Jean Paul
Bemerkungen
Jean Paul

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Der Kritikus sollte bloß das einzelne oder die Werk-Teilchen tadeln, aber den Werkmeister möglichst loben. Der einzelne Tadel samt dem Lobe des Verfassers erhebt diesen zu höherem; das Übrige ist umgekehrt.

Willst du die männlichen Deutschen zu einem ordentlichen Gespräche bringen: veranlasse eine Disputation über eine Wissenschaft etc. – Rein, gesellig sprechen können sie nicht. Nur die Weiber höchstens können in einigen Gegenden (z. B. sächsischen) ein Gespräch über alles spielend führen wie ein Franzose.

Noch keine fromme, alle Pflichten treu erfüllende Hausfrau hat je gesagt: ich bin zu gut für die Erde – höchstens: ich verdiene sie nicht ganz –, aber die empfindsam zarten, die nichts tun, sagen es.

Es ist ein fast unvermeidlicher Trug, daß man desto mehr auf den andern zu wirken (wärmen) glaubt mit Zornfeuer, weil uns dies selber so viel zu genießen gibt – indes den andern gerade unsere größte Ruhe und Kälte am meisten erwärmt und für uns gewinnt.

Seltsam sind die Weiber! Kein Mann wird sich eine schönere Weste von einem andern erborgen, um mit seinem Bauche gesellig zu glänzen. Aber eine Frau trägt ohne Bedenken entlehnte Perlen, Hüte etc.

Schwerlich wird irgendein Ehemann die Minute für schön und liebevoll empfinden, wo er mit ihr nach ihrem Anziehen in eine große Gesellschaft geht – aus dieser zurück, denkt sichs leichter.

Was am Menschen das Reinste ist, ist vielleicht sein Streben nach immer schärferem Wissen, wobei er sich vergißt und jeden Ruhm. Nur hier erscheint die Menschheit im großen Schritt zur Größe.

Der große Unterschied zwischen Weibern, 1) die Talent, Scharfsinn, Philosophie sogar haben, ja Empfindung und 2) die Verstand, Hausverstand haben, Berechnung zwischen sich und Mann und Kind, und überhaupt Berechnung. Nr. 1 gefällt vor, Nr. 2 in der Ehe.

Den (inländischen) Ruhm großer Minister, Feldherrn, Fürsten stürzt eine einzige Staatsumwälzung oder Eroberung.

Man hat oft eine prosaische Unterredung selber mit fortspinnen helfen, die man ungerecht tadelt, daß sie der andere fortsetzt, wenn man in einer poetischen Stimmung ist.

Man wird zwar für die Verhältnisse, worin man betrogen wurde, künftig klüger; aber man bildet sich dann fälschlich ein, man sei es auch für die geworden, worin man noch nicht betrogen worden.

Wenn das Genie schon in seiner Jugend, vor der Erfahrung so viele Erfahrungen antizipiert hat: was wird es erst im Alter zu sagen haben nach den Erfahrungen; aber es sagt eben da leider so wenig mehr, und das Seltenste wird eingesargt.

Auch die geistreichen Menschen suchen – sobald sie einander nur einige Male zuerst gesehen – dann mehr die Bücher als deren Verfasser.

Ist man einmal aus dem rechten Gesichtspunkte (Fokus) eines Menschen gekommen: so werden, zumal in der Ehe, gerade Strahlen seine Flecken – z. B. Festigkeit gegen Freunde und Fremde und dann wieder Nachgiebigkeit sonst, beide Dinge werden so abgeleitet, daß eines Egoismus heißt, das andere Schlaffheit.

Die Arbeit ist ein Vergnügen, das als Widerspiel schlecht anfängt und dann immer mehr erfreuet und das am Ende gerade zu allen andern Vergnügen einlädt.

Wenn man bei einem Fürsten durch große Sittlichkeit den höchsten Posten eines Günstlings erobert; so fodert jener leise und spät, daß man ihn durch einige Flecken oder Abweichungen von jener behaupte.

Man glaubt immer, der Mensch, der eine neue, die erste Meinung über das ganze Ideen-System gehabt, z. B. Leibniz, müsse auch eine neue über jedes einzelne, z. B. den Stiefelknecht, haben; daher die Liebe zu Biographien.

Ein Jüngling ist viel kühner und furchtsamer als ein Mann. Kühn tritt er z. B. ins Publikum oder vor jeden großen Mann; ein Nein macht ihn oft auf immer zaghaft. Der Mann hingegen wagt weniger, und nach Nein fragt er weniger.

Argwohn argwöhnen ist nicht darum immer selber einer.

Wer irgendeinen tiefen Verstand herauswittert, hat den tieferen; jener schrieb ungebildeter, dieser las gebildeter.

Die Weiber sind gut, aber schwer werden sie besser.

Vielleicht erriete man gewisse Menschen besser, wenn man sich dächte, als Dichter sie darstellen zu müssen.

Das erste Mal liest man einen Roman etc. der Geschichte wegen, das 2., 3. etc. des Inhalts (Gehalts), Bemerkungen etc. wegen.

