Ernst Kossak
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Ernst Kossak

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Fastelabend.

Bei diesem gemüthlich und fast mittelalterlich klingenden, wohllautenden Namen wird der muthwilligste Abend des ganzen Jahres überall gerufen, wo man ihn noch als einen alten lustigen Freund am eigenen Herde erwartet und nicht als einen schellenlauten jungen Thoren außer dem Hause auf fremder Diele und bei rauschender Ballmusik aufsucht. Dem nordischen Carneval leuchtet keine hesperische Sonne, und seine letzten feierlichen Stunden sitzen am Ofen, dem würdigen Hausaltar der langen Winterabende, der Bratäpfel, Gespenstergeschichten und Punschbowlen; der nordische Fastnachtsabend hat deshalb im Laufe der Jahre, da, wo er noch im Schooße der Familie gefeiert wird, eine selbstständige Physiognomie angenommen. Wenn die südlichen Nationen und ihre Nachbaren es lieben, den Uebermuth und die Tollheit im Freien spazieren gehen zu lassen, zieht der ächte, ernsthafte und höchst respectable Nordländer es vor, die Excesse seines Lebens auf dem Felde des Humors bei verschlossenen Thüren und herabgelassenen Fenstervorhängen zu begehen. Es giebt noch Familien, die sich die Erinnerungen an die gute alte Zeit erhalten haben und ihren »Fastelabend« auf eigenthümliche, selbstständige Weise feiern. In solchen Familien, die gewöhnlich sehr groß sind und unter ihren einzelnen Gliedern und Zweigen immer enge zusammenhalten, giebt es stets einen Patriarchen, dem ein heilig 177 geachtetes Herkommen aus der Zeit der Vorfahren die Feier aller hervorragenden Festtage des Jahres auferlegt. Gewöhnlich erbt er diese Pflicht von einem noch älteren Patriarchen, den endlich die Zeit aus dem Kreise der Kinder und Enkel ausrangirt und in den Lehnstuhl, die Vorschule der Philosophie des Jenseits, geschickt hat. Die Sitte, bei einem derartigen, noch rüstigen Stammhalter der Familie an Festtagen zu speisen und sich gütlich zu thun, ist noch ein schwacher, aber schöner Ueberrest aus dem grauen Alterthum. Aber in den biblischen Zeiten hatte der spendende Hausvater es leichter, als in der vielfach zusammengesetzten Gegenwart und bei dem verfeinerten Geschmack der Zeitgenossen. Den alten würdigen Herren wurde, wie wir mit Erbauung lesen, die Beköstigung ihrer Verwandten, Gäste, oder der sie besuchenden Engel nicht schwerer, als die Auswahl. Sie liefen selber zu der Heerde, ergriffen ein fettes, gemästetes Kalb, schlachteten es und bucken ungesäuertes Brod, während die Oberältesten, Helden und Könige des Heidenthums, wie uns Homer belehrt, Rinder, Schweine und Ziegenbraten vorzogen, sogar, wenn wir uns auf unsere Lectüre, vorbehaltlich der Fachphilologen, verlassen dürfen, ihren Kälbern niemals ein Leid anthaten. Der Patriarch des Fastelabends und seine gute Alte, die Patriarchin, stehen dagegen noch ganz auf biblischem Boden; sie bewirthen ihre Lieben nie mit einem andern, als einem Kalbsbraten. Die Auffindung besagten Objectes von geeigneter Größe beschäftigt die liebenswürdige alte Dame schon Tage lang vorher und erfüllt ihr harmloses Gemüth mit schweren Sorgen. Sie würde es für eine nie mehr zu tilgende Schande halten, statt eines Monstrebratens, an dem sich alle Gäste sättigen können, zwei kleinere aufzutischen; diese goldbraun geröstete Riesenmasse gilt ihr für ein poetisches Symbol der Einheit und Verträglichkeit der Verwandtschaft, für