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Siebentes Kapitel

Zoophilie

Sexuelle Beziehungen zwischen Mensch und Tier werden als Zoophilie bezeichnet. Früher hat man für diese Triebabweichung den Namen Sodomie benützt, ein Ausdruck, der indessen von der Theologie und früher auch vom Jus für die Päderastie gebraucht wurde, die eigentliche Sünde Sodoms. Krafft-Ebing hat noch eine Unterteilung der Zoophilie vorgenommen, in die Bestialität, die Zooerastie und die Zoophilia erotica. Unter der Bestialität verstand er die Tierschändung an sich, also den perversen Akt, während er als Zoophilie jene Fälle bezeichnete, wo Tiere auf Menschen sexuell aufreizend wirken. Zooerastie schließlich nahm er dort an, wo wiederholte Bestialität als bevorzugte oder einzige Art sexueller Betätigung vorlag. Wir glauben indes, auf diese Unterteilung verzichten zu können.

Während der heutigen Menschheit die Zoophilie als eine besonders abwegige und seltsame Triebabweichung erscheint, dürfte sie in früheren Epochen menschlicher Kultur ein keineswegs so besonderes Vorkommnis gewesen sein. Dafür sprechen z. B. die Mythen des alten Ägypten und Indien wie der Antike und vermutlich auch die Tatsache, daß heute noch in China die Zoophilie verhältnismäßig weit verbreitet ist. Der Gedanke liegt nahe, daß in dieser Beziehung die Menschen damals etwa in der Art und Weise sexuell undifferenziert waren, wie wir das heute noch an Kindern vielfach sehen. Denn das »polymorph perverse« Kind Freuds ist, unter einem andern Gesichtswinkel gesehen, lediglich sexuell undifferenziert.

Von dieser Tatsache aus lassen sich auch so manche Fälle von Zoophilie am leichtesten verstehen. Primitive Menschen, die von Berufs wegen ständig mit Tieren und nur selten mit Personen andern Geschlechts zu tun haben, und die eben wegen ihrer Primitivität auch sexuell undifferenziert sind, gelangen häufiger, als man dies gewöhnlich annimmt, dazu, Tiere zum Geschlechtsakt zu mißbrauchen. Solche Perversität ist kaum anders zu bewerten als ein homosexueller Akt im Gefangenenlager oder Zuchthaus. Hierher gehört auch die bekannte Anekdote von Friedrich dem Großen, der der Meldung, daß sich ein Kavallerist mit seiner Stute vergangen habe, lediglich die Bemerkung hinzugefügt haben soll: »Der Mann ist ein Schwein und gehört zur Infanterie«. In H. Groß' Archiv (Band 34) wird von einem älteren, verwitweten Bauern berichtet, der sich mit einem Schwein vergangen hatte, und der sich damit entschuldigte, daß »die Sau ihm immer nachgegangen sei und ihn so gerührt angeschaut habe, daß er ihr eben den Willen tun mußte«.

Als Beispiele für diese Gruppe seien folgende Beobachtungen angeführt:

Beobachtung 22. Ein 47jähriger Knecht wird im Stalle nur mit dem Hemd bekleidet angetroffen. Er bestreitet widernatürliche Unzucht, gesteht aber, die Kälber geküßt zu haben ( Sury).

Beobachtung 23. Ein 16 Jahre alter Schuhmacherlehrling fing im Garten des Nachbars eine Gans und betätigte sich mit dem Tier zoophil, bis der Nachbar hinzukam. Auf dessen Vorhalt sagte er: Nun, fehlt der Gans etwas? und entfernte sich. Im Verhör gab er an, nicht gewußt zu haben, was er tue; der Masturbation sei er nicht ergeben ( Krafft-Ebing).

Beobachtung 24. Ein junger Stier besprang einen 42jährigen ledigen Landwirt S., im Moment, als dieser die Krippe reinigen wollte. Der Mann gesteht im Verhör, den Stier gereizt zu haben, worauf dieser ihn besprang und das Glied in seinen After stieß. Der Stier habe ihn so fest an die Krippe gedrückt, daß S. sich seiner nicht erwehren konnte, bis das Tier von ihm abließ. Die ärztliche Untersuchung ergab eine Perforation der vorderen Rektalwand 12 cm oberhalb des Anus ( Sury).

Wesentlich seltener sind heute schon zoophile Praktiken auf abergläubischer Grundlage, so jene, die aus der Anschauung erfolgen, daß z. B. eine alte Gonorrhöe durch den Koitus mit einer Ziege geheilt werden könne.

