Eduard Graf von Keyserling
Die dritte Stiege
Eduard Graf von Keyserling

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V.

Die regelmäßige Redaktionsarbeit sollten Brückmann und Klumpf verrichten, da die Uebrigen von ihren sonstigen Beschäftigungen in Anspruch genommen waren, Branisch war ständig auf Reisen –, bemüht, eine einheitliche starke Partei zu bilden, – all' die kleinen Club's, Gesellschaften und Verbindungen – wie er sagte – zu einem mächtigen, Alles mit sich fortreißenden Strom zu verbinden. Lippsen hatte sein hübsches Haus, seine Familie und war Advokat. In seiner Kanzlei sah man ihn zwar selten; Rotter, sein Concipient, besorgte meist die Geschäfte. Oberwimmer behauptete auch sehr beschäftigt zu sein. Er war Ingenieur von Fach, doch wußte Niemand von einem Bau, den er ausgeführt hätte. Er besaß ein hübsches Haus in Penzing, eine sehr hübsche, junge Frau und zwei blonde Kinder; all' das, und wie er sagte, die Agitationen hielten ihn ab, ständig in der Redaktion zu sein. Er, wie auch die Anderen, sprachen nur auf Augenblicke an, um zu plaudern.

Lothar stieg schon um zehn Uhr morgens in den vierten Stock hinauf und setzte sich an sein Pult, um die Correspondenz, die eingelaufenen Berichte und Aufsätze zu sichten. Der Kopf war ihm ein wenig wüst und Lini mußte Sodawasser holen. Sie hatten gestern in einem Biergarten des Praters lange beim Glase gesessen. Lothar hatte dieser enge Freidenkerkreis – verbunden durch gemeinsame Arbeit und gemeinsame Vereinsamung, wohlgethan. Das Gespräch konnte nie stocken; die ganze Welt lag vor ihnen, um zerlegt, getadelt und neu und herrlich aufgebaut zu werden. Der runde Tisch unter den Linden, die ihre weißen Blüthen in die Biergläser streuten, stand da, wie eine Insel im Gedränge der lustigen, geputzten Menschen, die nichts von der großen Zukunft wußten, die hier geplant ward. Diese sechs Männer saßen beisammen, wie eine kleine Schaar Abenteurer, die sich in ein fremdes Land gewagt – fest an einander haltend und vor Thatendurst brennend. – Dann, als es stiller und dunkler im Prater geworden, und die Kellner die Stühle auf die Tische zu thürmen begannen, waren sie noch Arm in Arm hinausgewandert, um zu sehen, wie der Mondschein auf der Freudenau lag. Dort hatte Oberwimmer etwas Thörichtes über die Umrechnung des Arbeitsantheiles in Zeit gesagt – woraus dann ein Streit entstanden war, der sie aufgehalten hatte, bis die Morgendämmerung über der in blauen Dunst gebadeten Stadt aufstieg und die Milchkarren durch die Straßen ratterten. Branisch hatte eine scharfe Art zu streiten, weil er seiner Sache stets sicher war, behauptete, sie sei so und so. Das regte zum Widerspruch an; besonders Oberwimmer trat ihm gern entgegen, worüber dann Lippsen wieder seine Glossen machte, weil er sich nicht daran gewöhnen konnte, Oberwimmer ernst zu nehmen. Klumpf betheiligte sich an dem Hinundher des Streites nicht; wenn aber eine Pause eintrat, setzte er seine Ansicht auseinander. Ohne Zusammenhang mit dem von den Anderen Gesagten, malte er ihnen eine seiner Visionen vor. Aus der Zeit seines Docententhums war er gewohnt, wenn er sprach, seine Zuhörer sich gegenüber zu sehn, darum stellte er sich auch jetzt vor den Anderen auf, dunkel und hager auf der mondbeschienenen Fläche und ließ seine Stimme feierlich in die Nacht hinaustönen....

In der Ruhe des dämmerigen Redaktionszimmers fühlte Lothar sich jetzt wohl. Eifrig ordnete er die eingelaufenen Schriftstücke. Da waren Berichte über das große Elend in den Burgen des Kapitals. »Gott! die Armen,« murmelte er vor sich hin. Er mußte an Klumpf's Worte denken: »Herzen, wund von Euren Leiden.« Ja, – das konnte er wohl von sich sagen; er hätte weinen mögen über diese Unglücklichen, die dumpf und karg hinlebten, ihre Weiber, ihre Kinder opferten, um einen habsüchtigen Juden reich zu machen. Und dieses Mitleid hatte etwas erhebendes für ihn, er war zufrieden und stolz, es so groß und aufrichtig zu fühlen.

