Walther Kabel
Mein Feind Cordy
Walther Kabel

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Auch der Happen ist verdaut.

In »unserer« Oase gibt es keinen Unterrock, kein hellblau-seidenes Pyjama mit schwarzem Kragen und schwarzer Verschnürung. Hier gibt es nur Männer. Männer aus Stein, hart, fest, derb . . . In unserer Oase gibt es keinen zappeligen Kurbeldreher, der seinen Aufnahmeapparat wie ein Weibchen in den Flitterwochen behandelt. –

Der Filmoperateur Owen Darß, der Expeditionsleiter und Regisseur Howard Houston, ich – – und natürlich die zierliche Hexe Gussy saßen im großen Zelt in Klappstühlen um den Klapptisch. Mokka duftete in feinen Tassen, Gussys manikürte Finger kokettierten mit einer Zigarette . . .

Die Verfolgung Cordys war ergebnislos gewesen. Houston hatte wie ein Stauer geflucht, Gussy hatte gelacht und nun erörterten wir das Geschehene mit der trügerischen Gründlichkeit von Leuten, die der Wind des Zufalls zusammengeweht hat.

Tübbicke und Gupa hatte ich bei unseren Tieren gelassen. Die prächtigen Bischarin stachen Houston die Augen aus, und Houston hatte fünfzig Farbige bei sich. Man konnte nie wissen . . .

Was hier in der Wüste eigentlich gedreht werden sollte, verschwieg er. Die Filmleute schleppten aber die merkwürdigsten Dinge mit sich herum, und gerade Elefanten als Transporttiere mochten für einen zerlegten Eindecker, für mächtige Holzkisten, für drei auseinandergenommene Geschütze älteren Systems und für große Bündel verrosteter Gewehre am geeignetsten sein.

Und dann Mr. Houstons Leibgarde, die Farbigen!!

Es war erlesenstes Hafengelichter, wie ich es aus dem fernen Osten zur Genüge kenne, die Hälfte Araber, die andere Hälfte Neger, Fellachen, ein paar Chinesen und sogar vier schmalbrüstige Inder mit wallenden Bärten.

»Er nannte sich Cord«, betonte Houston nochmals. »Er war allein – sagte er wenigstens. Wir konnten ihn nicht gut fortweisen . . .. Wie es ihm möglich war, einen Elefanten zu stehlen, – mir schleierhaft!!«

Es war noch vieles andere schleierhaft.

Wir drei Kumpane, die wir lediglich unsere Sonderinteressen zu hüten hatten, waren übereingekommen, nichts zu verraten. Wir waren eben Touristen . . . Wer es nicht glaubte, – nun gut! Die Wahrheit sollte auf keinen Fall offenbart werden. Ein paar hastig geflüsterte Worte hatten zur gegenseitigen Verständigung genügt.

». . . Es machte doch den Eindruck, als ob Sie, Mr. Lensen, diesen Cord verfolgten«, meinte Gussy, der süße Fratz, und ließ ihre Brillantringe sprühen.

»Taten wir auch, weil er sich in der Nähe unseres Lagerplatzes herumdrückte, Miß Gollan . . .«

Ich hatte mein Lebtag nichts von einem Hollywoodstern Gussy Gollan gehört, aber Filmstars sind ja wohl Eintagsfliegen.

Howard Houstons Ledergesicht bekam einen lauernden Ausdruck. »Es wurde geschossen«, tastete er vorsichtig nach der Wahrheit. »Mein Diener Ali will die Schüsse gehört haben . . .«

Dieser Ali bediente uns hier in dem komfortablen Zelt. Es war ein brauner Bursche mit undurchdringlichen Zügen, sehr ruhelosen Augen und gewandten Bewegungen.

»Ali, du hörtest doch was . . .

Ich hatte mir sehr rasch überlegt, daß die Entfernung bis zu unserer Schlucht im Süden viel zu groß war, als daß der Knall bis hierher hätte dringen können. Mich fing man nicht mit solchen Anzapfungen. Aber – wie konnte dieser Ali überhaupt etwas von Schüssen behaupten?! Er konnte sich das unmöglich völlig aus der Luft gegriffen haben. Ich mußte mit meinen Antworten noch behutsamer sein.

