn eine solche Enthüllung in einem gewissen Widerspruch zur herrschenden Mode steht.

Ferner muß darauf hingewiesen werden, wie häufig exhibitionistische Akte im Kindesalter, bei beiden Geschlechtern, sind. Man wird darum die Kinder nicht als »polymorph pervers« ( Freud) bezeichnen – erfolgen doch solche Tathandlungen zweifelsohne noch naiv –, aber für die Entstehung des Exhibitionismus ist dieser Sachverhalt wohl von Bedeutung. Denn bei entsprechender Prädisposition können bei einer solchen (naiven) Entblößung sexuelle Lustgefühle auftreten, woraus sich in weiterer Folge eine exhibitionistische Einstellung entwickeln kann.

Beobachtung 139. Gymnasiallehrer Dr. X. hat dadurch öffentliches Ärgernis erregt, daß er wiederholt im Berliner Tiergarten vor Damen und Kindern mit genitalibus denudatis herumlaufend gesehen wurde. X. gibt dies zu, stellt aber Absicht und Bewußtsein, ein öffentliches Ärgernis zu geben, in Abrede und entschuldigt sich damit, daß das schnelle Laufen mit entblößten Genitalien ihm gegen nervöse Aufregungen Erleichterung gewährte. Mutters Vater war gemütskrank und endigte durch Selbstmord, die Mutter war konstitutionell neuropathisch, Nachtwandlerin und vorübergehend gemütskrank gewesen. X. ist neuropathisch, war Nachtwandler, hatte von jeher Abneigung gegen geschlechtlichen Verkehr mit Frauenspersonen, trieb in jungen Jahren Onanie, ist ein scheuer, schlaffer, leicht in Verlegenheit und Verwirrung geratender Mensch, neurasthenisch. Er war sexuell immer sehr erregt. Er träumt oft, daß er mentula denudata umherlaufe oder im Hemd an einem Reck hänge, den Kopf nach unten, so daß das Hemd zurückfalle und das erigierte Glied entblößt sei. Diese Träume führen dann zur Pollution, und er habe eine halbe bis ganze Woche Ruhe.

Auch im wachen Zustand befalle ihn im Sinne seiner Träume oft der Drang, mit entblößtem Glied umherzulaufen. Indem er zur Entblößung schreite, werde ihm glühend heiß, er laufe dann planlos herum, das Glied werde feucht, jedoch komme es nicht zur Pollution. Endlich erfolge relaxatio membri, er stecke es ein, komme dann zu sich, froh, wenn den Vorgang niemand gesehen habe. Er befinde sich in solchen Erregungen wie im Traum, wie in Trunkenheit. Nie habe er dabei die Absicht gehabt, Frauen zu belästigen. X. ist nicht epileptisch. X.' Angaben haben das Gepräge der Wahrheit. Er hat tatsächlich nie Frauen in diesen Zuständen verfolgt oder auch nur angesprochen. Frivolität, Roheit läßt sich ausschließen ( Liman).

Sehr wesentlich für die Diagnose auf echte Perversion sind hier, wie bereits früher erwähnt, die Träume.

Beobachtung 140. Dr. X. hat seit Jahren die weibliche Bevölkerung in Straßburg erschreckt, indem er in fast identischer Weise vor Damen abends, am liebsten bei einer Laterne oder unter Entzündung bengalischer Zündhölzer, seinen langen Mantel auseinanderschlug und genitalia nuda zeigte. In andern Fällen tat er dies, indem er frühmorgens an Wohnungen klingelte und vor dem die Türe öffnenden oder am Fenster erscheinenden Dienstmädchen exhibierte.

Der Befund in der psychiatrischen Klinik ergab: die nachweisliche direkte erbliche Belastung war mäßig. Von Kindheit auf lebhafter Sexualtrieb (Onanie, später normal sexuelle Exzesse bis zur Gegenwart). Entschuldigung mit »unwiderstehlichem Trieb«, aber nie Verlust des Bewußtseins schimpflicher strafbarer Handlung. Epilepsie, Geistesstörung im engeren Sinne auszuschließen. X. ist eine weichliche, schlaffe Natur, aber nicht schwachsinnig ( Hoche).

Beobachtung 141. X., 38 Jahre alt, verheiratet, Vater eines Kindes, von jeher düster, schweigsam, häufig an Kopfweh leidend, schwer neurasthenisch, jedoch psychisch nicht krank, viel mit nächtlichen Pollutionen geplagt, ist wiederholt Ladenmädchen, denen er an einem Anstandsorte aufgelauert hatte, mit exhibierten Genitalien, am Penis herummanipulierend, auf der Straße nachgegangen. In einem Falle hat er das betreffende Mädchen sogar bis in den Laden hinein verfolgt ( Trochon).