Leise knarrte die Thüre. Klumpf trat aus seinem Zimmer zu Lothar ein. Sein bleiches Gesicht sah heute noch bleicher als sonst aus. »Guten Morgen,« sagte er, »ich glaubte nicht, daß Du schon so früh bei der Arbeit seist.«

»Es litt mich nicht länger im Bett. Aber Du? Bist Du schon lange hier nebenan?«

»Seit sieben Uhr. Ich brauch wenig Schlaf.« Aber wie er sich so neben Lothar's Pult setzte und still an seiner Cigarre sog, sah er dennoch müde und überwacht aus.

»Ist das ein Elend!« meinte Lothar und wies auf die Briefe.

»Nicht wahr?« sagte Klumpf warm und seine Augen wurden dunkler vor Erregung, »ich habe es kaum ertragen können. Das liegt auf uns, wie ein sehr böser Traum.«

»Hier ein Bericht aus einer Glasfabrik, hier einer aus einer Weißblechgießerei –, wie Dante durch die Hölle geht man. Ist das Leben? Und warum? Man fragt sich, wo ist die Macht, die all' diese menschlichen Wesen an solche Marterstätten bindet? Daß sie an solch' eine Macht noch glauben können!«

»Das ist es!« erwiderte Klumpf. Die Beine über einandergeschlagen, die Arme darauf gestützt, sprach er halblaut und sinnend vor sich hin: »Das ist es ja! Du kennst wohl Plato's schönes Gleichniß von der Höhle? – – wie die armen Gefesselten regungslos in der Höhle liegen und die Schatten auf der Felswand für Wirklichkeit halten. Wird nun einer entfesselt und an das Licht emporgeführt, so erkennt er, wie elend er und seine Genossen gewesen sind –, daß es nur Schatten waren, was sie für Wirklichkeit hielten. Und zu seinen unglücklichen Brüdern niedersteigend, verkündet er ihnen das, was er nun weiß. So ist es auch hier. Diese Armen glauben, es könne nicht anders sein; ein Gott habe ihnen dieses Leben beschieden, sie an dieses Elend gebunden. Aber jetzt steigen immer mehr Wissende zu ihnen nieder, die ihnen sagen, daß diese Macht, dieser Gott, dieses Schicksal, an die sie glauben, Schatten sind, daß es eine Welt der Wirklichkeit giebt, in der ein Jeder gleiches Recht hat. Und wenn sie dann alle einig aufstehen werden und sagen: »wir wissen!« dann ist es mit dem großen Betrug zu Ende.

»Und diese Arbeitgeber,« warf Lothar ein, »kann man die verstehen...«

»Die!« unterbrach ihn Klumpf und blickte mit seinen schwärmerischen Mädchenaugen dem Rauchwölkchen nach, das aus seiner Cigarre aufstieg. »Die müssen fort,« und die schmale Hand fuhr durch die Luft, als schiebe sie etwas bei Seite.

Es ward an der Thür geklopft.

Auf Lothar's »Herein«, öffnete sie sich halb, zuerst lugten die schwarzen Augen der Hausmeister-Tini herein; man hörte das Mädchen halblaut sprechen, dann endlich schob sich ein langer, kräftiger Junge in das Zimmer, blieb an der Thüre stehen und blickte um sich. Lothar erkannte in ihm jenen Arbeiter, der am Brunnen mit Tini gesprochen hatte. »Sind Sie die Herren von der neuen Zeitung?« fragte er mit slavischem Accent.

