Jean Paul
Bemerkungen
Jean Paul

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Man kann ziemlich seinen eignen innern Menschen – den moralischen, sogar den intellektuellen – kennen; aber [nicht] das Ensemble unsers äußern, den Eindruck, den unser ganzes Reden und Erschein(en) auf andere macht.

Auch die größten Menschen, die uns jetzt mit ihrer Kühnheit und Gleichgültigkeit gegen Urteile ergreifen, waren als Jünglinge furchtsam – man kommt nur allmählich zu Mut gegen und über Urteile hinaus.

Wenn von 2 Menschen der eine [ich] zum andern [Cloeter] sagt: wir verstehen uns nicht: so hat er sich eben verstanden.

Die Ärzte haben auch darum weniger Schein des Mitleids, weil sie Anschläge des Helfens haben; die Trostlosigkeit, nicht helfen zu können, hat keinen Trost als den zu weinen.

Eheweiber nehmen (vom Manne) wohl eine Belehrung, eine Voraussagung an, nie eine Widerlegung.

Zwei Irrtümer setzen unsere Handlungen für (vor) den andern in falsches Licht. 1) Je mehr wir unser Ich und den rächenden Stolz desselben genießen und zeigen, desto mehr glauben wir, unsere Freude erzeuge die fremde. 2) Je weher uns Nachgeben und Zuvorkommen tut, desto weniger setzen wir voraus, daß es den andern oder den Feind um so mehr gewinne und befriedige, und wir glauben nicht, daß unserem Gefühle gerade das entgegengesetzte antworte.

Man fürchtet den Gerechten, noch mehr den Ungerechten.

Fast alle Menschen sind gut, wenn man ihnen die Qual des Bedürfnisses, der Verhältnisse, oder der Not wegnimmt. Sie wollen alle das Beste, ohne die Kraft, es zu holen.

Ein anderes ist, wenn ein Mensch das Geld häuft, um etwas zu brauchen – ein anderes, wenn er's häuft, um es noch höher zu häufen; denn hier beginnt der Geiz; das Aufhäufen hat keine Grenze, da es selber das Ziel ist.

Es ist nicht Stolz, daß der Negersklave gegen seine Frau so herrisch ist oder jeder Oberbediente gegen den Unterbedienten – Wut und Zorn ist's gegen die höhere Ungerechtigkeit und Ungleichheit. – Der Kutscher und Jäger peitschet seine Tiere am meisten, wenn er ausgescholten worden – so die Mutter die Kinder.

Es ist physisch viel leichter, eine Nonne zu sein als ein Mönch; moralisch viel schwerer.

Nichts ist unbegreiflicher als die Ursache, warum dasselbe Weib – zu verschiednen Zeiten – so viel versagt und gewährt.

Weswegen jetzt die Ehen unglücklicher sind gegen sonst, ist, weil die mehr empfindsamen Männer die Frauen mehr zur Empfindung aufregen, die dann nach ihrer Ungemessenheit ins Unendliche geht. Sonst zeigte ein Mann seine Empfindung durch Tat im Leben; und da war es vorbei; jetzt fodert ein Wort das andere.

Der edlere Mensch verschlimmert sich mehr durch das Unterlassen guter Menschen (Freunde) als das Unternehmen böser.

Auch in der Ehe etc. gilt's, ein Wort ist giftig-durchgreifender als eine Tat, weil diese viel-, jenes nur eindeutig ist. Jene offenbart nur den Augenblick, dieses das Herz. Es gibt in der Ehe etc. Worte, die man zu entschuldigen nicht braucht, aber auch nie vermag und denen [man] nichts vorwerfen kann als ihr Dasein. Doch die rechten eigentlichen Donnerworte sind nicht die in Leidenschaft – dann gehören [sie] ja zur Tat selber –, sondern die in der Ruhe und Unbefangenheit gesagten.

Je älter man wird, desto mehr schätzt man Ordnung.

So treulos auch die Frauen gegen Männer scheinen, so sind sie es doch mehr gegen Frauen. – Keine ist gegen die andre ehrlich (auf Kosten der Männer und ihrer). – Kurz, sie wissen doch zu schweigen.

Eine Gattin verzeiht leichter Untreue und Freude an fremden Reizen, als Kälte gegen ihre.

Man erzürnt sich immer mehr gegen einen, für den man erst den Zorn einige Zeit aufheben muß – und genade ihm dann Gott!

Ich begreife, wie man ein Tyrann sein kann; aber nicht, wie man einer einen ganzen Tag lange sein kann.

Das Unrecht, das dir geschieht, treibe rächend ab, aber nicht als Individuum, sondern als Menschheit; diese soll sich nichts gefallen lassen.

In der Politik errät sogar das Publikum stets das Listige und Feine; nur das Große und Reine allein ist dazu gemacht, nicht geahnet zu werden.