Weit zahlreicher sind die Beispiele von Exhibitionismus in Fällen von seniler Demenz und von Paralyse bei schwer belasteten Personen, bei Alkoholikern, Dipsomanen und Epileptikern.

Ein Anzahl hierher gehöriger Fälle hat Pelanda mitgeteilt.

1. Paralytiker, 60 Jahre alt. Mit 58 Jahren hatte er begonnen, vor Frauen und Kindern zu exhibieren. Er war in der Irrenanstalt noch längere Zeit lasziv und versuchte auch Fellatio.

2. Alter Potator, 66 Jahre, schwer belastet, an Folie circulaire leidend. Seine Exhibition wurde zum erstenmal in der Kirche während des Gottesdienstes bemerkt. Sein Bruder war ebenfalls Exhibitionist.

3. Mann, 49 Jahre, belastet, Potator, von jeher sexuell sehr erregbar, wegen Alkoholismus in der Irrenanstalt, exhibiert jeweils, wenn er eines weiblichen Wesens ansichtig wird.

4. Mann, 64 Jahre, verheiratet, Vater von 14 Kindern. Schwere Belastung. Rachitisch mikrozephaler Schädel. Seit Jahren Exhibitionist, trotz wiederholter Bestrafungen.

Beobachtung 142. X., höherer Beamter, 60 Jahre alt, Witwer, Familienvater, hat dadurch Anstoß erregt, daß er einem 8jährigen, ihm gegenüber wohnenden Mädchen während eines Zeitraumes von 14 Tagen wiederholt genitalia sua de fenestra ostendit. Nach mehreren Monaten hat dieser Mann unter gleichen Umständen seine unanständige Handlung wiederholt. Er erkannte im Verhör das Abscheuliche seiner Handlungsweise an, wußte keine Entschuldigung dafür. Ein Jahr später Tod an Hirnerkrankung ( Lasègue).

Beobachtung 143. X., Kaufmann, ledig, hat wiederholt vor Kindern exhibiert oder auch uriniert, einmal auch in derartiger Situation ein kleines Mädchen abgeküßt. Vor 20 Jahren hatte X. eine schwere geistige Krankheit von zweijähriger Dauer durchgemacht, in welcher ein apoplektischer Anfall vorgekommen sein soll.

Später, nach Verlust seines Vermögens, ergab er sich dem Trunk und erschien in den letzten Jahren öfters wie geistesabwesend.

Der Befund ergab Alkoholismus, Senium praecox, geistige Schwäche. Penis klein, Phimosis, Hoden atrophisch. Nachweis geistiger Krankheit. Freisprechung ( Schuchardt).

Beobachtung 144. X., 27 Jahre alt, von neuropathischer Mutter und alkoholischem Vater, hat einen Bruder, der Säufer, und eine Schwester, die hysterisch ist. Vier Blutsverwandte von väterlicher Seite sind Säufer, eine Kusine ist hysterisch.

Vom 11. Jahre an Onanie, solitär oder mutuell. Vom 13. Jahre ab Dränge zu exhibieren. Er versuchte es am Pissoir einer Straße, empfand wollüstiges Behagen, aber gleich darauf Gewissensbisse. Versuchte er im weiteren Verlauf seinen Trieb zu bekämpfen, so fühlte er heftige Angst und Beklemmung auf der Brust. Als Soldat trieb es ihn häufig, mentulam Kameraden unter verschiedenen Vorwänden zu zeigen.

Vom 17. Jahre an verkehrte er sexuell mit Frauen. Es gewährte ihm großen Genuß, sich vor ihnen nackt zu zeigen. Sein Exhibieren auf den Straßen setzte er fort. Da er aber nur selten vor Pissoirs auf Zuschauerinnen rechnen konnte, verlegte er den Schauplatz seiner Delikte in Kirchen. Um an dieser Stelle zu exhibieren, mußte er sich immer vorher Mut antrinken.

Unter dem Einfluß geistiger Getränke war der sonst noch leidlich beherrschbare Drang unwiderstehlich. B. wurde nicht verurteilt, verlor seinen Posten, trank mehr seitdem. Nicht lange darnach neuerliche Arretierung, da er in einer Kirche exhibiert und sogar masturbiert hatte ( Magnan).