ein künftiges Band der Treue ihrer Dienstleute, für das nothwendige Opfer des Fastelabends. Während sie sich zu Lande mit so großen Sorgen abmüht und die abnehmende 178 Körperconstitution der Kälber der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts beklagt und verwünscht, leidet ihr trefflicher Gemahl zu Wasser keine geringeren Qualen. Kein Hafenbassin seiner Wirthschaft und keine Bowle der Porzellanfabriken des Ortes genügt ihm, um darin die Quantität des kräftigen Punsches anzufertigen, ohne den nun einmal in unsern Breitegraden der Gnome des Fastelabends sich befinden würde, wie ein Fisch im dürren Sande. Die kriegerischen Erfahrungen der letzten Jahre und der steigende Durst seiner jüngeren Anverwandten haben den würdigen Herrn gelehrt, daß die Kriegsschiffe und Bowlen von 1836 nicht mehr für die Anforderungen der Taktik und der Trinkgelage von 1859 ausreichen. Von Jahr zu Jahr hat er das Kaliber des Geschützes und den Rumgehalt der Ladung vergrößert, und doch noch die Reserveartillerie ins Feuer führen müssen; jetzt durchirrt er die Stadt mit dem trotzigen Vorsatz, entweder eine passende Bowle von der nöthigen 36zölligen Weite der Mündung zu finden, oder den Punsch in dem größten Waschkessel der Küche anzufertigen. Dem Kühnen lächelt das Glück, und in dem Curiositäten-Cabinet eines Trödlers findet sich noch eine Terrine aus den Jahren August des Starken von Polen, verziert mit Emblemen seines galanten Heldenlebens, so zu sagen eine Art von Lancaster-Terrine, von der die unverbürgte Sage erzählt, daß ein junger sechsjähriger Großvaterbruder des Trödlers, als sie einst mit kaltem Wasser gefüllt gewesen, darin aus Unvorsichtigkeit ertrunken sei. Der Hausvater, gegen Sagen ein zurückhaltender vorsichtiger Mann, erwirbt mit Freuden dieses Geräth, beschließt aber, die sich daran knüpfende tragische Geschichte des kleinen Trödlervorfahren als Geheimniß mit in das Grab zu nehmen, und findet, nachdem er einmal die Terrine in seinem Hause und unter dem Verschluß seiner Gattin weiß, die verlorene philosophische Ruhe vollständig wieder.

Nun steigt am Horizont des Fastelabends allmählig die Dämmerung herauf; die Mütter in den verschiedenen 179 Familienseitenlinien putzen sich und die kleinen Töchter heraus, prügeln die Knaben, welche einen unwiderstehlichen Hang zeigen, die häuslichen Schularbeiten unbeendet zu lassen, wieder an die rothgebeizten Schreibtische, und erwarten mit dem Rohrstöckchen in der Hand, übrigens in der rosenfarbensten Laune von der Welt, die vom Bureau oder aus den Geschäften heimkehrenden Gatten. In dem Festhause herrscht unterdessen eine aufgeregte, aber bei der vieljährigen Gewohnheit centraler Schmausereien durchaus würdige Stimmung. In der Küche dreht der Kutscher, ein gediegenes Inventariumsstück des ganzen Stammes, den Kalbsbraten am Spieß, und äußert gegen die Köchin den bescheidenen Wunsch, für sein eigenes Hauswesen die correspondirende andere Keule haben zu wollen, worauf diese ihn in gereiztem Tone fragt, wie lange er wohl mit »seiner Alten« daran zu essen gedächte, und für seinen Schnabel würden solche Kälber überhaupt nicht gemästet; er solle lieber nicht vergessen, zu rechter Zeit den Braten zu begießen. Die Köchin verschwindet inzwischen, wie eine geniale Schweizerreisende, zwischen Bergen von Pfannkuchen, deren Gipfel wirklich mit einem ewigen Schnee von Zucker bestreut sind, und kommt dann wieder