Jean Paul
Bemerkungen
Jean Paul

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Außer der Einsamkeit macht nichts so stolz als eine Gesellschaft, die sich immer untereinander lobt.

Gegen den Bekanntesten fühlt man größere Achtung, wenn andre sie ihm erzeigen.

Ein Genie, das nachgeahmt wird, hat ebendeswegen viele Fehler: denn sonst schreckt' es ab. (Ramler, Goethe jetzt und sonst)

Man schämt sich eines Sprachfehlers mehr als eines Denkfehlers – eines Gedächtnisfehlers mehr als eines Schluß-Fehlers.

Zeige nie in Reden Trotz und Mut, sondern in Taten – weniger Feinde machst du.

Wenn es keine Freiheit gibt: wie kömmt denn der ganz Lasterhafte zum Gefühl, daß er sie verloren? »Bloß weil er das starke Gewicht der einen Gründe fühlt« – allein der Tugendhafte fühlt auch seines, aber keinen Freiheitsverlust.

In Frauen wird man oft aus Langweile verliebt – man weiß nichts mit ihnen weiter anzufangen.

Wenn das, was du dem andern sagst, nicht entweder ein Merkwort zur Erinnerung oder ein Funke zur Erfindung ist: so versteht er dich nicht; ihr müßt euch voneinander bloß in der Zeit der Erfindung unterscheiden.

Jeder hat mehr Selbstliebe, als man ihm zutraut.

Alle große Torheiten, Schwärmereien etc. kamen daher, daß man – zu konsequent war, immer fortschloß, ohne Rücksicht auf Menschenverstand; z. B. Mönchtum; Skeptizismus etc.

Nicht die Fühlsamkeit und der Enthusiasmus der jüngern Jahre ist in ältern vermindert, sondern man kann nur, bei erweitertem Ideenkreis, von andern, bessern, also seltnern Gegenständen gerührt werden.

Nichts erkältet Liebe so leicht als Beschämung.

Die toleranten Menschen haben nicht die meiste Liebe.

Freude macht aufrichtig.

Große Seelen fallen am ersten in Selbstverachtung.

Keine Absichten werden leichter und allgemeiner erraten als die des Eiteln. Dies setzt allgemeine Eitelkeit voraus.

Denken lernt man nicht an Regeln zum Denken, sondern am Stoff zum Denken.

Wie verschieden, ob man sich in die Ober- oder Unterlippe beißet!

In jeder neuen Lage tritt man ein wenig aus der Philosophie heraus.

Man wird am leichtesten verschwiegen unter Leuten, die es nicht sind.

Beredsamkeit ist bloß Deutlichkeit.

Im nämlichen poetischen Kopf verschönert sich neben der Tugend auch das Laster.

Der Autor vermengt das Vergnügen, das ihm ein Buch als Künstler gibt, mit dem, das es andern als Lesern gibt.

Alle, die nur für Leute eines Fachs schreiben, z. B. Theologen, schreiben deswegen elend.

Solang ein Mensch ein Buch schreibt, kann er nicht unglücklich sein.

Aus Instinkt übt man die feinsten Umgangsregeln aus, über die man erstaunt, wenn man sie liest.

Was man selbst erfahren, kann man auch andern vortragen, obgleich es ihnen etwas Altes ist.

Es ist die größte Weisheit, sich über die Menschen hinauszusetzen, ohne sie zu hassen oder zu verachten.

Mit manchen Dingen muß man prahlen, um sich ihrer nicht zu schämen.

Ein Mann liebt Keusche und ist es selbst nicht; bei Weibern ist's umgekehrt.

Ich wäre am begierigsten, die Fehler der Engel zu wissen.

Der denkende Teil in mir entdeckt in der Welt überall Ordnung, nur der empfindende nicht, der nicht der Zuschauer, sondern ein Glied dieser Kette ist.

Bloß darum müssen wir soviel lesen, weil wir alles in 10 Büchern lesen müssen, anstatt es aus 1 zu merken.

Der neueste Gedanke altert unter der Hand eines gemeinen Schrift(stellers), der älteste verjüngt sich unter der Hand eines guten.

Dem Talent und Körper verzeiht man alles, der Tugend nichts.

Man hat eine Wahrheit lange gehört, verstanden, gelobt, eh man sie verdauet und zum Teil seines Ichs macht.

Die Kunst des Arztes wohnt zwischen der Ohn- und Allmacht der Natur mitten.

Die Situation wird nicht durch die Worte gehoben, sondern diese durch jene.

Zur Freundschaft gehört: daß wir einander gleichen, einander in einigem übertreffen, einander in einigem nicht erreichen.

Ich habe nie eine einzige Bemerkung allein gemacht, sondern es fiel mir allezeit noch eine zweite ein.

Ich bedaure nichts, was ich auf der Erde verloren, keine Jugend und keine Freude – außer dem Verlust der hohen Vorstellung, die ich von allen diesen gehabt.

Es gibt nichts Wollüstigeres, als einen Freund zu loben.

Wenn ein Jüngling und ein Mädgen miteinander einen Fehltritt begehen, so werden beide nur von dem Geschlecht entschuldigt, zu dem sie nicht gehören.

Man verdirbt unter Leuten, die einen nicht übertreffen.

Man fühlt das Bedürfnis zu unterhalten nie, wenn man interessante Gedanken hat oder zutraut; – nicht bloß in der Liebe.

Das Gefühl findet, der Scharfsinn wägt die Gründe.

Eitelkeit ist darum so schwer abzulegen, weil man sie, unter allen Lastern allein, den ganzen Tag genießen kann.

Zwischen dem Betragen eines orientalischen und eines monarchischen Untertanen ist ein geringerer Unterschied als zwischen dem eines monarchischen und eines republikanischen.