Wie bereits erwähnt, gehört die Zoophilie zu jenen Perversionen, denen man bei hypersexuellen Personen begegnet. Es ist ja ohne weiteres begreiflich, daß bei überstarker Libido die Wahl des Sexualobjektes von sekundärer Bedeutung ist. Besonders dort, wo die unbefriedigte Sexualität einen wahren Rauschzustand, eine Art Ekstase hervorruft, kann es zu zoophilen Akten kommen.

Beobachtung 25. Ein 47jähriger Wirt, seit 12 Jahren verheiratet, Vater von 3 Kindern, wird von seiner Frau der widernatürlichen Unzucht bezichtigt. Sie erzählt, daß ihr Mann von Anfang an einen unersättlichen Trieb zum Beischlaf gehabt hätte. Gleich nach der Verheiratung begann er auch mit jungen Burschen unzüchtige Handlungen zu betreiben, was in letzter Zeit immer ärger wurde. Zudem verkehrte er mit einer Hündin, einem Schaf und fast täglich mit einem Mutterschwein. Die eingehende psychiatrische Untersuchung ergab keine krankhaften Erscheinungen ( Sury).

Wesentlich interessanter sind nun die Fälle, bei denen die Zoophilie die gesamte sexuelle Betätigung des Individuums ausmacht. Schon Krafft-Ebing hat vermutet, daß es sich hier um eine Art Fetischismus handle, und wir werden später sehen, daß beim Fetischismus auch nach der Zoophilie hin orientierte Praktiken vorkommen. Ein sehr bezeichnendes Beispiel ist die

Beobachtung 26. X., ein junger Mann von 16 Jahren, aus ausgezeichneter Familie, hatte sexuelle Neigung zu einem Schwein. Da er sich für die Landwirtschaft interessierte, wurde er in eine entsprechende Schule gegeben. Einen Tag nach seiner Aufnahme stellte sich heraus, daß ein Schwein gestohlen war. Man fand, daß der junge Mann der Dieb war. Dies wiederholte sich, und man beobachtete ihn auch bei Liebkosungen, die er mit einem Schwein austauschte. Nächtliche Pollutionen waren bei ihm häufig und waren stets von der Vorstellung eines Schweines begleitet. X. wurde zunächst in einer Privatklinik untergebracht. Nach seiner Freilassung war seine erste Handlung, Geld zu stehlen und dafür ein Schwein zu kaufen. Tod mit 25 Jahren in einer Anstalt ( W. L. Howard).

Beobachtung 27. Y., Bauer, 40 Jahre. Vom 5. Jahr an epileptische Anfälle. Mit 17 Jahren Erwachen des Geschlechtstriebes. Y. hatte weder sexuelle Neigung zu Weibern noch zu Männern, wohl aber zu Tieren (Vögel, Pferde usw.). Er koitierte mit Enten, Hühnern, später mit Pferden, Kühen. Nie Onanie. Y. ist Frauen gegenüber sehr schamhaft, Koitus mit solchen erscheint ihm fast wie Sünde. Er war auch bei einem einmaligen Versuch, ein Weib zu koitieren, impotent. Tieren gegenüber war er immer sehr potent. Y. ist sehr beschränkten Geistes; seit Jahren religiöse Paranoia mit Ekstasezuständen ( Kowalewski).

Dieser Fall leitet schon zu jenen über, in denen die Zoophilie oder der mit Tieren ausgeübte Sexualakt im wesentlichen nichts anderes als ein Symptom einer auch anderweitig sich kundtuenden geistigen Störung ist. Paranoiker, Epileptiker, Alkoholiker, Maniker gehören hierher.

Beobachtung 28. T., 35 Jahre alt, trieb schon mit 9 Jahren Unzucht mit einem Huhn, später mit andern Haustieren. Als er mit Weibern zu koitieren begann, schwanden seine zoophilen Gelüste. Er heiratete mit 20 Jahren, war sexuell befriedigt, mit 27 Jahren begann er zu trinken, worauf seine früheren Neigungen wieder erwachten, so daß er ihnen schließlich erlag. T. versichert, daß er bei einem solchen Akt viel größere Wollust empfände als beim coitus cum femina. Schließlich Internierung wegen Alkoholwahnsinns ( Boissier und Lachaux).