zum Vorschein, ein Bild des Herbstes, mit Früchten beladen, und zwar mit eingemachten, in altfränkischen, runden und tiefen Glasschaalen. Der alte Bediente des Hausherrn, dessen Rücken nie eine Livree entadelt hat, vertritt zwischen der Küche und dem Speisesaale telegraphischen Drathes Stelle und ertheilt seinem Herrn und Vertrauten Rathschläge über die Mischungsverhältnisse des Punsches, welche gegenüber der besagten Bowle allen bisherigen Erfahrungsgrundsätzen spotten und in ein ganz neues diplomatisches Stadium getreten sind. Nachdem Beide viele vergebliche Versuche angestellt haben, den Kubikinhalt des Gefäßes zu ergründen und mit der Zahl der erwarteten Gäste, wie mit der Quantität des Weines und Rums in ein richtiges Verhältniß zu setzen, stehen sie endlich ermüdet davon ab, und beschließen, den richtigen Treffer in Masse und Stärke 180 der Gunst des letzten Augenblicks zu überlassen. Während nun alle Lampen und altmodischen silbernen Familienleuchter nebst der achtarmigen, gewöhnlich nur in Sackleinwand trauernden, heute aber glänzend prangenden Glaskrone, angezündet werden, erscheinen nach und nach zuerst die verheiratheten Töchter, dann die Söhne, dann, getrennt von beiden Klassen, die liebe Jugend, der nichts ein größeres Vergnügen verursacht, als wenn jedes Individuum, durchaus vereinzelt, in seinen Angelegenheiten selbstständig an der Hausklingel reißen, und seinen Einzug mit den Absätzen auf der Treppe feiern kann; zuletzt kommen die entfernteren Verwandten, z. B. Vettern, die nicht standes- oder geldmäßig geheirathet haben, ein Halbonkel, der ganz von Unterstützungen der Familie lebt, und an den Ausgehe-Sonntagen des grauen livreefreien Bedienten diesem Gesellschaft leistet, eine alte Jungfer, die früher durch Heirathsverwandtschaft in die Familie gerathen ist und sich seitdem nicht wieder von ihr lossagen kann, und endlich ein Paar Hausfreunde des Patriarchen, seine Partner beim Whist in der Ressource und Mitglieder des sommerlichen Kegelclubs.

Alle diese Personen werden in dem behaglichen zwanglosen Style, der von Tage zu Tage mehr aus der Welt schwindet, empfangen, oder vielmehr, sie sind von dem Augenblick ihres Eintretens an, durch Wort, Blick und Handschlag so verschmolzen mit der Gesellschaft, als ob sie in ihr geboren wären und noch nie eine Minute lang das Haus verlassen hätten. Da ist für Jeden ein Stuhl, eine Tischseite, ein Platz neben dem schweren Mahagonischrank, am Ofen, neben der Theemaschine, oder sonst irgendwo eine Stelle, die er kennt, liebt, die ihm der Andere läßt; die Kinder finden sich in den stattlichen weiten Räumen gleich in allerlei Spielwinkeln zurecht, die Gespräche sind schnell so lebhaft im Gange, als wären sie vor kaum fünf Minuten abgebrochen worden; man steckt sofort tief in der Geschichte des Hauses, hat alte beliebte Späße zur Hand und giebt Fortsetzungen zu Neckereien 181 der Damen, die, aufrichtig bekannt, zehn Jahre weiter zurückdatiren und in der Meinung eines gemüthlosen Unbetheiligten nicht mehr recht passen wollen, hier aber aufrichtig belacht werden, – so ist es immer in dem guten alten Hause; aber der Fastelabend verschließt in seinem verschämten Busen noch ganz andere Ueberraschungen, welche erst im Vorrücken der Stunden und der durch geistige Erfrischungen belebten Laune zum Vorschein kommen und nicht von dieser einförmigen Welt sind, was die modernen Fastnachtsdinge betrifft.

