Ernst Kossak
Humoresken
Ernst Kossak

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Der alte Link.

Wer hat in Berlin studirt und kannte nicht den alten Link? Mochte er nun ein feiner Studio der Rechte mit anderthalb tausend Thalern jährlichem Wechsel, oder nur ein armer Apotheker sein, der mit Müh' und Noth die beiden Fritze für Mitscherlichs unvermeidliche Experimentalchemie zusammenkratzte; mochte Einer nun zehn Collegia auf dem Quittungsbogen bezahlt haben und alle schwänzen, oder im Hospitiren wahrhaft groß sein und nichts auf dem Bogen, aber viel im Kopfe haben; sie waren irgendwo einmal mit dem alten Link zusammengerannt, entweder in der Uhrhalle der Universität oder im Grunewald und den Pichelsbergen. Der alte Link war im leibhaften Gegensatz zu seinen geliebten stabilen Pflanzen, immer auf den Beinen; waren sie ewig stumm, war er stets beredt und witzig. Nun er todt ist und den Pflanzen seinen Leichnam als Dünger vermacht hat, werden sich hoffentlich seine Freunde zusammenthun, wenn 87 ihrer nicht zu viele sein sollten, und ein Herbarium seiner trockenen Witze herausgeben.

Der alte Link gehörte zu den Menschen, welche sich nie von dem Mutterschooß der Natur losgemacht haben, sondern an ihren hundert Brüsten saugend, auch von ihr mit einer Art Dankbarkeit behandelt werden. Er liebte Wissenschaft und Weib, Wein und Witz und wurde dreiundachtzig Jahr alt, weil das Leben einen so guten Kunden ungern fahren ließ. Als fünftes W. liebte Link Wohlthätigkeit und behaglicher ward ihm nie, als wenn er nach halbtägiger Wanderschaft durch Wiese und Wald, an einem improvisirten Abendtisch seine Begleiter, meist arme Studiosen, aus seiner Tasche splendid und lustig bewirthete. Deswegen überlassen wir es auch anderen Leuten, zu berichten, wo er geboren ist, wo er studirt und wie viel Titel und Orden er gehabt hat; wir freuen uns, daß ein ganzer Mensch auch einmal ein ganzes reiches Leben genossen hat. Er hielt an den unsterblichen Ideen der Pflanzenwelt fest und ihr sanfter poetischer Geist begleitete ihn durch lange Jahre und weite Wege. Aber in dieser ebenen Existenz entwickelte er, wie die Pflanze, heilsame kaustische Säfte, die sich in seinem Lehrvortrage, im Umgange, in Prüfungen kund gaben.

Man sah ihn häufig auf der Straße, noch häufiger vor den Thoren, denn dieser Natur mußte am wohlsten sein, wenn unter freiem Himmel Nebel und Wolken über sie hinzogen – gassatim nennt es der Studio und denkt sich noch was dabei. Zum letzten Mal fand ich ihn 88 – er mochte damals über siebzig Jahre alt sein – im türkischen Zelt zu Charlottenburg, wo er den Nachmittag über mit einigen Botanikern auf den sumpfigen Wiesen Pflanzen gesucht hatte. Alles klagte über nasse Füße, nur er nicht. Aber er empfahl Allen auch den Magen und zwar mit gutem Rheinwein anzufeuchten, denn er sagte: »Meine Herren, similia similibus, es lebe die Wissenschaft!« 89

 


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