»Ja« – erwiderte Lothar, »was wünschen Sie? Kommen Sie doch näher.«

Der Bursche bewegte sich langsam durch das Zimmer, verlegen auf seine Stiefeln sehend, die so zerrissen waren, daß die Zehen hervorschauten; dann setzte er sich auf den Stuhl, den Lothar ihm zeigte, die Kniee weit voneinander, die Hände in der zusammengebogenen Mütze versteckt. Er war ein schöner Kerl. An diesem Riesenkörper rundeten sich überall feste Muskelberge, das schäbige Röckchen, irgendwo in der Judengasse gekauft, schien bei der geringsten Bewegung wie Spinnengewebe zerreißen zu müssen. Der runde Kopf ward von kurzem, rothem Haar wie von einem Käppchen bedeckt. Nur die grünlichen Augen hatten in dem jugendlichen Gesicht etwas Altes, Ueberwachtes und fuhren unruhig hin und her.

Lothar begann ihn auszufragen. »Womit können wir Ihnen helfen, lieber Freund. Sie sind Fabrikarbeiter?«

»Ich bin der Alois Chawar,« erwiderte er. »Freilich bin ich Fabrikarbeiter; in vielen Fabriken bin ich gewesen... das ist's; ja und dann... ich bekomme keine Arbeit.«

»Keine Arbeit? Sie sehen aus, als würde jeder Sie gerne nehmen. Sind Sie verheirathet?«

»Nein.« Er lachte; zwang sich jedoch sofort wieder zum Ernst und seine Stimme zu einem wehleidigen, singenden Ton. »Nein –; wie kann ich heirathen; ich selbst hab' Nichts zu essen.« Er rückte sich auf seinem Stuhl zurecht, wickelte die Hände fester in seine Mütze, und, die Augen zu der Lampe über ihm aufgeschlagen, erzählte er geläufig und eintönig, als sagte er etwas Auswendiggelerntes her, »Von wegen des Scheins, Herr... und das ist so gekommen. Bei uns in Böhmen war ich Schmiedegeselle, – da lebten wir wie die Hunde bei dem Meister; immer Arbeit, immer Arbeit und Nichts zu essen; das war nicht menschlich – wissen Sie, Herr. Als ich mich entgegen gehalten hab', hat er mich fortgejagt, aber in das Büchel hat er nicht einschreiben wollen; so haben die anderen Meister mich nimmer genommen. So bin ich in die Fabrik gegangen – in die Drahtfabrik. Jesus! Das war ein Leben: immer Arbeit und wenig Geld; das war nicht menschlich. Ein Herr aus Wien hat auch gesagt: Das ist nicht menschlich. Zehn von uns haben's nicht leiden wollen; wir haben den Anderen gesagt, sie sollen's nicht leiden, aber sie haben fortgearbeitet. Wir sind fortgegangen; überall fragen sie nach dem Büchel; ohne das Büchel geben sie nicht Arbeit. Hier in Wien hab' ich keine Arbeit, Herr, und nichts zu essen; ich lebe, wie es nicht menschlich ist, und die Polizei will mich abschieben, und ich hörte, Sie sind so gute Herren.« Er schwieg, seufzte und blickte Lothar lauernd an. Klumpf hatte sich während der Zeit erhoben und das Zimmer verlassen.

»Also der Arbeitseinstellung wegen bekommen Sie keine Arbeit – ja – ja –? fragte Lothar und überlegte, was hier zu thun sei. »Wo wohnen Sie jetzt?«

Der Arbeiter schlug die Augen nieder und schien nachzudenken. »Wenn Sie mich brauchen,« erwiderte er, »dann sagen's nur der Tini, dem Hausmeistermädl, die findet mich schon. Ueberhaupt die Tini kennt mich, die kann auch sagen, ob Alles wahr ist.« Und er schaute sich nach dem Mädchen um, das mit Frau Fliege im Flur stand.

»Gut,« meinte Lothar ein wenig unsicher, »ich muß mich erkundigen, wie Ihnen zu helfen ist, Sie kommen dann wieder.«

Im Flur erscholl Rotter's laute Stimme: »Die Ehre, Frau Fliege, – sind die Herren drin?«

»Ja! Aber warum so eilig, Herr Doctor,« fragte die alte Frau.

»O! große Neuigkeiten! Hauptskandal! Nun geht es los!« Und er stürmte zu Lothar herein, den Filzhut im Nacken, den Knotenstock durch die Luft schwingend. »Grüß Gott, Bruder! Weißt Du schon das Neueste? Ja – so, Du hast Besuch.« Er blieb stehen und betrachtete sich den Besuch freundlich.