Während des vorrückenden Abends entwickeln sich aus dem Schooße der großen und einträchtigen Familie zunächst mehrere Masken, hinter welche sich jüngere Freunde, die in einigermaßen zärtlichen Beziehungen zu den jungen Damen stehen, zu verbergen pflegen. Die Maske wird in diesem respectablen Kreise noch durch die Brille der Poesie angesehen, es weht um sie noch ein romantischer Schein und sie dient nicht schlechtweg als Deckmantel zweideutiger Dinge; sie soll vielmehr für sich selber etwas vorstellen. Ja, die in ihr steckende Person gewinnt ein höheres Interesse und einige alte Damen vergessen es in ihrer Dankbarkeit einem jungen, gelungen maskirten Herrn das ganze Jahr hindurch nicht, wie sehr er sie entzückt hat. Eine schwarze spanisch gekleidete Gestalt, welcher ein verfängliches Gemunkel der Kleinen vorangegangen ist, betritt zuerst das große Gesellschaftszimmer und verbreitet durch das Malteserkreuz auf ihrer Achsel allgemeines Erstaunen. Seine Privatlectüre und eine der letzten Sonntagsvorstellungen haben einen geistreichen Seifensieder-Associé mittleren Alters auf den Gedanken gebracht, sich in den edlen Marquis Posa zu verwandeln. Mit gravitätischen Schritten stolzirt er durch den Saal und sucht anscheinend einen König Philipp, doch wird ihm statt jeder Gelegenheit, ein gutes Wort für die Menschheit einzulegen, nur hie und da von spöttischen alten Herren eine Prise Carotten angeboten, die er mit Würde ablehnt. Die Qualen seiner dichterischen Einsamkeit werden bald durch das 182 Erscheinen eines Gärtnerpaares unterbrochen, dessen männlichen Bestandtheil der Halbonkel so lange für Don Carlos zu halten geneigt ist, bis das naseweise Lischen, das sich schon bis zur Maria Stuart heimlich in Schiller hineingelesen hat, ihn eines Bessern belehrt. Das Gärtnerpaar verdunkelt sofort durch seine bunte Tracht die wohlgebauten Beine des Jünglings, und die Anmuth der jungen Dame die düstere mönchich-ritterliche Gestalt des Seifensieders. Man erkennt zwar auf der Stelle in dem vergnüglichen Pärchen das neugebackene Brautpaar der Familie, aber man ist viel zu zartfühlend, um ihm und sich die Freude durch eine voreilige Enthüllung zu verderben. Ein kleiner Junge, der auf »seine liebe Marie« losstürzen und ihr die häßliche weiße Maske, vor der er sich fürchtet, abreißen will, wird von seiner Mama ein wenig geknufft und in eine Ecke zwischen zwei Stühle gestopft, und die Leutchen leben in der glücklichsten Illusion, durchaus unbekannt zu sein. Mit der merkwürdigen Sicherheit, die sich aller Menschen zu bemächtigen pflegt, wenn sie sich an einem Orte vollkommen fremd glauben, vertheilen sie aus ihren Körbchen kleine Blumensträuße mit allerlei bezüglichen Pflanzen, von denen z. B. die traditionelle alte Jungfer nur Myrthen erhält. Aber auch dieser Glanz soll verdunkelt werden, denn mitten in das idyllische Treiben stürzt sich ein höchst scherzhafter Bäcker- oder Conditorgeselle, dessen Maske zwar von einem alten Herrn für nichts als eine sehr gelungene Anwendung von saubern Unterkleidern gehalten wird, der aber durch sein witziges und lebhaftes Gebahren die äußere Einfachheit seiner Maske vergessen macht. Er hat die schwache Seite der Menschen ergründet und liefert ihnen den Witz in einer wohlschmeckenden Form. Sein Korb enthält Bonbons mit jenen bekannten gedruckten Bonmots, die auf nichts in der Welt passen, spaßhafte Figuren aus Chokolade, Pfannkuchen, in denen