Walther Kabel
Mein Feind Cordy
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Wir sind oft zu Besuch bei dieser ernsten großen Frau gewesen. Bald hatte sich Gussy auch in ihrem Wesen einen Platz erobert. Lustig erzählten sie sich von früheren Tagen, wenn wir beieinander saßen.

Auch an diesem Abend kamen wir von Lady Cordy zurück. Es war schon finster, aber unsere Tiere wußten den Weg auswendig. Wir unterhielten uns noch über das Thema unseres Gespräches, kosteten noch die gemütlichen Stunden aus . . .

Plötzlich knurrte Wrangel böse auf . . .

Was sollte das?

Bevor wir noch richtig dahinter kamen, waren wir schon von dunklen Schatten umringt . . .

Erst dachte ich an Bischarin oder an andere eingeborene Strauchdiebe, – aber an der Stimme merkte ich, daß ich es hier mit Europäern zu tun hatte.

»Nehmt die Flossen hoch und rührt euch nicht!«

Eine befehlende Stimme rief uns diese Worte zu.

Selbstverständlich wollte ich dieser Aufforderung nicht nachkommen. Wäre ja noch schöner. Schnell griff ich mit der freien Hand nach Gussys Reittier hinüber, faßte auch meines fester am Zügel und wollte lospreschen. Kam aber nicht mehr dazu, weil urplötzlich drei Schatten aus dem Dunkel vor mir auftauchten und mich, der ich doch ziemlich fest im Sattel sitze, mit einem Stoß aus dem Sattel hoben. Krachend fiel ich auf den Boden und verlor für wenige Minuten die Besinnung.

Wrangels lautes Heulen weckte mich wieder auf.

Dumpfes Hufgeklapper verklang in der Ferne.

Ein gellender Schrei:

»Olaaaf . . .

Das war Gussy!

Wie der Blitz war ich hoch und sah mich um.

Außer Wrangel war nichts mehr zu sehen.

Doch dann fand ich mein Reittier wieder, das sich in der Nähe in den Sand gelegt hatte.

So schnell ich konnte, sprang ich auf und versuchte die Fährte der Gauner zu verfolgen . . .

Es gelang mir nicht . . .

Lady Cordy . . .!

Sie war die einzige, die mir helfen konnte. Sie und ihre Bischarin. So schnell ich konnte, trieb ich mein Tier wieder auf den Weg zurück.

Außer Atem erreichte ich das Lager wieder, welches ich vor nicht ganz einer Stunde an der Seite meiner lieben kleinen Gussy verlassen hatte.

Lady Cordy hatte sich bereits schlafen gelegt, stand aber sofort wieder auf, ohne sich zur Garderobe Zeit zu lassen, alarmierte sie ihre Bischarin, die bald fertig gesattelt mit ihren Tieren vor uns standen.

Wie ein Ungewitter rasten wir auf unseren treuen Tieren zurück. Erreichten den Platz, an dem wir überfallen worden waren, und weiter ging es in die Wüste hinein.

Den Bischarin machte dieser nächtliche Ritt anscheinend Spaß. Ihre schrillen Schreie durchschnitten das Dunkel. Es hörte sich unheimlich an.

Was ich nicht zu hoffen wagte, trat ein. Bald hatten wir die Flüchtenden erreicht. Sie stellten sich zum Kampf.

Ohne größere Beratung gingen die Bischarin zum Angriff über.

Schüsse peitschten durch die Nacht.

»Halt«, rief ich so laut ich konnte. Sofort stellten die Bischarin das Feuer ein und versammelten sich um mich.

Ich machte ihnen klar, daß, sie nicht schießen durften, wie leicht konnten sie in der Finsternis, ohne daß sie es wollten, Gussy treffen.

Die dunklen Schatten vor uns verschwanden in der Nacht.

Ein klagender Schrei klang an mein Ohr:

»Olaf, Hilfe . . .

Plötzlich erstarb er.

Im weiten Bogen schwärmten die treuen Bischarin aus. In Windeseile umzingelten wir die Räuber. Und dann begann einer der furchtbarsten Kämpfe, die ich erlebt habe.