»Dieser arme Mann,« berichtete Lothar, »hat sich an uns gewandt. Er hat keine Arbeit, weil er sich an einer Arbeitseinstellung...«

»Kennt man,« unterbrach ihn Rotter. »Ja, die Herren machen sich jetzt auch zusammen. Krieg bis auf's Messer. Wir werden sehen, wer der Stärkere ist. Was? und der hat keine Arbeit?« Rotter begann Chawar's mächtige Arme zu befühlen. »Das ist Kapital, mein Lieber, so etwas soll brach liegen! Erzählt doch, Freund.«

Chawar begann wieder wehleidig seine Erzählung: »Bei uns in Böhmen war ich Schmiedegesell; aber wissens, Herr, da lebten wir wie die Hunde...«

Aber Rotter schnitt den Bericht ab. »Immer die alte Geschichte. Bald wird's besser werden; darauf könnt Ihr Gift nehmen, Freund. Was hat Du beschlossen, Brückmann?«

»Er wird wieder vorsprechen. Ich will es mir überlegen.«

»Natürlich! geholfen muß werden. Also auf Wiedersehen. Vertrauen Sie uns nur.« Rotter reichte Chawar die Hand; er wollte ihn nur forthaben; seine Neuigkeiten brannten ihm auf der Seele.

Der Arbeiter bewegte sich rückwärts zur Thüre; sein Gesicht nahm einen bösen, spöttischen Ausdruck an, als er unterwürfig und klagend sagte: »Und gegessen hab' ich heut' nichts.... es ist nicht menschlich.«

Rotter zog seinen Geldbeutel hervor: »Hier – hier, Freund! Für ein Frühstück reicht es. Laßt Eure Arme nicht herunter kommen; das wäre schade. Bald werden wir alle Arbeit genug haben. Servus!«

Chawar zog sich mit der kichernden Tini zurück.

Frau Fliege trat hinter die Thüre und befreite ihr rechtes Ohr von der schönen, weißen Haubenrüsche, um die Neuigkeiten des Dr. Rotter besser hören zu können.

»Nun höre,« begann Rotter; »aber wo ist Klumpf?«

»In seinem Zimmer,« antwortete Lothar, »der Mann schien ihm nicht zu gefallen.«

Rotter lachte. »So ist er, in Allem findet er ein Haar. Zu nervös. Aber meine Nachrichten muß er hören. Klumpf, Klumpf!« rief er und schlug mit der Faust an Klumpfs Thüre.

Klumpf erschien. »Was giebt's? Guten Morgen, Rotter.«

»O! es giebt große Dinge!« erwiderte Rotter, »komm nur, die Luft ist rein. Gefiel Dir der Mann hier nicht?«

Klumpf antwortete nicht sogleich, begann im Zimmer auf und ab zu gehen und zu rauchen. Endlich wandte er sich mit befangenem Lächeln an Lothar: »In der That, er gefiel mir nicht, Dein Mann. Es ist ein Vorurtheil und nicht ernst zu nehmen, aber ich spüre es sofort, ob ich einen Menschen vor mir habe, über den ich Macht gewinnen kann, d. h. ob er das, was ich in einen Jeden hineinlegen möchte, verstehen, ich sich aufnehmen kann, oder ob er außerhalb meiner Sphäre steht. Und dann – dieser Mann log. So klingt nicht Erlebtes. Gleichviel, da Brückmann da war, konnte ich ja gehen.«

»Narrensache,« folgerte Rotter. »Aber hört nun, draußen gehen große Dinge vor.«

»Ueber die Arbeitseinstellungen in Brünn,« sagte Klumpf, »schreibt mit Branisch heute. Er scheint die Bewegung nicht in der Hand zu behalten.«

»Ja, ja!« unterbrach ihn Rotter, » das steht heute schon in allen Blättern. Sie werfen den Fabrikanten die Fenster ein und wollen die Fabriken zerstören. Die Collegen von der »Gemeinschaft« haben sich hineingemischt. Einen hat die Polizei mitten in einer Rede gefaßt. Den blonden Böhmen vom Café Lothringer. Davon spreche und nicht. Hier bei uns wird die Bäckerbewegung ernst – sehr ernst, und wir müssen vorbereitet sein, sonst haben die Brüder von der »Gemeinschaft«, von der »Freiheit« die Sache in den Händen und wir haben das Nachsehen.«

»Die »Gemeinschaft«?« fragte Lothar, »das ist der Club, der jenes geheime Blatt herausgiebt?«

»Ja, ja –« meinte Rotter, »wir nennen die Leute vom Café Lothringer so, denn von ihnen kommt gewiß das Blatt. Ein kleiner, aber sehr energischer Club. Um die handelt es sich jetzt,« wandte er sich wieder an Klumpf, »ich habe mit Tost gesprochen...«

»Tost? Ach! dieser unreinliche junge Mann,« versetzte Klumpf zerstreut.