Beobachtung 29. A., 16 Jahre alt, seit Kindheit Masturbant, manisch, depressiv, imbezil. 12 Jahre alt, sah er, wie Knaben einen Hund masturbierten. Er machte es nach und konnte sich nicht enthalten, in der Folge Hunde, Katzen, Kaninchen zu mißbrauchen. Viel häufiger mißbrauchte er aber weibliche Kaninchen, die einzigen Tiere, die für ihn einen Reiz hatten. Mit Einbruch der Nacht pflegte er sich nach dem Kaninchenstall zu begeben, um seinem Drang zu frönen. Man fand wiederholt Kaninchen mit zerrissenem Rektum. Die zoophilen Akte spielten sich immer in der Weise ab, daß etwa alle 8 Wochen des Abends förmliche Anfälle auftraten, die deutlich an epileptische Anfälle erinnerten. Obwohl A. nach dem Akt tiefe Beschämung über das Vorgefallene empfand und seine Wiederkehr fürchtet, versichert er doch, vor die Wahl gestellt, ein Weib oder ein weibliches Kaninchen zu gebrauchen, sich nur zu letzterem entschließen zu können. In seinen Anfällen genügt es ihm meistens zur sexuellen Befriedigung, das Kaninchen nur an sich zu drücken und zu küssen. Manchmal aber ist er geradezu gezwungen, den Geschlechtsakt zu vollziehen. Die Zoophilie ist das einzige, was ihn befriedigt, und die einzige mögliche Art sexueller Tätigkeit ( Boeteau).

Zoophilie muß aber keineswegs immer mit so schweren geistigen Störungen verbunden sein. Manchmal, und vielleicht sogar häufiger, als es den Anschein hat, ist sie nichts anderes als einer der zahlreichen Auswege, die zu beschreiten Männer mit Potenzangst sich gezwungen glauben. Sehr bezeichnend ist dafür folgende Beobachtung:

Beobachtung 30. In einer Provinzstadt ertappte man einen 30jährigen Mann aus hohem Stand im zoophilen Verkehr mit einer Henne. Man hatte lang nach dem Übeltäter gefahndet, weil die Hennen im Hause eine nach der andern zugrunde gingen. Der Angeklagte verteidigte sich mit dem Hinweis auf seine kleinen Genitalien, die ihm den Verkehr mit Weibern unmöglich machten. Die ärztliche Untersuchung ergab tatsächlich äußerst kleine Genitalien; der Mann selbst war geistig ganz normal ( Gjurkovechky).

Auch in Verbindung mit dem Sadismus kommt Zoophilie vor. Hier sei schon auf das später aufzustellende Schema verwiesen, in dem gezeigt wird, daß gewisse Sadisten stets ein tief unter ihnen stehendes Sexualobjekt wählen – was zweifelsohne für diese Art der Zoophilie von Bedeutung ist. Hier ist auch daran zu denken, daß im Kindesalter sadistische Akte an Tieren verhältnismäßig häufig sind, und daß dort, wo dabei Sexuallust empfunden wurde, eine Fixation des Vorganges folgen und in späteren Jahren zur Entstehung eines zoophilen Sadismus beitragen kann.

Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß überhaupt jeder zoophile Akt einen sadistischen Einschlag aufweist, weil dabei auf das Tier ein gewisser Zwang ausgeübt werden muß, und weil es den Akt sicherlich häufig als Schmerz empfindet.

Es kann aber auch vorkommen, daß sadistische Personen Tiere als Ersatzobjekt wählen, so daß also eine nur scheinbare Zoophilie einen echten Sadismus sozusagen überlagert. Ein Beispiel dafür ist folgende Beobachtung:

Beobachtung 31. Y., 20 Jahre alt, intelligent, wohlerzogen, körperlich gesund. Von Kindheit an große Freude an Tieren, besonders an Hunden und Pferden. Eines Tages beim erstmaligen Besteigen eines Pferdes Wollustempfindung. Nach 14 Tagen bei neuerlichem Anlaß dasselbe, zugleich mit Erektion. Kurz darauf erster Ritt, diesmal Ejakulation, was sich nach einem Monat wiederholt. Patient empfindet darüber Ärger und Abscheu, gibt das Reiten auf und hat nunmehr fast täglich Pollutionen, gewöhnlich mit der Traumvorstellung, er sitze zu Pferde oder dressiere Hunde. Schon der Anblick von Reitern oder von Hunden genügt, um eine Erektion hervorzurufen.

Über ärztlichen Rat Koitusversuche, die erfolglos blieben. Später gelingen sie unter Zuhilfenahme der die Erektion fördernden Phantasiebilder von Hunden oder Reitern. Ausgang in Heilung ( Hanc).