»Geschossen wurde, das stimmt, Mr. Houston, aber nicht von uns . . . Ich erwachte durch Schüsse. Möglich, daß dieser Cord auf irgend jemand oder auf ein Wild gefeuert hat . . .«

Der Regisseur kaute an seiner Pfeife.

Ali sagte in stolperndem Englisch: »Es waren zwei Schüsse . . . Der Nachtwind kommt von Süden . . .«

Es entging mir nicht, daß er mit Houston einen langen Blick tauschte.

»Ich bedauere Ihren Verlust«, meinte ich harmlos. »Hatten Sie denn keine Wächter bei den Elefanten?«

»Die Schufte waren eingeschlafen!« fuhr Houston wütend auf. »Unser stärkstes Tier gerade . . .!! Ich begreife es selbst nicht, Mr. Lensen . . .«

Ein noch lauernderes Augenpaar beobachtete mich. Weiber, die sich zu dunklen Intrigen hergeben, sind gefährlicher als ein Dutzend gerissenster Schurken. Aber Gussy lächelte schon wieder, gähnte und meinte: »Bei Tageslicht nehmen wir die Verfolgung wieder auf. Dieser Cord mag sich verkriechen, wo er will . . . Mein Sporteindecker schafft hundertzwanzig Kilometer.«

Houston nötigte mich zum Zugreifen. Die Filmleute hatten allerhand Delikatessen mit.

»Haben Sie eigentlich ein bestimmtes Reiseziel?« fragte er nebenbei.

Gussys Bemerkung über das Flugzeug schien ihm gegen sein Programm zu sein.

»Nein – kein Ziel, – wir sind auch nur Zufallsbekannte, wenigstens was Mr. Tübbicke betrifft . . .« Ich trank einen Schluck Mokka und nahm einen Hartkeks . . . Diese ganze Gesellschaft mißfiel mir immer mehr. Es lag etwas unnennbar Drohendes in der Luft: Gewitterschwüle!

Der zappelige kleine Operateur Owen Darß sprach einer Flasche Whisky im Übermaß zu. Seine Nerven verlangten wohl nach diesem auch dämpfenden Mittel. Er hatte ein Rattengesicht mit Spitznase und fliehender Stirn. Sein dünnes graumeliertes Haar war künstlermäßig zurückgestrichen.

Dieser Darß ging zum Scheinangriff über. »Wir werden gut tun, die Spuren Cords auch bis zu ihrem Lagerplatz zu prüfen, Mr. Lensen . . . Vielleicht ergibt sich dann so manches Eigentümliche.«

Ich blickte ihn kalt an. »Sie denken, Cord und wir stecken unter einer Decke . . . Weshalb reden Sie nicht ganz offen?! Natürlich ist das barer Unsinn, denn wir jagten hinter Cord her, und wenn der nicht so schlau gewesen wäre, uns hier bei Ihnen . . .«

Darß meckerte: »Schaumschlägerei!! Halten Sie uns doch nicht für dumm, Mr. Lensen! Auch die Fußketten der anderen Elefanten waren gelöst, und es ist ein Wunder, daß die Tiere nicht mit ausbrachen, als Nuba vorüberjagte, Nuba, der Leitbulle!«

Die Karbidlampe über dem Tische brannte sehr hell. Aber gerade mir gegenüber hatten Houston und Darß ihre Reitanzüge an die Zeltstangen gehängt, und so hatte ich vor mir eine breite Schattenbahn. – Ali war hinausgegangen . . . Ohne die Schattenbahn hätte ich nie feststellen können, ob draußen noch Magnesiumfackeln weithin ihr grelles Licht umherstreuten. Es brannten keine Fackeln mehr, aber die Unruhe im Lager hatte sich noch nicht gelegt. – Mitten durch die Platte des Klapptisches lief die senkrechte Hauptstange des Zeltes. An dieser Stange war ein waagerechter Halter für die Lampe befestigt.

