Jean Paul
Bemerkungen
Jean Paul

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Schwachheit (das Nachgeben, Verändern) der Männer macht die Weiber listig.

Man kann vieles als so scharfe Axiomen sagen, wodurch durch ein Leben gehandelt worden und werden soll, wenns recht geht, und welche unmöglich gerade bei Anlaß des Gesprächs können erfunden sein und werden – und die es doch sind.

Durch übertriebnes Lob (aus wahrem Herzen) wird niemals vor dem Gegenstand übertriebner Tadel (aus wahrem Herzen) gut und süß gemacht.

Alles ist eher in einem Staate ins Reine und Vollkommene zu bringen, Ausübung der Justiz – Rechte – Kammer –; nur die Besetzung der Stellen, zumal der hohen, offenbart sich als Fleck jedes Staats.

Nicht Mangel an Ideen – denn man hat immer welche –, sondern an neuen macht Langweile.

Man (ein Mann) kann zu leicht Anmerkungen, die auf die Menschheit passen, auf die Weiber allein machen und beziehen, weil diese mehr außer uns gehören und wir sie anschauen, die Männer aber in uns.

Der Wegreisende glaubt stets, weiter zu sein als der Dableibende.

Ach, aller Zank und Haß wäre geschlossen, wenn man sich bei dem Beleidiger mehr hell dächte, was er sich ist, als was er uns ist; wie er seinen Wert behauptet, wenn er irrend unsern bekriegt. Der Ehemann muß sich der Liebe seiner Frau gegen ihn erinnern, aber nicht als Liebe gegen ihn, sondern als Zeichen ihres Werts.

Nicht sowohl der Verstand kommt nicht vor den Jahren als die rechte geistige DenkFreiheit.

Derselbe Mann, der uns anfangs mit seinem Nachsprechen unserer Ideen Freude macht, wird uns in schwierigen Fällen lästig und verhaßt, wo er unserer Furcht nicht widerspricht und uns keinen Rat erteilt oder keine Hoffnung.

Mangel an Verschwiegenheit entsteht meistens aus Mangel an Redestoff.

Die Worte des Ehemanns wirken höchstens auf die Ehefrau, wenn er sie einer fremden vorsagt.

Das Altertum schrieb reiche, große, edle Worte auf – die Neuen mehr witzige. – Die jetzigen moralischen Anekdoten zeichnen mehr die Menschenliebe; die alten die Tapferkeit und jede Größe. Wir können überhaupt jetzt leichter einen Historiker als einen Plutarch ernähren.

Ein Mann hält die Bücher rein, nicht die Westen, Weiber umgekehrt etc.

Nicht die Frau, die Kinder binden den wagenden Mut, weil wohl jene mit uns tragen kann, da sie sich mit uns entschließt, diese aber noch keine Kräfte zum Entschließen und Tragen haben.

Menschen von einigem Talent (wie Erhard) haben sich so sehr mit den gestickten Gewändern des Jahrhunderts umhangen, so viel Fremdes, was schön ist, umlegt ihr Eignes, das auch schön ist, daß man kaum zum eigentlichen Wesen durchdringen kann. Nehmt ihnen die Zeit ab: wie wenig sind sie von denen verschieden, auf die sie herabsehen! – Es sollte eine Abschälungstheorie geben, um den, der viel von der Zeit geborgt, doch nicht über den zu setzen, der wenig geborgt.

Eine Stadt imponiert anfangs, als wären ihre großen Häuser und Gassen eine Masse zum Befehlen – bis man endlich sieht (und zu ihr gehört), daß alles sich wie im Dorfe in Einzelne zerteilt.

Keinen Titel zu haben schadet oft darum bei Bekannten, weil sie nicht mit unserer Freundschaft prahlen können.

Nicht die Jünglinge sollten so oft klagen, daß sie einsam wären, keine verwandte Seele fänden – sie meinen nur eine weibliche –, sondern die Männer und Alten sind und werden einsam – niemand ist einsamer als ein Mann, es müßte denn ein Greis sein. Der Jüngling hat sich noch nicht in sich abgeschlossen und lässet sich von jeder Windseite bilden, beugen und Blumenstaub zublasen; hingegen der Mann hat sich gegen Männer, Welt gegen Welt fest gegründet, und sie können nicht mehr aneinanderlaufen.

Lust und Not – durch beides zugleich ist freilich jedes Weib zu gewinnen.

Die Urteile der Männer über Menschen wägen den Gehalt bloß ab, um Kenntnis zu haben; die der Weiber über Menschen, um zu lieben oder zu hassen; daher jene vielseitiger sind.

Leichter heiratet ein Mann eine Frau aus niederem Stande hinauf als eine aus höherem herab; die Hof-(Stadt-)kunst ist bald gelernt, aber nicht so die Küchen- und Haushaltungskunst, sogar bei der Lehre des Vaters.

In Gesellschaft macht der Witz eine Lücke und Finsternis durch Blenden; hingegen Laune ergötzt in einem fort.