Der Mensch hält jede Veränderung seines Innern, jede Verbesserung und sogar jede Verschlimmerung für größer, als sie ist; er wird klüger, aber nicht weiser, er ändert mehr seine Handlungen als seine Gefühle, mehr seine Einsichten als seine Meinungen, und bloß sein Gedächtnis ändert sich am meisten. Gleichwohl ist einer, der nicht den Tag, die Stunde angeben kann, wo er gut geworden, es auch nicht. Die Besserung gibt oder nimmt uns nicht Gefühle, sondern beherrscht nur die eignen – und in jedem Menschen hat die Tugend andere Neigungen zu ordnen.

Man glaubt, man erhebe sich über alle die Leute, über die man nachdenkt und Reflexionen macht.

Es ist schöner, eine schöne Gegend zu betrachten als zu betreten.

Wenn man sich in Kleidern niederlegt, fällt die Melancholie der Nacht weg.

Wir wollen gern den Wert des Genies anerkennen, aber es selbst soll's nicht.

Jeder hat in seiner Jugend etwas von einem poetischen Genie, seine Narrheit und seine Entzückung; – das poetische Genie selbst aber lebt in einer ewigen Jugend.

Man kann die feinsten Bemerkungen über den Menschen und über Individuen machen und doch von ihnen betrogen werden, d. h. sie nicht kennen.

Die Sucht, seinen Charakter zu zeigen, sieht oft ebenso falsch aus als die, ihn zu verbergen.

Im kraftvollen Zustand ist man am meisten ärgerlich, z. B. bei Arbeiten des Geistes.

An der größten Tugend ist nichts zu bewundern, weil uns das Gefühl ihrer Erreichung bleibt – aber am Talent.

Es ist leichter, eine Tugend zu übertreiben, als sie zu haben, leichter, das Gelübde immerwährender Keuschheit zu tun, als in der Ehe zu leben.

An alles Körperliche ist Geistiges geknüpft, an Eigennutz Freundschaft, an Wollust Liebe, an den Gaumen Erinnerung, an Trank Tugend.

Eine Freude darüber, daß man was Neues entdeckt, heißt eine über einen 6000jährigen Irrtum.

Ohne Philosophie steigen und sinken die Gefühle zu weit.

Es sind verschiedene Talente, eines Charakter und eines Gesinnungen und Gedanken zu erraten.

Man drückt lieber die Augen zu, als daß man die Finsternis sähe.

Gerade Unparteiische, die alle Seiten sehen, finden weniger Beifall und Freunde, als die gegen eine Seite heftig sind.

Leute mit offenliegenden Vorzügen – Schöne, Witzige und Kenner vieler Sprachen – sind eitel; mit verborgenen – Tugend, Weisheit – sind stolz.

Man widerlegt lieber den, der zu schwer, als der zu leicht zu widerlegen ist.

Daß Verstand erst mit den Jahren kommt, sieht man nicht eher ein, als bis der Verstand und die Jahre da sind.

Der hohe Haß ist wie die Tugend, ohne Worte und Hitze, aber handelnd.

Die Erde als Erde ist auch dem Sinnlichsten nichts, sondern seine Ideen darüber.

Es ist ein Irrtum, daß die edlern Neigungen vernünftiger seien als die unedlern.

Kleine Seelen fühlen in ihrem Unglück nur ihren Zustand, große noch Zusammenhang, ihr Ich.

Der Blinde kann keine solchen Schrecken haben wie wir, da er keine Finsternis kennt.

Aufopferung ist leichter als Rechtschaffenheit.

Man kann keinen Gedanken gut ausdrücken, als den man oft gehabt.

Eine humoristische Stelle glänzt am meisten in einem ernsthaften Buch zitiert.

Ein Roman ist eine veredelte Biographie.

Jeder Autor dient in seinem ersten Buch bloß seinen Neigungen – im zweiten dem Geschmack.

Der vollkommene Philosoph muß ein Dichter mit sein und umgekehrt.

Von einem in Begeisterung könnte man sogar das drucken, was er denkt.

Keiner denkt mehr frei, der ein System hat.

Warum sollt es verwegen sein, dem Kant zu widersprechen? Dann wär's auch, ihm zu glauben; weil zu einem, der seine Gründe fassen will, ebenso viel gehört als zu einem, der sie widerlegen will.

Es gehört zur Tugend und Lebensart, von andern nicht zu sehr sein Recht zu fodern.

Aus einer Frau ohne Torheiten wäre weiter nichts zu machen als – ein Mann.

Weiber und Große bleiben ewig zu klug für den Weisen.

Weiber halten die Leiden besser aus als Männer; nur die der Liebe schlechter.

Eine Frau findet zwischen zwei Männern nicht soviel Unähnlichkeit als wir zwischen zwei Weibern.

E. lobt am andern nichts, was er nicht glaubt; aber um es zu loben, glaubt er's vorher.

Gewisse Menschen wären Engel, wenn sie stärker wären, und gewisse keine Teufel, wenn sie schwächer wären.

Ein Prophet (Autor) wird von seinem Vaterland zuwenig, von seinen Freunden zuviel geschätzt.

Es stärkt einen fast, daß einem die Eitelkeit der Dinge kleiner vorkömmt, wenn wir sie geschildert, d. h. durch das Medium der Poesie erblicken.

Feine Menschenkenntnis und Beobachtung ist verschieden von ausgebreiteter und vollständiger.

Ein gewöhnlicher Kopf wagt selten etwas Kindisches.

Man errät den andern mehr durch Vermutungen als durch Beobachtungen.

Die Dummen halten alle Feinen für falsch.


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