Es ist leicht ersichtlich, daß das Obensein beim Reiten, das Herrschen beim Dressieren der Hunde hier die Hauptsache ist. Da diese Betätigung bei Tieren natürlich leichter durchführbar ist als bei Menschen, so werden eben jene dazu verwendet.

Eine andere Gruppe von Zoophilen wird von Personen gebildet, die gewissermaßen einen sexuellen Spieltrieb besitzen und in einer Verbindung von Überkultur und Degeneration gänzlich hemmungslos geworden sind, wobei die eine oder die andere Komponente überwiegen kann. Häufig ist auch ein gewisser fetischistischer Einschlag festzustellen, wobei nicht das Tier der Fetisch ist, sondern die Gesamtsituation, in der sich der zoophile Akt vollzieht. Gewöhnlich wird man aber finden, daß neben dieser Perversion noch die verschiedensten andern Triebabweichungen bestehen, so daß man es hier mit wirklich polymorph perversen Individuen zu tun hat.

Beobachtung 32. Die 26jährige Frau B., Mutter von 8 Kindern, beschuldigt ihren Mann, er habe vor einigen Monaten wiederholt von ihr verlangt, sich von einem Schäferhund begatten zu lassen. Der Akt gelang nur zweimal, und zwar in Knie-Ellbogenlage der Frau. B. reizte den Hund bis zur Erektion, legte ihn dann der Frau mit den Vordertatzen auf die Schultern und dirigierte den Penis in ihren Geschlechtsteil. Vor dem Samenerguß entfernte B. den Hund und übte dann selbst den Koitus aus. B. gibt an, den Akt aus Neugierde und um der Frau mehr Reiz zu verschaffen, inszeniert zu haben. Die Richtigkeit des Vorganges wurde von dem untersuchenden Arzt durch ein Experiment bestätigt. Er brachte den fraglichen Schäferhund zur Frau B. Der Hund drängte nach leichtem Locken den Kopf zwischen ihre Beine und beleckte ihre Genitalien. Hierauf begab sich die B. in Knie-Ellbogenlage, und mit leichter Nachhilfe ihrerseits legte sich das Tier über sie und machte lebhafte Koitusbewegungen ( Sury).

Bekannt ist ferner, daß in Bordellen in Großstädten und Hafenorten (Port Said) Prostituierte sich von Tieren (Eseln, Ziegenböcken, Hunden) begatten lassen.

Diese Tatsache leitet über zu der bekannten Erscheinung, daß in Tiergärten Geschlechtsakte zwischen den dort zur Schau gestellten Tieren stets ein zahlreiches Publikum anlocken, und die sexuelle Erregung, in die so manche Zuschauer versetzt werden, läßt sich unschwer erkennen. Das hat gewöhnlich mit Zoophilie nichts zu tun. In Analogie zu dem reitlustigen Sadisten (Beobachtung 31) ergibt sich hier für solche Menschen eine bequeme Gelegenheit, einen Sexualakt zu beobachten, etwas, was – in deutlicher Ausprägung – als Voyeurtum bei der Besprechung des Fetischismus zu behandeln sein wird. Daß aber eine solche Betrachtung von Tieren ausgeübter sexueller Akte dort nicht ohne Folgen und Bedeutung bleibt, wo es sich entweder um wirklich zoophile oder noch mehr um sexuell undifferenzierte Personen handelt, beweist folgende Beobachtung:

Beobachtung 33. Zusehen beim Decken einer Kuh und zweier Ziegen hat drei Knechte so aufgeregt, daß sie nach der Heimkehr im Stalle die Tiere gleich selbst mißbrauchten ( Sury).

Es sei nun noch kurz begründet, warum die Zoophilie in die erste Gruppe der Perversionen eingereiht und nicht in der zweiten im Zusammenhang mit dem Fetischismus besprochen wurde. Maßgebend dafür war, daß bei der Zoophilie jene Fälle bei weitem überwiegen, wo nur die Sexualität, nicht aber die Erotik den perversen Akt veranlaßt. Mit andern Worten, die Zoophilie steht der Hypersexualität ganz wesentlich näher als dem Fetischismus, von dem sie sich auch dadurch unterscheidet, daß bei diesem rein psychische Vorgänge die Hauptrolle spielen, während bei der Zoophilie gewöhnlich nur der in der Regel völlig undifferenzierte Geschlechtstrieb obwaltet.

Die praktische Bedeutung der Zoophilie ist verhältnismäßig gering – was freilich nicht heißen soll, daß es sich dabei um eine seltene Perversion handelt. Man kann ruhig annehmen, daß die Mehrzahl aller Fälle unbekannt bleibt.


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