Gäb es nur eine höhere Gattung Tiere: schwerlich würden wir sie martern; so sehr nimmt uns die herabsteigende Stufenfolge oder d(ie) Grenzenlos(igkeit) den Maßstab.

Ich kenne sehr geschmackvolle Leute, welche die langweiligsten Gesellschafter sind, weil sie immer nur zu fühlen und zu schmecken gewohnt sind und andern folglich nichts zu fühlen und zu schmecken geben.

Jeder Freund hält es für den größten Genuß, dem andern die Wahrheit zu sagen – am Hören findet keiner einen sonderlichen.

Die Einschaltung des Mannes in die Staats-Fachwerke gewöhnt die nachfühlende Frau an eine ähnliche Einschaltung ins Ehe-Fach. Ein freier Dichter hingegen hat es schwerer, zu seiner Frau zu sagen: »bedenke!«-

Es ist schlimm, daß man vor lauter heißerer Liebe zu Freunden ihnen gerade das Bestimmteste über ihre ganze Lage zu sagen wagt.

Keine Frau könnte durch das Ankleiden so viel gewinnen als sie verliert, wenn man ihr dabei zusieht.

Die einfachsten Menschen hör ich die feinsten Vermutungen äußern, wenn der Schritt etc. eines Gesandten, Ministers politisch zu erklären ist.

Einer kann stets sein Wort halten, seine Vorsätze ausführen und doch veränderlich sein; er führt nämlich nur die gesagten aus; aber in den gedachten ist er veränderlich; und niemand weiß es.

Man muß, um einen Menschen zart und fein zu behandeln, nicht bloß nach der hohen Achtung messen, die man für ihn hat, sondern auch die (vielleicht irrige) Achtung erraten, die er für uns hegt und nach deren Größe ihn unsere Vernachlässigungen schmerzen.

Es gibt gewiß bloß darum vieler glücklichen Ehen mehr, weil der Mann nicht mit zu erziehen suchte.

Ein Lehrer, Hausvater ärgert sich gerade über die wiederkommenden Fehler am meisten, da ers als über in der Natur gegründete am wenigsten sollte.

Nirgends ist mehr Kriegsenthusiasmus als in der Hauptstadt, weil nie oder selten der Krieg dahin kommt. Eine Provinzialstadt voll Kriegslust wäre etwas Höheres.

Man tadelt den eignen Hund, der an jedem Fremdling aufhüpft, liebt es aber, wenn es uns geschieht; so hassen wir unsern Schmeichler nicht so sehr als einen fremden.

Durch Tadel wird man öfter mehr vorsichtig und klug als besser.

D(er) Treulose macht Treulose; wer kein Wort hält, findet keinen Worthalter mehr.

Wenn man in Gesellschaft ein lobendes Urteil fällt, darf man es in starke Ausdrücke zusammenfassen. Hingegen bei einem Tadel muß man nur die Gründe, keine Benennungen sagen, 1) weil man dem fremden Urteil vorgreift 2) weil der andere leicht an unsern frohen, aber nicht [an] zornigen Ausbrüchen Anteil nimmt 3) weil der Gegenstand des Tadels nicht Gründe, nur Namen rächt. Man darf sagen: A. ist ein Engel! – nie aber: A. ist ein Teufel!

Ein Mann wie Voltaire taugt(e) zu keinem ewigen Hofmann, weil seine Kraft die Ebene und Leichtigkeit der Geselligkeit unterbrach.

Durch Trinken vor der Ehe gewöhnt der Mann die Geliebte an übermäßige Liebeszeichen; in ihr hat es entgegengesetzte Folgen.

Weiber hassen an Weibern, nicht an Männern Eitelkeit und Stolz.

Fiel einer einmal in den Verdacht der Eitelkeit: so wickelt er sich nicht mehr daraus heraus, er handele, wie er will.

Die Toleranz ist leichter gegen den, der schlecht handelt und sich dafür hält, als gegen den, der gemein egoistisch etc. handelt und sich für edel nimmt.

Durch übermäßiges Lob wird der Autor nicht für übermäßigen Tadel entschädigt. Jenes nimmt das halbe Vergnügen (und gibt weniger als gerechtes Lob) durch die Unvollkommenheit des Lobredners und durch die Erinnerung an die gelobten Vorzüge, deren man eben entbehrt. Überm(äßiger) Tadel verwundet 1) durch Nachsprechen 2) fremde Unvollkommenheit 3) eigne Geneigtheit, ihm zu glauben 4) Gefühl der Beleidigung.

Man muß nie dem einen leidenschaftlichen Ausbruch zeigen, der dessen Ursache nicht kennt.

Ein berühmter Mann schreibe ein Buch mit Gründen, z. B. gegen den Eid – man vergißt, zitiert, widerlegt das Buch – aber er lasse in einem ganz davon fremden Werke, z. B. wie Lessing, Schiller etc. ein Wort dagegen fallen ohne Gründe: man zitiert ihn als Autorität.