Zum Exhibitionismus gehört auch eine Gruppe perverser Akte, die unter dem Namen Frottage zusammengefaßt werden, während man die Perversen dieser Art als Frotteure bezeichnet. Die Anomalie besteht darin, daß solche Menschen sich an andere Personen, gewöhnlich an Frauen, herandrängen und ihren Penis an deren Nates oder Oberschenkel pressen und reiben, wobei es zur Erektion und selbst zur Ejakulation kommt. Es handelt sich hier weniger um einen reinen Exhibitionismus, als vielmehr um eine Verbindung dieser Triebabweichung mit hypersexuellen, fetischistischen und sadistischen Momenten, ohne daß jedoch dadurch eine schwere Perversion zustande käme. Immerhin veranlaßt die Tatsache, daß der ganze Akt ohne und gegen den Willen der in dieser Weise berührten Person vorgenommen wird, und daß dabei die Absicht vorwaltet, sie durch diese Berührung sexuell zu erregen, dazu, die Frotteure den echten Exhibitionisten anzureihen.

Beispiele für diese Triebabweichung sind verhältnismäßig selten, schon deshalb, weil hier die Tathandlung nur in Ausnahmefällen krimineller Natur ist.

Beobachtung 145. X., 33 Jahre, schwer hereditär belastet, wird an einer Omnibusstation betreten, als er Frottage mit seinem Glied an einer Dame trieb. Tiefe Zerknirschung, aber Versicherung, daß er beim Anblick der markanten Posteriora einer Dame unwiderstehlich hingerissen sei, Frottage zu treiben, dabei ganz verwirrt sei und nicht mehr wisse, was er tue ( Magnan).

Beobachtung 146. X., von tadellosem Vorleben, aus guter Familie, Privatbeamter, finanziell gut situiert, unbelastet, nach kurzer Ehe Witwer, war seit geraumer Zeit in Kirchen dadurch auffällig geworden, daß er sich an Frauenzimmer, gleichgültig ob jung oder alt, von hinten angedrängt und an deren hinteren Partien herummanipuliert hatte. Man lauerte ihm auf, und eines Tages gelang seine Verhaftung in flagranti. X. war aufs höchste bestürzt, verzweifelte über seine Lage und bat, indem er ein unumwundenes Geständnis ablegte, um Schonung, da ihm sonst nur der Selbstmord übrigbleibe.

Seit zwei Jahren sei er von dem unglückseligen Hang befallen, sich im Menschengewühl, in Kirchen, an Theaterkassen usw. von rückwärts an Frauenspersonen anzudrängen und mit deren aufgebauschten Kleidern zu manipulieren, wobei Orgasmus und Ejakulation eintrete.

X. versichert, niemals der Masturbation ergeben gewesen zu sein, auch nach keiner Richtung sexuell pervers empfunden zu haben. Seit dem frühen Tod seiner Frau habe er seine mächtigen sexuellen Bedürfnisse durch zeitweilige Liebschaften befriedigt, von Bordellen und Lustdirnen sich von jeher angewidert gefühlt. Der Anreiz zu Frottage sei ihm vor zwei Jahren, als er zufällig in der Kirche verweilte, plötzlich gekommen. Obwohl er sich bewußt war, daß es unanständig sei, habe er sich nicht enthalten können, sofort ihm nachzugeben. Seither sei er so erregbar durch die Posteriora weiblicher Individuen geworden, daß es ihn förmlich getrieben habe, Gelegenheiten zu Frottage aufzusuchen. Am Weib errege ihn nur der rückwärtige Teil des Rocks, alles übrige an Körper oder Kleidung sei ihm ganz gleichgültig, ebenso ob das Weib jung oder alt, schön oder häßlich sei. Zu naturgemäßer Befriedigung habe er seither keine Neigung mehr. Neuerlich erscheinen auch in seinen erotischen Träumen Frottagesituationen.

Während solcher sei er sich seiner Lage und seiner Handlung vollkommen bewußt und bemüht, dieselbe so unauffällig als möglich zu begehen. Nach dem Akt habe er sich immer seiner Handlungsweise geschämt.

Die Untersuchung gab keine Zeichen von geistiger Krankheit oder geistiger Schwäche, wohl aber solche von Neurasthenia sexualis, worauf auch der Umstand hinwies, daß schon bloße Berührung der Frauen mit den nicht exhibierten Genitalien zur Ejakulation genügte ( Krafft-Ebing).

Im Anschluß hieran ist noch die Tatsache zu erwähnen, daß ähnliche Manipulationen auch auf einer gänzlich andern Grundlage vorkommen. Man kann besonders in Großstädten nicht selten beobachten, daß beim Tanzen beide Partner frottageähnliche Berührungen ausführen, durch die sie sogar zum Orgasmus gelangen können. Es handelt sich hier aber zweifelsohne nicht um eine Perversion; solche Praktiken gehören entweder ins Gebiet der Vorlust, oder sie sind Folgeerscheinungen sexueller Not, seltener schließlich sexueller Hyperästhesie.


 << zurück weiter >>