Walther Kabel
Mein Feind Cordy
Walther Kabel

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Warum hast du das getan . . .?

Neben mir, im Schatten des Felsendaches, liegt Gussy. Kleine zierliche Frau.

Sie schläft.

Friede liegt auf ihren Zügen.

Noch jetzt zucken ihre Lippen . . .

Ich kann mein Gesicht nicht von ihr wenden. Ich muß sie ansehen.

Und doch. Ich schäme mich. Warum habe ich es so weit kommen lassen . . .?

Ich bin der ältere und sollte doch auch der vernünftigere sein. Das, was ich nie wollte, ist jetzt so plötzlich über mich gekommen, daß ich es erst bemerkte, als es schon zu spät war.

Soll ich bereuen?

Ich kann es nicht.

Will ich es denn? – Ich glaube nicht.

O Gussy, warum gelang es dir nicht, mir den Schädel einzuschlagen, als du gestern im Zelt auf mich einschlugst?

Ich schließe meine Augen und versinke in meinen Vorwürfen. Doch was nützt das alles jetzt, – es ist zu spät.

Erst denken, nachher . . .?

Auf jeden Fall, ich kann jetzt nicht hier sitzen bleiben und darauf warten, daß sie erwacht.

Davor habe ich Angst.

Noch einmal gleitet meine Hand über die zierliche Gestalt, die vor mir liegt und im Traum oder im Unterbewußtsein über diese Berührung lächelt.

Gussy . . .!

Wenn du erwachst, will ich dich fragen, ob . . .!

Ich bin es meinem Gewissen schuldig . . .

Ich ließ sie allein, kletterte in die Schlucht hinab, weidete die Antilope aus, zerlegte sie und stieg die Wand wieder empor. Gussy Gollans Platz war leer. Auch die kleine Pistole war verschwunden.

Der Gedanke, daß dieses gewiß nicht feige Mädel so wahnwitzig gewesen sein könnte, ohne Reittier zu entfliehen, kam mir überhaupt nicht. Etwas anderes beunruhigte mich: Daß sie sich an unser Lager heranschleichen und eins der Dromedare stehlen könnte! Freund Tübbicke war immerhin zu sehr Neuling in derlei Abenteuern, und Gupa und Wrangel mit seinen verbundenen Pfoten (er hatte sich die Ballen durchgelaufen) standen als Wächter zu weit von dem Lagerplatze ab, um rechtzeitig eingreifen zu können.

Ich beeilte mich. Es war eine Stunde Marsch bis zum Lager, und ich spürte jetzt die Müdigkeit wie Bleigewichte an den Füßen. Die durchglühten Felsen, die Sonne . . . – ich war froh, als ich endlich Tübbicke erblickte . . . Er lag und schlief. Keins der Tiere fehlte. Ich atmete auf. Und doch: Wo war Gussy?! In dieser Einöde zu Fuß etwa nach Norden flüchten und die Filmleute suchen, – Wahnsinn, sicherer Tod bedeutete das! – Ich warf die Fleischstücke zu Boden; stand dann vor Gupa, der mich aus klaren, kühlen, kleinen Mongolenaugen anschaute.

»Wo ist sie, Olaf?«

Meine Hand liebkoste den vor Wiedersehensfreude leise winselnden Hund. Dieselbe Hand hatte auf Gussys Schulter geruht.

»Entflohen, Gupa . . . – Wrangel muß mit. Ich nehme ihn in den Sattel. In zwei Stunden habe ich sie gefunden und bringe sie mit zurück . . .«

Um Gupas Mund bildeten sich feine Fältchen.

»Schlafen, – das ist besser als . . .« – er wandte sich ab, verschluckte den Rest des Satzes und schaute nach Norden über die sandige, wellige Wüste.

Es wurden vier Stunden. Ich kehrte ohne Gussy zurück. An drei Stellen hatte sie sich an steilen Hängen mit Hilfe des Strickes, den sie umgegürtet trug, auf schmale Grate hinabgelassen. Dann verlor ich ihre Spur vollkommen.

Gupa behauptete, er hätte nach Osten zu am Horizont, wo der Hitzedunst wie Schleierstreifen hing, ein Flugzeug beobachtet. »Du hättest mir dein Fernglas überlassen sollen, Olaf . . . Es mag auch eine Schar weißer Reiher gewesen sein . . .«

Tübbicke übernahm die Wache. Ich schlief wie ein Toter.

 


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