Jean Paul
Titan
Jean Paul

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Elfte Fahrt

Das Meer und die Sonne

In Norden dämmerte die Sonne hinter den Orkaden – rechts nebelten die Küsten der Menschen – als ein stilles, weites Land der Seelen stand das leere Meer unter dem leeren Himmel – vielleicht streiften Schiffe wie Wasservögel über die Fläche, aber sie liefen zu klein und weiß unter dem Schleier der Ferne – Erhabene Wüstenei! über dir schlägt das Herz größer! – Auch du gehst fort, bleiche Sonne, und als ein weißer Engel hinab ins stille Kloster der Eismauern des Pols und ziehest dein blühendes, auf den Wogen golden schwimmendes Brautgewand nach dir und hüllst dich ein! – Die Blasse im Rosenkleide! wo ist sie jetzt? Wird sie in ein warmes, reges Auge schimmern zwischen den Eisfeldern? – Ich schaue herab auf den finstern Winter der Welt! Wie stumm und unendlich ists da unten! Das allgewaltige fortgestreckte Ungeheuer regt sich in tausend Gliedern und runzelt sich, und nichts bleibt groß vor ihm als sein Vater, der Himmel! – Großer Sohn! führest du mich zum Vater, wenn ich einmal zu dir komme? –

Welcher Goldblick! Im Abendrot glüht Aurora an. Was reißet so schnell das schwarze Leichentuch vom Wasser-Orkus weg? – Wie brennen die Länder der Menschen wie goldne Morgen! O kommst du schon wieder zu uns, du herrliche, liebe Sonne, so jung und rosenrot, und willst wieder freundlich hinziehen über den langen Tag und über die Gärten und Spiele der Menschen? – Glühe nur herauf, Unsterbliche! – Ich stehe noch kalt und bleich an meinem Horizont und gehe noch hinunter zu dem dunkeln Eise; aber werd' ich auch wie diese, o Gott, wärmer und heller aufsehen und wieder einen heitern Tag durchlaufen in deiner Ewigkeit? –


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