So lange man lieset, besinnt man sich auf all(es), nur nicht auf sich.

Man sollte niemand über Furchtsamkeit tadeln, bis man weiß, wie wenig oder viel er dagegen gearbeitet.

Ein Buch ist für das Volk ein Stück Kirche oder Religion.

Je älter man wird, desto mehr will man gewöhnlicher erscheinen, um nur nicht die Mühe zu haben, bemerkt zu werden.

Was der Mensch von Menschen erfährt, erträgt er weniger, weil ers mehr der Freiheit als dem Schicksal zuschreibt.

Wenn du in der Hitze glaubst, du sprächest stark in der Gesellschaft oder zu einem Menschen: so sei versichert, du sprichst zu stark.

Die Weiber sind verdrüßlich (eigentlich herrisch und auffahrend wie bei dem Anputz, daher die Römerinnen da so viele Grausamkeiten verübten), wenn sie Wäsche haben; die Männer, wenn sie nur waschen sehen, besonders die Zimmer.

Man hält so oft den Vorsatz des Autors, nicht mehr so zu schreiben wie in der Jugend, für Unvermögen, so fortzufahren.

Der Mensch gibt leichter das Leben auf, als die Mittel zu leben. (In Belagerungen sind sogar Weiber mutig, im Frieden nie.)

Im jüngsten Kinde ist am meisten zu gewinnen durch Gewohnheit – unterwegs bis zur Mannbarkeit ist, glaub ich, weder durch Gewöhnen noch sonst viel zu bestimmen. – Hingegen mit der Mannbarkeit oder der Jünglingsschaft fängt ein neuer Frühling an, der nicht einmal im Manne wiederkehrt und der alles bestimmt, oft in einem Tage oder durch einen Menschen. Die Lebenszeiten der Menschen gleichen Jahreszeiten; in ihrem Anfange säe; der Fortgang reift bloß.

Man sage nicht, daß man einen Menschen kenne, geschweige eine Frau, ohne in ein Handels Verhältnis damit gekommen zu sein. Schaue eine schöne, milde, liebende Frau wochenlang an; und höre ihre Worte: sie sagt doch nur ihre Vorsätze, Poesien, Wünsche und alles, was sie in ihrer Kraft selber glaubt. Aber sie handle im Ungestüm der Verhältnisse und im Widerstreit zwischen sich und außen und dir: dann zeigt sichs.

Der große Unterschied zwischen verheirateten Männern und Frauen ist noch der: jene haben ein ganzes Werk zu machen, das in einer bestimmten Zeit fertig sein muß – diese können spielend an ihrem Werke fortschaffen, ungehindert.

Die schwachen Menschen widersetzen sich einem Ent- und Einwurf gegen ihr Leben am stärksten, aus Bewußtsein ihrer ewigen Nachfolgsamkeit; – schweigt man darauf, so tun sie, was sie verneinten.

Das meiste und Gewöhnlichste, was Jugendfreunde nach spätem Wiedersehen aneinander bemerken, ist, daß sie dicker geworden.

Der Mensch fodert nach jeder Unterwerfung noch eine tiefere; unrechtm(äßiger) Widerstand ist ihm verhaßter als unrecht(mäßiges) Nachgeben.

In der Ehe gilt Verstand (zumal des Weibs) weit mehr als Liebe. Diese hält nicht lange nach, wird leicht gestört und bringt nie in Ordnung. Also bildet eure Töchter verständig, nicht bloß liebend.

Was für Weiber Romane, können für Männer leicht Geschichts- und Reisewerke werden, ja noch anziehender; ein sanftes Unterhalten des Geistes ohne Anstrengung; noch unterhaltender durch die Wahrheit, durch Schlüsse daraus – aber man kann darüber das eigentliche schwere Arbeiten vergessen. In jeder Geschichte steckt ein Roman, aber nicht in jedem Roman Geschichte.

Warum man die Weiber so haßt, ist, weil jede Schönheit nicht eine, sondern alle Tugenden verspricht – weibliche Schönheit ist gleichsam poetische Darstellung des Sittengesetzes – und weil man zwar die Liebe findet und dann viel schließt, aber so oft weiter nichts findet. Dazu kommt noch, daß der Mann sogar den Verstand voraussetzt, als im Kaufe dreingegeben.

Vielleicht entsteht Menschen-Verachtung weniger aus Beobachtung ihrer Schlechtigkeit als ihrer ewigen Wiederholung, nämlich der Wiederkehr von Glanz in Schatten.

Die Menschen und Kinder bedecken beschämt nicht das Gesicht, um es andern zu verbergen, sondern um andere sich zu verbergen, da in der Scham menschliche Gegenwart zu hart anfaßt.

Daß im Ganzen die Menschen nicht im Glücke besser, sondern schlechter werden – leichter umgekehrt im Unglück – beweist hart gegen sie.

