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Tulifäntchen kommt und spricht: 
        Aus dem Stübchen, eng, umgrünet 
        Von der Linde, der Akazie, 
        Aus dem Stübchen, das die Malve 
        Anlacht mit dem runden, roten 
        Vollgesichte, schickt der Vater 
        Mich zur großen Stadt Paris.
        Daß ich in den langen Gassen 
          Mir nicht selber komm' abhanden, 
          Gab er mir an dich Adresse. 
          Schütze du mit deiner Weisheit 
          Vor Verführung, Trug und Unstern 
          Meine unerfahrne Tugend 
          In dem Sündenlabyrinth! 
Tulifäntchen kommt und spricht: 
          Von dem Vater soll ich melden, 
          Er sei ganz und gar der alte 
          Grillenfänger, unter strengem 
          Zauberbanne Wechsel duldend, 
          Jetzt in trostlos-öde Wüste 
          Hingeschleudert und zurücke 
          Dann mit einem Schlag geschmeichelt 
          In das jüngste Paradies. 
          Manch ein Edler will ihn anders, 
          Er will manchen Edeln anders, 
          Er bleibt er, sie bleiben sie, 
          Und so leben Welt und Dichter 
          In dem wunderbarsten Einklang. 
Tulifäntchen kommt und spricht: 
          Ich bin nur ein winz'ger Bursche, 
          Ich bin nur ein armes Garnichts. 
          Mein Verdienst, vom Sonnenstäubchen 
          Wird es weidlich überwogen. 
          Doch der Vater sprach, mir solle 
          Nicht das Herz darob erkranken. 
          Jeder zeige hierzulande 
          Sein Gesicht, krumm oder grade, 
          Wie's gewachsen sei; erfrage 
          Nicht danach, ob seinem Nächsten 
          Krämpfe vom Aspekt entständen. 
          Darum soll' auch meines herzhaft 
          Ich nur weisen allen Leuten, 
          Denn mir habe keiner jemals 
          Was geschenkt, so hab' ich keinem 
          Deutschen Landsmann was zu danken, 
          Und wer nicht mich ansehn wolle, 
          Lass' es bleiben immerhin! 
Tulifäntchen kommt und spricht: 
          Noch ein Gleichnis gab beim Scheiden 
          Mir der Vater auf den Weg mit: 
          «Lieder sind wie junge Vöglein, 
          Welche flattern flügg' vom Neste. 
          Nahe lauscht ein dummer Jammer, 
          Schlägt mit seiner plumpen Keule 
          Nach den leichten; doch die Schwingen 
          Tragen unverletzt sie fürder. 
          Flatternd spähn sie da und dorten, 
          Bis sie ruhn auf wackern Händen, 
          Auf dem Knie der schönen Frauen, 
          An der Brust geliebter Mädchen. 
          Dann die Kehlen öffnend, gießen 
          In den Äther sie die Seele, 
          Daß der Dichter, schleicht er eben 
          An so guter Statt vorüber, 
          Wundernd fragt beim feinen Schalle: 
          Ist das meine Brust, der Tausend! 
          Die dort singt so nett und süß?» 
Tulifäntchen kommt und spricht: 
          Zur Genüg' ist nun geplaudert. 
          Nimm mich auf die Hand, du Wackrer, 
          Wollen sehn, ob ich den Schnabel 
          Auch dann öffne zu dem bißchen 
          Melodie, das sich im kleinen 
          Körper einquartieren konnte! 
          Viel ging freilich nicht hinein.  |