Furchtbar wohl vor allem deshalb, weil sich alles bei diesem Kampf lautlos abspielte. Nur die unterdrückten Schreie der von den mit einer unwahrscheinlichen Zielsicherheit geworfenen Messern Getroffenen klangen stöhnend auf.

Was nützte es unseren Gegnern, daß sie wie irrsinnig in die Nacht schossen. Wie Schemen tauchten die Bischarin auf, und ehe einer der Gangster auch nur die Zeit zum Zielen gefunden hatte, fiel er röchelnd oder laut schreiend aus dem Sattel.

Wenn sich wirklich noch ein Schuß aus einer Waffe löste, verpuffte er ohne sein Ziel zu treffen in der Nacht.

Ich selbst konnte in diesen Kampf mehr oder weniger nicht eingreifen. Ich konnte mich nicht so schnell orientieren. Doch dann sah ich im aufleuchtenden Mündungsfeuer fast vor mir ein Reittier, welches unzweifelhaft von zwei Personen besetzt war. Es hielt sich etwas zurück.

Sollte es der Reiter sein, der Gussy bei sich hatte?

Ohne zu überlegen, trieb ich mein Tier an. Das Dunkel vor mir nahm Gestalt an. Ehe der Reiter zu sich kam, schlug ich ihm mit dem Knauf meiner Pistole über den Kopf. Ohne einen Laut von sich zu geben, sackte er aus dem Sattel. Das schwere Tier unter ihm wollte sich aufbäumen. Mit festem Griff faßte ich es am Zügel und zog es an mich heran.

Quer über den Sattel gelegt lag Gussy.

Schnell hob ich sie zu mir herüber, versetzte dann dem Tier einen Schlag, daß es wild ausschlagend in der Nacht verschwand. Rechts und links von mir tauchten die Bischarin auf.

Schnell wie ich gekommen war, zog ich mich aus dem Bereich der Gefahren zurück und barg meine kostbare Last an meiner Brust.

Ich weiß nicht, ob überhaupt einer der Gauner lebend die Kampfstätte verlassen konnte. Es dauerte noch eine Zeit, bis sich die Bischarin wieder um mich versammelten. Ohne Aufenthalt ritten wir zurück ins Lager.

Lady Cordy untersuchte Gussy, fand aber außer einer Beule keine Verletzung. In dieser Nacht ritt ich allein nach Hause. Meine Gedanken waren trübe. Was sollte dieser Überfall bedeuten? Galt er mir oder Gussy?

Als ich am nächsten Tag wieder in das Lager zurückkam, empfing mich die Lady mit ernster Miene.

»Ist etwas mit Gussy?« fragte ich ängstlich.

Sie schüttelte den Kopf, zog mich aber an ihrem Zelt vorbei ins Freie.

»Ich habe mit Ihnen zu reden!«

Was ich von ihr zu hören bekam, machte mich bedrückt. Es war auch der Anlaß dazu, daß ich Gussy, nachdem sie sich von ihrer Verletzung wieder erholt hatte, nach Kairo brachte.

Sie weigerte sich standhaft. Verlangte an meiner Seite zu bleiben, aber ich duldete es nicht.

Der Ritt nach Kairo war das letzte, was ich mit Gussy gemeinsam erleben sollte. Wir ließen uns Zeit. Zögerten so lange es ging unsere Reise hinaus.

Doch dann war es eines Tages doch soweit. Die Türme der Stadt stachen spitz in den Horizont vor uns. Die Abschiedsstunde kam.

Ich kann sie hier nicht schildern.

Selbst wagte ich es nicht, die Stadt zu betreten. Der Steckbrief!

Treue Bischarin führten Gussy von mir, die sich immer wieder umdrehte und mit ihrer kleinen Hand zurückwinkte. Ich hielt es aus. Ja, ich winkte zurück. Es war gut, daß die Entfernung zwischen uns schon so groß war, daß man Einzelheiten nicht mehr erkennen konnte.