Ich schüttelte zu Darß' nunmehr recht offenherzigen Verdächtigungen ironisch den Kopf: »Ihre Fähigkeit, folgerichtig zu denken, ist mäßig, Mr. Darß. Ständen wir mit diesem Cord im Bunde, hätten wir den Elefantendiebstahl wohl anders inszeniert . . .«

Das Rattengesicht feixte. »Wir werden ja sehen!! Jedenfalls werden Sie so liebenswürdig sein und vorläufig bei uns bleiben . . .«

Also doch!!

»Sehr gern . . .«, was dann kam, war für diese Grünlinge zur Abwechslung keine gut probierte Kurbelszene . . .

Ich sehe noch die beiden verdutzten Gesichter der Filmmänner vor mir. – Heute noch könnte ich lachen darüber, damals allerdings war mir sehr ernst zu Mute. –

Ehe sich die beiden versahen, packte ich sie und stieß sie mit ihren Köpfen zusammen. Gerade wollte ich noch einmal dasselbe versuchen, als ein dumpfer Schlag meinen Kopf erschütterte. –

Einen Moment nur lockerte ich meine Griffe, – aber, es genügte, wie die Wilden fielen beide über mich her. –

Es gelang mir zwar, mit einem kräftigen Fußtritt wenigstens den einen der Angreifer abzuwehren . . ., weiter kam ich nicht, – zwei kräftige Hände umklammerten meinen Hals und rissen mich nach hinten. –

Im Fallen noch sprang mir die kleine Gussy wie eine Katze auf die Brust. Krachend fiel ich zurück.

Als ich wieder zu mir kam, sah ich in das höhnische Gesicht des braunen Dieners. Er mußte hinter meinem Rücken wieder das Zelt betreten haben. Seine braune Fratze neigte sich über mich.

Gussy, die immer noch auf meiner Brust saß, versuchte mit ihren zarten Fingern mir den Hals zuzudrücken. Es gelang ihr nicht.

Böse funkelten ihre Augen mich an.

Jetzt stieß Ali sie zur Seite. Sein Gesicht näherte sich bedrohlich . . .

Das war dein Fehler mein Freund . . .

Bei einem Greenhorn wäre dir deine Schuftigkeit sicher gelungen. Nicht bei mir . . .

Er kam gar nicht mehr dazu sein häßliches Maul zu öffnen, so schnell wirbelte er durch die Luft. Houston, der gerade in seiner Flugrichtung stand, wurde mitgerissen. Beide fanden sich an der anderen Seite des Zeltes wieder. Schimpfend befreite sich Houston von seiner Last.

Mit einem Satz war ich wieder auf den Beinen.

Gerade rechtzeitig um mit einem netten Schwinger den Angriff von Darß abzuwehren.

Was denkt ihr Greenhörner euch eigentlich?

Ihr Filmonkels könnt doch nicht mit mir . . .!

Schneller als ich dachte, waren die drei wieder hoch. Die kleine Gussy richtete sogar einen zierlichen Revolver auf mich. Und ich muß sagen, – er wackelte nicht. Fest und ruhig zielte das kleine schwarze Loch der Mündung auf meine Brust.

»Hände hoch!«

Ihre Stimme war gar nicht mehr langweilig.

Ihr Pech war, daß Houston es zu eilig hatte. Er lief mir gerade zwischen die Finger. Sein Pech. Nun diente er mir als Schild. Nicht freiwillig. Sein Zetern nützte ihm nichts.

Mit einem kräftigen Schwung schleuderte ich ihn gegen die Frau, die aufschreiend den Revolver fallen ließ, weil sie ihre Hände abwehrend vorstrecken mußte.

Doch Houston war zu schwer. Die arme Miß mußte mit zu Boden.

»Verzeihen Sie mir!« –

Mehr konnte ich nicht sagen, denn schon wieder war einer dieser ekligen Menschen über mich. –

Ich hätte nicht bei meinem Freund Coy in der Lehre gewesen sein müssen. –

Ruckartig bückte ich mich. – Durch diesen Schwung meines Oberkörpers beförderte ich den Angreifer gleich wieder weiter. Er landete auf Houston und riß diesen gleich wieder mit zu Boden. Gott sei Dank nicht auf die arme Gussy. Diese wäre unweigerlich zerquetscht worden.

