Karl Immermann
Tulifäntchen
Karl Immermann

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3. Balsamine

Widerspruch, du Herr der Welt!

          Als die Götter aus dem Chaos
Buken diese Welt, die nicht'ge,
Sah sie aus wie ein Gebäck,
Das sich durfte sehen lassen,
Rund und glänzend, braun und schier,
Eingefaßt von schmucker Rinde.
Doch im Innern blieb sie Chaos
Bis ins tiefste Eingeweide.
Und sobald die Rinde birst,
Streckt des Chaos Sohn, der Dämon,
Neckisch vor das irre Haupt,
Streckst du vor das Haupt, das hinten
Trägt die Augen, vorn das Haar,
Oberwärts die Nas' und unten
Einen quergefügten Mund,
Streckst du vor die Wunderglieder,
Widerspruch, o Herr der Welt!

Tränen, so die Freude weint,
Sind die Zeichen deiner Herrschaft,
Und wenn die Verzweiflung lacht,
Klinget deines Ruhms Trompete.
Wenn die Braut, im Herzen Glut,
Ficht im Zeichen spröden Schämens,
Wenn ein langersehntes Glück,
Kaum erlangt, uns angewidert,
Dann, wie oft noch sonst im Jahr,
Feierst du die hohen Feste,
Widerspruch, o Herr der Welt!

Und im Liede nur erschölle
Nicht dein mächt'ges Herrscherwort?
Sind doch unsre armen Reime
Auch ein Stückchen Welt; erkennen
Müssen sie ja wohl den Meister.
Rebellion und Hochverrat
Bleibe meiner Seele ferne!
Nein, ich beuge dir mein Knie!
Unter deinem milden Zepter
Lebt man herrlich und in Freuden.
Ordnung und Zusammenhang,
Diese Polizeiverwalter,
Hast du gnädigst abgesetzet;
Wir vergessen, was wir sangen
In den früheren Romanzen,
Und wir falln aus dem Charakter,
Ohn' uns just den Hals zu brechen.

Lebe hoch, du milder Fürst,
Lebe hoch, du güt'ger König,
Sohn des Chaos, mächt'ger Dämon,
Widerspruch, du Herr des Liedes!
Widerspruch, du Herr der Welt!


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