Bei den Weibern, ja allen Menschen löscht die letzte Handlung tausend vorhergehende Wohltaten aus, so sehr sind die Gefühle nur Geschöpfe des neuesten Augenblicks.

Überall ist die Zeit der Jugend die der Tugend; später und älter geben sich die Weiber hin; so in Ehrenstellen die Männer.

Es gibt Menschen, denen jedes Lob Tadel ist, das nicht das größte ist.

Im Moralischen darf man um keinen Rat fragen; nur fragen, wie, nicht ob man zu handeln habe. Aber der Mensch versteckt gern das Ob und Wie hintereinander. So will er stets nur Bestätigungen (Ratifizierungen) seines Entschlusses, nicht Angaben desselben.

Einen Menschen beobachten heißt nicht, sehr aufmerken auf ihn, sondern ihn rück- und vorwärts mit seiner Gegenwart vergleichen – und ihn nicht mit mir und umgekehrt vergleichen.

Das Entscheidende bei Autoren und Fürsten ist weder die Kenntnis der Menschen noch die des Menschen, noch weniger die des einzelnen, sondern die Vereinigung davon.

Weibliche Energie ist oft dem Gatten schädlich, wenn er 1) schwach ist – dann beherrscht und entzweiet sie ihn – und dann 2) wenn er stark ist; denn selten bringt er durch bloße Gründe ihr seine Vernunft bei, und die Klügere widerstrebt unklüger als die Dumme.

Jedes Tun in der Ehe und Gesellschaft wird stärker, wenn man den andern nicht darauf hinweist und ihm die eigne Reflex(ion) darauf verrät; eigne Handlungen soll man so wenig erklären als eigne Bonmots.

Woher kömmt's, daß das gelesene oder erlebte Beispiel der größten moralischen Aufopferung etwas Süßes und bloß Liebenswürdiges und Anziehendes für uns hat, das Gebot selber aber in einer Sittenlehre etwas Zurückstoßendes?

Wie man kein Prophet im eignen Vaterland ist, so auch kein Redner und Beredner gegen die eigne Frau.

Die Ehen werden so schlecht, weil die Männer sich nicht entschließen können, Liebe an die Stelle der Kraft und der Gründe zu setzen und nur mit Recht und Stärke wirken wollen.

Man kommt in der Ehe am besten aus, wenn man nicht liebt; sowie am besten, wenn man bloß liebt.

Viel läßt sich von einem Mann erraten, wenn man ihn das einem andern erzählen hört, was man mit ihm selbst erlebte als Augenzeuge.

Die Liebe will 1 Menschen; die Wollust alle Menschen; nur hat diese dann nicht genug; jene aber an 1 die Unendlichkeit.

Man muß, schon aus Welt, dem andern auch nicht das geringste Unangenehme sagen, sobald man nicht ihn oder sich bessern damit will oder kann. »Sage nicht zum Mietsherrn, deine Zimmer haben keine Morgensonne.«

Den Männern sind in der Ehe (auch von Fremden) nur Gründe nötig, den Eheweibern Autoritäten; denn der Mann ist, gegenüber ihrem Willen, keine mehr.

Im Buche oder Lebensbeschreibung verliert ein Corneille oder Lafontaine nichts dadurch, daß er im wirklichen Leben nicht reden kann; aber im Leben können wir uns nicht daran gewöhnen und tragen mehr den Menschen in den Autor als diesen in den Menschen hinein.

Die Menschen rechnen einem nicht an, wo man ihnen Recht gibt, sondern nur, wo man ihnen Unrecht gibt.

100 000 etc. gute Handlungen können das Herz nicht für eine böse entschädigen, schuldlos machen oder beruhigen – so sehr sind wir zum Guten geboren.

Wer Ruhm hat, fragt nach der Ehre weniger.

Die körperliche Liebe begehrt Wechsel, die geistige dieselbe Person.

Manche suchen aus Eitelkeit stolz zu sein.

Um geistreich zu sprechen, habe man – wenn man es auf irgendeine Art ist – nur den Mut, alles auszusagen. An der Furcht stirbt das Genie.

In bösen Augenblicken der Ehe rechnet der Mann immer die eignen Tugenden auf 1 Summe zusammen; nun so rechne er auch die seiner Frau so auf.

Viel Zänkereien in der Ehe kommen davon, daß man verlangt (fordert), der Gatte soll die Liebe erraten, die man auszusprechen zu stolz oder zu schamhaft ist.

Für Kinder fällt Lob und Liebe der Eltern in eins: 'das ist schön, daß du den Schlüssel aufhebst.' Hier zugleich Gefühl fremder Achtung und Liebe und eignen Werts.

Die nüchternen Weiber sollten einmal es versuchen, so nüchtern zu urteilen als die Männer, wenn sie selber und jene es nicht sind.


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