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XXIII.
Der Hymnus der Morgenröte.

11. Hymnus an Bianka.

Stimme vom Berge:

Gott ist groß! – Licht gleißt sein Antlitz.
Sein Lächeln
Streut Rosen und Myrrhen
Auf das dunkle Haupt der Welt.

Stimme in der Ferne:

– – – scheucht die Schatten
In ihr finstres Reich
Mit goldnen Pfeilen. – Groß ist Gott!

Chor der Betenden:

Der das Licht aus dem Dunkel schlug,
Die Erde schöpfte aus der schwarzen Flut,
Ist unser Herr!
Gestalt gab dem Elefanten, dem Kamel,
Dem einhöckrigen, dem zweihöckrigen,
Dem Büffel, dem Krokodil,
Das Korn, die Lotos schuf,
Wind und Regen uns gibt und Weide unsrer Herde,
Ist unser Herr!

Chor der Suchenden:

Wir gehen rechts – wir gehen links,
Wir gehen links – wir gehen rechts,
Wissen wir’s?
Wir gehen vorwärts – wir gehen zurück,
Rund herum um das Glück.
Das finden wir nicht.
Uns trägt der Rücken eines Tiers.
Das kennen wir nicht.
Wir pochen an der dunklen Wand,
Ob nicht die Pforte einmal springt,
Die keiner fand.
Wir trinken Nächte,
Uns trinkt die Nacht.
Wir schleppen die Kette von Menschenleid,
Die endlose Kette von Menschenleid,
Die jedes Herz noch schwerer macht,
Durch die engen Dornentore der Zelt.
Und tragen sie ringsherum um die Welt,
Und immer ringsherum um die Welt,
Und harren der Stunde, da sie fällt.
Und suchen das Lachen.
Und suchen unsere Ewigkeit.
Und tasten weinend der Finsternis Pfade.
        Rate!
        Rate!


Eine Stimme singt:

Mit Blüten bestreu ich euch,
Ihr Bittren!
Mit süßen,
Wohlriechend wie der Morgenwind,
Die in den ewigen Gärten sprießen,
Die ferne von der Erde sind ...


Alles, was klingt,
Zerspringt.
Das tiefste Meer
Verrinnt.
Alles, was Staub ist,
Wird Wind.
Wird Wind!
Alle Zeit
Ist ein Flügelblinken der Ewigkeit.
Und denkst du an den letzten Tag
Gibt’s keinen Tag!
        Öffne dein Herz.
        Schwester, Bruder,
        Bruder, Schwester,
        Öffne dein Herz!
Die Zeit der Saat – naht!
Denke an mich:
        Die Lebensgebärerin,
        Die Lebensernährerin,
        Die Lebenserweckerin,
        Die Lebensvollstreckerin
        Bin ich!
Denke an mich:
        Was schläft, das muß reden.
        Was tot ist, will ich töten.
        Und keine Tiefe ist mit zu tief,
        Die ich nicht rief.
        Flügel schenk ich dir, die tragen
        Dich über die Erde.
        Wer über der Erde
        Nicht lebt,
        Lebt nicht
        Auf der Erde,
        Und nimmer ist’s nötig,
        Daß er begraben werde.
Denke an mich:
        Die Lebensgebärerin,
        Die Lebensernährerin,
        Die Lebenserweckerin,
        Die Lebensvollstreckerin
        Bin ich!
Im Herzen des Alls,
Da quillt ein See,
Er hat nicht Grund.
Gott warf sein Herz hinein,
Daß ich entsteh!
Gott warf sein Herz hinein,
Warf seines Sohnes Herz hinein,
Warf aller Weisen und Guten
Herz in den See,
Daß ich entsteh!
        Öffne dein Herz,
        Schwester, Bruder,
        Bruder, Schwester,
        Öffne dein Herz.
O, öffne dein Herz!
Die Zeit der Saat – naht!
Schmücke dich!
Den Blühenden trägt die weite Flut zur Ewigkeit,
Der Dorre sinkt!
Die Ewigkeit liebt wüste Gärten nicht!


Chor der Erlösten, jubelnd:

Liebe! Liebe!!

Chor der Verlornen, schluchzend:

Die Ewigkeit liebt wüste Gärten nicht ......


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