Familienscherze die Stelle der Füllung vertreten u. dgl. mehr. Da er seine Waaren mit sehr hübschen Verbeugungen ganz unentgeltlich und nie, ohne hinten mit dem Fuße 183 auszuscharren, anbietet, nimmt er die Aufmerksamkeit so in Anspruch, daß ein unterdessen eingetretener ungarischer Husar auf das Betrübendste verdunkelt und nur von den Kindern nicht übersehen wird, die seinen krummen Säbel aus der Scheide ziehen wollen. Erst ein Schornsteinfeger, schrecklichen und fabelhaften Ansehens, befreit den Helden der Pusten von den kleinen Unholden und verbreitet sehr viele Heiterkeit durch seine charaktervollen Bestrebungen, in den Ofen zu kriechen. Nun finden sich auch noch einige Türken und zwei ernste Dominos ein, mehrerer zarter Griechinnen und Odalisken nicht zu gedenken, mit welchen Posa, seines strengen Gelübdes leider ganz uneingedenk, unerlaubte Verbindungen eingeht und sich sogar, ein entarteter Sohn seines Ordens, an die Spitze einer Quadrille stellt, die nach vielem heimlichen Geflüster endlich zu Stande kommt. Bis jetzt ist das Incognito der Masken noch auf das Strengste beobachtet worden; niemand hat sich getraut, durch Wort oder Zeichen zu verrathen, daß jeder Einzelne vom ersten Augenblick an erkannt und vollständig durchschaut war; da macht der ehrwürdige Hausherr von seiner Autorität Gebrauch und ruft: »Wollen es sich unsere Masken aber jetzt nicht bequem machen und die Larven beim Tanzen abnehmen? wir möchten gern wissen, wem wir diese hübschen Ueberraschungen zu verdanken haben.« – Nun fallen alle Papierfutterale von den erhitzten Gesichtern und nur der ungarische Husar macht von dem erworbenen Rechte keinen Gebrauch, da sein großer Schnurrbart mit der angeklebten krummen Nase zusammenhängt, und er nicht Willens ist, durch Abnahme dieses martialischen Kennzeichens sich für den Rest des Abends um alles militairische Ansehen zu bringen. Was gleicht wohl der ausbrechenden Ueberraschung, als nun die Gesichter zum Vorschein kommen und die Damen sich endlich gestatten, näher zu treten und die Maskenanzüge zu bewundern, die keinesweges aus einem Maskentrödel geborgt sind, sondern sauber und frisch aus der Werkstatt kunstverständiger Theaterschneider stammen. Man hat Geld und verachtet 184 den erborgten Flitterstaat, ungerechnet, daß man jetzt einen Anzug für alle öffentlichen Maskenbälle besitzt und nie in Verlegenheit gerathen kann. Die Quadrille tritt an, ein gemietheter Clavierspieler, den noch Niemand bemerkt, der aber, wie das erste Mondviertel in den langen Tagen, schon längst da war und fortwährend Kuchen gegessen hat, geht nach kurzem Vorspiel in Flotow'sche Melodieen über, und mit erhabenem Anstande ruft Posa die Touren aus und den Bäckergehülfen zur Ordnung, der zuweilen aus mangelhafter Tanzbildung Verwirrung hervorbringt. Mit der Quadrille ist der feierliche Fastelabendstanz beendet. Die unverkleideten Tänzer umgeben die Masken, die alten Herren machen lustige Balletpas, der Hausherr nähert sich einer guten Großmama, die ihn vergebens mit den Worten: »aber, mein lieber Sohn« abwehrt, und endlich doch mit ihm zur Polonaise antritt. Der Kisting'sche Flügel, älterer Wiener Bauart, muß jetzt seine letzten Kräfte unter den ehernen Fingern seines Tyrannen aufbieten, um das Scharren der vielen Füße und den lauten Jubel zu übertönen, das Gesinde öffnet die Flügelthüren des Eßsaales und sieht zu, ja ein kecker Hausknecht macht sich rasch ein