So durfte ich es wagen zu bleiben, trotzdem mir die Tränen in dicken Bächen über die Backen rollten.

Endlich verschwand der kleine Zug im Dunst des Morgens.

Vorbei . . .!

Aus . . .!

Wieder allein. Nach einigen Wochen froher Gemeinschaft mit einer Frau, die mir alles bedeutete, wieder allein.

Konnte ich es ertragen?

Vor drei Tagen bin ich wieder hier in meinem Lager angekommen.

Sussik hat mich empfangen, als wäre nichts geschehen. Der Gute spürt, daß ich leide und versucht mit allen Mitteln meinen Kummer zu löschen.

Es wird ihm gelingen. Heute schon bin ich ruhiger. Nachdem ich hier in meiner Einsamkeit über alles nachgedacht habe, spüre ich, daß es so am besten ist.

Ein Mann wie ich soll und darf sich nicht an eine Frau hängen. Das geht nicht.

Lady Cordy hat recht. Gestern war sie bei mir. Schweigend saß sie mir gegenüber, genau auf dem Platz, an dem vor wenigen Tagen noch Gussy gesessen hat. Spät in der Nacht ging sie wieder. Nach wenigen Worten des Abschieds fügte sie noch einige Worte für mich hinzu:

»Lassen Sie Ihrem Kummer freien Lauf, Abelsen. Halten Sie ihn nicht zurück, doch wenn Sie ihn überwunden haben, werden Sie selbst feststellen, daß das Schicksal auch in diesem Fall die richtige Lösung gefunden hat. Es gibt Menschen, die nie im Leben das Glück der Gemeinschaft voll auskosten dürfen. Dieses Leben am Rande der Gesellschaft. Ihr Glück liegt für andere verborgen unter den Trümmern der Welt. Wir beide, Sie und ich, Abelsen, gehören zu ihnen.«

Ich gehöre zu ihnen. Es war eine Frau, die mich auf diesen Weg gebracht hat, – aber darf ich ihr das heute noch nachtragen?

Wird das Leid, das sie über mich brachte, nicht aufgehoben durch die vielen schönen Stunden, die ich mit Gussy verleben durfte?

Vielleicht!

Gussy wird nie Not leiden. Gussy ist mit Tübbicke heimgekehrt . . . Die Schlangenkiste, glaube ich, enthielt nicht nur Wäsche, sie war so sehr schwer geworden. Mag das Gold dem lieben Mädel Glück bringen.

Alle sind sie abgezogen, nur Sussik ist mir geblieben und Wrangel . . . Sie genügen mir. Sollte mich einmal die Sehnsucht nach anderen Gefährten überkommen, so brauche ich nur in die Wüste hinauszueilen und Lady Jane zu besuchen – bei ihren Bischarin . . . –

Das Geierpaar brütet jetzt auf dem Riesennest.

Auf dem Grabe Gupas blühen bereits bunte frohe Büsche.

Das Leben läuft weiter – hinweg über Gräber, über das, was uns wert und lieb gewesen . . . –

Sussik tritt neben meinen Schreibtisch und legt mir eine Patronenhülse auf das Blatt Papier. Er ist soeben von einer Jagdstreife zurückgekehrt.

»Frisch!« sagt er mit Nachdruck.

Ich rieche an der Hülse . . . Es ist die einer Büchsenpatrone Kaliber 6,9 . . .

Sie ist frisch.

»Neben dem Steine, Olaf, wo ich sie fand, war Elefantenunrat sorgsam verscharrt!!« Er schaut mich vielsagend an . . .

Wir verstehen uns . . ..

Wir hätten diesen Onkel-Ekel-Darß und den Mr. Howard Houston irgendwo recht luftig aufknüpfen sollen! Dann hätte es nie eine Oase der Toten gegeben . . .

Unsere weißen flinken Tiere sind bereit . . . Wrangel bellt vor Freude.

»Belle nicht, Wrangel! Diesmal geht es auf die Menschenjagd . . .

 

Ende

 


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