»Rein oder unrein,« fuhr Rotter ungeduldig fort. »Bei Jenen gilt er viel. Er sagt im Angesicht der kommenden Ereignisse, – denn Ereignisse müssen kommen; Wien fiebert, wie er sagt, und die Geschichte mit den Bäckern ist wichtig – Wien ohne Brod, stellt Euch das vor! also – im Angesicht der kommenden Ereignisse wünschen sie sich mit uns auszusprechen, denn alle Gutgesinnten müssen ihre Kräfte vereinigen; darum fordert er uns auf, uns an einer ihrer Versammlungen im »goldenen Faßl«, drüben an der Länd' zu betheiligen. Lemke – und der ist doch ihr Branisch, hat es Oberwimmer auch feierlich mitgetheilt. Nun, was sagst Du dazu?«

Klumpf blieb stehen und machte ein schmerzvolles Gesicht. »Mit diesen Leuten ist schwer zusammen gehen.«

Rotter ärgerte sich. »Versuchen können wir es doch. Die Zersplitterung ist gewiß kein Segen für die Sache. Die weißt, Branisch wünscht ja auch alle die vereinzelten Clubs zu einer großen Partei zu vereinigen; die Bäche zum Strom, wie er sagt. Darum gewinnen Jene einen solchen Vorsprung, weil sie Alles versuchen, weil sie mitthun. Wir sitzen in unserer Redaktion....«

»Ich sage nicht, daß Ihr nicht hingehen sollt,« warf Klumpf ein.

»Ihr!« eiferte Rotter, »nein, Du! Du bist die Hauptperson!« Und nun schlug er einen sanften einschmeichelnden Ton an: »Geh' – Klumpf – kommt mit. Auf Dich rechnen wir gerade. Du weißt ja, wie es Dir geht; Du erscheinst und verdrehst ihnen allen die Köpfe, sie thun, was Du willst. Gethan muß etwas werden. Schreiben ist ganz schön – aber – thun – thun!« schrie er und schlug mit seinem Stock so heftig auf einen Stuhl, daß eine Staubwolke sich aus dem Polster desselben erhob.

»Ja – thun!« wiederholte Klumpf, gedehnt und singend. Plötzlich sollte er aus seinen Träumen zur Wirklichkeit einer That übergehn, das ging ihm wider die Natur. »Gut! ich will gehen, wenn Ihr es verlangt,« versetzte er gereizt, »aber es führt zu nichts. Unsere Prinzipien liegen zu weit von einander ab. Diese Herren wollen die Unordnung um der Unordnung, die Verwirrung um ihrer selbst willen. Unordnung, Verwirrung, Zusammensturz sind oft dagewesen, und das Rechte ist dennoch nicht daraus entstanden. Wissen sollen die Menschen, warum sie zerstören; das Wissen – die episteme – darauf kommt es an. Das ist unser Ziel. Das Volk soll ruhig und sieghaft das Alte beiseite räumen und das Neue ergreifen. Das wollen Jene nicht verstehen.« Klumpf ereiferte sich. Seine Stimme nahm ihren weichen, ausdrucksvollen Klang an und er bewegte seine schmale, weiße Hand lebhaft hin und her.

»Gut, gut!« unterbrach ihn Rotter, »sag' ihnen das. Verspar' das für sie. Also Du kommst. Brückmann natürlich auch. Das ist brav. Kommt jetzt Euch die Bäcker ansehen. Die armen Jungen sind behandelt worden wie die Hunde – unreinliche Schlafstellen, nichts zu essen, wenig Schlaf und ein lächerlicher Lohn. Denen wollen wir schon Recht verschaffen... mit der..., wie sagtest Du doch Klumpf?... mit der episteme...«


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