Gewerbe an einer Lampe und dringt neugierig umherschauend in den Saal; das Familienfest entfaltet seine schönsten Reize und der Halbonkel, der mit der alten Jungfer tanzt, flüstert ihr die Bemerkung ins Ohr, ob nicht ihr ganzer Stolz sei, einer solchen Familie anzugehören. Galopp folgt auf Galopp, Walzer auf Walzer, Jung und Alt tanzt durcheinander, bis der feierliche Ruf »zu Tisch« erschallt und Alle in buntem Gewühle in den Eßsaal dringen. Man nimmt Platz, bittet aber den ungarischen Husaren vergebens, sich von Nase und Schnurrbart zu trennen; er opfert nicht einmal seinen krummen Säbel, obgleich er ihm fortwährende heimtückische Ueberfälle von Seiten der Knaben zuzieht, die es sich fest vorgenommen haben, ihn aus der Scheide zu ziehen. Bei Ankunft der Monstre-Bowle erntet endlich auch der Hausherr die Früchte seiner Bemühungen. Mit Schmunzeln 185 nimmt er das Jubelgeschrei in Empfang, als, getragen von dem kräftigen Hausknechte, das mit Punsch gefüllte Porzellanungeheuer erscheint und auf den größten Dreifuß der Küche über eine lustig flackernde Berzeliuslampe gesetzt wird. Vielleicht ist es nur ein flüchtiger Gedanke an den verunglückten kleinen Knaben, vielleicht auch die Ahnung, daß so Mancher, der jetzt noch jubelt, bald wie alljährlich an diesem Tage, ein stummer Mann, hinausgeführt werden wird, wenn ein leiser Schatten von Ernst über seine Stirn fliegt. Der Kalbsbraten ist bis auf den in ihm steckenden Mammuthsknochen verschwunden, die Hochgebirge von Pfannkuchen sind längst aus der Schneeregion bis auf unansehnliche Vorberge zusammengesunken, da kommen die Gesundheiten und die Tischreden an die Reihe. Niemand bringt den geringsten eigenen Gedanken zum Vorschein, denn obwohl die ganze Familie die gründlichste Verachtung vor dem literarischen Geiste hegt, verschmäht sie an dergleichen Festabenden doch nicht den »kleinen Gesellschafter für Geist und Herz«, das »lustige Declamatorium«, und wie dergleichen unentbehrliche Werke des Sammelwitzes sonst heißen mögen. Posa trägt einen Dialog zwischen polnischen Juden vor, der Bäcker declamirt die Parodie auf den Monolog der Jungfrau von Orleans, der ungarische Husar singt den Hymnus »Kühnappel in Preußenland« und der Halbonkel führt eine komische Scene mit vorgebundener Serviette und stark geschwärzter Nase auf, eine durchaus klassische Scene, an der sich die Familie schon zwanzig Jahre hindurch nicht satt sehen kann.

Die Heiterkeit erreicht jetzt eine solche Höhe, daß man das Verschwinden einiger halberwachsenen Jünglinge nicht bemerkt und nur ihre Mütter suchende Blicke durch den Saal rollen lassen. Man würde sich gar nicht mehr trennen, wenn nicht eine entschlossene Köchin mit angezündeter Stocklaterne sich in der Thür zeigte und als eine wohlgelungene Allegorie des Morgensternes an den Aufbruch mahnte. Wie viele Scherze beim Einhüllen und 186 Vermummen in Pelze und Mäntel entgehen dem Beobachter im Halbdunkel der Garderobe; wie eifrig sucht der Sohn der ungarischen Steppe nach seinem Säbel, den die Jungen im Bündniß mit dem Punsch doch noch über Seite gebracht haben; wie angelegentlich empfiehlt sich der Halbonkel dem Hausherrn, und wie geschickt verbirgt er eine Tüte mit Pfannkuchen im Hute; wir dürfen das Alles nicht mehr sehen, denn der Aschermittwoch scheucht die Gäste, und uns mit ihnen, durch sein mürrisches Gesicht endlich zu Bette. 187

 


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