Dies ist die Probe, wie hoch man einen andern Menschen stelle und liebe, inwieweit man von ihm in Rücksicht der Glücksgüter abhängig sein will. Nur dies Gefühl entscheidet über die Ansicht fremden Gehalts.

Darum, weil es eine erste Liebe gibt – und Flitterwochen – und Ideal der Jugend und Kindesliebe: so gibt es auch erste Freundschaft; aber der Gegenstand ist nicht sein Wert.

Kein Mensch nennt sich dümmer als den andern; kein Zeitalter nennt ein voriges klüger, sich bloß schlimmer und klüger.

Nicht nur zu einem Lügner – oder zu einem Spieler – gehört Gedächtnis, sondern besonders zu einem Weltmann und Gesellschafter.

Man fühlt in sich zweierlei Tugenden 1) moralische Anlagen (Tendenzen), welche man (dies ist man sich bewußt) in allen andern Verhältnissen und Umgebungen erhalten und bewahrt hätte – 2) gewonnene, gleichsam klimatische Sittlichkeit, für deren Bestand in ganz anderem Boden der Erziehung etc. uns unser Gefühl nichts verbürgen will.

Man denkt sich fremden Haß gegen uns viel heller und ergreifender als das fremde Lieben. Besonders stellt man sich in der Ehe jenen heller vor als dieses.

Man bereuet mehr die Feigheit als die Kühnheit des Handelns, insofern jede von beiden echt gewesen.

Warum hängt auch dem redlichst-liebenden Mann, der sein Seelenglück in einer weiblichen Seele gefunden, noch etwas von dem Bestreben an, auch eine zweite ebenso edle Seele für sich zu haben, als obs nicht an einer genug wäre? –

Die größte Schlechtigkeit der Menschen hab ich in Predigten gefunden – nicht über jene, sondern an diesen. In Kant, Fichte, Schelling find ich nichts, als was rein stärkt oder erhebt oder begeistert.

Bücher und Anstalten etc. wirken zwar wenig auf einzelne Menschen, aber dadurch, daß sie zur Sitte arten, auf Völker.

Die Weiber halten Bücher nicht viel reinlicher als wir Schals etc.

Man muß seine Frau lieben – oder seinen Mann – wie die Kinder; man findet bessere und schönere; aber man vertauscht doch nicht. Man schlägt die Kinder und verläßt sie doch nicht.

Man idealisiert jeden, den man zum ersten Male sieht – entweder auf- oder abwärts.

Nie sollte der Mann zärter gegen die Frau sein als nach einem Geschenk, um ihr jetzt das Gefühl der Verbindlichkeit zu erleichtern.

Entweder das Neueste oder das Älteste (aus der Jugend) gefällt auf Reisen. Am Ende gibts kein Neuestes mehr, aber das Älteste wird älter.

Bei weiblichen Gesprächen hört man von weitem ewig(es) Lachen.

Ich habe wohl eine männliche Gesellschaft nacheinander reden hören, aber keine weibliche.

Der bessere Sonntagsanzug gibt bei dem Volke der Kirche Heiligkeit und predigt früher als der Mantel des Pfarrers.

Oft besteht die größ(ere) Kraft eines Mannes weniger darin, wie er ein Amt verwaltet, als wie [er] in dasselbe gelangte.

Man läßt in (nach) langen Disputationen so gern die Beisätze und Sätze des andern gelten, wenn unsere vorher gegolten.

Bei dem weiblichen Geschlecht wöchentlich wenigstens 1 Tag des Neids, der h[eilige], der Sonntag.

Sosehr man über die Unfähigkeit der Weiber lärmt, mehr bloßen Verstand zu verstehen, als Gefühle nachzufühlen: so ärgert man sich doch wieder – wenn man ihnen eben diese Bemerkung gesagt –, daß die Hoffnung der Besserung nicht eintrifft, die sich ja nur auf das Gegenteil der Bemerkung gründet.

Jeder, der Unsterblichkeit auf seinem Wege errang, begreift nicht die Anstrengungen eines andern, z. B. Bonaparte, der sie auf einem andern sucht, und tadelt die Anstrengung.

Der Geizige ist eine beinah poetische Besonnenheit der Gegenwart; er sieht alles, wenn auch zu anderm Zweck als der Naturforscher und Dichter.

Der Ehemann sollte bei allen Tadlungen und Befehlen an seine Frau vorzüglich bedenken, daß ihr, da sie sich untergeordnet und unterwürfig dem Recht oder der Gewalt fühlt, alles viel härter vorkomme.

Wie anders ist die Bewunderung im 20. und die im 40. Jahre! Jene nimmt man oft zurück, und sogar bei dem höchsten Grade hat man noch eine geheime Hoffnung, den Gegenstand zu erreichen. Wen ich aber jetzt bewundere, hoff ich nie zu erreichen und bewundere ihn desto mehr.

Die rechte unwillkürliche Originalität ärgert sich, daß nicht jeder ist wie sie –, die scheinbare will gar nicht, daß andere sind wie sie.


 << zurück weiter >>