Doch, – jetzt wurde es langsam Zeit für mich. Ich wollte mich hier nicht in eine endlose Prügelei verwickeln.

Darß und Houston wollten sich gerade wieder erheben.

Ich selbst beförderte diesen braunen Halunken – Ali – den ich günstig erwischt hatte, gegen die Mittelstange des Zeltes.

Krachend brach sie zusammen. Die Lampe fiel herab. –

Ein Sprung über den stürzenden Tisch, – ein Schnitt mit dem Messer . . .

Aber ich hatte mich doch verrechnet, – Darß und Houston lagen zwar mit am Boden, – die Katze Gussy schlug gerade zu, als ich mich durch das aufgeschlitzte Leinen an der Schattenseite zwängte.

Womit sie schlug, – es mußte einer der kleinen Spaten sein . . .

Ich taumelte . . . ich erhielt den zweiten Hieb auf die Schulter, die Büchse entfiel mir . . .

Sekunden entschieden hier . . . Funken sprühten mir vor den Augen, jähe Übelkeit würgte mir in der Kehle . . .

Gussys Stimme schrillte . . .

Gussy hing an mir wie eine Katze, hing mir im Nacken, riß mich nach hinten . . .

Sekunden entschieden hier . . . Nur die ungeheuerste Willensanspannung gab mir die Kräfte, das federleichte Weib mit der Linken herumzureißen. Der Armdruck erstickte sie halb . . . Ich sah wieder, ich rannte geradeaus, – ich wußte, wo unsere Tiere standen, – ich hatte das Weib als Schild, ich hatte Gupas Namen gebrüllt, – der Knäuel brauner Leiber vor mir zerfiel, – – Schüsse knallten . . .

Tübbicke – nie vergesse ich es ihm! – ließ einen Kerl kopfheister gehen, der mir seinen Speer in die Seite stoßen wollte, – Adolar Tübbicke stand im Mondlicht mit einem fidelen Lächeln da, in jeder Hand ein Pistole . . .

Peng . . . Peng . . . Peng . . .

Dann rauf auf die Tiere, rein in den Sattel.

Gupa warf ich das Frauenzimmer zu . . .

»Mitnehmen!!«

Ohne meine Büchse fliehen – niemals!!

Ich gab dem Biraschin die Hacken . . .

Vor dem Zelte die Herren Houston und Darß – wie gerufen . . .

Peng . . . Peng . . .

Schreckschüsse . . . Stücke Armhaut kosteten sie wohl . . .

Da lag die Büchse . . . Ein Zügeldruck, ein Satz abwärts, ein Griff, ein Satz aufwärts . . .

Peng . . . Peng . . . Peng . . .

Die Lagerstraße war wie leer gefegt . . .

Ein paar Wurfmesser sausten ins Weite . . .

Wrangel, der bei Tübbicke und Gupa gelegen hatte, balgte sich noch mit den fremden Kötern herum . . .

Ein Pfiff, – – hinaus in die mondhelle Wüste – – Feuer in den Adern, im Hirn, berauscht von diesem Erleben, bei dem das gute Recht auf unserer Seite war . . .

Tübbicke, dicht neben mir, rief unserem Golem zu: »Gupa, erwürgen Sie sie nicht!«

Gussy ruhte schlaff im linken Arm des riesigen Mongolen.

Hinter uns jetzt die Hölle . . .

Brüllen, Schreien, Schüsse, Heulen der Hunde – neue Schüsse . . .

Tübbicke lachte munter. »Das sind Helden, Abelsen!! Feine Bande!!«

Der Lärm erstarb . . .

Wir jagten nach Süden, den kahlen Bergen zu, und die feierliche Stille der großen Einöde beruhigte das heiße Blut.

Die kleine Oase ließen wir rechts liegen, bogen in ein Tal ein, stiegen ab, führten die Tiere auf schmalem Grat . . . Und über Gupas Sattel lag die Katze Gussy wie ein schlaffer Sack.

 


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