Ist man in der Liebe und Freundschaft darin, so rechnet man ihr sogar gewöhnliche Tugenden als Reize an – dem Unbekannten aber fordert man sie ab ohne Dank.

Ich kann mir denken, daß die rechten Ehen in Republiken etc. sind, wo der Mann selten gesehen wird zu Hause, außer zurückkommend mit dem Glanze, den schon vorher Volk und eigne Neigung des Weibs verkündigt hat – hier ist's leicht, zu scheinen, was man ist.

Kurz nach einem Fehler ist der bereuende Mensch am besten, weil er demütig ist.

Man muß nur nicht Menschen lieben, d. h. Gegenliebe fodern, so kann man alles erdulden von ihnen, von Weib, Kind etc. – aber wer kann's, wer darf's, wer mag's? –

Ein ganz neues Verhältnis zwischen 2 unverheirateten Freunden und so zwischen 10 – wenn alle heiraten; denn die Weiber und ihre eheliche Liebe und außereheliche Abneigung kommen doch auch in das frühere leichte, feste, warme Verhältnis.

Es gibt 2erlei ganz verschiedne Töne, um nach dem Lobe den Tadel folgen zu lassen. Der erste macht das Lob zur Hauptsache, nicht zur Entschuldigung und ist weitläufig; dann fügt er vor beiläufig den Tadel an. Der zweite ist, daß man – im Tone liegt schon ein Zwar für das künftige Aber – das Lob als Entschuldigung des nahenden Tadels ausspricht.

Jeder hat für seine Besonnenheit seine besondern Gegenstände; der eine schweigt darüber, der andere darüber.

Gegenwärtiges Unglück verdau ich in wenig(en) Stunden; aber künftiges bleibt mir im Magen liegen.

Bei allem Rechte zu Achtung und Lob ertrotze diese nicht gewaltsam – nichts wird leichter der Gewalt versagt als dies.

Die Koketten gewinnen – wenigstens für einen Abend – sogar ernste Männer nicht durch ihre Reize oder das starke Vorspiegeln derselben, sondern durch das Vorspiegeln ihres Liebens. Dem Geliebtsein widersteht man sogar in einem Alter schwer, wo man der Schönheit widersteht.

Der Hagestolz hat das Unglück, daß ihm niemand seine Fehler frei sagt; aber der Ehemann hat dies Glück.

Gerade dem, der vielen Ruhm hat, erlaubt man nicht die Anmaßung irgendeines kleinsten Verdienstes (Nebenrühmchens), das vielleicht andere haben, sobald er es nicht wirklich verdient. Man hält es für Geiz und Raubsucht.

Die Einmischung der französischen Sprache soll den Adeligen in ihrer platten deutschen so etwas sein wie Witz; sie ekeln sich selber ihres Gesprächs.

Man sollte nie schweigen, wenn man nur einigen Ruf hat; Schweigen wird für Verachtung und Zurückziehen angesehen, und man [wird] gehaßt bloß für Schüchternheit.

In kleinen Städten, Hof weiß man die neuesten Moden in Kleidern, nicht in Büchern.

Die Freundschaft hat so gut ihre Blüte – die aber Jahrzehnte lange steht – als die Liebe, die kürzer ist. – Aber ist jene abgebrochen: so ist viel und unersetzliches dahin, und Gott bewahre jeden davor.

Wenn ein Lehrer immer weiter lehrt und lernt; wenn er das Gelesene sogleich zu einem Gelehrten vor Schülern machen kann: so muß ihn jedes neue Buch unendlich heben, weil er damit andere hebt und die erkauften Gewinste für kräftige Eroberungen ansieht.

Habe dasselbe Entzücken über 2 Bücher, aber über das eine in der Jugend, über das andere im Mannsalter: nur dort bei dem ersten hängt sich dem Buche ein Glanz an, den das zweite nie bekommt.

Der Maler muß eine Frau heiraten, – der Musiker – der Philosoph – Diplomatiker – Theologe – Jurist etc.: wie soll nun ein Geschlecht so verschiednen Tendenzen genugtun und sie erraten? – Folglich muß der weibliche Geist voraus ein allgemeiner sein, der sich in jeden besondern fügt; jeder bestimmte weibliche zerrüttet die Ehe, oder es müßte der Maler die Malerin ehlichen? Und doch!

Langweile ist nicht, wenn man nichts Besonderes hat, sondern wenn man es erwartet. – Ruhig, ja seelig liegt der Türke ohne ein fremdes Wort; aber sobald es ihm versprochen ist, kann er kaum mehr sitzen.

Fände der gute Mensch oder Ehemann nur immer das Gute: o wie würd er sich gleichbleiben! – Aber im Kampfe gegen das Böse wird er sich selber unkenntlich und am Ende – wegen der Ausweichungen des Bösen – selber zu diesem und sich unähnlich.

Je mehr eine weibliche Physiognomie der männlichen [sich] nähert – desto richtiger schließt sich aus ihr. Hingegen die echt weibliche, milde, schöne verbirgt den starken Engel oder schwachen Teufel zugleich.

Der Jüngling habe einen lebendigen Großen-Mann, aber nicht in seinem Fache und Triebe vor sich – sondern nur Größen seitwärts in andern Wissenschaften; denn jener gäb ihm ewige Richtung und verschläng ihn.

Die Menschen wollen immer vom Autor etwas Großes im Stoffe, um sich zu entschuldigen, daß sie kein Großes in der Form finden; und um zu verhehlen, daß sie eben das rechte Große, das überall sein kann, nicht kennen.

Je höher die Stände, desto mehr hat der Mann zu tun und desto weniger die Frau. Der König muß doch wenigstens bedenken und unterschreiben. Die Königin lebt von ihm. In untern Ständen ist es wie bei Wilden fast umgekehrt.

Nichts ist leichter, als die Kinder dazu zu erziehen, daß sie gehorchen, gefallen, aufwarten und alles tun, was Eltern und andere Erwachsene begehren. Freilich sind dann die Kinder nichts, nicht mehr als die Eltern. Aber schwerer ist es, Gehorsam und Freiheit zu vereinigen, die Kraft dazulassen und doch zu lenken und sich selber einen Gegner der besten Art zu erziehen.

Wer sich der Eitelkeit recht bewußt ist, verbirgt sie stark und doch ohne Erfolg; wer nicht, ist geradehin und vielleicht angenehmer eitel.

Keine Frau ist zur Vernunft zu bekehren; doch die gutmütige durch Liebe ohne Gründe; die geniale durch beides nicht.

Ich habe zuweilen gefunden, daß das einzige Gute, was noch in großen adeligen Familien nachwuchs – z. B. bei Gieg – bloß dem bürgerlichen Hofmeister zu danken war.

Alles ist am Weibe leichter zu erraten – z. B. Treue, Wahrheit, Keuschheit haben feste Zeichen – als Milde oder Wilde. Vielleicht aber nur darum, weil beides Lieben und Hassen zugehört und sie hoch von einem ins andere überspringen.

Noch mehr Kinder gehen verloren durch zu vieles Erziehen als durch zu weniges. Grönländer, Wilde, Goten etc., Hake's Kind gut, trotz aller Vernachlässigung.

Um sich recht zu erkennen, muß man nur sich seiner Jugend recht scharf erinnern, ohne Gegenwart etc. einzumischen. Dort gab sich dir dein Umriß.

Die Probe des Feinen ist nicht, gegen den Feinen fein zu sein – sie wäre zu leicht – aber wohl gegen den Groben es zu bleiben.

Der Eitelkeit oder ihrem Scheine entgeht niemand, wenn ihn nicht eine große Idee erfüllt, die ihn gegen sein Selbst verblendet.

Willst du das Verdorren deines jugendlichen Ideals außer dir sehen: so geh in die Stadt, wo du als Jüngling gewohnt – alle Körper sind dicker geworden, die Weiber in die Wirtschaft eingewunden, kein Mensch denkt voriger Zeit als mit Sehnsucht ohne Willen, alles Zarte der Gestalten und Züge und Ziele ist verschwunden – hinter das Glück der Kinder versteckt sich jede prosaische Erniedrigung – Bäuche und Vollwangen gehen hin und her – die Weiber als die Zärtesten haben am meisten verloren und sind in Haushaltungsfleisch verquollen. –

Wer Kraft hat, aber keine, mit der er ein Werk erschüfe, gebe nur, wie Arndt, Reisebeschreibungen. Alles ist hier zufällig – was begegnet – und unter dem Begegnenden noch, was der Verfasser nur aufnehmen will –, und dann kann er über jedes Individuelle, das ihm als Folie dient, seinen, kleinen Juwel von Gedanken legen. Ein Reisebeschreiber kann der unterhaltendste witzigste Mann mit den kleinsten Kosten des Kopfes sein, wenn er's recht macht.

Der Unsinn: daß man durch alle Vorsicht und Glücksfälle je dahin gelangen könne, daß einem eine zufriedne schon gefundne Lage nicht mehr gestört werde – Aus höherem Glück erwächst höheres Unglück usw.

Jeder hat seine Weise, sagt man. Aber man wundert sich weniger, daß man nicht die fremde, als daß der andere nicht die unsrige hat.

Wer kein Weiberhasser werden will, höre nie 2 Weiber miteinander zanken.

Gewissen Menschen, z.B. dem Fischer, die Verachtung auszudrücken, die man gegen sie hat, müßte man ihnen erst alle die Kenntnisse und Gesinnungen geben und beibringen, die uns eben von ihnen unterscheiden.

Alle Klarheit, die man über fremde Charaktere habe, gibt doch noch keine Sicherheit vor Selbsttäuschung und fremder Schmeichelei; das Unglück ist eben, daß man drei schwere seltene Kenntnisse haben muß, die von sich, die von andern, die von der Ansicht des andern gegen uns. – Man sollte geradezu voraus-[setzen, daß] einem jeder ein wenig mehr Gutes sage, als wir glauben.


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